Kategorie: Strafrecht

Strafrecht 2023 #12

ANOM-Chatverlauf: Beweisverwertungsverbot Die Erkenntnisse aus der Auswertung gesicherter Chatverläufe des Krypto-Messengerdienstes ANOM sind mangels Überprüfbarkeit, was zu einem Beweisverwertungsverbot führt, nicht verwertbar. OLG München, Beschl. v. 19.10.2023 – 1 Ws 525/23 Klageerzwingungsverfahren Die Beiordnung eines Notanwalts analog § 78b StPO im Klageerzwingungsverfahren kommt nur ausnahmsweise in Betracht. Ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 172 ff. StPO ist […]
Der Beitrag befasst sich mit dem relativ jungen Phänomen der Super-Recognizer als Beweismittel im Strafprozess. Neben der Suche mit Mantrailer-Hunden und der Beweismittelgenerierung durch virtuelle 3D-Raumsimulationen wurde dieses „Beweismittel“ durch den Verfasser im Panel „Suspekte Beweismittel“ auf dem 44. Strafverteidigertag in Berlin vorgestellt. Ein Abdruck des Beitrags wird daher auch im Tagungsband zu zum 44. Strafverteidigertag erfolgen. […]
1. Das grundrechtsgleiche Recht des Art. 103 Abs. 3 GG enthält kein bloßes Mehrfachbestrafungsverbot, sondern ein Mehrfachverfolgungsverbot, das Verurteilte wie Freigesprochene gleichermaßen schützt. 2. Es entfaltet seine Wirkung auch gegenüber dem Gesetzgeber, wenn dieser die gesetzlichen Voraussetzungen für eine erneute Strafverfolgung durch die Wiederaufnahme eines Strafverfahrens schafft. 3. Das in Art. 103 Abs. 3 GG statuierte Mehrfachverfolgungsverbot trifft eine […]
1. Für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer wegen Gefahr im Verzug durch die StA angeordneten Durchsuchung ist allein die Lage zum Zeitpunkt der Anordnung und nicht der weitere Geschehensablauf maßgeblich. 2. Die StA ist nach einer von ihr rechtmäßig erlassenen Eilanordnung nicht gehalten, nachträglich eine richterliche Genehmigung der Maßnahme einzuholen. 3. Ein etwaiger Verstoß gegen […]
Ein konsensualer Verteidigerwechsel ist zulässig, wenn der ausscheidende Pflichtverteidiger einverstanden ist und der Staatskasse keine Mehrkosten entstehen. (Leitsatz des Verfassers) BGH, Beschl. v. 10.8.2023 – StB 49/23 I. Sachverhalt Umbeiordnung wird abgelehnt Dem Angeschuldigten wurde am 6.4.2022 noch im Ermittlungsverfahren Rechtsanwalt H als Pflichtverteidiger bestellt. Nachdem der GBA gegen den Angeschuldigten und mehrere Mitangeschuldigte beim […]
Zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Adhäsionsverfahren. (Leitsatz des Verfassers) BGH, Beschl. v. 14.2.2023 – 2 StR 403/22 I. Sachverhalt PKH für das Adhäsionsverfahren beantragt Die Neben- und Adhäsionsklägerin hatte beantragt, ihr für das Revisionsverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Adhäsionsverfahren zu bewilligen. Der BGH hat den Antrag abgelehnt. II. Entscheidung Darlegung der […]
1. Ob eine Unterschrift des Richters den Anforderungen des § 275 Abs. 2 S. 1 StPO genügt, hängt maßgeblich davon ab, ob der Unterschrift die Urheberschaft zu entnehmen ist. Auch wenn die Unterschrift, die aus dem Familiennamen des Unterzeichnenden zu bestehen hat, nicht lesbar sein muss, so muss sie ihren Urheber erkennen lassen. Steht die Urheberschaft außer Frage, […]
