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Die neuen ZV-Formulare und das gesetzgeberische Chaos ist fast perfekt…

In den letzten Infobriefen wurden die neuen Formulare in der Vollstreckung vorgestellt und auch diverse Schwachstellen aufgezeigt. Einige dieser Schwachstellen – natürlich nicht ansatzweise alle – sollen nun behoben werden. Dies sieht zumindest der Referentenentwurf: „Verordnung zur Änderung der ZVFV vom 3.8.2023“ so vor. Folgende Änderungen – auszugsweise – sollen die Formulare erhalten:

  • Austausch des sinnfreien Wortes „Ansprechpartner“ durch die korrekte Bezeichnung Auftraggeber bzw. Antragsteller (wobei sich immer noch nicht genau aus den Formularen ergibt, wer das sein soll),

  • Geburtsdatum des Schuldners,

  • Ergänzung der Safe-ID,

  • Anpassung zum Lastschriftmandat,

  • Auswahl, dass Drittauskünfte nur eingeholt werden sollen, falls der Schuldner nicht zur VAK erscheint,

  • Klarstellung, dass Forderungsaufstellung nicht pro Titel eingereicht werden muss,

  • Erkenntnis, dass Zwischensummen und Gesamtsumme in der Forderungsaufstellung sinnvoll wären.

Weiterhin fehlen sprachliche Anpassungen zur Ein- und Mehrzahl von Gläubiger, Schuldner, Vollstreckungstitel und Forderungsaufstellung.

Auch fehlen nach wie vor substantiierte Antragsmöglichkeiten zu den Anträgen nach §§ 850c Abs. 2, Abs. 6, 850d und 850f Abs. 2 ZPO. Es sollte doch weiterhin der Dispositionsmaxime des Gläubigers entsprechen, dass dieser beispielsweise das Kind des Schuldners vollständig oder nur zur Hälfte unberücksichtigt haben will. Ohne entsprechenden Antrag des Gläubigers, fehlt jedoch die Beschwer, sollte das Gericht anderweitig entscheiden. Auch aus den Antragsseiten ergibt sich mit keinem Wort, wer eigentlich Antragsteller sein soll.

Insgesamt hat man den Eindruck, dass juristisches Basiswissen immer mehr in den Hintergrund rückt. In jedem Fall steht fest, dass der Referentenentwurf wahrlich nicht alle handwerklichen Schwachstellen an den Formularen beseitigt.

Der Referentenentwurf vom 3.8.2023 sieht für die Verwendung der modifizierten Formulare folgende Übergangsvorschrift vor:

§ 6 Übergangsregelung

(1) Für Vollstreckungsaufträge an Gerichtsvollzieher zur Zwangsvollstreckung wegen privatrechtlicher Geldforderungen, die vor dem 1. Juni 2024 gestellt werden, dürfen diejenigen Formulare weiter genutzt werden, die durch diese Verordnung in der Fassung vom 16. Dezember 2022 für solche Aufträge bestimmt sind. Ist für Vollstreckungsaufträge an Gerichtsvollzieher zur Zwangsvollstreckung wegen öffentlich-rechtlicher Geldforderungen die Nutzung der Formulare der Anlagen 1 und 6 verbindlich, so müssen diese Formulare erst für solche Vollstreckungsaufträge genutzt werden, die ab dem 1. Juni 2024 gestellt werden.

(2) Für Anträge auf Erlass einer richterlichen Durchsuchungsanordnung nach § 758a Absatz 1 der Zivilprozessordnung, auf Erlass eines Pfändungsbeschlusses nach § 829 der Zivilprozessordnung sowie auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nach den §§ 829 und 835 der Zivilprozessordnung, die vor dem 1. Juni 2024 gestellt werden, dürfen diejenigen Formulare weiter genutzt werden, die durch diese Verordnung in der Fassung vom 16. Dezember 2022 für solche Anträge bestimmt sind.

2. Die Anlagen 1 bis 8 erhalten jeweils die aus dem Anhang zu dieser Verordnung ersichtliche Fassung.

Diese Übergangsregelung würde also bedeuten, dass zunächst die fehlerhaften „neuen“ Formulare bis zum 1.6.2024 weitergenutzt werden dürfen und man, sobald die berichtigten „neuen“ Formulare vorliegen, bis zum 1.6.2024 ein Wahlrecht hat, welches man verwenden will.

Nach dem Referentenentwurf vom 3.8.2023 wäre es aber so, dass jedenfalls die „alten“ Formulare nur noch bis zum 30.11.2023 verwendet werden dürfen und sodann zwingend ab 1.12.2023 die ersichtlich handwerklich schlecht gemachten „neuen“ Formulare.

Als wäre das nicht bereits alles kompliziert genug, so liegt ein weiterer Referentenentwurf über eine Verordnung zur Änderung der ZVFV vom 15.9.2023 vor. Zum Hintergrund dieses erneuten Referentenentwurfes wird dort wie folgt ausgeführt:

Zum Hintergrund des Referentenentwurfs vom 15.9.2023:

A. Problem und Ziel

Die Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung vom 16. Dezember 2022 (BGBl. I S. 2368) enthält in § 6 eine Übergangsregelung für die Nutzung der bisherigen Formulare für die Zwangsvollstreckung für Anträge, die vor dem 1. Dezember 2023 gestellt werden. Das Ende der Übergangsregelung zum Jahresende ist mit Blick auf die vermehrt erforderlichen Antragstellungen zu diesem Zeitpunkt problematisch. Voraussichtlich kann auch eine vollständige Anpassung der IT-Verfahren auf die neuen Formulare nicht rechtzeitig erfolgen. Die Übergangsfrist für die Nutzung der bisherigen Formulare soll deshalb verlängert werden. In diesem Kontext soll der Entwurf auch zur Erreichung von Ziel 16 der UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung beitragen, auf allen Ebenen leistungsfähige Institutionen aufzubauen.

