Kategorie: Strafrecht

Strafrecht 2022 #11

Neuerungen in § 81b StPO in Kraft getreten Am 1.10.2022 ist eine Erweiterung des § 81b StPO, der erkennungsdienstliche Maßnahmen beim Beschuldigten regelt, in Kraft getreten. Die Regelung ist durch das „Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EU) 2019/816 sowie zur Änderung weiterer Vorschriften (VO2019/816-DG)“ vom 10.8.2021 (BGBl I, S. 3420) erweitert worden. Übersichtlich ist die Vorschrift allerdings nicht geworden. […]
I. Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung zum 1.7.2017 Das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.4.2017 (BGBl I 872) hat die materiellen und verfahrensrechtlichen Vorschriften zu „Einziehung“ und „Verfall“ zum 1.7.2017 grundlegend umgestaltet (hierzu Deutscher, StRR 9/2017, 4 und ZAP F. 21, 301; Köhler, NStZ 2017, 497 und Köhler/Burkhard, NStZ 2017, 665). Ziel der Änderung war […]
Zu den Anforderungen an die Verfahrensrüge, mit der die Mitwirkung eines wegen Vorbefassung abgelehnten Richters gerügt wird (Leitsatz des Verfassers) BGH, Beschl. v. 7.6.2022 – 5 StR 460/21 I. Sachverhalt Schöffe war „vorbefasst“ Der Angeklagte hat gegen seine Verurteilung Revision eingelegt. Er hat u.a. die Mitwirkung eines wegen Vorbefassung abgelehnten Richters, eines Schöffen, gerügt. Das […]
Zum Umfang der gerichtlichen Mitteilungspflicht über Verständigungsgespräche (Leitsatz des Verfassers) BGH, Beschl. v. 21.6.2022 – 5 StR 38/22 I. Sachverhalt Verstoß gegen § 243 Abs. 4 StPO? Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen Geldfälschung, Betruges und wegen Urkundenfälschung verurteilt und Einziehungsentscheidungen getroffen. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit der Revision. Seine Verfahrensrüge, mit der ein Verstoß […]
Zwar enthält die StPO keine feste zeitliche Vorgabe für die gebotene Mitteilung. In aller Regel ist aber mit Blick auf die vom Gesetz bezweckte Transparenz des Verständigungsverfahrens eine umgehende Information des Angeklagten nach dem Verständigungsgespräch geboten. (Leitsatz des Verfassers) BGH, Beschl. v. 3.8.2022 – 5 StR 62/22 I. Sachverhalt Verfahrensrüge Das LG hat den Angeklagten […]
Die Verkündung des ein Ablehnungsgesuch zurückweisenden Beschlusses stellt für sich gesehen keinen Wiedereintritt in die Hauptverhandlung i.S.d. § 258 StPO dar. Anderes gilt allenfalls dann, wenn der Beschluss über die bloße Zurückweisung hinaus einen Bezug zur Sachentscheidung aufweist, weil sich in ihm die Bewertung einer potenziell urteilsrelevanten Frage widerspiegelt. Nicht maßgeblich ist hingegen, ob der Befangenheitsantrag […]