Eine unterjährige Änderung des Geschäftsverteilungsplans, mit der bereits anhängige Verfahren übertragen werden, ist allein dann zulässig, wenn nur so dem Beschleunigungsgebot angemessen Rechnung getragen werden kann. (Leitsatz des Verfassers) OLG Brandenburg, Beschl. v. 17.8.2023 – 2 OLG 53 Ss 80/22 I. Sachverhalt Das AG hat den Angeklagten am 18.3.2020 u.a. wegen (vorsätzlicher) Körperverletzung, Bedrohung, Widerstand […]
1. Wurde einem Angeklagten ein Betreuer mit dem „Aufgabenkreis Vertretung gegenüber Behörden“ bestellt, liegen in der Regel zugleich die Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 StPO vor. 2. Bei der Frage, ob die „Schwere der Tat“ eine Pflichtverteidigerbestellung erfordert, sind neben der zu erwartenden Strafe auch sonstige schwerwiegende Nachteile zu berücksichtigen, wie beispielsweise die drohende Unterbringung in […]
1. Bei der Prüfung niedriger Beweggründe darf nicht nur auf den Zeitpunkt der Tötungshandlung abgehoben werden, sondern es sind auch vorangegangene Misshandlungen des späteren Opfers in die Gesamtwürdigung einzustellen. 2. Verneint das Tatgericht niedrige Beweggründe, da in einem Motivbündel zumindest eines von mehreren möglichen Motiven für die Tat nicht auf sittlich niedrigster Stufe anzusiedeln sei, […]
Der Anbau von Betäubungsmitteln in Form der Aufzucht umfasst sämtliche gärtnerischen oder landwirtschaftlichen Bemühungen, um Wachstum von in den Anlagen I bis III zum Betäubungsmittelgesetz genannten Pflanzen zu erreichen (Leitsatz des Verfassers) BGH, Urt. v. 6.9.2023 – 6 StR 107/23 I. Sachverhalt Betrieb einer Cannabisplantage Das LG hat den Angeklagten (nur) wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben […]
1. Wird vom Angeklagten ein Nachtrunk behauptet, hat das Gericht – vor der Rückrechnung – zunächst zu prüfen, ob die Nachtrunkbehauptung als glaubhaft zu bewerten ist. Kann die Behauptung eines Nachtrunks nicht mit der erforderlichen Sicherheit widerlegt werden, so muss es klären, welche Alkoholmenge der Angeklagte maximal nach der Tat zu sich genommen haben kann. […]
Für die Vollstreckung von vor dem 1.10.2023 rechtskräftig angeordneten Unterbringungen in einer Entziehungsanstalt finden – von § 67 StGB abgesehen – die aktuell gültigen Vorschriften des StGB Anwendung. (Leitsatz des Gerichts) OLG Celle, Beschl. v. 20.11.2023 – 2 Ws 317/23 I. Sachverhalt Unterbringung in der Entziehungsanstalt für erledigt erklärt Das LG hatte den Verurteilten mit Urteil […]
Das Recht, Maßnahmen der öffentlichen Gewalt ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen auch scharf kritisieren zu können, gehört zum Kernbereich der Meinungsfreiheit, weshalb deren Gewicht besonders hoch zu veranschlagen ist. (Leitsatz des Verfassers) LG Mannheim, Urt. v. 27.6.2023 – 15 NBs 404 Js 33134/21 I. Sachverhalt Angeklagte nennt polizeiliches Vorgehen rassistisch und „racial profiling“ Das AG […]
Der Verteidiger ist nicht verpflichtet, auf eine Fortsetzung des Bußgeldverfahrens gegen seinen Mandanten in unverjährter Zeit hinzuwirken. Unterlässt er daher für die Fortsetzung des Verfahrens erforderliche Verfahrenshandlungen, kann ihm das nicht im Rahmen der Geltendmachung einer zusätzlichen Verfahrensgebühr entgegengehalten werden. (Leitsatz des Verfassers) LG Freiburg, Beschl. v. 21.8.2023 – 16 Qs 30/23 I. Sachverhalt LG […]
