Kategorie: Strafrecht

Strafrecht 2022 #05

Pflichtverteidigerwechsel: Interessenkonflikt Ein Pflichtverteidigerwechsel kommt nur in Betracht, wenn entweder das Vertrauensverhältnis zwischen dem Pflichtverteidiger und dem Angeklagten endgültig zerstört oder aus einem sonstigen Grund keine angemessene Verteidigung des Angeklagten gewährleistet ist (§ 143a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StPO). BGH, Beschl. v. 22.2.2022 – StB 2/22 u. StB 3/22 Einstellung des Verfahrens: Strafklageverbrauch Einer Verfahrenseinstellung durch […]
Das Fehlen einer schriftlichen Vollmacht eines Anwalts darf das Gericht nur dann von Amts wegen berücksichtigen, wenn begründete Zweifel am Auftrag bestehen. Solche Bedenken dürfen laut BVerfG nicht allein damit begründet werden, dass bislang keine Vollmacht in den Akten ist. Unabhängig davon müsse dem Rechtsanwalt eine ausreichende Frist zur Vorlage gewährt werden. (Leitsatz des Verfassers) […]
Bei einer im Vorfeld der Hauptverhandlung erfolgten Unterredung, in deren Verlauf eine Verbindung zwischen einem möglichen Geständnis des Angeklagten und dem Verfahrensergebnis hergestellt wurde, handelt es sich um ein Gespräch, das die Möglichkeit einer Verständigung zum Gegenstand hatte und das der sog. Mitteilungspflicht unterfällt. (Leitsatz des Verfassers) BGH, Beschl. v. 12.1.2022 – 4 StR 209/21 […]
Die Mitteilungspflicht des § 243 Abs. 4 S. 1 StPO greift ein, sobald bei außerhalb einer Hauptverhandlung geführten Gesprächen ausdrücklich oder konkludent die Möglichkeit und die Umstände einer Verständigung im Raum stehen. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn Fragen des prozessualen Verhaltens in Konnex zum Verfahrensergebnis gebracht werden und damit die Frage nach oder die Äußerung […]
Die Neuregelung des Wiederaufnahmegrundes in § 362 Nr. 5 StPO ist verfassungsgemäß. (Leitsätze des Gerichts) OLG Celle, Beschl. v. 20.4.2022 – 2 Ws 62/22, 2 Ws 86/22 I. Sachverhalt Nach Freispruch Zuordnung der DNA-Spuren Der Beschwerdeführer (Bf) wurde 1983 vom Vorwurf des Mordes und der Vergewaltigung an einer 17 Jahre alten Frau im Jahr 1981 rechtskräftig freigesprochen. […]
An den Voraussetzungen für eine Verwerfung der Berufung des säumigen Angeklagten gem. § 329 StPO mangelt es, wenn dieser einem Irrtum über den Terminsbeginn unterlegen ist, dieses dem Gericht noch vor Ablauf der grds. ausreichenden Wartezeit von 15 Minuten ab Aufruf der Sache mitteilt bzw. mitteilen lässt, zugleich sein unverzügliches Erscheinen innerhalb einer angemessenen Zeitspanne ankündigt […]
Der Besetzungseinwand nach § 222b StPO kann sich nur auf solche Fälle vorschriftswidriger Besetzung in erstinstanzlichen Verfahren vor dem LG und OLG beziehen, die auch von § 338 Nr. 1 StPO erfasst sind. (Leitsatz des Gerichts) OLG Saarbrücken, Beschl. v. 3.11.2021 – 1 Ws 73/21 I. Sachverhalt Verstoß gegen § 22 Nr. 4 StPO wird geltend gemacht Gegen den Angeklagten […]
Erfolgt in zwei getrennten Verfahren wegen derselben prozessualen Tat jeweils eine Verurteilung wegen verschiedener Delikte (hier: Besitz von Betäubungsmitteln und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte) zu einer Geldstrafe, ist die Vollstreckung der Geldstrafe aus der zweiten Verurteilung von Amts wegen für unzulässig zu erklären. (Leitsatz des Verfassers) AG Reutlingen, Beschl. v. 25.1.2022 – 5 Cs 24 Js […]
