Für den für die Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung erforderlichen konkreten Tatverdacht ist es nicht ausreichend, wenn das Fahrzeug eines Verdächtigen lediglich mehrfach in der Nähe der Wohnung des Betroffenen geparkt war, wenn nicht ggf. auch Kontaktaufnahme der Beteiligten beobachtet worden ist.
BVerfG, Beschl. v. 21.7.2022 – 2 BvR 1483/19
Es liegt eine schwierige Beweislage, die die Bestellung eines Pflichtverteidigers erfordert, vor, wenn zwei Justizorgane die Beweislage unterschiedlich beurteilen.
LG Potsdam, Beschl. v. 30.8.2022 – 25 Qs 38/22
Schriftliche Antragstellung bedeutet bei einem Strafantrag, dass der Strafantrag grundsätzlich vom Strafantragsteller unterzeichnet oder mit dessen qualifizierter elektronischer Signatur versehen sein muss.
AG Frankfurt (Oder), Beschl. v. 19.8.2021 – 412 Ds 273 Js 19174/20 (2/21)
Zwar enthält die StPO keine feste zeitliche Vorgabe für die gebotene Mitteilung. In aller Regel ist aber mit Blick auf die vom Gesetz bezweckte Transparenz des Verständigungsverfahrens eine umgehende Information des Angeklagten nach dem Verständigungsgespräch geboten.
BGH, Beschl. v. 3.8.2022 – 5 StR 62/22
Durch die protokollierte Formulierung „Die Vorschrift des § 259 StPO wurde stets beachtet“ ist die Einhaltung der Vorschrift des § 257 Abs. 1 StPO belegt und bewiesen.
BGH, Beschl. v. 16.8.2022 – 5 StR 198/22
Vor der Aufhebung der Bestellung eines zusätzlichen Pflichtverteidigers nach § 144 Abs. 2 StPO ist dem Beschuldigten nach § 144 Abs. 2 S. 2 StPO i.V.m. § 142 Abs. 5 S. 1 StPO Gelegenheit zu geben, innerhalb einer vom Gericht zu bestimmenden Frist den Pflichtverteidiger zu bezeichnen, dessen Beiordnung aufgehoben werden soll. Macht der Beschuldigte von der Möglichkeit des § 142 Abs. 5 S. 1 StPO Gebrauch, kann nur der von ihm bezeichnete Verteidiger nach § 144 Abs. 2 StPO entpflichtet werden. Etwas anderes gilt beim Vorliegen eines wichtigen Grundes.
OLG Saarbrücken, Beschl. v. 1.9.2022 – 4 Ws 268/22
Es handelt sich nicht um einen sicheren Übermittlungsweg i.S.d. § 32a Abs. 4 Nr. 3 StPO, wenn die Beschwerdeschrift einer Justizvollzugsanstalt von dem persönlichen E-Mail-Account einer Bediensteten an das Gericht übermittelt wird. Eine „Heilung“ des Formmangels durch Ausdrucken der Beschwerdeschrift scheidet jedenfalls dann aus, wenn das elektronische Dokument lediglich aus einer systemschriftlichen Word-Textdatei und nicht aus einem eingescannten Schriftsatz besteht, der ein Abbild des unterzeichneten Originals bzw. der mit Unterschrift und ggf. Dienstsiegel beglaubigten Abschrift darstellt.
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.8.2022 – III-2 Ws 152/22
Die Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung kann als selbstständiger Teil des Urteilsspruchs isoliert angefochten werden, wenn sich die ihr zugrunde liegenden Erwägungen von denen der Strafzumessung trennen lassen. An der Trennbarkeit fehlt es nicht schon dann, wenn sich die bei der Strafzumessung und bei der Aussetzungsentscheidung zu berücksichtigenden Tatsachen überschneiden.
OLG Brandenburg, Beschl. v. 10.8.2022 – 1 OLG 53 Ss 65/22
Gemäß § 2 Abs. 3 i.V.m. Abs. 5 StGB ist der mit Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.4.2017 (BGBl 2017 I, S. 872) mit Wirkung zum 1.7.2017 neu gefasste § 459g Abs. 5 StPO a.F. als gegenüber dem mit Gesetz zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 25.6.2021 (BGBl 2021 I, S. 2099) am 1.7.2021 in Kraft getretenen § 459g Abs. 5 StPO n.F. milderes Gesetz anzuwenden, wenn die rechtswidrige Tat, aus welcher der Täter etwas erlangt hat, vor Inkrafttreten der Neufassung am 1.7.2021 beendet wurde.
LG Hamburg, Beschl. v. 25.8.2022 – 633 StVK 191/22
Amphetamin ist ein Betäubungsmittel von mittlerer Gefährlichkeit. Damit darf der Art des Betäubungsmittels bei Amphetamin für sich genommen keine schulderhöhende Wirkung beigemessen werden.
BGH, Beschl. v. 26.7.2022 – 3 StR 193/22
Werden im Rahmen unerlaubt betriebener Bankgeschäfte Darlehen gewährt, handelt es sich bei den zurückgezahlten Geldbeträgen ebenso wie bei den zuvor überlassenen um Tatobjekte i.S.d. § 74 Abs. 2 StGB, nicht um Taterträge nach § 73 Abs. 1 StGB. Die Einziehung an den Täter zurückgeflossener Darlehensbeträge ist mangels einer einschlägigen Sondervorschrift nicht möglich.
