Kategorie: Strafrecht

Strafrecht 2023 #06

TKÜ beim Nichtbeschuldigten: Anforderungen an die Begründung Unter den Voraussetzungen des § 100a Abs. 3 StPO kann eine Telekommunikationsüberwachung auch gegenüber Nichtbeschuldigten angeordnet werden, etwa wenn anzunehmen ist, dass die Person für den Beschuldigten bestimmte oder von ihm herrührende Mitteilungen entgegennimmt oder weitergibt. Für die Annahme einer solchen Nachrichtenmittlereigenschaft ist von Verfassungs wegen eine gesicherte Tatsachenbasis unerlässlich. […]
I. Einführung Erfahrene Strafrichter warnen ihre Kollegen regelmäßig davor, Anträge auf Einholung eines Sachverständigengutachtens vorschnell unter Hinweis auf eigene Sachkunde des Gerichts gem. § 244 Abs. 4 S. 1 StPO abzulehnen, denn die Handhabung dieser Vorschrift ist, vor allem wenn es nicht „nur“ um die Beurteilung von Zeugenaussagen geht, nicht einfach. Insbesondere besteht die Gefahr, dass das Gericht […]
Die Nichtgewährung des Konfrontationsrechts gegenüber einer Vertrauensperson mit vollumfänglichem Sperrvermerk ist der Justiz zuzurechnen, führt aber nicht zur Unverwertbarkeit der Angaben der Vernehmungsperson, wenn diese durch andere gewichtige Gesichtspunkte außerhalb der Aussage bestätigt werden. (Leitsatz des Verfassers) BGH, Urt. v. 15.2.2023 – 2 StR 270/22 I. SachverhaltSperrvermerk für Vertrauensperson Das LG hat die Angeklagten von […]
Zur Amtsaufklärungspflicht, im zweiten Rechtsdurchgang die Berufsrichter des ersten Rechtsdurchgangs als Zeugen zu dortigen Angaben von Angeklagten und Zeugen zu vernehmen, wenn diese indizielle Umstände für die Täterschaft eines Angeklagten begründen können. (Leitsatz des Verfassers) BGH, Urt. v. 30.3.2023 – 4 StR 318/22 I. SachverhaltZweiter Durchgang Das LG hat im ersten Rechtsgang die Angeklagten vom […]
1. Mit der Tatbestandsvoraussetzung der bestimmten Behauptung einer konkreten Tatsache in § 244 Abs. 3 S. 1 StPO normiert der Gesetzgeber ein Optimierungsgebot. Es hält den Antragsteller, der die Anhörung eines Sachverständigen begehrt, dazu an, möglichst genau zu beschreiben, welche Umstände in Kombination mit bestimmten Erfahrungssätzen darauf fußende Schlussfolgerungen nahelegen oder ausschließen. 2. Jedenfalls das Konnexitätsgebot aus § 244 […]
Eine sofortige Beschwerde des zum Pflichtverteidiger bestellten Wahlverteidigers ist in Ermangelung einer Beschwer auch dann unzulässig, wenn die Beiordnung ohne Antrag von Amts wegen erfolgt. (Leitsatz des Verfassers) LG Zweibrücken, Beschl. v. 27.4.2023 – 1 Qs 27/23 I. SachverhaltBeiordnung als Pflichtverteidiger ohne Antrag Der Rechtsanwalt vertritt den Angeklagten in einem betäubungsmittelstrafrechtlichen Verfahren vor dem AG […]
Lehnt das Tatgericht bei einem Kfz-Rennen mit tödlichem Ausgang das Vorliegen eines bedingten Tötungsvorsatzes bei gleichzeitiger Annahme eines bedingten Gefährdungsvorsatzes (§ 315d Abs. 2 StGB) ab, bedarf es insoweit in sich widerspruchsfreier Feststellungen und Wertungen. (Leitsatz des Verfassers) BGH, Urt. v. 16.2.2023 – 4 StR 211/22 I. Sachverhalt„Moerser Raser-Fall“ Das LG hatte den Angeklagten im ersten Rechtsgang […]
