Zur Beschränkung der Vernehmungsterminsgebühr.
(Leitsatz des Verfassers)
I. Sachverhalt
Teilnahme an zwei Haftterminen
Der Rechtsanwalt ist dem Beschuldigten, der sich ab dem 29.10.2022 nicht auf freien Fuß befunden hat, am 30.10.2022 als Pflichtverteidiger in einem Verfahren wegen versuchten Totschlags beigeordnet worden. Der Rechtsanwalt hat als Pflichtverteidiger an zwei Haftterminen am 30.10.2022 und am 11.11.2022 teilgenommen. Für diese Teilnahmen hat er zwei Vernehmungsterminsgebühren abgerechnet, die vom Kostenbeamten nicht festgesetzt worden sind. Auf die Erinnerung des Pflichtverteidigers hat das AG die beiden Terminsgebühren jedoch festgesetzt.
II. Entscheidung
Unterschiedliche Rechtsgrundlagen
Entgegen der Ansicht des Kostenbeamten und der Bezirksrevisorin geht das AG davon aus, dass, wie vom Verteidiger beantragt, für die Termine vom 30.10.2022 und 11.11.2022 zwei Terminsgebühren entstanden sind. Zwar sehe die Nr. 4102 VV RVG vor, dass der Verteidiger für die ersten drei Termine aus deren Katalog die Gebühr nur einmal erhalte. Hier greife dies jedoch nicht durch, denn die vom Verteidiger wahrgenommenen Termine beträfen – so das AG – einmal eine Haftvorführung und einmal eine Haftprüfung. Die Termine hätten unterschiedliche Rechtsgrundlagen, und zwar §§ 128, 114a, 115 StPO bzw. 117 ff. StPO, und seien vor unterschiedlichen Richtern erfolgt, namentlich am 30.10.2022 vor dem Bereitschaftsrichter am AG Leipzig, am 11.11.2022 vor dem entscheidenden Richter. Darüber hinaus sei festzustellen, dass die Zusammenlegung der Gebühren für die mündliche Haftprüfung und die Haftvorführung schon deswegen nicht angezeigt sei, weil die Verfahrenssituation jeweils eine andere sei, mithin ein anderer Verfahrensabschnitt vorliege, der den Gebührentatbestand neu entstehen lasse. Bei der Haftvorführung habe der Beschuldigte und auch sein Verteidiger in der Regel keinerlei Akteneinsicht und nur beschränkte Möglichkeiten, sich gegen den Vorwurf im Haftbefehlsantrag zu verteidigen. Aus diesem Grunde sei die Möglichkeit der mündlichen Haftprüfung geschaffen worden. Die erfolge in der Regel nach Akteneinsicht und nach entsprechender Festlegung einer Verteidigungsstrategie zwischen Verteidiger und Beschuldigtem. Dies gewährleiste das grundgesetzlich vorgesehene faire Verfahren. Insoweit sei es auch notwendig, die Leistungen des Verteidigers entsprechend abzugelten.
III. Bedeutung für die Praxis
Zwar für den Verteidiger erfreulich, aber falsch
Die für den Pflichtverteidiger erfreuliche Entscheidung ist, wenn man davon ausgeht, dass die beiden Termine (noch) im vorbereitenden Verfahren stattgefunden haben, wofür einiges spricht, falsch. Entgegen der Ansicht des AG greift dann nämlich die Beschränkung der Vernehmungsterminsgebühr aus Anm. S. 2 zur Nr. 4102 VV RVG (eingehend zur Vernehmungsterminsgebühr Nr. 4102 VV RVG Burhoff, AGS 2022, 241). Nach dieser Anmerkung entsteht die (Vernehmungs-)Terminsgebühr im vorbereitenden Verfahren und in jedem Rechtszug für die Teilnahme an jeweils bis zu drei Terminen nur einmal. Diese Beschränkung auf eine Terminsgebühr Nr. 4102 VV RVG/vorbereitendes Verfahren für jeweils drei Termine ist völlig unabhängig davon, ob und welche Rechtsgrundlagen die Termine hatten, bei welchem Richter sie stattgefunden haben und ob die Verfahrenssituation eine andere ist. Entscheidend ist allein, dass es sich um bis zu drei Termine aus dem Katalog des Nr. 4102 VV RVG gehandelt hat. Was das AG hier entschieden hat, ist daher nichts anderes als „gerichtliche Rechtsschöpfung“ gewesen. Zwar ist der vom AG angeführte Zweck für seine Entscheidung nicht von der Hand zu weisen. Er hat jedoch im Gesetz keinen Niederschlag gefunden. Denn leider ist ja der gemeinsame Vorschlag von DAV und BRAK zum Wegfall der Beschränkung in S. 2 der Anmerkung zur Nr. 4102 VV RVG (vgl. dazu Hansens, RVGreport 2018, 202, 204) vom KostRÄG 2021 nicht umgesetzt worden.