Kategorie: Strafrecht

Strafrecht 2024 #12

In jüngerer Zeit hat der Bundesgerichtshof zwei Grundsatzentscheidungen zu dem in den Jahren 2017 und 2019 reformierten Beweisantragsrecht getroffen. Die erste Entscheidung betrifft die Frage, wann sich ein Beweisbegehren als ernsthaft i.S.d. § 244 Abs. 3 S. 1 StPO n.F. darstellt (Beschl. v. 16.3.2021 – 5 StR 35/21, NStZ 2022, 57), die zweite nimmt die Voraussetzungen einer Fristsetzung […]
Das Tatgericht darf Indiz- oder Hilfstatsachen als für die Entscheidung tatsächlich bedeutungslos erachten (§ 244 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 StPO), wenn es aus diesen eine mögliche Schlussfolgerung, die der Antragsteller erstrebt, nicht ziehen will. Das Tatgericht hat aber die unter Beweis gestellte Tatsache so, als sei sie erwiesen, in das aufgrund der bisherigen Beweisaufnahme erlangte Beweisergebnis einzustellen […]
Der Verstoß gegen eine mit den Verfahrensbeteiligten getroffene Absprache zur inhaltlichen Ausgestaltung von notwendig gewordenen Fortsetzungsterminen, an denen statt der verhinderten Verteidiger Terminsvertreter teilnehmen, kann die Besorgnis der Befangenheit begründen, wenn hierdurch wesentliche Verteidigungsbelange in einem Maße berührt werden, mit dem die Verteidigung und die Angeklagten nach der Absprache nicht rechnen mussten. (Leitsatz des Verfassers) […]
Zum Strafklageverbrauch und den Kriterien für das Vorliegen einer oder mehrerer prozessualer Taten. (Leitsatz des Verfassers) BGH, Beschl. v. 11.9.2024 – 4 StR 147/24 I. Sachverhalt Zwei Urteile, zwei prozessuale Taten? Das LG hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr verurteilt. Am Tattag fand ein Scheinkauf von 500 […]
Die Bestellung eines Pflichtverteidigers umfasst auch die Vertretung des Angeklagten im Adhäsionsverfahren. (Leitsatz des Gerichts) OLG Bamberg, Beschl. v. 5.9.2024 – 1 Ws 187/24 I. Sachverhalt Streit um Umfang der Pflichtverteidigerbestellung Das LG hatte dem Angeklagten im Rahmen der Hauptverhandlung den Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StPO beigeordnet. Mit Schriftsatz ihres […]
Das erstinstanzlich aufgrund einer (informell) getroffenen Verständigung erfolgte Geständnis des Angeklagten darf in der Berufungsinstanz jedenfalls dann nicht verwertet werden, wenn das Berufungsgericht den Angeklagten zu einer Strafe über der erstinstanzlich vereinbarten Strafobergrenze verurteilen will. (Leitsatz des Verfassers) OLG Naumburg, Beschl. v. 24.9.2024 – 1 ORs 112/24 I. Sachverhalt Informelle Absprache beim AG Das AG […]
1. Der Vorsitzende hat im Rahmen der ihm obliegenden Verhandlungsleitung sowie insbesondere in Ausübung seiner Fürsorgepflicht gegenüber Zeugen für einen sachgerechten Ablauf der Beweisaufnahme zu sorgen. Dies lässt Vorgaben auch im Hinblick auf die Reihenfolge der Befragung zu einzelnen Tatkomplexen grundsätzlich zu. 2. Eine zwischen einzelnen Taten wechselnde Befragung eines Zeugen ist nicht generell unzulässig, […]
1. Ein fremdsprachiger Beschuldigter hat keinen sich aus § 187 Abs. 1 GVG ergebenden Anspruch auf Beiordnung eines Dolmetschers bzw. Feststellung dessen Erforderlichkeit, damit dieser seinem Wahlverteidiger anlässlich des Anhörens der von dem Beschuldigten geführten fremdsprachigen Telefonate bei der Ermittlungsbehörde diese in die deutsche Sprache übersetzen kann. 2. In Einzelfällen muss dem – verteidigten – Beschuldigten die […]
