Kategorie: Strafrecht

Strafrecht 2023 #09

Pflichtverteidiger: rückwirkende Bestellung Die rückwirkende Bestellung eines Pflichtverteidigers ist auch nach der Neuregelung des Rechts der Pflichtverteidigung nicht zulässig. OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.7.2023 – 5a Ws 1/21 Pflichtverteidiger: Betreuer; Schwere der Tat Wurde einem Angeklagten ein Betreuer mit dem Aufgabenkreis „Vertretung gegenüber Behörden“ bestellt, liegen in der Regel zugleich die Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 […]
I. Einführung In Fällen notwendiger Verteidigung führt der einmal bestellte Pflichtverteidiger das Mandat regelmäßig bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens fort, es sei denn, es erfolgt ein Verteidigerwechsel unter den Voraussetzungen des § 143a StPO oder eine gesetzlich zwar nicht ausdrücklich geregelte, aber gleichwohl zulässige einvernehmliche kostenneutrale „Umbeiordnung“ (ausführlich zum Verteidigerwechsel und zu Fragen der Entpflichtung […]
Beruht der Tatnachweis im Wesentlichen auf dem Wiedererkennen des Angeklagten durch einen Tatzeugen, ist das Tatgericht aus sachlich-rechtlichen Gründen regelmäßig verpflichtet, die Angaben des Zeugen zur Täterbeschreibung zumindest in gedrängter Form wiederzugeben. (Leitsatz des Verfassers) BGH, Beschl. v. 25.5.2023 – 5 StR 483/22 I. SachverhaltVerurteilung wegen Handeltreibens mit BtM aufgrund von Zeugenangaben Das LG hat […]
1. Die Verfahrensrüge der Verletzung des § 105 StPO ist grundsätzlich nur dann in zulässiger Weise erhoben, wenn auch die polizeilichen Berichte über die Durchsuchungsmaßnahmen mitgeteilt werden. 2. Ein Angeklagter muss nicht ohne rechtlichen Hinweis nach § 265 StPO davon ausgehen, dass die Einziehung einer auf dem Dach einer Tennishalle installierten Photovoltaikanlage, die der Versorgung einer Marihuanaplantage […]
Selbst wenn der Verurteilte mehrfach seine Therapieunwilligkeit bekundet hat, ist dieser Umstand weder ein Gesichtspunkt, der im Rahmen einer Abwägung einzustellen wäre, noch ein Grund, die Aufnahme in eine Therapieeinrichtung nicht zügig zu betreiben. (Leitsatz des Verfassers) OLG Bamberg, Beschl. v. 7.11.2022 – 1 Ws 629/22 I. Sachverhalt Entschieden hat das OLG zur Rechtswidrigkeit sog. […]
1. Die Einspruchsfrist gegen einen Strafbefehl wird nicht bereits mit dessen Zustellung an einen Zustellungsbevollmächtigten in Lauf gesetzt, wenn der Angeklagte in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union wohnhaft ist. Ausschlaggebend ist vielmehr der tatsächliche Zugang des Strafbefehls beim Angeklagten. 2. An einen Zustellungsbevollmächtigten kann nicht wirksam zugestellt werden, wenn der Richtervorbehalt des § 132 Abs. 2 […]
§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB setzt voraus, dass der Täter mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich die Körperverletzung begeht. Das ist bei einem Unterlassen durch zwei Garanten nicht der Fall. (Leitsätze des Gerichts) BGH, Beschl. v. 17.1.2023 – 2 StR 459/22 I. SachverhaltEltern lassen Kleinkind unterversorgt Das LG hat die Angeklagten u.a. jeweils wegen gefährlicher Körperverletzung durch […]
Der Qualifikationstatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB kann auch durch Unterlassen verwirklicht werden. Die hierfür erforderliche höhere Gefährlichkeit ist regelmäßig gegeben, wenn sich die zur Hilfeleistung verpflichteten Garanten ausdrücklich oder konkludent zu einem Nichtstun verabreden und mindestens zwei von ihnen zumindest zeitweilig am Tatort anwesend sind. (Leitsatz des Gerichts) BGH, Urt. v. 17.5.2023 – 6 […]
Zur Strafbarkeit wegen tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte durch Widerstandshandlungen einer weiblichen Person, die aufgrund polizeirechtlicher Vorschriften zur Durchsetzung einer Platzverweisung in Gewahrsam genommen und in eine Haftzelle verbracht wurde, gegen ihre Entkleidung, die nach zunächst erfolglosen Maßnahmen weiblicher Polizeibeamtinnen unter Anwendung unmittelbaren Zwangs unter Beteiligung mehrerer männlicher Polizeibeamter bis auf den Slip durchgeführt wurde. (Leitsatz […]
Wird das Verfahren wegen eines dauernden Verfahrenshindernisses eingestellt, fallen gemäß § 467 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen der Betroffenen der Staatskasse zur Last. Abweichungen von dieser Regel sind nur ausnahmsweise zulässig. Das Ermessen ist dabei jedoch erst dann eröffnet, wenn das Gericht überzeugt ist, dass die Betroffene […]
Zur Auferlegung der notwendigen Auslagen des Betroffenen auf die Staatskasse, wenn das Bußgeldverfahren wegen Verjährung eingestellt wird. (Leitsatz des Gerichts) AG Büdingen, Beschl. v. 30.5.2023 – 60 OWi 48/23 I. SachverhaltVerfahren wegen Geschwindigkeitsüberschreitung wird eingestellt Der Betroffenen wurde eine Geschwindigkeitsüberschreitung zur Last gelegt. Im Laufe des Verfahrens beantragte der Verteidiger gerichtliche Entscheidung bezüglich verschiedener ihm […]
Dem gesetzgeberischen Grundgedanken, einen Zeugenbeistand als auf die Vernehmung beschränkt anzusehen und deshalb nicht wie einen Verteidiger zu vergüten, kann ggf. dann keine Bedeutung zukommen, wenn der Zeugenbeistand dem Zeugen an mehreren Verhandlungstagen über längere Zeit Beistand geleistet hat. (Leitsatz des Verfassers) OLG Dresden, Beschl. v. 3.1.2023 – 4 St 2/21 I. SachverhaltUmfangreiche Tätigkeiten des […]
Zur „besonderen Schwierigkeit“ i.S.v. § 51 Abs. 1 RVG bei einem Staatsschutzdelikt eines Jugendlichen. (Leitsatz des Verfassers) OLG München, Beschl. v. 2.1.2023 – 1 AR 280/22 I. SachverhaltStaatsschutzverfahren beim JSchG Der Rechtsanwalt war Pflichtverteidiger in einem JGG-Verfahren beim Jugendschöffengericht, in dem dem Angeklagten die die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat in Tateinheit mit Sichverschaffen einer Anleitung zur […]

