Beitrag

Rechtsprechungsübersicht zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung (2021–2022)

I.

Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung zum 1.7.2017

Das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.4.2017 (BGBl I 872) hat die materiellen und verfahrensrechtlichen Vorschriften zu „Einziehung“ und „Verfall“ zum 1.7.2017 grundlegend umgestaltet (hierzu Deutscher, StRR 9/2017, 4 und ZAP F. 21, 301; Köhler, NStZ 2017, 497 und Köhler/Burkhard, NStZ 2017, 665). Ziel der Änderung war die Vereinfachung des Rechts der Vermögensabschöpfung, die Stärkung der Position von Verletzen sowie die Schließung von als nicht vertretbar betrachteten Abschöpfungslücken. Nach mehr als fünf Jahren seit der Reform sind die Neuerungen in der Praxis zwar angekommen, die beabsichtigte Arbeitserleichterung bei Gerichten und Staatsanwaltschaften allerdings nicht. Das dem Erkenntnisverfahren aufgebürdete Maß an Feststellungen hat zu erheblicher Mehrarbeit geführt. Die Komplexität der materiellen Vorschriften hat eine erhöhte Fehleranfälligkeit bei Urteilen bewirkt. Nahezu jeden Tag finden sich auf der Homepage des BGH eine oder gar mehrere einschlägige Entscheidungen, in denen der Schuldspruch und der übrige Rechtsfolgenausspruch bestätigt, wegen Rechtsfehlern bei der Entscheidung zur Einziehung aber teilaufgehoben wird. Da insoweit eine eigene Sachentscheidung nach § 354 Abs. 1a StPO in Teilbereichen zwar grundsätzlich möglich ist (Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl. 2022, § 354 Rn 26e), in aller Regel mangels hinreichender Feststellungen aber scheitert, bedeuten die Zurückverweisungen einen weiteren deutlichen Mehraufwand bei den LG im Vergleich zur früheren Rechtslage.

Hier wird im Anschluss an die Übersichten in StRR 2/2019, 5; 3/2019, 4 und 12/2020, 6 die seitdem erschienene Rechtsprechung dargestellt. Auf den Bericht von Entscheidungen zur bußgeldrechtlichen Einziehung des Wertes von Taterträgen nach § 29a OWiG wurde aus Platzgründen verzichtet (hierzu näher Deutscher, in: Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 6. Aufl. 2021, Rn 1085 ff.).

Hinweis

Rechtsprechungsübersicht zur Reform bei Bittmann, NStZ 2020, 517, 648. Erste Erfahrungen mit der Reform beschriebt Meißner, StraFo 2021, 266.

II.

Grundlagen

Einige grundlegende Streitfragen sind nunmehr verfassungsgerichtlich und höchstrichterlich geklärt worden.

1. Zeitliche Geltung

Die Übergangsvorschriften für Altfälle (materielles Strafrecht: Art. 316h EGStGB; Bußgeldrecht: § 133 Abs. 6 OWiG, Verfahrensrecht: § 14 EGStPO) haben bedingt durch den Zeitablauf von über fünf Jahren seit der Reform kaum noch praktische Relevanz. Von Bedeutung für erlassene, noch nicht rechtskräftige Entscheidungen von Altfällen war hingegen die Frage, ob die in Art. 316h S. 1 EGStGB angeordnete Rückwirkung der neuen materiellen Vorschriften auf Altfälle mit der Verfassung vereinbar ist. Sieht man die Vermögensabschöpfung als Strafe an (so etwa Rönnau/Begemeier, NStZ 2021, 75), wäre Art. 103 Abs. 2 GG der Prüfungsmaßstab. Das hat das BVerfG anders gesehen (NJW 2021, 1222 m. Anm. Lenk = NStZ 2021, 413 m. Anm. Reichling/Lange/Borgel und Besprechungen Rönnau/Begemeier a.a.O.; Weinbrenner, NStZ 2022, 65 = StRR 4/2021, 25 [Deutscher]): Die Vermögensabschöpfung nach der Reform ist keine dem Schuldgrundsatz unterliegende Nebenstrafe, sondern eine Maßnahme eigener Art mit kondiktionsähnlichem Charakter (Fortführung von BVerfGE 110, 1, 13 ff.). Die in Art. 316h S. 1 EGStGB angeordnete Rückbewirkung von Rechtsfolgen („echte“ Rückwirkung) ist nicht an Art. 103 Abs. 2 GG, sondern an dem allgemeinen Rückwirkungsverbot zu messen. Sie ist hier ausnahmsweise zulässig. Die fortwährende Bemakelung von Vermögenswerten infolge strafrechtswidrigen Erwerbs stellt eine Ausprägung des allgemeinen Prinzips dar, dass das Vertrauen in den Fortbestand unredlich erworbener Rechte grundsätzlich nicht schutzwürdig ist. Die Rückwirkung gilt auch für die erweiterte Einziehung nach § 73a StGB (BGH NStZ-RR 2021, 336).

