Kategorie: Strafrecht

Strafrecht 2023 #04

Erwerb und Besitz von Kipo: Verfassungsmäßigkeit der Strafverschärfung Dem BVerfG wird gem. Art. 100 Abs. 1 GG die Frage vorgelegt, ob § 184b Abs. 3 StGB in der seit dem 1.7.2021 geltenden Fassung des 60. Strafrechtsänderungsgesetzes mit dem aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abgeleiteten Schuldgrundsatz (Übermaßverbot) vereinbar ist, indem der Tatbestand […]
Wir haben schon länger nicht mehr die Rechtsprechung zum RVG in Straf- und Bußgeldsachen zusammengestellt. Dies holen wir mit der nachfolgenden Übersicht nach. Sie hat den Stand von Ende Dezember 2022 und erfasst Entscheidungen aus dem Zeitraum 2021–2022. Die mit § 14 RVG zusammenhängenden Entscheidungen sind hier nicht enthalten und werden ggf. gesondert behandelt. Auch die […]
Eine richterliche Entscheidung, mit der eine Telefonüberwachung genehmigt wird, muss keine individualisierte Begründung enthalten, wenn ihr ein ausführlich begründeter Antrag der zuständigen Strafverfolgungsbehörde zugrunde liegt und sich die für die Anordnung der Maßnahme ausschlaggebenden Gründe leicht und eindeutig erschließen, wenn die Entscheidung und der Genehmigungsantrag nebeneinander gelesen werden. (Leitsatz des Verfassers) EuGH, Urt. v. 16.2.2023 […]
Zur Besorgnis der Befangenheit wegen Vorbefassung im sog. Cum-Ex-Verfahren. (Leitsatz des Verfassers) BVerfG, Beschl. v. 27.1.2023 – 2 BvR 1122/22 I. Sachverhalt Verfassungsbeschwerde wegen „Vorbefassung“ Das BVerfG hat über die Verfassungsbeschwerde eines ehemaligen Cum-Ex-Mitarbeiters entschieden, der gegen ein Urteil des LG Bonn und die Revisionsentscheidung des BGH Verfassungsbeschwerde eingelegt und den Erlass einer einstweiligen Anordnung […]
Auch wenn in einem Termin zur Fortsetzung der Hauptverhandlung Verfahrensvorgänge stattfinden, die als Sachverhandlung anzusehen sind, verstößt es gegen § 229 StPO, wenn aus dem gesamten Verfahrensgang erkennbar wird, dass das Gericht mit der Verhandlung nicht die substanzielle Förderung des Verfahrens bezweckt, sondern allein die Wahrung der Unterbrechungsfrist im Auge hat. (Leitsatz des Gerichts) BGH, Beschl. […]
Ein Fahrzeughersteller kann nach § 100k StPO verpflichtet sein, dem Ermittlungsrichter in Echtzeit anfallende, auf einem Server des Herstellers zugängliche GPS-Standortdaten eines Kraftfahrzeugs zur Verfügung zu stellen. (Leitsatz des Verfassers) OLG Frankfurt, Beschl. v. 20.7.2021 – 3 WS 369/21 I. Sachverhalt Standortdaten des Herstellers für Ermittlungen benötigt In dem Ermittlungsverfahren ging es um die Fahndung nach […]
1. Vor der Aufhebung der Bestellung eines zusätzlichen Pflichtverteidigers nach § 144 Abs. 2 StPO ist dem Beschuldigten nach § 144 Abs. 2 S. 2 StPO i.V.m. § 142 Abs. 5 S. 1 StPO Gelegenheit zu geben, innerhalb einer vom Gericht zu bestimmenden Frist den Pflichtverteidiger zu bezeichnen, dessen Beiordnung aufgehoben werden soll. 2. Macht der Beschuldigte von der Möglichkeit des § 142 Abs. 5 […]
Die Pflichtverteidigerbestellung erstreckt sich nicht auf das Adhäsionsverfahren. (Leitsatz des Verfassers) LG Osnabrück, Beschl. v. 5.9.2022 – 18 KLs 5/22 I. Sachverhalt Adhäsionsantrag Der Rechtsanwalt war dem Verurteilten in einem Verfahren mit dem Vorwurf des besonders schweren Raubes u.a. als Pflichtverteidiger beigeordnet. Mit Schreiben vom 15.2.2020 beantragte der Geschädigte, den Angeklagten im Wege des Adhäsionsverfahrens […]