Ob der Grenzwert für eine absolute Fahrunsicherheit von Kraftfahrern (1,1 ‰ BAK) auf die neu aufgenommene Fahrzeugklasse der Elektrokleinstfahrzeuge übertragen werden kann, bleibt offen. (Leitsatz des Verfassers) BGH, Beschl. v. 13.4.2023 – 4 StR 439/22 I. Sachverhalt Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen Trunkenheit im Verkehr verurteilt und eine isolierte Sperre für die Fahrerlaubnis […]
Eine Nötigung durch Festkleben auf einer Straße, um Autofahrer an der Weiterfahrt zu hindern und dadurch auf die Gefahren des Klimawandels aufmerksam zu machen, ist nicht durch Art. 20 Abs. 4 GG, § 34 StGB direkt oder analog oder wegen „zivilen Ungehorsams“ gerechtfertigt. (Leitsatz des Verfassers) BayObLG, Beschl. v. 21.4.2023 – 205 StRR 63/23 I. SachverhaltStraßenblockade durch […]
Zur Beachtung des Beschleunigungsgebots in Haftsachen während laufender Hauptverhandlung. (Leitsatz des Gerichts) OLG Brandenburg, Beschl. v. 5.4.2023 – 1 Ws 34/23 (S) I. SachverhaltGrober Verfahrensablauf Der Angeklagte befindet sich seit nunmehr zehn Monaten und zwei Wochen ununterbrochen in Untersuchungshaft wegen BtM-Delikten. In dem Verfahren wird ihm und mehreren Mitangeklagten bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (§ 30a Abs. 2 […]
An der Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Privatgutachters fehlt es grundsätzlich, wenn der zu beurteilende Sachverhalt überschaubar ist und das gerichtliche Gutachten die Beweisfragen umfassend beantwortet hat. (Leitsatz des Gerichts) OLG Celle, Beschl. v. 14.11.2022 – 14 W 30/22 I. SachverhaltVorschuss für die Einholung eines Privatgutachtens? Der dem Kläger im Rahmen von PKH in einem Zivilverfahren […]
1. Eine Stunde endet mit Ablauf der Sekunde 59:59, danach beginnt die nächste Stunde. 2. Nach Vorb. 4.1 Abs. 3 VV RVG sind auch Wartezeiten und Unterbrechungen an einem Hauptverhandlungstag als Teilnahme zu berücksichtigen, ausgenommen hiervon sind nur Wartezeiten und Unterbrechungen, die der Rechtsanwalt zu vertreten hat, sowie Unterbrechungen von jeweils mindestens einer Stunde. (Leitsätze des […]
Die Befriedungsgebühr bemisst sich bei einer Beendigung des Verfahrens im vorbereitenden Verfahren nicht nach Nr. 4104 VV RVG, sondern danach, welches Gericht mit dem Verfahren befasst worden wäre, wenn sich das Verfahren nicht erledigt hätte. (Leitsatz des Verfassers) AG Oldenburg (Oldb), Beschl. v. 17.11.2022 – 28 Gs 1204 Js 38031/20 (3373/21) I. SachverhaltTotschlagsverfahren wird eingestellt Gegen […]

Strafrecht 2023 #05 #S

1. Die §§ 464 Abs. 3 S. 1, 2. Hs., 400 Abs. 1 StPO stehen der Anfechtung einer Kostenscheidung durch den Nebenkläger nicht entgegen. § 400 Abs. 1 StPO beseitigt nicht die Statthaftigkeit eines Rechtsmittels, sondern versagt dem Nebenkläger nur für einen bestimmten Fall die Beschwer. 2. Die Verfahrensgebühr nach Nr. 4124 VV RVG entsteht schon bei der erstmaligen Tätigkeit im Berufungsverfahren, […]
1. Der Wechsel des Pflichtverteidigers ist seit Inkrafttreten des Gesetzes vom 10.12.2018 (BGBl I, S. 2128) gesetzlich in § 143a StPO geregelt. Der einverständliche Pflichtverteidigerwechsel wurde durch das genannte Gesetz zwar nicht explizit geregelt, soll aber nach den von der Rechtsprechung entwickelten Maßgaben weiterhin möglich sein. Danach ist dem Wunsch des Beschuldigten auf Wechsel des Pflichtverteidigers nachzukommen, wenn […]