Strafrecht 2023 #08

Einstweilige Unterbringung: Verhältnismäßigkeit Eine Unterbringung zur Vorbereitung eines Gutachtens über den psychischen Zustand des Beschuldigten bzw. Angeklagten gem. § 81 Abs. 1 StPO ist nicht verhältnismäßig, wenn sich der Betroffene weigert, die erforderlichen Untersuchungen zuzulassen bzw. an ihnen mitzuwirken. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Exploration erforderlich wäre, die Mitwirkung hieran aber verweigert wird und ein Erkenntnisgewinn […]
I. Einleitung Durch die VO über die Teilnahme von Elektrokleinstfahrzeugen am Straßenverkehr (eKFV) vom 6.6.2019 (BGBl I, S. 756), am 15.6.2019 in Kraft getreten, wurde der rechtliche Rahmen für die Nutzung von E-Scootern im öffentlichen Straßenverkehr geschaffen. Nachdem die Popularität von E-Scootern deutlich zugenommen hatte, erhoffte sich der Verordnungsgeber, durch die Regulierung dieses Bereichs zu einer […]
Eine Wohnungsdurchsuchung ist unverhältnismäßig, wenn naheliegende grundrechtsschonendere Ermittlungsmaßnahmen ohne greifbare Gründe unterbleiben oder zurückgestellt werden und die Maßnahme außer Verhältnis zur Stärke des im jeweiligen Verfahrensabschnitt bestehenden Tatverdachts steht. (Leitsatz des Verfassers) BVerfG, Beschl. v. 19.4.2023 – 2 BvR 1844/21 I. SachverhaltAntrag beim Familiengericht verspätet eingegangen? In dem gegen den Beschuldigten laufenden Ermittlungsverfahren ist der […]
1. Das verfassungsrechtliche Resozialisierungsgebot aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verpflichtet den Gesetzgeber dazu, ein umfassendes, wirksames und in sich schlüssiges, am Stand der Wissenschaft ausgerichtetes Resozialisierungskonzept zu entwickeln sowie die von ihm zu bestimmenden wesentlichen Regelungen des Strafvollzugs darauf aufzubauen. 2. Das Gesamtkonzept muss zur Erreichung des von Verfassungs wegen vorgegebenen […]
Für die Begründung der Rüge einer Verletzung von § 243 Abs. 4 S. 2 StPO ist es erforderlich, dass Tatsachen vorgetragen werden, aus denen sich ergibt, dass ein nach dieser Vorschrift mitteilungspflichtiges Gespräch stattgefunden hat und dessen wesentlicher Inhalt in der Hauptverhandlung nicht oder nicht ausreichend mitgeteilt und protokolliert worden ist. (Leitsatz des Verfassers) BGH, Beschl. v. 18.4.2023 […]
Die einfache Signatur (Wiedergabe des Namens am Ende des Textes) ist bei der Übermittlung von Dokumenten gemäß der zweiten Variante des § 32a Abs. 3 StPO auch dann zu verlangen, wenn im verwendeten Briefkopf der Rechtsanwaltskanzlei nur ein Rechtsanwalt ausgewiesen ist. (Leitsatz des Verfassers) OLG Braunschweig, Beschl. v. 9.6.2023 – 1 ORbs 22/23 I. SachverhaltBegründung des Zulassungsantrags […]
