Kategorie: Strafrecht

Strafrecht 2022 #02

Besetzungsrügenverfahren: Verfassungsbeschwerde Die Entscheidung eines Tatgerichts, einem Besetzungseinwand nicht abzuhelfen und das Verfahren nach § 222b Abs. 3 S. 1 StPO dem Rechtsmittelgericht vorzulegen, ist als reines Verfahrensinternum nicht gesondert mit der Verfassungsbeschwerde angreifbar. Der im Besetzungsrügenverfahren ergangene Beschluss des OLG ist hingegen gesondert mit der Verfassungsbeschwerde angreifbar. BVerfG, Beschl. v. 16.12.2021 – 2 BvR 2076/21 u. […]
I. Grundlagen Durch das Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5.7.2017 (BGBl I, 2208, hierzu Kassebohm, StraFo 2017, 393) hat der Gesetzgeber durch Einführung der §§ 32 ff. StPO die Grundlagen für die elektronische Akte und die elektronische Kommunikation im Strafverfahren gelegt. Hierdurch sollte der technische Fortschritt […]
In der Hauptverhandlung geführte Gespräche zwischen den Verfahrensbeteiligten unterliegen nur dann der sich aus § 243 StPO ergebenden Mitteilungspflicht, wenn eine synallagmatische Verknüpfung zwischen einem Prozessverhalten des Angeklagten und einem in Aussicht genommenen Verfahrensergebnis hergestellt worden ist. (Leitsatz des Verfassers) BGH, Beschl. v. 28.9.2021 – 5 StR 140/21 I. Sachverhalt Verurteilung Das LG hat den Angeklagten […]
Mitteilungspflicht besteht, sobald Gespräche zum Verfahrensergebnis in Verbindung mit dem prozessualen Verhalten geführt werden. (Leitsatz des Verfassers) BGH, Beschl. v. 15.12.2021 – 6 StR 558/21 I. Sachverhalt Das LG hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt. Dagegen erfolgte die Revision des Angeklagten, mit der eine Verletzung der Mitteilungspflichten […]
Das einer Schöffin ausgesprochene ärztliche Beschäftigungsverbot nach § 16 Abs. 1 MuSchG führt nicht zu einer gesetzeswidrigen Gerichtsbesetzung. (Leitsatz des Gerichts) BGH, Urt. v. 30.9.2021 – 5 StR 161/21 I. Sachverhalt Schöffin erhält Beschäftigungsverbot In laufender Hauptverhandlung wurde für die schwangere Schöffin H durch den Betriebsarzt ihres Arbeitgebers zunächst ein ärztliches Beschäftigungsverbot nach § 16 MuSchG bezüglich „jede(r) […]
Entscheidet sich das Tatgericht aufgrund seiner Aufklärungspflicht dafür, einen von dem Betroffenen mitgebrachten („sistierten“) Zeugen zu vernehmen, so muss es bei Auftreten erheblicher Verständigungsprobleme einen Dolmetscher hinzuziehen. Bricht es hingegen die Vernehmung aufgrund der Verständigungsprobleme ohne Hinzuziehung eines Dolmetschers ab, so ist der absolute Revisionsgrund nach § 338 Nr. 5 StPO erfüllt. (Leitsatz des Gerichts) OLG Celle, […]
Der Verteidiger ist in der Regel berechtigt und sogar verpflichtet, dem Beschuldigten zu Verteidigungszwecken mitzuteilen, was er aus den Akten erfahren hat. Es ist ihm daher nicht schlechthin verboten, seinen Mandanten über drohende Zwangsmaßnahmen zu informieren und ihm etwa auch darauf gerichtete, aus den Akten ersichtliche Schritte mitzuteilen. (Leitsatz des Verfassers) OLG Jena, Beschl. v. […]
Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen einen sich selbst verteidigenden Rechtsanwalt wegen der Weigerung, in der Sitzung eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, ist zulässig. (Leitsatz des Verfassers) OLG Oldenburg, Beschl. v. 3.1.2022 – 2 Ss (OWi) 240/21 I. Sachverhalt Keine Maske in der Hauptverhandlung Das AG hat den Betroffenen, einen Rechtsanwalt, wegen eines Verstoßes gegen eine Allgemeinverfügung […]
1. Ein Impfausweis stellt erst dann ein Gesundheitszeugnis i.S.d. §§ 277–279 StGB dar, wenn er einen konkreten individualisierbaren Menschen erkennen lässt. 2. Die §§ 277–279 StGB in der bis 23.11.2021 geltenden Fassung beinhalten eine abschließende spezialgesetzliche Regelung über die Strafbarkeit des Umgangs mit Gesundheitszeugnissen, welche den Rückgriff auf die allgemeine Vorschrift des § 267 StGB sperrt. 3. Bei […]
Entgegen der Rechtsauffassung des OLG Frankfurt a.M. (Beschl. v. 9.3.2021 – 2 Ws 132/20, NZWiSt 2021, 229) verdrängt der Straftatbestand der Steuerhinterziehung (§ 370 AO) auch den Verbrechenstatbestand des bandenmäßigen Betruges (§ 263 Abs. 5 StGB). Andernfalls würde nämlich die Möglichkeit zur Selbstanzeige nach § 371 AO genommen. Zudem ist außerhalb von Cum-ex-Konstellationen auch in Fällen der Alltagskriminalität oftmals […]
Bei einer Verteidigung gegen einen Bußgeldbescheid wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung sind dem Betroffenen u.a. die Unterlagen zu Wartungen oder Reparaturen an dem verwendeten Messgerät, die zum Teil auch als „Lebensakte“ bezeichnet werden, vorzulegen. (Leitsatz des Verfassers) VerfGH Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 13.12.2021 – VGH B 46/21 I. Sachverhalt Das AG hat den Betroffenen am 23.9.2020 wegen fahrlässiger […]
Wird beanstandet, das Tatgericht habe den Inhalt in der Hauptverhandlung nicht verlesener Urkunden verwertet, so gehört zur ordnungsgemäßen Begründung der Verfahrensrüge nicht nur die Behauptung, dass die Urkunde nicht verlesen worden, sondern auch die Darlegung, dass der Inhalt der Urkunde nicht in sonst zulässiger Weise eingeführt worden sei. (Leitsatz des Verfassers) OLG Koblenz, Beschl. v. […]
Die bloße anwaltliche Beratung darüber, dass im Falle der Wiedererteilung ein neues Führerscheindokument ausgegeben wird und das mit Rechtskraftentziehung der Fahrerlaubnis das Führerscheindokument abzuliefern ist, führt noch nicht zum Anfall der Nr. 4142 VV RVG. Etwas anderes gilt jedoch, wenn sich die anwaltliche Tätigkeit und Beratung spezifisch auf Fragen im Zusammenhang mit dem Führerscheindokument richtet. (Leitsatz […]