1. Ein Kraftfahrzeugrennen i.S.d. § 315d Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB ist ein Wettbewerb zwischen wenigstens zwei Kraftfahrzeugführern, bei dem es zumindest auch darum geht, mit dem Kraftfahrzeug über eine nicht unerhebliche Wegstrecke eine höhere Geschwindigkeit als der andere oder die anderen teilnehmenden Kraftfahrzeugführer zu erreichen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Teilnehmer zueinander in […]
1. Eine objektive Zurechnung des durch einen anderen Rennteilnehmer verursachten Gefahrerfolgs gem. § 315d Abs. 2 StGB ist nur möglich, wenn sich die Rennteilnehmer in derselben kritischen Rennsituation befinden und zwischen den jeweiligen Mitverursachungsbeiträgen und dem konkreten Gefährdungserfolg ein örtlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht (Anschluss an BGH VRR 1/2022, 14 [Deutscher]). 2. In subjektiver Hinsicht neigt der […]
1. „Donuts“ (360-Grad-Kehren) sind kein unerlaubtes Kraftfahrzeugrennen und unterfallen nicht § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB. 2. Der Tatbestand der Nötigung erfordert in Bezug auf die Zwangswirkung nicht in jedem Fall Absicht. (Leitsatz des Gerichts) KG, Urt. v. 18.1.2022 – 3 Ss 59-60/21 I. Sachverhalt Teilnehmer eines Hochzeitskorso dreht „Donuts“ Das AG Tiergarten hat den Angeklagten wegen […]
Auf nebenbetroffene juristische Personen und Personenvereinigungen ist § 74 Abs. 2 OWiG weder direkt noch analog oder ergänzend anwendbar. (Leitsatz des Gerichts) BGH, Beschl. v. 24.12.2021 – KRB 11/21 I. Sachverhalt Vertreter der Nebenbetroffenen in der Hauptverhandlung nicht erschienen Das OLG Düsseldorf hat den Einspruch der Nebenbetroffenen gegen einen Bußgeldbescheid des Bundeskartellamts gemäß § 74 Abs. 2 OWiG verworfen, […]
Zum erforderlichen Schweregrad der Anlasstat für die Bejahung des Haftgrundes der Wiederholungsgefahr i.S. des § 112a StPO (Leitsatz des Verfassers) OLG Brandenburg, Beschl. v. 28.3.2022 – 1 Ws 33/22 I. Sachverhalt Haftbefehl auf Wiederholungsgefahr gestützt Das AG hat gegen den Beschuldigten am 5.1.2022 Haftbefehl erlassen wegen des dringenden Tatverdachts, in der Zeit vom 26.10.2021 bis zum […]

Strafrecht 2022 #05s

1. Der Anspruch auf Bestellung eines Rechtsanwalts als Beistand gemäß § 397a Abs. 1 Nr. 2 StPO besteht auch dann, wenn zwar die Anklage nicht auf ein versuchtes Tötungsdelikt gestützt wird, aber die – wenn auch nur geringe – Möglichkeit besteht, dass der Angeklagte ein solches Delikt begangen hat und seine Verurteilung deswegen in Betracht kommt. 2. Zur […]
1. Nach § 464 Abs. 3 S. 1 2. Hs. StPO ist eine (sofortige) Beschwerde gegen eine Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen nur unzulässig, wenn eine Anfechtung der Hauptentscheidung durch den Beschwerdeführer schlechthin nicht angefochten werden kann oder der Beschwerdeführer grundsätzlich zur Einlegung eines Rechtsmittels gegen die Hauptentscheidung nicht befugt ist. 2. Zur Kosten- […]