2. Jugendstrafrecht

Ebenfalls streitig war die Frage, ob die kein gerichtliches Ermessen erlaubenden Vorschriften der §§ 73, 73c StGB zur Einziehung von Taterträgen oder des Wertes von Taterträgen im Jugendstrafrecht auf Jugendliche oder Heranwachsende ohne Ermessen angewendet werden. Die Senate des BGH waren hier unterschiedlicher Auffassung (Nw. in der letzten Übersicht StRR 12/2020, 6, 7). Der Große Senat des BGH hat diese Frage nunmehr im Sinne einer strikten Anwendung auch im Jugendstrafrecht beantwortet (BGHSt 65, 242 = NStZ 2021, 679 m. Anm. Kölbel/Eisenberg/Sonnen = StRR 8/2021, 36 [Deutscher]).

III.

Materielles Recht

1. Bestimmung der erlangten Taterträge oder deren Wertes

a) Grundsätze

Etwas „erlangt“ im Sinne der Vorschriften über die Einziehung hat ein Täter oder Teilnehmer „durch“ die Tat, wenn ihm ein Vermögenswert unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands in irgendeiner Phase des Tatablaufs derart zugeflossen ist, dass er seiner faktischen Verfügungsgewalt unterliegt, insbesondere also die Tatbeute. Auf zivilrechtliche Besitz- oder Eigentumsverhältnisse kommt es dabei nicht an, weil es sich bei dem Erlangen um einen tatsächlichen Vorgang handelt (BGH NStZ 2021, 668 m. Anm. Bittmann). „Für die Tat“ i.S.v. §§ 73 Abs. 1 Alt. 2 StGB, 73c S 1 StGB sind Vorteile erlangt, die einem Beteiligten als Gegenleistung für sein rechtswidriges Handeln gewährt werden, jedoch nicht auf der Tatbestandsverwirklichung beruhen (BGH NStZ-RR 2021, 336 Ls. = StRR 11/2021, 19 [Gehm]). Es gilt das Brutto-Prinzip: Zur Bestimmung des erlangten Vorteils (hier nach § 29a Abs. 1 OWiG) sind alle Vermögenswerte heranzuziehen, die einem Tatbeteiligten aus der Verwirklichung des Tatbestandes in irgendeiner Phase des Tatablaufs rein gegenständlich zugeflossen sind, ohne dass es auf eine „unmittelbare“ Kausalbeziehung zwischen Tat und Bereicherung oder den Schutzzweck der Verbotsnorm ankommt (BayObLG VRR 2/021, 18 [Deutscher]). Führt der Täter Güter ohne die erforderliche Genehmigung aus, umfasst das aus der Tat Erlangte nicht nur die für das Genehmigungsverfahren ersparten Aufwendungen, sondern sämtliche aus der Tat bezogenen Vermögenswerte. Dies gilt ungeachtet der Genehmigungsfähigkeit der Ausfuhr (Aufgabe von BGHSt 57, 79 Rn 14 ff., 19). Diese wirkt sich auch nicht auf die Abzugsfähigkeit der Aufwendungen nach § 73d Abs. 1 StGB aus (BGHSt 66, 147 = NStZ 2022, 354 m. Anm. Ventzke). Die Einziehung von Wertersatz gegenüber dem Tatbeteiligten ist auch dann zulässig, wenn bei dem Drittbegünstigten die Einziehung des aus der Tat erlangten Gegenstands in Betracht kommt (BGHSt 65, 28 = NJW 2020, 3046 m. Anm. Habetha = NStZ 2021, 99 m. Anm. Bittmann = StRR 12/2020, 33 [Deutscher]). Es fehlt an dem für § 73 Abs. 1 StGB erforderlichen Kausalzusammenhang, wenn freiwillige Zuwendungen einer Prostituierten dem Angeklagten nicht unmittelbar durch die Aufnahme der Prostitution, sondern erst nach Abschluss dieser Tat über einen Zeitraum von etwa einem Jahr als Ertrag aus der (straflosen) Fortsetzung der Prostitutionstätigkeit zugeflossen sind (BGH NStZ-RR 2021, 104 Ls.). Gleiches gilt, wenn der Angeklagte (hier: nach Mord am Ehegatten) erst durch weitere, nicht tatbestandsmäßige Handlungen den Vermögenswert erhält (hier: Angaben gegenüber dem Versicherungsträger zur Auszahlung einer Hinterbliebenenrente; BGH NStZ-RR 2021, 373).