Kommen verschiedene Lebenssachverhalte wahlweise in Betracht, kann eine Verurteilung auf wahldeutiger Tatsachengrundlage nur erfolgen, wenn zu allen Varianten eine zugelassene Anklageschrift vorliegt und die in exklusiver Alternativität möglichen Sachverhaltsvarianten sämtlich eine Strafbarkeit des Angeklagten ergeben. (Leitsatz des Verfassers) BGH, Beschl. v. 28.6.2022 – 2 StR 229/21 I. Sachverhalt Temperaturregler geliefert, Bezugspunkt unklar Das LG hat […]
Zur Einziehung eines Erbbaurechts als Tatmittel. (Leitsatz des Verfassers) BGH, Beschl. v. 24.11.2022 – 4 StR 263/22 I. Sachverhalt Einziehung eines Erbbaurechts Wegen des Sachverhalts wird verwiesen auf BGH StRR 3/2023, 14 ff. Die Angeklagten hatten mit ihren Revisionen die Einziehung des Erbbaurechts als Tatmittel beanstandet. Insoweit hatte die Revision keinen Erfolg. II. Entscheidung Die […]
Beim Festkleben mit der Hand auf einer Fahrbahn ihm Rahmen einer Straßenblockade, um Fahrzeugführer an ihrer Weiterfahrt zu hindern, bis die Blockade durch Polizeieinsatzkräfte geräumt wird, besteht hinreichender Tatverdacht hinsichtlich Nötigung und Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte. (Leitsatz des Gerichts) LG Berlin, Beschl. v. 21.11.2022 – 534 Qs 80/22 I. Sachverhalt Erlass eines Strafbefehls abgelehnt Das AG […]
Nicht jede Verzögerung eines Haftbeschwerdeverfahrens, wie z.B. die versehentliche Überschreitung der Dreitagesfrist des § 306 Abs. 2 Hs. 2 StPO um rund einen Monat, führt zur Unverhältnismäßigkeit der Haftfortdauer bzw. zu einer Verletzung des Freiheitsgrundrechts (Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG) oder des Rechtsschutzanspruchs (Art 19 Abs. 4 GG). (Leitsatz des Verfassers) BVerfG, Beschl. v. 23.1.2023 – 2 […]
1. Ein Haftbefehl wegen Wiederholungsgefahr kann nach § 116 Abs. 4 StPO wieder in Vollzug gesetzt werden, wenn der Beschuldigte neue gleichartige Straftaten begeht und dadurch das in ihn gesetzte Vertrauen zerstört. 2. Die neuen Taten müssen weder gegenüber dem gleichen Geschädigten erfolgen noch im gleichen Verfahren verfolgt werden. Stets ist aber zumindest ein dringender Tatverdacht erforderlich. […]
Der Senat hält an seiner bisherigen Rechtsprechung (Beschl. v. 20.5.2009 – 2 Ws 132/09) fest, dass die zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG nicht anfällt, wenn der Verteidiger den Verurteilten dahingehend berät, ein den Rechtszug beendendes Urteil oder den erlassenen Strafbefehl hinzunehmen und nicht dagegen vorzugehen. Dabei ist es unerheblich, ob von Anfang an übereinstimmend […]
Wird die Pflichtverteidigerbestellung rückwirkend aufgehoben, entfällt damit ein Vergütungsanspruch des Verteidigers. (Leitsatz des Verfassers) LG Amberg, Beschl. v. 5.12.2022 – 11 Qs 79/22 I. Sachverhalt AG Amberg StRR 1/2023, 35 ff. Wegen des näheren Sachverhalts wird verwiesen auf AG Amberg StRR 1/2023, 35 ff. Der Rechtsanwalt hat gegen den AG-Beschluss Beschwerde eingelegt. Die hatte beim […]