Zu den Voraussetzungen einer Strafbarkeit bei vorgespiegelten Bewerbungen auf diskriminierende Stellenangebote zur Erlangung von Entschädigungsansprüchen (sog. AGG-Hopping). (Leitsatz des Gerichts) BGH, Beschl. v. 4.5.2022 – 1 StR 3/21 I. Sachverhalt Scheinbewerbungen eingereicht Das LG hat den Angeklagten wegen versuchter und vollendeter Betrugstaten verurteilt. Der Angeklagte und sein als Rechtsanwalt tätiger Bruder fassten im Jahr 2011 […]
Ersparnisse, die aus einer Tat herrühren, können mangels Gegenständlichkeit nicht nach § 73b Abs. 2 StGB an eine andere Person weitergereicht werden und unterliegen damit auch nicht der Einziehung bei ihr (entgegen BGH, Beschl. v. 1.6.2021 – 1 StR 133/21, und v. 15.1.2020 – 1 StR 529/19). (Leitsatz des Verfassers) BGH, Beschl. v. 22.8.2022 – 1 StR […]
Die vollständige Vernichtung eines aus einer rechtswidrigen Tat herrührenden Beziehungsgegenstandes mit der Folge der Vereitelung seiner Einziehung erfüllt den Tatbestand der Geldwäsche gem. § 261 StGB in der seit dem 18.3.2021 gültigen Fassung vom 9.3.2021 nicht, da die Vorschrift der Pönalisierung von Verhaltensweisen dient, welche darauf abzielen, inkriminierte Gegenstände unter Verdeckung ihrer Herkunft in den Finanz- […]
1. Die Heilung eines Zustellungsmangels nach § 51 Abs. 1 S. 1 OWiG i.V.m. Art. 9 BayVwZVG ist auch dann möglich, wenn eine Abschrift des zuzustellenden Dokuments nicht dem Zustellungsadressaten, sondern einem sonstigen Empfangsberechtigten zugeht. 2. Dies gilt selbst dann, wenn der Empfänger die Ermächtigung zur Empfangnahme erst nach Vornahme der fehlerhaften Zustellung erhält, sofern er das Schriftstück im […]
1. Dass bei einem standardisierten Messverfahren (hier: PoliScan FM1, Softwareversion 4.4.9) Messdaten nicht gespeichert werden, führt nicht zu einem Beweisverwertungsverbot. Die Verwertbarkeit des Messergebnisses hängt nicht von der Rekonstruierbarkeit des Messvorgangs anhand gespeicherter Messdaten ab. 2. Wird in der Hauptverhandlung Widerspruch gegen die Verwertung eines Beweismittels erhoben, ist es von Rechts wegen nicht geboten, dass […]
1. Zur gebotenen Zahl und Dichte von gerichtlichen Terminsvorschlägen für eine anstehende Hauptverhandlung in einer Haftsache mit mehreren Angeklagten, in der bereits eine erste Abstimmung von gemeinsamen freien Terminen der Verteidiger gescheitert war. 2. Zur Durchführung eines geordneten Strafverfahrens und Sicherstellung der Strafvollstreckung kann die Untersuchungshaft dann nicht mehr als notwendig anerkannt werden, wenn ihre […]
Eingezogene Betäubungsmittel haben bei der Wertfestsetzung für die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG von vornherein außer Betracht zu bleiben, da für sie kein legaler Markt besteht und ihnen deshalb kein objektiver Verkehrs-, sondern nur ein subjektiver Unrechts- oder Szenewert zukommt. (Leitsatz des Verfassers) BGH, Beschl. v. 2.9.2022 – 5 StR 169/21 I. Sachverhalt Einziehung im […]