Strafrecht 2022 #01

Eröffnung des Hauptverfahrens: hinreichender Tatverdacht Der für die Eröffnung des Hauptverfahrens erforderliche hinreichende Tatverdacht ist zu bejahen, wenn bei vorläufiger Tatbewertung auf Grundlage des Ermittlungsergebnisses die Verurteilung in einer Hauptverhandlung mit vollgültigen Beweismitteln wahrscheinlich ist. Der hinreichende Tatverdacht setzt eine gewisse Wahrscheinlichkeit der Verurteilung voraus; damit wird ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit vorausgesetzt, als dies […]
Durch das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 10.12.2019 (BGBl I, S. 2121) sind 2019 auch die Regelungen betreffend die Nebenklage geändert bzw. erweitert worden. Wir stellen nachfolgend die neuen Regelungen vor. I. Privilegierungstatbestände (§ 397a Abs. 1 Nr. 1 u. 1a StPO) § 397a Abs. 1 StPO privilegiert Nebenkläger, die Opfer der dort genannten Verbrechen geworden sind; ihnen kann ohne […]
Ein Hinweis auf die Einziehung des Wertes von Taterträgen (§§ 73, 73c StGB) ist nach § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO auch dann erforderlich, wenn die ihr zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen bereits in der zugelassenen Anklage enthalten sind. (Leitsatz des Gerichts) BGH – Großer Senat, Beschl. v. 22.10.2020 – GSSt 1/20 I. Sachverhalt Rechtlicher Hinweis erforderlich? Der 5. Senat […]
1. Ein Verwertungsverbot wegen unterlassener Belehrung über die Beschuldigtenrechte durch die Polizei nach §§ 163a Abs. 4 S. 2, 136 Abs. 1 S. 2–6 StPO kommt nur dann in Betracht, wenn die Vernehmung einer Person als Beschuldigte erfolgt. Hiervon abzugrenzen ist die informatorische Befragung einer zum Kreis der potenziellen Tatverdächtigen gehörenden Person, bei der noch keine Belehrungspflicht besteht. […]
Eine Verurteilung ist dann keine im selbstständige Einziehungsverfahren bindende Hauptsacheentscheidung gemäß §§ 436 Abs. 2, 423 Abs. 1 S. 2 StPO, wenn der Einziehungsbeteiligte an dem ihr zugrunde liegenden Verfahren nicht beteiligt war. (Leitsatz des Gerichts) OLG Celle, Beschl. v. 2.11.2021 – 2 Ss 121/21 I. Sachverhalt Selbstständiges Einziehungsverfahren gegen Dritten Das AG hat mit dem angefochtenen Urteil […]
In der Berufungsinstanz kann die Beschränkung des Rechtsmittels auf die Entziehung der Fahrerlaubnis (unter Ausnahme des Strafausspruchs) mit der Anordnung eines Fahrverbots vereinbar sein. (Leitsatz des Gerichts). OLG Zweibrücken, Beschl. v. 14.6.2021 – 1 OLG 2 Ss 1/21 I. Sachverhalt Verfahren wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort Gegen den in der Vergangenheit bereits verkehrsstrafrechtlich in Erscheinung […]
1. Die Ausschlussfrist des § 12 StrEG beginnt nach dem Wortlaut dieser Vorschrift mit dem Tag, an dem die Entschädigungspflicht rechtskräftig festgestellt ist, also sobald die Rechtsbehelfsfrist gegen die Feststellungsentscheidung abgelaufen ist, ohne dass gegen sie ein Rechtsbehelf erhoben worden ist. 2. Eine sofortige Beschwerde gegen die gerichtliche Entschädigungsentscheidung ist nicht stillschweigend in der Berufung gegen […]