Hinweis

Im Fall der Tötung des Erblassers durch dessen Erben ist eine Einziehung des Nachlasses nach den §§ 73 ff. StGB ausgeschlossen, weil die Rechtslage betreffend die Erbschaft in einem solchen Fall vorrangig und abschließend in §§ 2339 Abs. 1 Nr. 1, 2340 ff. BGB geregelt ist (BGH NStZ-RR 2021, 207 im Anschluss an BGH NStZ 2020, 477 = StRR 6/2020, 22 [Burhoff]).

b) Erlangen von Girokarten durch „falschen“ Polizeibeamten

Hat ein sich als Polizeibeamter ausgebender Mittäter des Angeklagten betagte Geschädigte telefonisch darüber getäuscht, dass Vermögensstraftaten zu ihrem Nachteil bevorstünden und ihre Girokarten aus Sicherheitsgründen gesperrt werden sollten, so dass die Geschädigten irrtumsbedingt dem Angeklagten (der sie als angeblicher Polizeibeamter aufsuchte) ihre Girokarten aushändigten und darüber hinaus die zugehörige Geheimzahl (PIN) preisgaben und der Angeklagte sodann Bargeldabhebungen tätigte und/oder Waren in Ladengeschäften einkaufte, liegen die Voraussetzungen der Einziehung des Wertes von Taterträgen grundsätzlich vor. Das von ihm abgehobene Bargeld und die erworbenen Waren erlangte der Angeklagte noch „durch“ die Betrugstaten (BGH NJW 2022, 1399).

c) Einzahlung des nach der Tat sichergestellten Bargelds auf ein Justizkonto

Wenn die durch einen Raub erlangten und nach der Tat sichergestellten Banknoten zum Urteilszeitpunkt als individualisierbare Objekte nicht mehr vorhanden sind, weil sie bei der Gerichtskasse eingezahlt worden waren, hat das Tatgericht auf Wertersatzeinziehung nach § 73c S. 1 StGB zu erkennen. Der hiermit entstandene öffentlich-rechtliche Auszahlungsanspruch gegen die Staatskasse tritt an die Stelle der körperlichen Zahlungsmittel. Eine Surrogatseinziehung muss dann nach den allgemeinen gesetzlichen Regelungen nicht zulässig sein. Denn nach der Anschauung des täglichen Lebens entfällt die unmittelbare Zuordnung des Einziehungsgegenstands zur rechtswidrigen Tat nicht dadurch, dass eine bestimmte Banknote oder Geldmünze als vertretbare Sache durch einen gleichwertigen Anspruch auf den entsprechenden Geldbetrag gegen die Staatskasse ersetzt wird (BGH NStZ 2022, 405).

d) Erlöse aus BtM-Taten

Der Wert der Erlöse aus dem Betäubungsmittelhandel kann nach § 73c S. 1 StGB eingezogen werden (BGH NStZ-RR 2021, 79 Ls.). Allerdings muss insoweit um die Teilmengen reduziert werden, die der Täter nach dem jeweiligen Ankauf der Betäubungsmittel dem Vermittler des Geschäfts kostenfrei überließ (BGH NStZ-RR 2021, 49 Ls.)