Wenn der Angeklagte im Strafbefehlsverfahren aufgrund seines Weltbildes meint, er könne sich nicht hinreichend mit der angeklagten Person identifizieren, um als diese an der Hauptverhandlung teilzunehmen, und er die Hauptverhandlung stattdessen als Bühne für politische Ausführungen missbrauchen will, verhält er sich rechtsmissbräuchlich. Hält er daran trotz richterlichen Hinweises fest, kann sein Einspruch gegen den Strafbefehl […]
Werden Schwarzlöhne gezahlt, um nicht versteuerte Betriebseinnahmen zu generieren, so sind die Schwarzlohnzahlungen bei der Bestimmung des Schuldumfangs im Zusammenhang mit der Höhe der hinterzogenen Ertragsteuern mindernd zu berücksichtigen. Dem steht das Kompensationsverbot nach § 370 Abs. 4 S. 3 AO nicht entgegen. (Leitsatz des Verfassers) BGH, Beschl. v. 21.2.2024 – 1 StR 394/23 I. Sachverhalt Die Angeklagte […]
Beim verbotenen Erwerb von Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 12 KCanG tritt die Erwerbsalternative des Überschreitens des Kalendermonatslimits (Buchst. b) konkurrenzrechtlich hinter derjenigen des Tageslimits (Buchst. a) zurück; sie stellt sich als subsidiärer Auffangtatbestand dar. (Leitsatz der Verfasserin) BGH, Beschl. v. 31.7.2024 – 4 StR 499/23 I. Sachverhalt Revision teilweise erfolgreich Das Landgericht hat den Angeklagten wegen mehrerer […]
Beruht die vor Inkrafttreten des § 24 Abs. 1a StVG n.F. am 22.8.2024 erfolgte Verurteilung wegen (vorsätzlichem oder fahrlässigem) Führen eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr unter der Wirkung von THC auf der Feststellung eines den neuen gesetzlichen Wirkungsgrenzwert von 3,5 ng/ml THC im Blutserum nicht erreichenden sog. analytischen Nachweisgrenzwertes, ist der Betroffene auf die Rechtsbeschwerde hin neben der […]
Die für das Ermittlungsverfahren und das gerichtliche Verfahren geltenden Grundsätze betreffend die unentgeltliche Beistandsleistung eines Dolmetschers auch für vorbereitende Gespräche mit dem Verteidiger finden auch dann Anwendung, wenn es im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens um die Vorbereitung der Entscheidung über die bedingte Entlassung nach § 57 Abs. 1 StGB geht. (Leitsatz des Verfassers) OLG Koblenz, Beschl. v. 30.8.2024 […]
1. Bei Überlassung von auf digitalen Datenträgern gespeicherten Akten kann deren Ausdruck durch den Verteidiger ohne Vorliegen besonderer Umstände grundsätzlich nicht mit der Dokumentenpauschale vergütet werden. Aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung besteht für eine sachgemäße Bearbeitung einer Rechtssache grundsätzlich kein Erfordernis, eine in elektronischer Form vorhandene Akte auszudrucken. 2. Den Rechtsanwalt, der die elektronische Akte ausdruckt, […]
Der Rat des Rechtsanwalts im vorbereitenden Verfahren, keine Angaben zur Sache zu machen und nicht bei der Polizei auszusagen, lässt die Verfahrensgebühr für das vorbereitende Verfahren entstehen, auch wenn die schriftliche Vollmacht erst danach ausgestellt wird. (Leitsatz des Verfassers) LG Mühlhausen, Beschl. v. 16.4.2024 – 3 Qs 32/24 I. Sachverhalt Kosten und Auslagen nach Einstellung […]