Nr. 4141 VV RVG ist analog auf den Fall anzuwenden, dass der Verteidiger mit der Staatsanwaltschaft noch vor Anklageerhebung vereinbart, dass ein Strafbefehl ergehen soll, der vom Beschuldigten akzeptiert wird, und das dann umgesetzt wird. (Leitsatz des Gerichts) LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 16.1.2023 – 12 Qs 76/22 I. Sachverhalt „Abgesprochener Strafbefehl“ Die Rechtsanwältin des Beschuldigten war […]

Strafrecht 2023 #03

Polizeiliche Befugnisse nach SOG MV: verdeckte Ermittler, Online-Durchsuchung, Quellen-TKÜ Der Einsatz von Vertrauenspersonen und verdeckt Ermittelnden kann den Kernbereich privater Lebensgestaltung betreffen. Das gilt, wenn sie hierdurch kernbereichsrelevante Informationen erlangen. Darüber hinaus kann ihre Interaktion mit einer Zielperson unter besonderen Voraussetzungen bereits als solche den Kernbereich privater Lebensgestaltung berühren, ohne dass es noch auf den […]
I. Hintergrund „Die Corona-Pandemie ist vorbei.“ Nicht nur Deutschlands bekanntester Virologe Christian Drosten hat die Pandemie für überwunden erklärt. Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ist von seiner einst strengen Vorsicht abgerückt. Zum 1.2.2023 ist die Maskenpflicht im öffentlichen Personennah- und -fernverkehr entfallen. Weitere Lockerungen sind am 1.3.2023 erfolgt. Hiernach könnte diese Rechtsprechungsübersicht die letzte ihrer Art […]
Zur Ablehnung eines Beweisantrags auf Vernehmung eines sog. Auslandszeugen. (Leitsatz des Verfassers) BGH, Beschl. v. 24.11.2022 – 4 StR 263/22 I. Sachverhalt Antrag auf Vernehmung von „Auslandszeugen“ Das LG hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und seine Ehefrau wegen Beihilfe verurteilt. Nach den Feststellungen des LG hatte sie ein Erbbaurecht […]
Zur Unerreichbarkeit eines Zeugen im Falle mehrmonatiger ergebnisloser Fahndung aufgrund eines (internationalen) Haftbefehls. (Leitsatz des Gerichts) BGH, Beschl. v. 1.11. 2022 – 6 StR 219/22 I. Sachverhalt „Beweisantrag“: Zeuge mit unbekanntem Aufenthalt Das LG hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt. Bei den Geschäften soll er unter Einsatz eines EncroChat-Accounts […]
Liegen die Voraussetzungen der notwendigen Verteidigung vor und wird der Beiordnungsantrag noch vor rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens gestellt, ist es ausnahmsweise möglich und geboten, rückwirkend auf den Zeitpunkt der Antragstellung einen Pflichtverteidiger zu bestellen, wenn der Antrag vor Verfahrensabschluss aus justizinternen Gründen nicht verbeschieden wurde. (Leitsatz des Gerichts) OLG Stuttgart, Beschl. v. 15.12.2022 – 4 […]
1. Ist neben einem Minderjährigen eines seiner Elternteile angeklagt, mit diesem gemeinschaftlich eine Straftat begangen zu haben, so kann sich der Jugendliche in aller Regel nicht selbst verteidigen, weshalb auch dann ein Fall der notwendigen Verteidigung gegeben ist, wenn dem mitangeklagten Elternteil nicht die elterlichen Verfahrensrechte nach § 67 Abs. 4 JGG ganz oder teilweise zu entziehen […]
Zum gegen den erkennbaren Willen des Sexualpartners heimlich ohne Kondom ausgeführten Geschlechtsverkehr (sogenanntes „Stealthing“). (Leitsatz des Gerichts) BGH, Beschl. v. 13.12. 2022 – 3 StR 372/22 I. Sachverhalt Geschlechtsverkehr heimlich ohne Kondom ausgeübt Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen sexuellen Übergriffs verurteilt. Der Angeklagte und eine Besucherin wollten geschlechtlich verkehren. Nach einvernehmlichem Oralverkehr ging […]