Hinweis

Zur Bestimmung des erlangten Vorteils bei strafbaren Marktmanipulationen BGH NJW 2021, 1252 = StRR 4/2021, 12 [Deutscher] und bei Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§ 299 Abs. 2 StGB) BGH NJW 2021, 3606 m. Anm. Corsten/Reichling).

e) Wertbestimmung

Maßgebend für die Bestimmung des der Einziehung unterliegenden Geldbetrages ist nicht der Neuwert des Gegenstandes, sondern der gewöhnliche Verkaufspreis für Waren gleicher Art und Güte, dessen Höhe sich nach dem Verkehrswert der Sache bestimmt (hier: Tatbeute aus Wohnungseinbruchdiebstählen; BGH StV 2021, 709). Eine zulässige Schätzung nach § 73d Abs. 2 StGB erfordert die Feststellung einer entsprechenden Tatsachengrundlage.

f) Ersparte Aufwendungen

Ein einschlägiger Vermögensvorteil durch die Tat kann auch in ersparten Aufwendungen bestehen. Bei der Vorenthaltung von Arbeitsentgelten (§ 266a StGB) liegt das in den ersparten Beiträgen an die Sozialversicherungsträger (BGH wistra 2021, 277). Eine Einziehung der „durch die rechtswidrige Tat“ ersparten Aufwendungen nach § 73c S. 1 StGB kommt nicht in Betracht, wenn der Angeklagte als faktischer Geschäftsführer über diese ersparten Aufwendungen zu keinem Zeitpunkt die Verfügungsgewalt erlangte (BGH NStZ-RR 2021, 336 Ls. = StRR 11/2021, 19 [Gehm]).

g) Steuerdelikte

aa) Umsatzsteuer: Scheinlieferungen

Ein tatsächlicher Vermögensvorteil tritt im Rahmen einer Scheinlieferbeziehung in den von § 14c Abs. 2 S. 2 Alt. 2 UStG erfassten Fällen nicht bereits mit dem unberechtigten Ausweis von Umsatzsteuer oder dem pflichtwidrigen Unterlassen einer Erklärung des Umsatzsteuerbetrags i.S.v. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO beim Rechnungsaussteller ein, sondern erst beim Rechnungsempfänger, wenn dieser die ausgewiesene Umsatzsteuer unberechtigt mit Festsetzungswirkung als Vorsteuer i.S.v. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG geltend gemacht hat, so dass eine Einziehung des Wertes von Taterträgen in Form ersparter Aufwendungen nur insoweit und diesem gegenüber in Betracht kommt (BGH NStZ-RR 2020, 348 im Anschluss an BGH NJW 2020, 79).

bb) Tabaksteuer

Bei der Hinterziehung von Tabaksteuer ist ein unmittelbar messbarer wirtschaftlicher Vorteil nur gegeben, soweit sich die Steuerersparnis im Vermögen des Täters dadurch niederschlägt, dass er aus den Tabakwaren einen Vermögenszuwachs erzielt. Verliert der Täter durch die Sicherstellung der steuerpflichtigen Tabakwaren die wirtschaftliche Zugriffs- oder Verwertungsmöglichkeit hinsichtlich dieser Waren, fehlt es an dem für die Einziehung erforderlichen Vermögenszuwachs (BGH NStZ 2021, 300). Das Erfordernis, dass der Täter aus den Tabakwaren einen Vermögenszuwachs erzielt, gilt, soweit Tabaksteuer auf der Grundlage der Einfuhr aus einem Drittland angefallen ist, auch für die insoweit außerdem angefallenen und hinterzogenen Einfuhrabgaben, mithin Zollschuld sowie die Einfuhrumsatzsteuer (BGH NStZ-RR 2020, 315). Der aus der Veräußerung unversteuerter und unverzollter Zigaretten dem Steuerhehler zufließende Erlös unterliegt gem. § 73 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 StGB der Einziehung als Surrogat des Erlangten. Zahlt der Abnehmer den Kaufpreis indes nicht an den Steuerhehler, sondern an dessen Lieferanten, wird der Hehler allenfalls von einer unwirksamen (§ 134 BGB) und damit nicht werthaltigen Verbindlichkeit frei und erlangt keinen Vermögenswert (BGH NStZ-RR 2022, 279 = StRR 9/2022, 23 [Gehm]).

cc) Lohnsteuerhinterziehung

Der Einziehung der Lohnsteuer beim wegen Lohnsteuerhinterziehung angeklagten Arbeitgeber steht nicht entgegen, dass nach § 38 Abs. 2 S. 1 EStG der Arbeitnehmer Schuldner der Lohnsteuer ist und den Arbeitgeber unter den Voraussetzungen des § 42d Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 3 EStG nur eine Haftungsschuld (§ 191 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 AO) trifft. Dies ändert nichts am Bestehen einer eigenen Entrichtungsschuld des Arbeitgebers (BGH NStZ-RR 2021, 308).