Strafrecht 2022 #10

Durchsuchung: Tatverdacht Für den für die Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung erforderlichen konkreten Tatverdacht ist es nicht ausreichend, wenn das Fahrzeug eines Verdächtigen lediglich mehrfach in der Nähe der Wohnung des Betroffenen geparkt war, wenn nicht ggf. auch Kontaktaufnahme der Beteiligten beobachtet worden ist. BVerfG, Beschl. v. 21.7.2022 – 2 BvR 1483/19 Pflichtverteidiger: schwierige Beweislage Es liegt […]
I. Ausgangspunkt Regelmäßig kommt in Untersuchungshaftmandaten irgendwann der Punkt, an dem der Mandant die Bitte an den Strafverteidiger heranträgt, Botschaften in mündlicher oder schriftlicher Form zu übermitteln. Der Verteidiger soll dabei regelmäßig bewusst eingespannt werden, weil die Postkontrolle gemäß § 119 StGB umgangen werden soll oder in Eilfällen zu langwierig ist. Es muss nicht immer die […]
Eingriffe, die den Intimbereich und das Schamgefühl eines Inhaftierten berühren, lassen sich im Haftvollzug nicht immer vermeiden. Sie sind aber von besonderem Gewicht. Der Gefangene hat deshalb Anspruch auf besondere Rücksichtnahme. (Leitsatz des Verfassers) BVerfG, Beschl. v. 22.7.2022 – 2 BvR 1630/21 I. Sachverhalt Vier beaufsichtigte Urinkontrollen in einem Monat Der Verurteilte verbüßte eine mehrjährige […]
Zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit und zu den Anforderungen an die Begründung der konkreten Notwendigkeit der Anordnung der Anfertigung eines Fünfseiten- und Ganzkörperbildes beim Vorwurf der Sachbeschädigung (hier: Graffiti-Sprayer). (Leitsatz des Verfassers) BVerfG, Beschl. v. 29.7.2022 – 2 BvR 54/22 I. Sachverhalt Übermalungen Anfang Juni 2021 brachte ein zunächst unbekannter Täter an einem Gasverteilergebäude zwei großflächige, mit […]
Das Verwertungsverbot des § 136a Abs. 3 S. 2 StPO gilt absolut und auch zugunsten von Mitbeschuldigten. (Leitsatz des Gerichts) BGH, Beschl. v. 7.6.2022 – 5 StR 332/21 I. Sachverhalt Verurteilung wegen Verstoßes gegen das BtMG Das LG hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 54 Fällen verurteilt. Die dagegen gerichtete Revision […]
Wird in einem erlassenen und rechtskräftig gewordenen Strafbefehl neben Maßregeln nach §§ 69, 69a StGB versehentlich keine Geldstrafe festgesetzt, steht der Grundsatz „ne bis in idem“ (Art. 103 Abs. 3 GG) dem Erlass eines neuen, um die Geldstrafe ergänzten Strafbefehls entgegen. (Leitsatz des Verfassers) LG Karlsruhe , Beschl. v. 25.7.2022 – 16 Qs 55/22 I. Sachverhalt Geldstrafe im […]
Der Vergütungsanspruch eines psychiatrischen Sachverständigen entfällt ganz, wenn sein Gutachten aufgrund nicht behebbarer Mängel im Verfahren unverwertbar ist. (Leitsatz des Gerichts) LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 18.5.2022 – 5 Ks 102 Js 2876/20 I. Sachverhalt Sachverständigen mit Gutachten u.a. zu den §§ 20, 21 StGB beauftragt Die Staatsanwaltschaft hatte den Sachverständigen T mit der Erstattung eines Gutachtens […]
1. Der Annahme einer journalistischen Tätigkeit i.S.d. § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 StPO und daraus folgend eines Beweisverwertungsverbots bei hierfür erstellten Materialien nach § 97 Abs. 5 S. 1 StPO steht nicht entgegen, dass selbst gefertigte Materialien weit überwiegend auf Twitter-, Instagram-, Facebook- und flickr-Kanälen veröffentlicht werden. 2. Bei der Beurteilung des berufsmäßigen Mitwirkens kommt es weder auf eine […]
Zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme beim unerlaubten Handeltreiben mit BtM. (Leitsatz des Verfassers) BGH, Beschl. v. 11.4.2022 – 4 StR 461/21 I. Sachverhalt Fahrer im „Kokstaxi“ Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt. Nach den Feststellungen des LG betrieb der Angeklagte in der Nacht zum 27.9.2020 […]
Zu einem Wohnungseinbruchsdiebstahl setzt noch nicht unmittelbar an, wer – ohne Einbruchswerkzeug mit sich zu führen – erst einige wenige Leitersprossen erklimmt, um einen im ersten Obergeschoss liegenden Balkon zu erreichen und von dort aus nach Aufbrechen der Balkontür die Wohnung zum Zwecke des Diebstahls zu betreten. (Leitsatz des Verfassers) LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 15.4.2021 […]
Zur Widerlegung einer Nachtrunkbehauptung. (Leitsatz des Verfassers) LG Oldenburg, Beschl. v. 24.5.2022 – 4 Qs 155/22 I. Sachverhalt Verkehrsunfall auf einem Parkplatz Das AG hat der Beschuldigten die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen (§ 111a StPO). Der Beschuldigten wird vorgeworfen, am 2.4.2022 gegen 23:00 bei McDonald‘s in Delmenhorst mit einem Pkw unter Alkoholeinfluss gegen einen in der dortigen […]
  1. Hat der Beschuldigte längere Zeit Meldeauflagen erfüllt, liegt ggf. keine Fluchtgefahr mehr vor. 2. Beschränkungen, die sich aus Maßnahmen nach § 116 Abs. 1 StPO ergeben, sind nur für einen angemessenen Zeitraum hinzunehmen. (Leitsätze des Verfassers) LG Paderborn, Beschl. v. 19.7.2022 – 8 Qs-43 Js 301/21-32/22 I. Sachverhalt Raubanklage mit Haftbefehl Der Angeklagten wird Raub […]
  1. Über den Antrag auf Feststellung einer Pauschgebühr für die Tätigkeit des Wahlanwalts im Revisionsverfahren vor dem BGH entscheidet der Senat in einer Spruchgruppe mit fünf Bundesrichtern. Eine Zuständigkeit des Einzelrichters, wie sie § 42 Abs. 3 RVG für die OLG ermöglicht, kommt nach geltendem Recht nicht in Betracht. 2. Der Zulässigkeit eines Pauschgebührenantrags des Wahlanwalts […]

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