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Bestimmung des Kindesunterhalts bei hohen Einkommen

1. Zur Bestimmung des Bedarfs eines minderjährigen Kindes nach der Düsseldorfer Tabelle vor Erweiterung der Einkommensstufen bis zu einem Einkommen i.H.v. 11.000 EUR.

2. Der Unterhaltsbetrag des Kindes bemisst sich auch dann nach den Prozentsätzen der Einkommensgruppen Nr. 11 bis 15 der Düsseldorfer Tabelle 2022, wenn das bedarfsbestimmende Einkommen für den Zeitraum bis 2021 den Höchstbetrag der bis dahin einschlägigen höchsten Einkommensgruppe Nr. 10 der Düsseldorfer Tabelle überschreitet.

3. Wird im Zusammenhang mit einem Scheidungsverbundverfahren in Bezug auf den Unterhalt eines minderjährigen Kindes auf der Grundlage eines Stufenantrags zunächst Auskunft zu den unterhaltsrelevanten Einkünften geltend gemacht, so tritt hierdurch sofort Verzug ein, wenn dieses Begehren keine zeitliche Beschränkung enthält.

4. Dass im Verbundverfahren der Kindesunterhalt erst ab Eintritt der Rechtskraft der Verbundentscheidung verlangt werden kann (§ 148 FamFG), steht der materiell-rechtlichen Wirkung des Verzugs nicht entgegen, da insoweit lediglich eine verfahrensrechtliche Schranke hinsichtlich des rückständigen Unterhalts vorliegt.

5. Die durch eine Stufenmahnung ausgelöste Verzugswirkung (§ 1613 Abs. 1 S. 1 BGB) wird für rückständige Unterhaltsbeträge auf die Höhe eines zeitlich später beziffert gestellten Antrags begrenzt.

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.12.2022II-1 UF 78/22

I. Der Fall

Die Beteiligten haben am 5.5.2007 geheiratet. Aus ihrer Ehe ist das in 2009 geborene Kind A. hervorgegangen. Der Antragsgegner hat aus erster Ehe zwei weitere Kinder. Er ist freiberuflich als Patentanwalt tätig. Seit 08/2011 leben die Beteiligten getrennt. Das Kind A. wird seither von der Antragstellerin betreut und versorgt. Im Scheidungsverbundverfahren hat die Antragstellerin den Antragsgegner mit Stufenantrag vom 7.5.2013 im Rahmen einer Scheidungsfolgesache auf Kindesunterhalt in Anspruch genommen. Das Amtsgericht hat in der Ehesache mit Verbundbeschluss vom 26.7.2022 die Scheidung der Ehe der Beteiligten ausgesprochen. Die in diesem Beschluss getroffenen Folgesachenanordnungen zum Versorgungsausgleich und zum Kindesunterhalt sind Gegenstand des parallel vor dem Senat geführten Beschwerdeverfahrens.

Nachdem die Antragstellerin im Unterhaltsverfahren mit Antragsschrift vom 5.2.2020 zunächst Kindesunterhalt für A. für die Zeit ab dem 1.2.2020 bis zur Rechtskraft der Scheidung in Höhe von 160 % des Mindestunterhalts ohne Kindergeldabzug und für die Zeit vom 1.5.2013 bis zum 31.1.2020 in Höhe rückständiger insgesamt 16.962 EUR gefordert hatte, machte sie sodann für das Kind mit Antragserweiterung vom 29.9.2021 Kindesunterhalt für die Zeit ab dem 1.11.2021 bis zur Rechtskraft der Scheidung in Höhe von 208 % des Mindestunterhalts und für die Zeit vom 1.5.2013 bis zum 31.10.2021 in Höhe rückständiger insgesamt 32.364,20 EUR geltend.