Wartet der Verteidiger mit einer Tätigkeit, auf die der Verfahrensfortgang zwingend angewiesen ist, bis die Verfolgungsverjährung eingetreten war, führt er somit absichtlich die Verfolgungsverjährung herbei und kann deshalb nicht die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 5115 VV RVG geltend machen. (Leitsatz des Verfassers) AG Freiburg, Beschl. v. 10.5.2023 – 76 OWi 48/23 I. Sachverhalt Verteidiger betreibt Fortgang des […]
Zur Bemessung der amtsgerichtlichen Verfahrensgebühr in einem straßenverkehrsrechtlichen Verfahren, in dem der Verteidiger im § 111a-Verfahren tätig geworden ist. (Leitsatz des Verfassers) AG Linz, Beschl. v. 22.3.2023 – 3 Cs 2080 Je 32837/22 I. Sachverhalt Ansatz der Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV RVG als Höchstgebühr Der Verteidiger war für den ehemaligen Angeklagten in einem Verfahren wegen Trunkenheit im […]

Strafrecht 2023 #11 #S

Liegt einer Erklärung des Beschuldigten im Strafverfahren, durch die er sich selbst belastet, ein Verstoß gegen die strafprozessuale Belehrungspflicht gemäß §§ 136 Abs. 1, 163a StPO zugrunde, rechtfertigt diese Selbstbelastung, wenn sie zu einer freiheitsentziehenden Maßnahme geführt hat, nicht ohne Weiteres den Vorwurf einer grob fahrlässigen Verursachung einer Strafverfolgungsmaßnahme. (Leitsatz des Verfassers) OLG Köln, Beschl. v. 1.8.2023 […]
Ein sog. konsensualer Verteidigerwechsel sollte durch die Vorschrift des § 143a StPO nicht ausgeschlossen werden und ist demgemäß zulässig. (Leitsatz des Verfassers) LG Mühlhausen, Beschl. v. 19.6.2023 – 3 Qs 92/23 I. Sachverhalt Umbeiordnung beantragt … Gegen den Beschuldigten ist vor dem AG ein Strafverfahren wegen versuchten gemeinschaftlichen Diebstahls in Tateinheit mit Sachbeschädigung anhängig. Mit Beschluss […]
Hat der Verteidiger bei der Verwaltungsbehörde die irrige Annahme über das Vorliegen seiner Zustellungsvollmacht fortbestehen lassen, ohne eine in diesem Punkt erkannte Unwirksamkeit der Zustellung des Bußgeldbescheides bis zu dem vom AG schließlich festgestellten Verjährungseintritt zu offenbaren, kommt nach Einstellung des Verfahrens eine Auslagenerstattung zugunsten des Betroffenen nicht in Betracht. (Leitsatz des Verfassers) LG Baden-Baden, […]
Auch für das Bußgeldverfahren ist nach § 464a Abs. 1 S. 2 Hs. 2 StPO davon auszugehen, dass die Kosten des Vollstreckungsverfahrens von der Kostenentscheidung im Hauptsacheverfahren umfasst werden. (Leitsatz des Verfassers) AG Friedberg, Beschl. v. 29.9.2023 – 47 a OWi 179/23 I. Sachverhalt Bußgeldverfahren wird vom AG eingestellt Das Regierungspräsidium Kassel erließ am 2.9.2020 einen Bußgeldbescheid gegen […]
Die anwaltliche Prüfung der Erfolgsaussichten der Revision und die auftragsgemäße Erklärung der Rücknahme des Rechtsmittels lösen auch dann die Verfahrensgebühr gemäß Nrn. 4130, 4131 VV RVG aus, wenn der Verteidiger bereits erstinstanzlich tätig war. (Leitsatz des Verfassers) OLG Brandenburg, Beschl. v. 26.6.2023 – 2 Ws 87/23 I. Sachverhalt Revision wieder zurückgenommen Der Rechtsanwalt war Pflichtverteidiger in […]
Zur Berücksichtigung eines (ausbleibenden) „Synergieeffekts“ bei der Gewährung einer Pauschgebühr. (Leitsatz des Verfassers) OLG München, Beschl. v. 27.9.2023 – 1 AR 263/23 I. Sachverhalt Rechtsanwalt verteidigt im Wirtschaftsstrafverfahren Der Rechtsanwalt war für den Angeklagten als Pflichtverteidiger bei der Wirtschaftsstrafkammer tätig. Nach Abschluss des Verfahrens hat er beantragt, anstelle der Gebühren gemäß Nr. 4100 VV RVG und […]