Bei einem Auslieferungsersuchen zur Vollstreckung wegen einer allein auf der Grundlage der gemessenen Atemalkoholkonzentration abgeurteilten Trunkenheitsfahrt fehlt es an der nach § 3 Abs. 1 IRG erforderlichen beiderseitigen Strafbarkeit, da die Tat nicht nach deutschem Recht strafbar wäre. Eine Strafbarkeit nach § 316 StGB würde tatbestandlich in objektiver Hinsicht eine absolute Fahruntüchtigkeit voraussetzen, also eine für den Tatzeitpunkt […]
Werden Scheinrechnungen für nicht erbrachte Leistungen mit Umsatzsteuerausweis erstellt und kommt der Rechnungsaussteller den sich hieraus ergebenden Erklärungspflichten aus § 18 UStG nicht nach, so begeht er zwar eine Steuerhinterziehung, jedoch spiegelt sich keine Steuerersparnis als „erlangtes Etwas“ i.S.v. § 73 Abs. 1 StGB in seinem Vermögen wider, sodass eine Einziehung hinsichtlich des gem. § 14c Abs. 2 S. 2 UStG […]
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen die erschlichene Beschäftigung als Arzt einen Vermögenschaden i.S.d. § 263 StGB darstellen kann. (Leitsatz des Verfassers) BGH, Urt. v. 1.6.2023 – 4 StR 225/22 I. Sachverhalt„Falscher“ Arzt Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen Urkundenfälschung verurteilt. Der mehrfach u.a. wegen Betruges und Urkundenfälschung vorbestrafte Angeklagte, der nie Medizin studiert hatte, bewarb […]
Das Fälschen von Gesundheitszeugnissen nach § 277 StGB a.F. steht zur Urkundenfälschung nach § 267 StGB nicht im Verhältnis privilegierender Spezialität. (Leitsatz des Gerichts) BGH, Urt. v. 10.11.2022 – 5 StR 283/22 I. SachverhaltFälschung von Impfausweisen Das LG hat den Angeklagten vom Vorwurf der Urkundenfälschung bei Verurteilung im Übrigen freigesprochen. Der Angeklagte fertigte eigenhändig Impfausweise mit Eintragungen […]
Auch Scheinwaffen sind Waffen, wenn sie sich als Mittel zur Überwindung des Widerstands eignen. Ausgenommen hiervon sind nur Gegenstände, die für einen objektiven Beobachter schon nach ihrem äußeren Erscheinungsbild offensichtlich ungefährlich sind. (Leitsatz des Verfassers) BGH, Beschl. v. 28.3.2023 – 4 StR 61/23 I. SachverhaltLuftpumpe wie ein Gewehr vorgehalten Das LG hat den Angeklagten wegen […]
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Der Beschwerdeführer legt nicht substantiiert dar, dass aus dem Recht auf ein faires Verfahren auch eine staatliche Pflicht folgt, potenzielle Beweismittel zur Wahrung von Verteidigungsrechten vorzuhalten bzw. zu schaffen. (Leitsatz des Verfassers) BVerfG, Beschl. v. 20.6.2023 – 2 BvR 1167/20 I. SachverhaltGeschwindigkeitsüberschreitung; Rohmessdaten nicht gespeichert Das AG hat […]
1. Wird ein Rechtsanwalt zunächst einem Mandanten als Pflichtverteidiger „für die Dauer der Vernehmung eines Zeugen“ beigeordnet und dann später als Pflichtverteidiger für das Verfahren, handelt es sich nicht um dieselbe Angelegenheit, sodass eine Anrechnung von Gebühren nicht in Betracht kommt. 2. Erfolgt die Bestellung des Rechtsanwalts als Pflichtverteidiger nach § 140 Abs. 1 Nr. 10 StPO, handelt […]

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