Das Amtsgericht hat den Antragsgegner verpflichtet, an die Antragstellerin Kindesunterhalt das Kind für die Zeit vom 1.5.2013 bis zum 31.10.2021 in Höhe rückständiger insgesamt 28.320,92 EUR nebst Zinsen und für die Zeit ab dem 1.11.2021 bis zur Rechtskraft der Scheidung in Höhe von 184 % des Mindestunterhalts abzüglich hälftigen Kindergeldes zu zahlen. Dabei hat das Amtsgericht für den Rückstandszeitraum folgende Kindesunterhaltsansprüche zugrunde gelegt: für 2013 und 2014 in Höhe von 176 % des Mindestunterhalts abzüglich hälftigen Kindergeldes, für 2015 in Höhe von 160 % des Mindestunterhalts abzüglich hälftigen Kindergeldes, für 2016 in Höhe von 152 % des Mindestunterhalts abzüglich hälftigen Kindergeldes, für 2017 in Höhe von 168 % des Mindestunterhalts abzüglich hälftigen Kindergeldes, für 2018 in Höhe von 184 % des Mindestunterhalts abzüglich hälftigen Kindergeldes, für 2019 in Höhe von 192 % des Mindestunterhalts abzüglich hälftigen Kindergeldes, für Januar bis Juli 2020 in Höhe von 184 % des Mindestunterhalts abzüglich hälftigen Kindergeldes, für August bis Dezember 2020 in Höhe von 192 % des Mindestunterhalts abzüglich hälftigen Kindergeldes sowie ab 2021 in Höhe von 184 % des Mindestunterhalts abzüglich hälftigen Kindergeldes.

Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, aufgrund eines außergerichtlichen Schreibens des damaligen Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin vom 16.11.2012 stehe dem Rückstandsbegehren das Verzugserfordernis nicht entgegen. Auch der Einwand der Verwirkung sei unberechtigt. Es fehle das erforderliche Umstandsmoment. Schon aufgrund der Auskunftsaufforderung habe der Antragsgegner mit seiner Inanspruchnahme rechnen müssen. Es ergebe sich auch kein anderweitiger Vertrauenstatbestand zugunsten des Antragsgegners. Die Höhe der Bruttoeinkünfte des Antragsgegners ergebe sich aus den Steuerbescheiden für 2013 und für 2015 bis 2019. Mangels Vorlage des Steuerbescheids für 2014 sei insoweit das Einkommen aus 2013 fortzuschreiben. Abschreibungen seien nicht gesondert in Abzug zu bringen, weil ohnehin nur das steuerliche – und somit bereits um Abschreibungen gekürzte – Einkommen zugrunde gelegt werde. Die Steuerlast und die Krankenversicherungskosten seien jeweils in der aus den Steuerbescheiden ersichtlichen Höhe abzusetzen. Altersvorsorgeaufwendungen hat das Amtsgericht in Höhe von 24 % des Bruttoeinkommens berücksichtigt. Zusätzliche Abzüge wegen der Abtragung von Darlehensverbindlichkeiten bezüglich eines Kanzleikredits seien nicht gerechtfertigt. Der Zinsaufwand sei bereits bei der Ermittlung des zugrunde gelegten steuerlichen Gewinns berücksichtigt. Über die 24 %-Grenze hinausgehende Tilgungen müssten außer Ansatz bleiben, da sie dem Vermögensaufbau dienten. Weitergehende Aufwendungen habe der Antragsgegner auch nicht nachvollziehbar vorgetragen.

Da das Einkommen des Antragsgegners die – bis 2021 maßgebliche – Höchstgrenze der Düsseldorfer Tabelle überschreite, sei diese auch schon für die Vergangenheit über die zehnte Einkommensgruppe hinaus fortzuschreiben, und zwar nach Maßgabe der Düsseldorfer Tabelle 2022.

II. Die Entscheidung

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hält die zulässige Beschwerde für teilweise begründet. Es führt diesbezüglich aus:

Die Antragstellerin hat gegen den Antragsgegner gemäß §§ 1601, 1629 Abs. 3 BGB in der aus der Beschlussformel ersichtlichen Höhe einen Anspruch auf Zahlung von Kindesunterhalt für das gemeinsame Kind der Beteiligten A. nebst gemäß §§ 288, 286 BGB geschuldeter Zinsen für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum vom 1.5.2013 bis zur Rechtskraft der Ehescheidung, die aufgrund der im Scheidungsverbundverfahren am 24.10.2022 erfolgten Zustellung der Beschwerdebegründung gemäß § 145 Abs. 1 Satz 1 FamFG am 25.11.2022 eingetreten ist, mithin bis zum Ablauf des 24.11.2022.