1. Die Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft führt nicht dazu, dass die Bestellung von Anfang an entfällt. Vielmehr tritt diese Wirkung erst zu dem Zeitpunkt der Aufhebungsentscheidung ein. 2. Damit hat der Beschwerdeführer gemäß § 45 Abs. 3 S. 1 RVG Anspruch auf Vergütung seiner Tätigkeit aus der Landeskasse mit der Konsequenz, dass gemäß § 48 […]
1. Die Gebühr Nr. 4142 VV RVG entsteht u.a. für eine Tätigkeit des Verteidigers für den Beschuldigten, die sich auf eine Einziehung bezieht. Das kann auch eine außergerichtliche Tätigkeit/Beratung des Rechtsanwalts sein. 2. Für das objektive, wirtschaftliche Interesse des Angeklagten an der Abwehr der Einziehungsanordnung kommt der Anklageschrift, wenn diese sich zur Vermögensabschöpfung äußert, grundsätzlich erhebliche […]
1. Die Rechtsmitteleinlegung selbst sowie die beratende Tätigkeit vor der Einlegung werden mit der Verfahrensgebühr für das erstinstanzliche Verfahren abgegolten; Tätigkeiten des Verteidigers nach Einlegung des Rechtsmittels aber über die Verfahrensgebühr für die Rechtsmittelinstanz. 2. Ggf. kann die Notwendigkeit des Verteidigerhandelns dann zu verneinen sein, wenn die Rechtsmitteleinlegung allein vorsorglich für den Fall einer Rechtsmitteleinlegung […]
Voraussetzung für die sich durch eine Verbindung ergebenden Folgen, nämlich ein einheitliches Verfahren, ist, dass der Verbindungsbeschluss nicht nur „aktenmäßig“ erlassen ist. Er muss auch schon „ergangen“ sein. Das ist aber erst der Fall, wenn er für das Gericht unabänderlich ist. (Leitsatz des Verfassers) LG Kiel, Beschl. v. 21.6.2023 – 2 Qs 41/23 I. Sachverhalt […]
1. Unter dem Begriff der Vernehmung i.S.d. Nr. 4102 VV RVG ist eine Befragung zu verstehen, bei der der Vernehmende beim Vernommenen in offizieller Funktion Auskunft sucht beziehungsweise diesen anhört. Es ist nicht eine förmlich anberaumte Vernehmung erforderlich. Ein aktives Verhandeln ist seitens des anwesenden Verteidigers für das Entstehen der Gebühr nicht erforderlich. 2. Hinsichtlich der […]
Im Strafverfahren ist die Bewilligung von Beratungshilfe nicht so häufig, sie wird aber auch gewährt. Mit den Auswirkungen des § 146 StPO befasst sich ein Beschluss des AG Braunschweig. (Leitsatz des Verfassers) AG Braunschweig, Beschl. v. 27.3.2023 – 81a II 1309/21 I. Sachverhalt Zur Anwendung des § 146 StPO im Beratungshilfeverfahren Das Hauptzollamt hatte gegen die in […]
Die Bewilligung von Beratungshilfe ist auch noch nach Zustellung der Anklageschrift in einem anhängigen Strafverfahren möglich. (Leitsatz des Verfassers) AG Köln, Beschl. v. 14.9.2023 – 360 XI 923/23 I. Sachverhalt Beratungshilfe außerhalb des gerichtlichen Verfahrens abgelehnt Der Antragsteller begehrt Beratungshilfe für die anwaltliche Vertretung in einem bereits am AG Köln anhängigen Strafverfahren. Die Rechtspflegerin hat […]
Zur Beschränkung der Vernehmungsterminsgebühr. (Leitsatz des Verfassers) AG Leipzig, Beschl. 10.2.2023 – ER 10 282 Gs 5006/22 I. Sachverhalt Teilnahme an zwei Haftterminen Der Rechtsanwalt ist dem Beschuldigten, der sich ab dem 29.10.2022 nicht auf freien Fuß befunden hat, am 30.10.2022 als Pflichtverteidiger in einem Verfahren wegen versuchten Totschlags beigeordnet worden. Der Rechtsanwalt hat als […]

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