Polizeieinsätze im frei zugänglichen öffentlichen Raum finden regelmäßig in „faktischer Öffentlichkeit“ statt. Die Anfertigung vertonter Videoaufnahmen fällt dann nicht unter § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB. (Leitsatz des Verfassers) LG Osnabrück, Beschl. v. 24.9.2021 – 10 Qs 49/21 I. Sachverhalt Polizeieinsatz gefilmt Bei einem Polizeieinsatz im Bereich einer für jedermann frei zugänglichen Straßenkreuzung wurde gegen eine renitente […]
Stiefkinder der eigenen Abkömmlinge werden nicht vom Schutzbereich des § 174 Abs. 1 Nr. 3 StGB erfasst. (Leitsatz des Verfassers) BGH, Beschl. v. 22.6.2021 – 2 StR 131/21 I. Sachverhalt Sexueller Missbrauch des Stiefopas an der Stiefenkelin Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen (§ 174 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StGB) verurteilt. Nach den Feststellungen […]
Zum Verwenden eines gefährlichen Werkzeugs i.S.v. § 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB. (Leitsatz des Gerichts) BGH, Beschl. v. 8.9.2021 – 4 StR 166/21 I. Sachverhalt Während sexuellen Übergriffs Schraubenzieher kurz in der Hand gehalten Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen besonders schweren sexuellen Übergriffs verurteilt. Der Angeklagte vereinbarte mit der Nebenklägerin, die als Prostituierte tätig war, […]
1. Corona-Antigentests sind Gesundheitszeugnisse i.S.d. § 277 StGB. 2. Ihre Fälschung durch Personen, die keine tauglichen Täter i.S.d. § 277 StGB sind, ist daher nicht nach § 267 StGB strafbar. (Leitsätze des Gerichts) LG Karlsruhe, Beschl. v. 26.11.2021 – 19 Qs 90/21 I. Sachverhalt Corona-Antigentests unberechtigt ausgestellt Der Arbeitgeber des Beschuldigten fand am 15.9.2021 am Arbeitsplatz auf dem […]
1. Impfausweise sind „Gesundheitszeugnisse“ gem. §§ 277, 279 StGB. 2. Die Fälschung von Impfausweisen in Papierform zwecks Vorlage bei einer Apotheke zur Erlangung eines digitalen Covid-19-Impfzertifikats war bis 23.11.2021 nicht strafbar. (Leitsätze des Verfassers) LG Paderborn, Beschl. v. 1.12.2021 – 5 Qs 33/21 I. Sachverhalt Impfausweise gefälscht Der Beschuldigte wird verdächtigt, im September 2021 Impfausweise gefälscht […]
1. Nach der am 1.7.2017 in Kraft getretenen Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung und der damit verbundenen Neufassung der §§ 73 ff. StGB sind vom sachlichen Anwendungsbereich der Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG alle Fälle der Einziehung nach §§ 73 ff. StGB einschließlich der Wertersatzeinziehung nach § 73c StGB erfasst. 2. Die Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG fällt bereits an, wenn Einspruch gegen […]
§ 107 Abs. 5 OWiG ist dahingehend auszulegen, dass die Aktenversendungspauschale für einen Ausdruck einer eigentlich digital geführten Akte nur dann anfällt, wenn der Antragsteller dieses – nämlich den Ausdruck – besonders beantragt hat. (Leitsatz des Gerichts) AG Verden (Aller), Beschl. v. 5.7.2021 – 9b OWi 245 Js 25572/21 (290/21) I. Sachverhalt Elektronisch geführte Akte Gegen die […]

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