1. Zu Recht begehrt die Antragstellerin rückständigen Kindesunterhalt für die Zeit ab Mai 2013.

a) Der Antragsgegner hat sich aufgrund des im Scheidungsverbundverfahren übermittelten Stufenantrags auf Kindesunterhalt vom 7.5.2013 ab Mai 2013 gemäß § 1613 Abs. 1 BGB in Verzug befunden. Die diesbezügliche Bevollmächtigung des damaligen Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin unterliegt keinem Zweifel, da sich die für die Ehescheidung erteilte Vollmacht vom 21.6.2012 ausdrücklich auch auf alle Folgeverfahren bezieht. Es handelt sich um eine verzugsbegründende Stufenmahnung. Die fehlende ausdrückliche zeitliche Konkretisierung des Leistungsantrags ist unschädlich, weil einem Folgesachenbegehren immanent ist, dass sich der Antrag auf den Eintritt der Rechtskraft der Scheidung bezieht. Da dieser naturgemäß nicht absehbar ist und es je nach Verfahrensverlauf – etwa im Fall eines Scheidungsfolgenvergleichs – auch sehr kurzfristig zur rechtskräftigen Scheidung kommen kann, musste dem Antragsgegner aufgrund des Antrags vom 7.5.2013 jedenfalls ab Mai 2013 seine Kindesunterhaltsverpflichtung gegenüber A. klar vor Augen stehen.

Der Stufenantrag vom 7.5.2013 hat den Antragsgegner auch im Hinblick auf den auf die Zeit vor Eintritt der Rechtskraft der Ehescheidung entfallenden Teil des Kindesunterhaltsanspruchs in Verzug gesetzt im Sinne des § 1613 Abs. 1 BGB. Das im Schriftsatz vom 7.5.2013 formulierte Begehren ist – zunächst – allgemein auf Auskunftserteilung gerichtet und enthält keine Beschränkung des Zahlungsanspruchs in zeitlicher Hinsicht. Dass der Kindesunterhalt als Folgesache im Scheidungsverbund nur für die Zeit ab Rechtskraft der Ehescheidung geltend gemacht werden kann, stellt eine verfahrensrechtliche Schranke dar, hat aber keine Auswirkung auf den Inhalt des tatsächlich erhobenen Begehrens und damit auch nicht auf die materiellrechtlichen Wirkungen gemäß § 1613 Abs. 1 BGB. Das erst erheblich später erfolgte Bestreiten einer Vollmacht des damaligen Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin zur Geltendmachung von Unterhalt für die Zeit bis zur Rechtkraft der Ehescheidung ist nach Maßgabe des § 174 Abs. 1 Satz 1 BGB mangels unverzüglicher Zurückweisung durch den Antragsgegner materiellrechtlich unbeachtlich.

b) Die Rückstandsforderung ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt der illoyal verspäteten Geltendmachung gemäß § 242 BGB verwirkt. Der Kindesunterhaltsanspruch war jedenfalls seit dem Stufenantrag vom 7.5.2013 fortwährend Gegenstand der Auseinandersetzung der Beteiligten über die Trennungs- und Scheidungsfolgen. Besondere Umstände, die – abgesehen vom reinen Zeitablauf – das Vertrauen des Antragsgegners rechtfertigten, die Antragstellerin werde den Anspruch nicht mehr geltend machen, sind nicht ersichtlich. Ein bloßes Unterlassen der Geltendmachung reicht hierfür nicht aus. Damit fehlt es an dem für die Annahme einer Verwirkung erforderlichen Umstandsmoment.

2. Das gemäß § 1610 Abs. 1 BGB bedarfsbestimmende Einkommen des Antragsgegners beläuft sich auf folgende Beträge:

[Angaben des jeweiligen Jahresbruttoeinkommens für 2013 bis 2020 und ab 2021 mit Ermittlung des unterhaltsrechtlich relevanten Nettoeinkommens]

Dies beruht auf folgenden Erwägungen:

a) Ausgangspunkt der Einkommensermittlung sind die aus den Steuerbescheiden ersichtlichen Gewinneinkünfte des Antragsgegners. Insoweit wird insbesondere auf die im Scheidungsverbundverfahren mit Schreiben des Finanzamts, mit Schriftsatz der Antragstellerin vom 2.11.2021 und mit der Beschwerdebegründung des Antragsgegners vom 17.10.2022 übermittelten Steuerbescheide sowie auf den Vortrag der Antragstellerin im Schriftsatz vom 29.9.2021 Bezug genommen.