Die das Verfahren abschließende Entscheidung muss zum Ausdruck bringen, dass ein Dritter und – wie im Falle des Freispruchs – die Staatskasse auch die notwendigen Auslagen eines Angeklagten zu tragen haben. (Leitsatz des Verfassers) OLG Hamm, Beschl. v. 16.11.2021 – III-3 Ws 433/21 I. Sachverhalt Freispruch Das LG hat den Angeklagten vom Vorwurf des versuchten […]
Zur Auferlegung der notwendigen Auslagen des Angeschuldigten auf die Staatskasse, wenn dieser vor Erlass des Eröffnungsbeschlusses verstirbt. (Leitsatz des Verfassers) LG Dresden, Beschl. v. 24.1.2022 – 5 Qs 12122 I. Sachverhalt Angeschuldigter verstirbt nach Anklageerhebung Die Staatsanwaltschaft legte dem Angeschuldigten mit Anklageschrift vom 3.3.2021 Subventionsbetrug in sieben Fällen wegen unrichtiger Angaben in verschiedenen Corona-Soforthilfe-Anträgen bzw. […]
Wird der Antrag auf Erlass eines Strafbefehls von der Staatsanwaltschaft zurückgenommen, sind die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen. (Leitsatz des Verfassers) AG Pforzheim, Beschl. v. 25.8.2021 – 7 Cs 98 Js 2143/20 I. Sachverhalt Rücknahme des Strafbefehlsantrags Das AG hat auf Antrag der Staatsanwaltschaft einen Strafbefehl erlassen. Nach Einlegung des Einspruchs durch den […]
§ 21 GKG erfasst ausschließlich Gerichtskosten. Ein Anspruch gegen die Staatskasse auf Erstattung von notwendigen Auslagen ergibt sich hieraus nicht. (Leitsatz des Verfassers) LG Hagen, Beschl. v. 9.12.2021 – 31 Ks 2/20 I. Sachverhalt Schwurgerichtsverfahren muss wegen Ausscheidens einer Richterin ausgesetzt werden Das Strafverfahren richtete sich gegen mehrere Angeklagte. Das Hauptverfahren ist vor dem Schwurgericht eröffnet […]
Zu den Gebühren nach Verbindung von Verfahren und zum Verhältnis Grundgebühr/Verfahrensgebühr. (Leitsatz des Verfassers) OLG Celle, Beschl. v. 26.1.2022 – 2 Ws 19/22 I. Sachverhalt Anklage wegen Betruges in einem Verfahren Die Staatsanwaltschaft Verden hat am 11.2.2019 Anklage gegen den ehemaligen Angeklagten wegen Betrugs beim AG erhoben. Dem Angeklagten wurde ein Betrug über die Internetplattform […]
1. Grundsätzlich gilt, dass, wenn zwei Verfahren, die zunächst selbstständig waren, zu einem verbunden werden, einmal entstandene Gebühren aus den getrennten Verfahren bestehen bleiben (§ 15 Abs. 4 RVG). 2. Mit der sofortigen Beschwerde gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss kann nur dessen Nachprüfung verlangt werden. Eine Erstattungsforderung, über die eine anfechtbare Entscheidung des Rechtspflegers noch nicht vorliegt, kann nicht […]
Die Tätigkeit des nach § 68b Abs. 2 StPO als Zeugenbeistand beigeordneten Rechtsanwalts ist als Einzeltätigkeit nach Nr. 4301 Ziffer 4 VV RVG zu vergüten. (Leitsatz des Gerichts) OLG Dresden, Beschl. v. 10.12.2021 – 6 Ws 42/21 I. Sachverhalt Als Zeugenbeistand tätig gewesen Einem Zeugen war vom LG für die Dauer seiner Vernehmung der Rechtsanwalt als Beistand beigeordnet […]
Für die Abrechnung der Tätigkeit des Rechtsanwalts als Zeugenbeistand kommt es auf eine Einzelfallbetrachtung an. Kommt die Tätigkeit quasi einer Verteidigertätigkeit gleich, wird nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG abgerechnet. (Leitsatz des Verfassers) AG Duisburg-Hamborn, Beschl. v. 21.12.2020 – 14 Ls-293 Js 915/19-23/20 I. Sachverhalt Vertreten von Zeugen als Zeugenbeistand beim Jugendschöffengericht Die (beigeordneten) […]