B. Lösung

Die Übergangsregelung, die die Nutzung der Formulare nach der Zwangsvollstreckungsformularverordnung sowie nach der Gerichtsvollzieherformular-Verordnung in der jeweils bis zum 21. Dezember 2022 geltenden Fassung regelt, soll bis zum 1. Mai 2025 verlängert werden, um den Beteiligten mehr Zeit für die Anpassung ihrer IT-Systeme einzuräumen. Diese Übergangsregelung würde ansonsten am 30. November 2023 auslaufen.

In einem gesonderten Vorhaben sollen Vorschläge der Praxis zur Verbesserung der Formulare aufgegriffen werden.

C. Alternativen

Keine.

Die Übergangsregelung in diesem Referentenentwurf lautet nunmehr wie folgt:

§ 6 Übergangsregelung

(1) Für Vollstreckungsaufträge an Gerichtsvollzieher zur Zwangsvollstreckung wegen privatrechtlicher Geldforderungen, die vor dem 1. Mai 2025 gestellt werden, dürfen diejenigen Formulare weiter genutzt werden, die durch die Gerichtsvollzieherformular-Verordnung vom 28. September 2015 (BGBl. I S. 1586), die durch Artikel 8 des Gesetzes vom 21. November 2016 (BGBl. I S. 2591) geändert worden ist, für solche Aufträge bestimmt sind. Ist für Vollstreckungsaufträge an Gerichtsvollzieher zur Zwangsvollstreckung wegen öffentlich-rechtlicher Geldforderungen die Nutzung der Formulare der Anlagen 1 und 6 verbindlich, so müssen diese Formulare erst für solche Vollstreckungsaufträge genutzt werden, die ab dem 1. Mai 2025 gestellt werden.

(2) Für Anträge auf Erlass einer richterlichen Durchsuchungsanordnung nach § 758a Absatz 1 der Zivilprozessordnung, auf Erlass eines Pfändungsbeschlusses nach § 829 der Zivilprozessordnung sowie auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nach den §§ 829 und 835 der Zivilprozessordnung, die vor dem 1. Mai 2025 gestellt werden, dürfen diejenigen Formulare weiter genutzt werden, die durch die Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung vom 23. August 2012 (BGBl. I S. 1822), die durch Artikel 1 der Verordnung vom 16. Juni 2014 (BGBl. I S. 754) geändert worden ist, für solche Anträge bestimmt sind.

Tritt diese Verordnung tatsächlich so in Kraft, was zum Zeitpunkt der Fertigstellung dieses Infobriefes noch nicht absehbar ist, so bedeutet dies, dass nunmehr auch die „alten“ Formulare weiterhin bis zum 30.4.2025 neben den „neuen“ und den „berichtigten neuen“ Formularen benutzt werden können.

In der Praxis wird wesentlich von Bedeutung sein, welches Formular die Softwarehersteller zur Verfügung stellen und wann. Wenn man sich also bewusst – vorausgesetzt die Übergangsregelung tritt so in Kraft – für die Nutzung der „alten“ Formulare entscheidet, gilt es bei der Einspielung von Updates aufzupassen, um nicht Gefahr zu laufen, nur noch die neuen Formulare im System zu haben.

Wenn man sich vor Augen führt, welche Raketenwissenschaft es offenbar für den Gesetzgeber bedeutet, drei „neue“ und praxistaugliche Formulare zu entwickeln und dazu fast im Monatstakt neue Verordnungen entwerfen lässt, dann denkt man unweigerlich an die Bibelstelle bei Lukas 23:34: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“

Zum Zeitpunkt der Fertigstellung des Infobriefes gilt jedoch weiterhin die bisherige Übergangsregelung, wonach die „alten“ Formulare nur noch bis zum 30.11.2023 verwendet werden dürfen. Ob dies der Gesetzgeber noch im Blick hat?

Etwas erfreulicher gestaltet sich ein weiterer Referentenentwurf: Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Zwangsvollstreckung vom 19.9.2023. Darin soll nunmehr der bisher dilettantische elektronische Rechtsverkehr in der Zwangsvollstreckung verbessert werden.

Erfreulich ist dieser Referentenentwurf deshalb, weil hier die „Handbremse“ gelöst wird und sodann, im Falle des Inkrafttretens in dieser Form, sämtliche Titel und unabhängig der titulierten Forderungshöhe zugelassen werden. Es soll also ausreichend sein, wenn der Titel als elektronisches Dokument vorgelegt wird.

Auch Regelungen zur Quittierung von Zahlungen im Falle des elektronischen Titels sowie zur Geldempfangsvollmacht werden getroffen.

Bislang nicht nachvollziehbar ist, weshalb wohl immer noch für den Antrag auf Erlass eines Haftbefehls sowie Durchsuchungsbeschluss die Vorlage des Originaltitels erforderlich sein soll. Vielleicht hat hier der Gesetzgeber ein Einsehen und benötigt nicht wiederum zig Ergänzungsverordnungen im Nachgang.

Ebenfalls fehlen noch Regelungen zu den „Exoten“, wie Ersatzvornahmevollstreckung nach § 887 ZPO, Zwangsgeldvollstreckung nach § 888 ZPO sowie für Bestrafungsanträge nach § 890 ZPO. Auch hier ist nicht einzusehen, weshalb dies nicht gleichlautend geregelt werden kann.

Wir halten Sie natürlich über die weiteren Entwicklungen auf dem Laufenden.

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