Für 2014 ist mangels Vorlage eines Steuerbescheids das im angrenzenden Dreijahreszeitraum 2013, 2015 und 2016 erzielte Einkommen zugrunde zu legen. Dieser Referenzzeitraum ermöglicht insbesondere im Hinblick auf den nach 2012 zu verzeichnenden Gewinnanstieg eine adäquate Einkommensfeststellung.

Für die Zeit ab 2021 ist die Höhe der Gewinneinkünfte angesichts des aktuellen Steuerbescheids für 2020 zu prognostizieren, und zwar auf der Grundlage des Durchschnitts der im aktuell zurückliegenden belegten Dreijahreszeitraum 2018 bis 2020 erzielten Einkünfte.

Aufgrund der solchermaßen ausgewerteten Einkommensnachweise ist unerheblich, dass der Antragsgegner abweichende Beträge zugrunde legt. Maßgeblich ist nicht, was der Antragsgegner als unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen einschätzt, sondern – zumindest – das steuerliche Gewinneinkommen, zumal dieses das Einkommen im unterhaltsrechtlichen Sinn typischerweise unterschreitet, weil viele steuerliche Abzugsmöglichkeiten unterhaltsrechtlich nicht anzuerkennen sind. Jedenfalls besteht keine Grundlage für die Zurechnung eines die steuerlichen Ansätze unterschreitenden Einkommens des Antragsgegners. Der Vortrag des Antragsgegners erlaubt hierzu keine tragfähigen, von den in Bezug genommenen Belegen abweichenden Feststellungen. Dies gilt auch im Hinblick auf die mit Schriftsatz vom 21.7.2021 übermittelte CD. Mangels diesbezüglichen konkreten Sachvortrags sind insofern keine Feststellungen zu treffen, die Anlass für eine abweichende Beurteilung gäben. Soweit Anlagen mit einer Vielzahl von Dateien betroffen sind, vermögen diese keinen Sachvortrag zu ersetzen. Aus dem mit der Beschwerdebegründung gehaltenen umfassenden Sachvortrag des Antragsgegners ergeben sich keine Erkenntnisse, die eine dem Antragsgegner günstigere Würdigung rechtfertigten. Dies gilt nicht nur für die Feststellung der Gewinneinkünfte, sondern auch für die – nachfolgend zu erörternde – Berücksichtigung vorgetragener Abzugspositionen.

Die von der Beschwerde thematisierten Abschreibungen mindern bereits das – hier wie dargelegt lediglich zugrunde gelegte – steuerliche Einkommen, so dass diese Positionen berücksichtigt sind, was sich zugunsten des Antragsgegners auswirkt, auch wenn dies in der Sache im Hinblick auf die Frage des tatsächlichen Wertverzehrs aus der Sicht des Unterhaltsrechts zumindest zweifelhaft ist, was aber dahinstehen kann, weil die Antragstellerin selbst nur auf das steuerliche Einkommen des Antragsgegners abstellt.

Eine – wie auch immer bemessene – Kürzung der Gewinneinkünfte ist auch unter dem Gesichtspunkt einer überobligatorischen Tätigkeit nicht gerechtfertigt. Allein der zeitliche Umfang der Tätigkeit rechtfertigt bei freiberuflich Tätigen nicht den Schluss auf eine über das unterhaltsrechtlich geschuldete Maß hinausgehende Tätigkeit. Denn Freiberufler sind in aller Regel nicht lediglich im Umfang tariflicher Arbeitszeiten, sondern deutlich umfangreicher erwerbstätig, so dass – insbesondere auch bezogen auf die hochqualifizierte Tätigkeit als Patentanwalt – schon nicht von einer das übliche Maß deutlich überschreitenden zeitlichen Inanspruchnahme ausgegangen werden kann. Hinzu kommt, dass Freiberufler im Hinblick auf ihre im Vergleich zu abhängig Beschäftigten größere Dispositionsfreiheit bezüglich der Lage ihrer Arbeitszeit von einem größeren Arbeitsvolumen nicht so sehr in ihren Interessen beeinträchtigt werden wie abhängig Beschäftigte, so dass die zeitliche Inanspruchnahme des Antragsgegners für sich genommen nicht in dem Sinne als überobligationsmäßig gewertet werden kann, dass eine Herabsetzung des Einkommens des Antragsgegners und damit eine Schmälerung des Kindesunterhalts sachgerecht und angemessen wäre.

