Zum Umfang der gerichtlichen Mitteilungspflicht über Verständigungsgespräche
(Leitsatz des Verfassers)
I. Sachverhalt
Verstoß gegen § 243 Abs. 4 StPO?
Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen Geldfälschung, Betruges und wegen Urkundenfälschung verurteilt und Einziehungsentscheidungen getroffen. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit der Revision. Seine Verfahrensrüge, mit der ein Verstoß gegen die Mitteilungspflicht zu Verständigungsgesprächen nach § 243 Abs. 4 StPO geltend gemacht worden ist, hatte keinen Erfolg.
II. Entscheidung
Verfahrensablauf
Der Angeklagte hatte seine Verfahrensrüge damit begründet, dass vor der Hauptverhandlung in zwei Telefonaten zwischen dem Vorsitzenden der Strafkammer und dem Verteidiger die Möglichkeit einer Verständigung thematisiert worden sei. Im ersten Telefonat habe der Verteidiger angefragt, ob für die Strafkammer eine Verständigung auf eine Bewährungsstrafe in Betracht komme. Hierzu habe der Vorsitzende eine schriftliche Stellungnahme der Staatsanwaltschaft eingeholt, in der diese sich unter bestimmten Voraussetzungen für eine derartige Verständigung offen gezeigt habe. In einem Vermerk habe der Vorsitzende sodann niedergelegt, dass die Kammer voraussichtlich keinen Verständigungsvorschlag mit einer Strafobergrenze von zwei Jahren unterbreiten werde. Vielmehr komme in Betracht, dass sie für den Fall eines Geständnisses eine Gesamtfreiheitsstrafe zwischen zwei Jahren neun Monaten und drei Jahren drei Monaten vorschlagen werde. Welchen genauen Verständigungsvorschlag die Kammer unterbreiten werde, stehe dabei ohnehin unter dem Vorbehalt der Beratung mit den Schöffen. Über den Inhalt dieses Vermerks habe der Vorsitzende den Verteidiger im zweiten Telefonat in Kenntnis gesetzt. Über beide Telefonate habe der Vorsitzende weitere Vermerke gefertigt. Sämtliche Vermerke des Vorsitzenden und die eingeholte Stellungnahme der Staatsanwaltschaft seien zu Beginn der Hauptverhandlung verlesen worden, woraufhin die Verteidigung erklärt habe, dass sie im Hinblick auf die verlesenen Vermerke kein Interesse an einem Verständigungsvorschlag habe. Einen Verständigungsvorschlag habe die Strafkammer in der Hauptverhandlung nicht unterbreitet.
Angriffe der Revision
Die Revision des Angeklagten hat bemängelt, dass die Reaktionen sowohl der Staatsanwaltschaft als auch des Verteidigers auf die geäußerte Strafmaßvorstellung der Strafkammer „nirgendwo protokolliert worden“ seien. Darüber hinaus sei nicht bekanntgegeben worden, ob es die „angekündigte“ Beratung mit den Schöffen gegeben habe und zu welchem Ergebnis diese gekommen seien.
Mitteilungspflicht erfüllt
Nach Auffassung des BGH lasse sich in dem dargestellten Ablauf kein Rechtsfehler erkennen. Vielmehr seien sämtliche nach § 243 Abs. 4 StPO erforderlichen Mitteilungen erfolgt. Reaktionen von Verfahrensbeteiligten, die eine weitergehende Mitteilung nach § 243 Abs. 4 StPO erfordert hätten, seien nicht ersichtlich: Dass die Staatsanwaltschaft sich nach ihrer schriftlichen Stellungnahme nochmals zur Frage einer Verständigung oder zur Ankündigung des Vorsitzenden verhalten hätte, ergebe sich aus dem Vortrag der Revision nicht. Zur Reaktion des Verteidigers sei dem hierzu durch die Revision vorgelegten Gesprächsvermerk zum zweiten Telefonat mit dem Vorsitzenden nur der anwaltliche Verweis darauf zu entnehmen, dass die momentan vorgesehenen zwei Verhandlungstermine dann kaum ausreichend sein dürften. Zudem habe er die Frage aufgeworfen, wie verfahren werden solle, wenn der Angeklagte von seinem Schweigerecht Gebrauch machen sollte. Eine inhaltliche Positionierung zu einem Verständigungsvorschlag würden diese Äußerungen nicht enthalten. Für eine Mitteilung über eine etwaige Besprechung mit den Schöffen habe schon deshalb kein Anlass bestanden, weil sich § 243 Abs. 4 StPO auf Erörterungen zwischen dem Gericht und anderen Verfahrensbeteiligten beziehe, nicht auf die Aussprache innerhalb des Spruchkörpers, zumal weder vorgetragen sei noch angesichts des geschilderten Verfahrensablaufs naheliege, dass eine solche Besprechung mit den Schöffen überhaupt stattgefunden habe.
III. Bedeutung für die Praxis
Kammerinterne Beratungen
Nach dem dargestellten Verfahrensablauf hat der Vorsitzende der Strafkammer seine sich aus § 243 Abs. 4 StPO ergebende Mitteilungspflicht betreffend „Verständigungsgespräche“ erfüllt (vgl. dazu eingehend Burhoff, in: Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 9. Aufl. 2022, Rn 2228). Was die Revision darüber hinaus verlangt/vermisst, unterfällt nicht mehr der Mitteilungspflicht, sondern bezieht sich auf kammerinterne Erörterungen, also ggf. Beratungen, die aber nicht (mehr) der Mitteilungspflicht unterfallen.