1. Die zivilgerichtliche Rechtsprechung zur begrenzten Erstattungsfähigkeit der Reisekosten eines auswärtigen Rechtsanwalts ist auf Straf- und Bußgeldsachen nicht übertragbar. 2. Vielmehr sind – weiterhin – Reisekosten eines nicht am Sitz des Prozessgerichts ansässigen (Wahl-)Verteidigers nur dann erstattungsfähige notwendige Auslagen, wenn dieser auch zum notwendigen Verteidiger hätte bestellt werden müssen oder seine Hinzuziehung aus besonderen Gründen […]
1. Tritt der Verteidiger im Adhäsionsverfahren den Anträgen mehrerer Adhäsionskläger entgegen, ist für die Gebührenberechnung der Gesamtgegenstandswert maßgeblich, der sich aus einer Zusammenrechnung der Gegenstandswerte der einzelnen Adhäsionsanträge ergibt. 2. Der Gegenstandswert von Adhäsionsanträgen bestimmt sich nach dem wirtschaftlichen Interesse der Antragsteller, insbesondere nach den in den Anträgen genannten Beträgen. Im Rechtsmittelverfahren ist gemäß § 23 […]
Wird der Rechtsanwalt durch den späteren Nebenkläger bereits im Ermittlungsverfahren sowohl für dieses als auch für ein nachfolgendes gerichtliches Verfahren beauftragt, handelt es sich gebührenrechtlich um verschiedene Aufträge und nicht um einen Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit. Der Auftrag für das nachfolgende Gerichtsverfahren ist zudem bedingt durch die Anklageerhebung, sodass für die gebührenrechtliche Betrachtung nach […]
Im Überprüfungsverfahren nach § 67e StGB fällt ein gebührenrechtlicher Haftzuschlag für die Terminsgebühr des Verteidigers nach RVG-VV Nr. 4203 nicht an, wenn ein in einem psychiatrischen Krankenhaus Untergebrachter im Zeitpunkt der Anhörung im Rahmen einer extramuralen Belastungserprobung in einer externen betreuten Wohneinrichtung wohnt, in der er in seiner Bewegungsfreiheit keinen maßgeblichen Einschränkungen unterliegt. (Leitsatz des Gerichts) OLG […]
1. Die Feststellung der Erforderlichkeit von Aufwendungen des Pflichtverteidigers durch das Gericht ist nach § 46 Abs. 2 S. 1 RVG für das Festsetzungsverfahren nach § 55 bindend. Der Kostenbeamte hat die Entscheidung grundsätzlich hinzunehmen. 2. Bei Übersetzerkosten handelt es sich um grundsätzlich erstattungsfähige Aufwendungen i.S.d. § 46 Abs. 2 S. 3 RVG. Grundsätzlich erscheint es auch vertretbar, im Rahmen eines Auslieferungsverfahrens […]
1. Der (nur) für einen Hafttermin bestellte Pflichtverteidiger rechnet nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG ab. 2. Grundgebühr und Verfahrensgebühr entstehen nach den Änderungen durch das 2. KostRModG immer nebeneinander. 3. Voraussetzung für das Entstehen der Post- und Telekommunikationsdienstleistungenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG ist, dass überhaupt entsprechende Entgelte angefallen sind, was bei einer mündlichen […]
Ein gefälschter (polnischer) Führerschein hat keinen objektiven Verkehrswert. (Leitsatz des Verfassers) LG Frankfurt (Oder), Beschl. v. 20.3.2023 – 22 Qs 1/23 I. SachverhaltGefälschter Führerschein Der Rechtsanwalt ist für die Beschuldigte, der er als Pflichtverteidiger bestellt war, in einem Ermittlungsverfahren wegen Urkundenfälschung tätig geworden. Der Beschuldigten wurde zur Last gelegt, am 22.3.2022 im Straßenverkehrsamt des Landkreises […]