b) Die Steuerlast aus Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag ergibt sich ebenso wie die Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung aus den in Bezug genommenen Steuerbescheiden. Für 2014 ist mangels Vorlage eines Steuerbescheids in Fortschreibung der Einkommensermittlung auch insoweit die durchschnittliche Steuerlast im angrenzenden Dreijahreszeitraum 2013, 2015 und 2016 in Ansatz zu bringen. Die Höhe der Kranken- und Pflegeversicherungsprämien ist für 2014 mit dem Durchschnitt der Jahre 2013 und 2015 veranschlagt worden, was einem erwartbaren Beitragsanstieg angemessen Rechnung trägt. Die Steuerlast ab 2021 ist auf der Grundlage der im aktuell zurückliegenden belegten Dreijahreszeitraum 2018 bis 2020 festgesetzten Einkommensteuer zuzüglich Solidaritätszuschlag zu prognostizieren. Für die Zeit ab 2021 sind die Kranken- und Pflegeversicherungsprämien in Höhe der für 2020 belegten Aufwendungen prognostisch fortzuschreiben.

c) Ebenso sind die Aufwendungen für die Altersvorsorge den Steuerbescheiden zu entnehmen, für 2014 mangels Vorlage eines Steuerbescheids wiederum nach den durchschnittlichen Zahlungen im angrenzenden Dreijahreszeitraum 2013, 2015 und 2016. Für die Zeit ab 2021 sind die für 2020 belegten Aufwendungen prognostisch fortzuschreiben. In Ansatz zu bringen sind die Aufwendungen in voller Höhe, nicht lediglich im steuerlich anzuerkennenden Umfang. Die Begrenzung der Aufwendungen auf 24 % des Bruttoeinkommens wirkt sich mangels Erreichens dieser Grenze im gesamten verfahrensgegenständlichen Zeitraum nicht aus.

d) Darüber hinaus sind auch die vom Antragsgegner übernommenen Darlehenstilgungen abzusetzen, und zwar in voller Höhe der gemäß den Zins- und Tilgungsplänen vom 8.4.2010 mit der Sparkasse vereinbarten Tilgungsleistungen. Für die nachfolgende Zeit macht der Antragsgegner ausweislich der der Beschwerdebegründung beigefügten Tabelle keine Tilgungsleistungen mehr geltend.

Maßgeblich ist auch in Ansehung der vorzeitigen Tilgung der ursprüngliche Tilgungsplan. Denn die diesem Plan folgende Tilgung mit annähernd gleichbleibenden Tilgungsraten in einem Umfang, der in Relation zur Höhe der Einkünfte des Antragsgegners angemessen erscheint, wahrt hinreichend die Unterhaltsbedürfnisse des Kindes und vermeidet eine höhere Inanspruchnahme des Antragsgegners allein aufgrund der vorzeitigen Tilgung, zumal die Antragstellerin die Tilgungsleistungen in ihrer Unterhaltsberechnung selbst fortlaufend, wenn auch nicht in voller Höhe, abgesetzt hat. Die Tilgungen sind nicht durch die für die Altersvorsorge geltende 24 %-Grenze limitiert, sondern trotz ihres vermögensbildenden Charakters voll abzugsfähig. Die Vermögensbildung geht nämlich nicht zu Lasten des Unterhaltsberechtigten, weil es ohne die Tilgung nicht die zu seinen Gunsten berücksichtigten Einkünfte des Antragsgegners aus der Anwaltskanzlei gäbe. Dieser Gesichtspunkt rechtfertigt die Berücksichtigung von Tilgungsleistungen auch beim Kindesunterhalt (BGH FamRZ 2022, 781, Rn 13).