Zur Höhe der notwendigen Übernachtungskosten des Verteidigers. (Leitsatz des Verfassers) AG Berlin-Tiergarten, Beschl. v. 12.3.2024 – 265a Ds 123/23 I. Sachverhalt Der Verteidiger hat Übernachtungskosten geltend gemacht, die in Zusammenhang mit einem Haftbesuch bei einem Mandanten entstanden waren. Das AG hat in seinem Festsetzungsbeschluss nur 150 EUR als notwendig anerkannt. II. Entscheidung Die Übernachtungskosten können nur […]

Strafrecht 2024 #11 #S

I. Problemstellung Neue gesetzliche Regelungen bringen neue gebührenrechtliche Probleme/Fragen. Denn häufig, wenn nicht sogar in der Regel, regelt der (Bundes-)Gesetzgeber sie nicht. Dabei soll dahingestellt bleiben, ob bewusst oder unbewusst. Jedenfalls überlässt man diese Frage doch lieber der Praxis, die sich damit dann aber häufig schwertut. Eine solche Konstellation ist derzeit in Zusammenhang mit dem […]
Zur Kostentragungspflicht der Staatskasse bei einem erfolgreichen Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, mit dem eine auf Antrag der Staatsanwaltschaft ergangene unrichtige Entscheidung korrigiert wird. (Leitsatz des Gerichts) OLG Hamm, Beschl. v. 25.6.2024 – 3 Ws 204/24 I. Sachverhalt Nach Bewährungszeit … Das AG hatte den Verurteilten am 6.11.2013, rechtskräftig seit dem 22.12.2014, wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe […]
Gebühren für das Rechtsmittelverfahren (hier: Berufung) sind nicht erstattungsfähig, wenn die Staatsanwaltschaft ihr Rechtsmittel zurücknimmt, bevor das Rechtsmittel begründet worden ist. Bei in der Zwischenzeit entstandenen Anwaltsgebühren handelt es sich nicht um notwendige Auslagen. (Leitsatz des Verfassers) LG Karlsruhe, Beschl. v. 20.6.2024 – KO 3 Qs 20/24 I. Sachverhalt Berufungsrücknahme durch die StA vor Begründung […]
Nur wenn die Stundensätze eines Privatgutachters ganz erheblich von dem im JVEG vorgesehenen Stundensatz abweichen, bedarf es einer besonderen Darlegung der Notwendigkeit. (Leitsatz des Verfassers) AG Konstanz, Beschl. v. 22.5.2024 – OWi 52 Js 22028/22 I. Sachverhalt Auslagenerstattung nach Freispruch Der Betroffene ist vom AG vom Vorwurf einer Verkehrsordnungswidrigkeit – inzwischen rechtskräftig – freigesprochen worden. […]
1. Dem nach § 62d AufenthG gerichtlich bestellten Verfahrensbevollmächtigten steht ein Vergütungsanspruch nach § 45 Abs. 3 S. 1 RVG gegen die Staatskasse zu. 2. Bei der Anordnung von Sicherungshaft handelt es sich um eine aufgrund von Bundesrecht nach §§ 62 Abs. 3, 106 Abs. 2 S. 1 AufenthG angeordnete Freiheitsentziehung i.S.v. § 415 FamFG. Insofern kann der beigeordnete Rechtsanwalt für seine Tätigkeit Gebühren […]
Hat sich der Beschuldigte in einem Termin nach § 115 StPO zur Sache eingelassen und hat der Verteidiger einen Antrag zur Fortdauer der Untersuchungshaft gestellt, liegt ein Verhandeln i.S.d. Nr. 4102 Nr. 3 VV RVG vor. (Leitsatz des Verfassers) LG Augsburg, Beschl. v. 23.11.2023 – 8 Qs 307/23 I. Sachverhalt Teilnahme an einem Termin nach § 115 StPO Die […]