Kein strafbarer Versuch des Erwerbs von Betäubungsmitteln, sondern eine bloße Vorbereitungshandlung liegt vor, wenn bei einer Bestellung im Darknet nicht feststellbar ist, dass der Verkäufer die bestellte Ware bei der Post aufgegeben hat. (Leitsatz des Verfassers) BayObLG, Beschl. v. 5.12.2022 – 207 StRR 335/22 I. Sachverhalt Betäubungsmittel im Darknet bestellt Das AG hat den Angeklagten […]
1. Auch wenn die Patientin oder der Patient mit den sexuellen Handlungen im Rahmen des Behandlungsverhältnisses ausdrücklich einverstanden ist, versteht es sich in den meisten Fällen von selbst, dass ein Arzt, der sexuelle Handlungen an einer Patientin oder einem Patienten im Rahmen eines Beratungs-, Behandlungs- und Betreuungsverhältnisses vornimmt, dieses besondere Verhältnis i.S.v. § 174c StGB missbraucht. […]
Ob ein bedeutender Schaden i.S.d. § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB vorliegt, ist nach den objektiven wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu beurteilen, um den das Vermögen des Geschädigten als unmittelbare Folge des Unfalls gemindert wird. Angemessen erscheint als Untergrenze für das Vorliegen eines bedeutenden Schadens i.S.v. § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB ein Betrag von 1.750 EUR. (Leitsatz des Verfassers) LG Bochum, […]
Eine Rettungsgasse ist zu bilden „sobald Fahrzeuge … mit Schrittgeschwindigkeit fahren oder sich die Fahrzeuge im Stillstand befinden“. Damit wird hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass eine Überlegungsfrist nicht besteht, die Pflicht zur Bildung einer Rettungsgasse vielmehr sofort eingreift, nachdem die in § 11 Abs. 2 StVO beschriebene Verkehrssituation eingetreten ist. (Leitsatz des Verfassers) OLG Oldenburg, Beschl. […]
1. Der Vergütungsanspruch des Verteidigers, der anstelle des verhinderten Pflichtverteidigers für einen Hauptverhandlungstermin, einen Haftprüfungstermin oder den Termin zur Haftbefehlseröffnung als Verteidiger des Beschuldigten/Angeklagten bestellt worden ist, beschränkt sich nicht nur auf die Terminsgebühren, sondern umfasst alle durch die anwaltliche Tätigkeit im Einzelfall verwirklichten Gebührentatbestände des Teils 4 Abschnitt 1 VV RVG. 2. Der Haftzuschlag […]
Der einem Beschuldigten für die Haftprüfung beigeordnete Rechtsanwalt verdient nur eine Gebühr für eine Einzeltätigkeit. (Leitsatz des Verfassers) OLG Stuttgart, Beschl. v. 23.1.2023 – 4 Ws 137/23 I. Sachverhalt Bestellung für Anhörung Der vormals Beschuldigte wurde am 29.6.2022 festgenommen und zur Eröffnung des Haftbefehls dem Ermittlungsrichter beim AG Stuttgart vorgeführt. Zu diesem Zeitpunkt wurde er […]
Auch der notwendige Verteidiger, der nur für einen Tag bzw. Termin bestellt ist, ist für diesen begrenzten Zeitraum umfassend mit der Wahrnehmung der Verteidigerrechte und -pflichten betraut. Daher kommt auch angesichts einer zeitlichen Begrenzung der Beiordnung eine gebührenrechtliche Einstufung der Tätigkeit als Einzeltätigkeit nicht in Betracht. (Leitsatz des Verfassers) LG Tübingen, Beschl. v. 6.2.2023 – […]

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