Dass darüber hinaus weitere Tilgungsleistungen – etwa im Rahmen privater Darlehensverträge – berücksichtigungsfähig sind, ist nicht dargetan und nicht ersichtlich. Mangels näherer Darlegung der Einzelheiten solcher Abreden lässt sich insbesondere nicht feststellen, dass die Verbindlichkeiten nach Zweck, Zeitpunkt und Art der Entstehung sowie der wirtschaftlichen Gesamtsituation nach billigem Ermessen anzuerkennen sind (vgl. BGH FamRZ 2022, 781, Rn 11). Zumindest ist es nicht angemessen, solche Tilgungsleistungen neben der Abtragung der – tatsächlich vorzeitig getilgten – Darlehensverbindlichkeiten gegenüber der Sparkasse in Abzug zu bringen.

3. Auf der Grundlage dieser Einkünfte des Antragsgegners ergibt sich folgender Anspruch der Antragstellerin auf Kindesunterhalt für das geborene Kind A.:

[Darstellung der monatlichen Unterhaltszahlbetrag und Ermittlung der Rückstände]

Dies beruht auf Folgendem:

a) Der Bedarf des Kindes bemisst sich auch insoweit nach den Einkommensgruppen Nr. 11 bis Nr. 15 der Düsseldorfer Tabelle 2022, soweit das bereinigte Einkommen des Antragsgegners für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum bis 2021 den Höchstbetrag gemäß der bis dahin einschlägigen höchsten Einkommensgruppe Nr. 10 der Düsseldorfer Tabelle überschreitet. Hiervon ist auch das Amtsgericht zutreffend ausgegangen. Die rückwirkende Anwendung der mit der Düsseldorfer Tabelle 2022 eingeführten weiteren Einkommensgruppen ist im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Bemessung des Kindesbedarfs bei hohen Elterneinkünften geboten. Danach darf der Kindesunterhalt bei einem den – bis 2021 maßgeblichen – höchsten Einkommensbetrag der Düsseldorfer Tabelle übersteigenden Einkommen nicht auf den für die – bis 2021 einschlägige – höchste Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle geltenden Richtsatz festgeschrieben werden (BGH FamRZ 2021, 28, Rn 19). Um eine solche Bedarfsbeschränkung zu vermeiden, kann Anlass für eine über die höchste Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle hinausgehende Fortschreibung der Tabellenwerte bestehen, die keine konkrete Bedarfsermittlung verlangt (vgl. BGH FamRZ 2021, 28, Rn 17 ff.). Auf dieser Grundlage erscheint eine solche Fortschreibung geboten, da auf diesem Weg die vom Bundesgerichtshof geforderte Bedarfsbemessung ohne konkrete Bedarfsermittlung auch bei hohen Elterneinkünften nach einem bewährten und anerkannten generalisierenden Maßstab gewährleistet ist. Dies gilt auch für zurückliegende Unterhaltszeiträume, da die Erwägungen des Bundesgerichtshofs nicht auf neuen, erst zur Zeit seiner zitierten Entscheidung virulenten Umständen beruht. Dies führt zu keinem Verstoß gegen die Grundsätze der Düsseldorfer Tabelle, lässt diese doch in den älteren Fassungen jenseits des ausgewiesenen Höchsteinkommens ausdrücklich eine Festlegung nach den Umständen des Einzelfalls zu und damit auch eine Fortschreibung im Sinne der BGH-Entscheidung (Borth, FamRZ 2021, 31, 32). Hierfür ist auf die mit der Düsseldorfer Tabelle 2022 eingeführten weiteren Einkommensgruppen zurückzugreifen (vgl. KG FamRZ 2022, 1775). Wenn damit eine klare Richtlinie für die Bedarfsbemessung besteht, spricht schon in Ermangelung tragfähiger anderweitiger Bemessungsmaßstäbe alles dafür, hierauf auch in denjenigen Fällen zurückzugreifen, die in zeitlicher Hinsicht nicht dem Anwendungsbereich dieser Tabelle unterfallen. Daher ist der Bedarf des Kindes auch insoweit nach Maßgabe der Einkommensgruppen Nr. 11 bis Nr. 15 der Düsseldorfer Tabelle 2022 zu bestimmen, als das unterhaltsrelevante Einkommen des Antragsgegners für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum bis 2021 über den Höchstbetrag gemäß der bis dahin einschlägigen höchsten Einkommensgruppe Nr. 10 der Düsseldorfer Tabelle hinausgeht.