Ein Beschuldigter befindet sich nicht auf freiem Fuß, wenn im Ausland Haft vollstreckt wird. Das gilt auch dann, wenn es sich nicht um Auslieferungshaft i.e.S. handelt, sondern um Strafhaft, aber im gerichtlichen Auslieferungsverfahren im Wege der vertragslosen Rechtshilfe um die Überstellung des ‒ sich nach rechtskräftiger Verurteilung derzeit dort in Strafhaft befindlichen ‒ Beschuldigten in […]
Die Gebühr Nr. 4142 VV RVG entsteht u.a. für eine Tätigkeit des Verteidigers für den Beschuldigten, die sich auf eine Einziehung bezieht. Dabei setzt der Gebührentatbestand nicht zwingend eine gerichtliche Tätigkeit oder einen Antrag der Staatsanwaltschaft voraus, sondern kann auch im Falle außergerichtlicher Beratung in Ansatz gebracht werden. (Leitsatz des Verfassers) OLG Braunschweig, Beschl. v. 21.1.2022 […]
Die Gebühr Nr. 4142 VV RVG entsteht u.a. für eine Tätigkeit des Verteidigers für den Beschuldigten, die sich auf eine Einziehung bezieht. Dabei setzt der Gebührentatbestand nicht zwingend eine gerichtliche Tätigkeit voraus, sondern kann auch im Falle außergerichtlicher Beratung in Ansatz gebracht werden, sofern diese zumindest nach Aktenlage geboten ist. (Leitsatz des Verfassers) LG Braunschweig, Beschl. […]
Der Wahlverteidiger des Angeklagten kann nur dann Erstattung von Gebühren für Tätigkeiten im Adhäsionsverfahren aus der Staatskasse verlangen, wenn er dem Angeklagten im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnet worden ist. (Leitsatz des Verfassers) OLG Brandenburg, Beschl. v. 24.1.2022 – 1 Ws 108/21 (S) I. Sachverhalt Gebühr Nr. 4143 VV RVG im Streit Gestritten wird um die Festsetzung […]
1. Die Gebühr Nr. 4143 VV RVG entsteht nicht nur, wenn ein Adhäsionsverfahren im eigentlichen Sinne anhängig ist. Sie entsteht auch, wenn vermögensrechtliche Ansprüche im Strafverfahren lediglich miterledigt werden. 2. Abgegolten werden auch die Tätigkeiten, die der Rechtsanwalt im Hinblick auf das Adhäsionsverfahren im Hauptverhandlungstermin und zu dessen Vorbereitung erbringt. Es kommt aber nicht darauf an, […]
1. Zur Anwendung der zivilrechtlichen „Toleranzrechtsprechung“ des BGH im Bußgeldverfahren. 2. Nach Auffassung des Gerichts ist im Falle durchschnittlicher Verkehrsordnungswidrigkeiten grundsätzlich die sogenannte herabgesetzte Mittelgebühr anzusetzen. (Leitsätze des Verfassers) AG Bad Salzungen, Urt. v. 30.9.2021 – 1 C 121/21 I. Sachverhalt Mittelgebühr wird nicht gezahlt Die Klägerin, eine Rechtsanwältin, hatte den Beklagten in einem straßenverkehrsrechtlichen […]
Die Erhebung einer Aktenversendungspauschale ist nicht zulässig, wenn die Akten dem Betroffenen nur teilweise geschwärzt (hier: Schwärzung der Namen anderer Betroffener derselben OWi) zur Verfügung gestellt werden. (Leitsatz des Verfassers) AG Leipzig, Beschl. v. 24.9.2021 – 220 OWi 2822/20 I. Sachverhalt Namen anderer Betroffener sind geschwärzt Gegen die Mandantin des Rechtsanwalts wurde bei der Zentralen […]

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