Der Anspruch des gerichtlich bestellten Verteidigers gegen den Beschuldigten auf Zahlung der Wahlverteidigergebühren entfällt nach teilweisem Freispruch oder sonstigem teilweisen Obsiegen des Beschuldigten nicht nur in Höhe des darauf entfallenden Anteils, sondern in Höhe der gesamten gezahlten Pflichtverteidigergebühren. (Leitsatz des Verfassers) LG Koblenz, Beschl. v. 7.11.2022 – 9 Qs 74/22 I. SachverhaltNotwendige Auslagen teilweise der […]
Eine „Diebestüte“, die mit Alufolie ausgehüllt darauf zielt, das Auslösen eines Alarms zu verhindern, hat keinen legalen Anwendungsbereich und stellt deshalb keinen erhaltenswerten Gegenstand dar, sodass der Gegenstandswert auf 0 EUR festgesetzt werden kann. (Leitsatz des Verfassers) AG Frankfurt a.M., Beschl. v. 10.5.2022 – 989 Ds 955 Js 18304/19 I. SachverhaltGegenstandswertfestsetzung Der Rechtsanwalt hat in einem […]
Die anwaltliche Vertretung eines Beschuldigten in einem Strafverfahren, in dessen Lauf die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen wird, löst keinen Gebührenanspruch nach 4142 VV RVG aus. Das gilt auch für die Einziehung des Führerscheinformulars. (Leitsatz des Verfassers) AG Frankfurt a.M., Beschl. v. 3.3.2023 – 993 Cs 443 Js 2095/20 (41/23) I. SachverhaltEinziehung des Führerscheinformulars Der Rechtsanwalt hat […]
1. Im Strafvollstreckungsverfahren entsteht keine Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG. 2. Hat der Verteidiger im Strafvollstreckungsverfahren (hier Verfahren betreffend den Widerruf einer Bewährung) an einem Termin zur Verkündung eines nach § 453c StPO erlassenen (Sicherungs-)Haftbefehls teilgenommen, entsteht die Terminsgebühr Nr. 4202, 4202 VV RVG. (Leitsatz des Verfassers) AG Görlitz, Beschl. v. 26.10.2022 – BwR 8 Ds 140 Js […]
Es stellt keine Mitwirkung des Rechtsanwalts i.S.d. Nr. 4141 VV RVG dar, wenn sich seine Tätigkeit auf die (bloße) Verteidigerbestellung und Akteneinsicht beschränkt und eine mögliche Einlassung zu einem späteren Zeitpunkt in Aussicht gestellt wird. (Leitsatz des Verfassers) AG Hannover, Beschl. v. 15.8.2022 – 171 AR 15/22 I. SachverhaltVerteidigerbestellung, AE-Antrag und „derzeit wird geschwiegen“ Der Rechtsanwalt […]
Der (nur) für einen Hafttermin bestellte Pflichtverteidiger rechnet nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG ab. (Leitsatz des Verfassers) AG Ludwigshafen, Beschl. v. 3.3.2023 – 4a Ls 5227 Js 9474/22 I. SachverhaltBestellung nur für die Haftbefehlseröffnung Der mittlerweile verurteilte Angeklagte wurde am 22.12.2021 vorläufig festgenommen und am 23.12.2021 dem Haftrichter des AG vorgeführt, der Haftbefehl […]
1. Eine Angelegenheit hat wegen eines drohenden einmonatigen Fahrverbotes bei einer beruflichen Abhängigkeit vom Führerschein und daraus resultierenden persönlichen und wirtschaftlichen Härten mit einer möglichen Existenzgefährdung für den Betroffenen eine überdurchschnittliche Bedeutung. 2. Zur Erstattung der Kosten für die Einholung eines Sachverständigengutachtens bei einem standardisierten Messverfahren. (Leitsatz des Verfassers) AG Ratingen, Beschl. v. 25.11.2022 – […]

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