b) Bei der hieran ausgerichteten Einordnung in die Einkommensgruppen der Düsseldorfer Tabelle ist für die Frage eines Zuschlags bzw. Abschlags wegen Abweichung vom Regelfall zweier Unterhaltsberechtigter von Folgendem auszugehen:

Für die Zeit bis Dezember 2017 sind neben der verfahrensgegenständlichen Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Kind A. unstreitig auch Unterhaltspflichten gegenüber den Kindern des Antragsgegners aus erster Ehe B. und C. zu berücksichtigen. Dies führt gemäß Anmerkung 1. Absatz 1 zur Düsseldorfer Tabelle wegen Abweichung vom Regelfall zweier Unterhaltsberechtigter zu einem Abschlag durch Einstufung in die nächstniedrigere Einkommensgruppe. Für eine darüberhinausgehende Berücksichtigung der Unterhaltspflichten des Antragsgegners gegenüber den Kindern B. und C. besteht keine Grundlage. Ein Vorwegabzug dieser Belastungen verbietet sich schon aufgrund des Gleichrangs bzw. des Vorrangs der Ansprüche des Kindes A. gemäß § 1609 Nr. 1 BGB, und zwar unabhängig davon, in welcher Höhe die einzelnen Kindesunterhaltsansprüche berechtigt sind und erfüllt werden.

Eine Unterhaltsberechtigung des Kindes B. lässt sich nach Erreichen der Volljährigkeit ab Januar 2018 nicht mehr feststellen. Die Voraussetzungen für einen Anspruch des Kindes auf Ausbildungsunterhalt sind nicht dargetan. Sie ergeben sich auch nicht aus der im Scheidungsverbundverfahren zur Folgesache Kindesunterhalt mit Schriftsatz des Antragsgegners vom 16.10.2018 übermittelten Praktikumsbescheinigung vom 12.6.2018. Denn allein ein Praktikum stellt keine berechtigte Ausbildung i.S.d. § 1610 Abs. 2 BGB dar.

Das Kind C. ist nach Abschluss des Gymnasiums, der nach Maßgabe der Schulbescheinigung vom 3.7.2018, die der Antragsgegner im Scheidungsverbundverfahren mit Schriftsatz vom 16.10.2018 zur Folgesache Kindesunterhalt eingereicht hat, im Juli 2020 erfolgt ist, zunächst nicht mehr als unterhaltsberechtigt anzusehen. Für die nachfolgende Zeit sind die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Ausbildungsunterhalt des Kindes erst wieder ab September 2022 dargetan, nämlich ab Aufnahme des Besuchs der Privatakademie Nürnberg, der auf den Erwerb der allgemeinen Hochschulreife zielt, wie sich aus der mit der Beschwerdebegründung vorgelegten Schulbescheinigung ergibt.

Vor diesem Hintergrund ist für die Zeiträume von Januar 2018 bis Juli 2020 sowie ab September 2022 von Unterhaltsansprüchen der Kinder A. und C. auszugehen, so dass insoweit der Regelfall zweier Unterhaltsberechtigter gegeben ist und gemäß Anmerkung 1. Absatz 1 zur Düsseldorfer Tabelle kein Anlass für einen Abschlag oder Zuschlag bei der Einstufung in die Einkommensgruppen besteht. Demgegenüber ist für die Zeit von August 2020 bis August 2022 einzig ein Unterhaltsanspruch A.s festzustellen, weshalb diesbezüglich gemäß Anmerkung 1. Absatz 1 zur Düsseldorfer Tabelle wegen Abweichung vom Regelfall zweier Unterhaltsberechtigter ein Zuschlag durch Einstufung in die nächsthöhere Einkommensgruppe vorzunehmen ist.

c) Der Tabellenbedarf ist gemäß § 1612a Abs. 2 Satz 2 BGB jeweils auf volle Euro-Beträge aufzurunden. Hiervon ist gemäß § 1612b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB das hälftige Kindergeld abzuziehen.

d) Der Unterhaltsanspruch ist gemäß § 1613 Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Höhe des von der Antragstellerin bezifferten Anspruchs zu begrenzen. Der Unterhaltsberechtigte kann nämlich rückwirkend keinen höheren Unterhalt verlangen, wenn er den Anspruch bereits beziffert hat (BGH FamRZ 2013, 109, Rn 41 f.).