Die auf Förderung gerichtete anwaltliche Mitwirkungshandlung i.S.d. 4141 VV RVG muss weder ursächlich noch mitursächlich für die Einstellungsentscheidung des Gerichts gewesen sein. (Leitsatz des Verfassers) LG Aachen, Beschl. v. 28.2.2024 – 2 Qs 8/23 I. Sachverhalt Gegenvorstellung gegen Festsetzung der Nr. 4141 VV RVG Der Verteidiger hat den Beschuldigten in einem Strafverfahren als Pflichtverteidiger verteidigt. Das […]
Bei der Beschlagnahme eines Gegenstands als Beweismittel entsteht die Gebühr Nr. 4142 VV RVG nicht. (Leitsatz des Verfassers) OLG Brandenburg, Beschl. v. 24.3.2024 – 2 Ws 186/23 (S) I. Sachverhalt Verteidiger macht nach Freispruch auch Nr. 4142 VV RVG geltend Das LG hat den Angeklagten vom Vorwurf der Hehlerei freigesprochen und dessen notwendige Auslagen der Staatskasse auferlegt. […]
1. Die Verfahrensgebühr für Tätigkeiten bei der Einziehung wird auch durch eine bloß beratende Tätigkeit des Rechtsanwalts ausgelöst. 2. Der Gegenstandswert bemisst sich nach dem wirtschaftlichen Interesse der/des Angeklagten an der Abwehr der Einziehung. Maßgeblich ist der Nominalwert der titulierten Einziehungsforderung. (Leitsätze des Verfassers) OLG Dresden, Beschl. v. 26.10.2023 – 3 Ws 66/23 I. Sachverhalt […]
Berät der Rechtsanwalt seinen Mandanten dahin, dass dieser einer formlosen Einziehung zustimmt, löst auch dies die Gebühr aus Nr. 4142 VV RVG aus. Dem Entstehen der Gebühr steht es auch nicht entgegen, wenn das Verfahren im Ermittlungsverfahren nach § 154 StPO eingestellt wird. (Leitsatz des Verfassers) LG Bonn, Beschl. v. 22.11.2023 – 65 Qs 19/23 I. Sachverhalt […]
1. Entscheidend für die Berechnung des Gegenstandswerts für die Nr. 4142 VV RVG ist nicht, in welcher Höhe die Staatsanwaltschaft am Ende der Beweisaufnahme eine Einziehung für gerechtfertigt hält, sondern vielmehr, welcher Betrag durch die Anklageerhebung zum Verfahrensgegenstand gemacht wird. 2. Zur Anwendung des § 465 Abs. 2 StPO in erstinstanzlichen Verfahren. (Leitsätze des Verfassers) LG Braunschweig, Beschl. […]
Auch wenn die Staatsanwaltschaft in ihrer Abschlussverfügung erklärt hat, von Maßnahmen der Vermögensabschöpfung abzusehen, macht das eine Beratung des Mandanten im Hinblick auf Maßnahmen zur Vermögensabschöpfung nicht überflüssig, sodass eine zusätzliche Verfahrensgebühr nach Nr. 4142 VV RVG entsteht. (Leitsatz des Verfassers) LG Chemnitz, Beschl. v. 5.1.2024 – 4 Qs 348/23 I. Sachverhalt Steuerhinterziehung, von Einziehungsmaßnahmen wird […]
Die Einziehung des Werts des Erlangten ist auch gegen bloß leichtfertig handelnde Täter ohne Abzug von Aufwendungen anzuordnen. (Leitsatz des Verfassers) LG Hildesheim, Urt. v. 12.10.2023 – 25 NBs 5/23 I. Sachverhalt Verurteilung wegen leichtfertiger Geldwäsche Das AG hatte die Angeklagte wegen Geldwäsche in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe verurteilt, die Einziehung des Werts des […]
Allein für das Einscannen von Dokumenten fällt seit der Neufassung der Nr. 7000 VV RVG durch das 2. KostRMoG zum 1.8.2013 keine Vergütung mehr an. (Leitsatz des Verfassers) OLG Bamberg, Beschl. v. 2.4.2024 – 1 W 12/24 e I. Sachverhalt Einscannen von Dokumenten Der Kläger hatte nach einem Zivilverfahren Digitalisierungkosten für das Einscannen von Dokumenten geltend […]

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