BGH, Urt. v. 20.7.2022 – 3 StR 390/21
Liegen beim Angeklagten zahlreiche einschlägige Verurteilungen, ein häufiges und ausschließliches Bewährungsversagen, hohe Rückfallgeschwindigkeit und erneute einschlägige Straffälligkeit nach den dem zugrunde liegenden Verfahren begangenen Straftaten vor, sind an die Begründungstiefe für eine positive Legalprognose nach § 56 Abs. 1 StGB hohe Anforderungen zu stellen.
OLG Brandenburg, Beschl. v. 10.8.2022 – 1 OLG 53 Ss 65/22
Der Nachweis einer drogenbedingten Fahrunsicherheit i.S.v. § 316 StGB kann nicht allein durch einen bestimmten Blutwirkstoffbefund geführt werden. Es bedarf weiterer aussagekräftiger Beweisanzeichen, die im konkreten Einzelfall belegen, dass die Gesamtleistungsfähigkeit des Kraftfahrzeugführers so weit herabgesetzt war, dass er nicht mehr fähig gewesen ist, sein Fahrzeug im Straßenverkehr eine längere Strecke, auch bei Eintritt schwieriger Verkehrslagen, sicher zu steuern. Will das Tatgericht in einem grob fehlerhaften und risikoreichen Fahrverhalten des Angeklagten drogenbedingte Fahrunsicherheit erblicken, muss eine diese Annahme tragende Beweiswürdigung den Urteilsgründen zu entnehmen sein.
BGH, Beschl. v. 2.8.2022 – 4 StR 231/22
Dass ein als Schlagwerkzeug eingesetztes Mobiltelefon grundsätzlich geeignet ist, erhebliche Verletzungen zuzufügen, reicht für die Annahme einer gefährlichen Körperverletzung nicht aus. Vielmehr müssen Feststellungen dazu getroffen werden, ob ggf. ein kräftiger Schlag mit einer Kante oder Ecke des Telefons ausgeführt wurde.
OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.8.2022 – 1 OLG 53 Ss 59/22
Die Bewirtung von Gästen in einem vollständig überdachten und nach allen Seiten von Wänden oder Fenstern eingegrenzten Raum erfüllt auch dann nicht den Begriff der Außengastronomie i.S.v. § 27 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 der 12. BayIfSMV, wenn infolge geöffneter Türen und Fenster und eines nicht vollständig aufliegenden Daches Zugluft entstehen kann.
BayObLG, Beschl. v. 9.8.2022 – 201 ObOWi 903/22
Der einem Betroffenen zur Last gelegte Verstoß gegen die Maskenpflicht (CoronaVO) führt nicht zur Erforderlichkeit der Bestellung eines Pflichtverteidigers wegen Schwierigkeit der Rechtslage.
LG Rottweil, Beschl. v. 22.8.2022 – 3 Qs 36/22
Für das Entstehen der Vernehmungsterminsgebühr Nr. 4102 Nr. 3 VV RVG ist erforderlich, dass der Verteidiger im Termin für den Beschuldigten in der Weise tätig geworden sein muss, dass er Erklärungen oder Stellungnahmen abgegeben oder Anträge gestellt hat, die dazu bestimmt waren, die Fortdauer der Untersuchungshaft abzuwenden. Insofern begründet insbesondere der Antrag des Rechtsanwalts, als Pflichtverteidiger beigeordnet zu werden, keine Verhandlung im gebührenrechtlichen Sinn. Ein „Verhandeln“ liegt auch nicht schon dann vor, wenn der Verteidiger dem Angeklagten bei dessen Vorführung vor dem Haftrichter lediglich anrät, keine Angaben zur Sache zu machen, und dieser hierauf schweigt.
LG Düsseldorf, Beschl. v. 25.8.2022 – 17 Qs-110 Js 6494/20–22/22
Der Rechtsanwalt darf nicht ohne Abwägung der Bemessungskriterien stets die Mittelgebühr abrechnen. Die Mittelgebühr ist lediglich Ausgangspunkt der Ermessensausübung des Rechtsanwalts. Soweit eines der Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG von dem Durchschnitt abweicht, ist dies Anlass für den Rechtsanwalt, von der Mittel- gebühr nach oben oder nach unten abzuweichen. In diesem Sinne ist ein Verfahren, welches bis zur Hauptverhandlung einen Aktenumfang von 62 Blatt aufweist und in dem sich das Beweisprogramm im Wesentlichen in zwei Zeugen erschöpft, als unter- durchschnittlich zu bewerten, jedenfalls soweit kein anderes Bemessungskriterium nach oben hin von der Norm abweicht. Dies gilt auch dann, wenn es im Rahmen des gleichen Lebenssachverhalts eine Gegenanzeige des mutmaßlich Geschädigten – und damit ein „gegenläufiges Ermittlungsverfahren“ – gibt.
LG Hamburg, Beschl. v. 6.4.2022 – 628 Qs 19/21
Die Beauftragung eines auswärtigen Verteidigers ist nur beim Vorliegen besonderer Umstände notwendig. Fehlt es daran, kann der auswärtige Verteidiger nur Fahrtkosten abrechnen, soweit diese auf den Teil der Wegstrecke innerhalb des Gerichtsbezirks entfallen.
LG Hamburg, Beschl. v. 6.4.2022 – 628 Qs 19/21
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