Dies ist im Hinblick auf die von der Antragstellerin mit Antragsschrift vom 5.2.2020 vorgenommene Anspruchsbezifferung erheblich, die ihre anspruchsbegrenzende Wirkung erst mit Zugang der Antragserweiterung vom 29.9.2021 verloren hat. Auf der Grundlage des Antrags vom 5.2.2020 ergeben sich für die Zeit bis September 2021 maximal folgende Ansprüche:

[Kindergeldzahlbeträge gemäß Düsseldorfer Tabelle]

III. Der Praxistipp

Das OLG Düsseldorf geht davon aus, dass der Unterhaltsbetrag eines Kindes sich auch dann nach den Prozentsätzen der Einkommensgruppen Nr. 11 bis 15. Düsseldorfer Tabelle 2022 bestimmt, wenn das bedarfsbestimmende Einkommen des Unterhaltsschuldners für die Zeiträume bis 2021 den Höchstbetrag der bis dahin einschlägigen höchsten Einkommensgruppe Nr. 10 der Düsseldorfer Tabelle überschreitet.

Insofern hält es zur Vermeidung einer Bedarfsbeschränkung eine über die höchste Einkommensstufe der Düsseldorfer Tabelle (2021) hinausgehende Fortschreibung der Tabellenwerte für erforderlich und verlangt gerade keine konkrete Bedarfsermittlung. Als Argument für die Anwendung der Fortschreibung auch auf zurückliegende Unterhaltszeiträume gibt das OLG Düsseldorf an, dass die Erwägungen des BGH (BGH FamRZ 2021, 28) nicht auf neuen, erst zur Zeit der zitierten Entscheidung virulent gewordenen Umständen beruhen. Darin liege kein Verstoß gegen die Grundsätze der Düsseldorfer Tabelle, da diese doch in den älteren Fassungen jenseits des ausgewiesenen Höchsteinkommens ausdrücklich eine Festlegung nach den Umständen des Einzelfalls zulasse und damit auch eine Fortschreibung im Sinne der BGH-Entscheidung.

Für den Praktiker bedeutet dies, dass auch in den vor 2022 liegenden Jahren der Bedarf gemäß der Düsseldorfer Tabelle nicht bei 160 % des Mindestunterhalts endet, sondern eine der Düsseldorfer Tabelle 2022 entsprechende Fortschreibung zu erfolgen hat.

Außerdem muss der Praktiker beachten, dass Korrekturen innerhalb der Einkommensgruppen der Düsseldorfer Tabelle im Sinne eines Zuschlags oder Abschlags bei der jeweiligen Einstufung vorzunehmen sind, sofern eine Abweichung vom Regelfall gemäß Anmerkung 1. Absatz 1 zu Düsseldorfer Tabelle (2 Unterhaltspflichten) gegeben ist.

Daneben bestätigt die vorliegende Entscheidung, dass auch bei den selbstständig Tätigen Aufwendungen für die Altersvorsorge nur bis zur vom BGH postulierten 24 %-Grenze abzugsfähig sind. Weitere Aufwendungen, z.B. Tilgungsleistungen, dürfen als Vermögensbildung nicht zulasten des Unterhaltsberechtigten gehen, es sei denn, es wird gerade die Erwerbsmöglichkeit finanziert (fremdfinanzierter Erwerb eines Gesellschaftsanteils).

Von großer Wichtigkeit für den Praktiker sind die Wirkungen der verzugsbegründenden Stufenmahnung (§ 1613 Abs. 1 BGB). Die durch eine Stufenmahnung ausgelöste Verzugswirkung wird für rückständige Unterhaltsbeträge auf die Höhe eines zeitlich später beziffert gestellten Antrags begrenzt, um den Unterhaltsschuldner vor dem Risiko unkalkulierbarer Rückstände zu schützen. Allerdings ergibt sich von diesem Grundsatz eine Ausnahme (BGH FamRZ 2013, 109), wenn die erteilte Auskunft des Unterhaltsschuldners unvollständig ist.

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