dd) Cum-Ex

Der BGH hat in einer Grundsatzentscheidung die Strafbarkeit von sog. Cum-Ex-Geschäften bejaht (BGHSt 66, 182 = NJW 2022, 90 m. Bespr. Saliger, 17 = NStZ 2022, 176 m. Anm. Bittmann und Bespr. Florstedt, 129). Auch die Einziehungen durch die Vorinstanz hat der BGH als rechtsfehlerfrei angesehen, weil die aus den Taten erlangten Vorteile ein erlangtes Etwas i.S.d. einschlägigen Vorschriften sind (näher Bittmann a.a.O.). Die hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde hat das BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen (NJW 2022, 2251 Ls. = StV 2022, 437).

Hinweis

Der Anspruch auf Einziehung von Wertersatz wird insolvenzrechtlich mit der Erlangung des Gegenstands begründet (BGH NJW 2021, 1469).

2. Abzug von Aufwendungen

§ 73d Abs. 1 StGB ermöglicht den Abzug von Aufwendungen. Nicht abzugsfähig sind Aufwendungen für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung, außer wenn es sich um Leistungen zur Erfüllung einer Verbindlichkeit gegenüber dem Verletzten der Tat handelt (§ 73d Abs. 1 S. 2 letzter Hs. StGB). Werden Aktien zum Zwecke der Marktmanipulation zu einem zuvor abgesprochenen Preis gehandelt, können Aufwendungen zum Erwerb der Aktien nicht abgezogen werden (BGH NJW 2021, 1252 = StRR 4/2021, 12 [Deutscher]).

3. Mehrere Tatbeteiligte

a) Grundsätze

Weiterhin schwierig bleibt die Beurteilung eines erlangten Vorteils bei mehreren Tatbeteiligten. Ein Vermögenswert ist aus der Tat erlangt, wenn er dem Täter oder Teilnehmer unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands in irgendeiner Phase des Tatablaufs so zugeflossen ist, dass er hierüber tatsächliche Verfügungsgewalt ausüben kann. Bei mehreren Tatbeteiligten ist ausreichend, aber auch erforderlich, dass sie zumindest eine faktische bzw. wirtschaftliche Mitverfügungsmacht über den Vermögensgegenstand haben. Dies ist der Fall, wenn sie im Sinne eines rein tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses ungehinderten Zugriff auf ihn nehmen können. Unerheblich ist bei der gebotenen gegenständlichen (tatsächlichen) Betrachtungsweise dagegen, ob und ggf. in welchem Umfang der Täter oder Teilnehmer eine unmittelbar aus der Tat gewonnene (Mit-)Verfügungsmacht später aufgegeben hat und der zunächst erzielte Vermögenszuwachs durch Mittelabflüsse etwa bei Beuteteilung gemindert wurde (BGH NStZ 2021, 37). Allein die mittäterschaftliche Tatbeteiligung des Angeklagten belegt oder begründet für sich betrachtet keine tatsächliche Verfügungsgewalt (BGH StV 2022, 12). An der erforderlichen Mitverfügungsgewalt fehlt es trotz Zugriffs auf den erlangten Vermögensgegenstand dann, wenn die Verfügungsgewalt lediglich kurzzeitig und transitorisch ausgeübt wird, etwa bei der sich unmittelbar an die Tat anschließenden zeitnahen Weitergabe des Erlangten an andere Tatbeteiligte. Dies ist nicht der Fall, wenn ein Tatgehilfe das Erlangte bei sich über einen gewissen Zeitraum deponiert oder mit dem Pkw über eine längere Distanz vom Tatort an den Aufenthaltsort eines anderen Tatbeteiligten verbringt (OLG Koblenz, Beschl. v. 23.6.2022 – 4 OLG 4 Ss 85/22).

b) Einzelfragen

Auch wenn der Angeklagte weder bei der Übergabe noch beim anschließenden Straßenverkauf der unversteuerten Zigaretten zugegen war, liegt eine ausreichende tatsächliche Verfügungsgewalt vor, wenn er als zumindest gleichberechtigtes Gruppenmitglied die jeweilige Übergabe der Lieferungen steuerte und seine beiden Mittäter bzw. die Helfer anwies, die Zigaretten auf Rechnung der Gruppierung entgegenzunehmen, und diese sich den Anweisungen des Angeklagten unterwarfen (BGH NStZ-RR 2022, 135). Hat ein sog. Einlöser die im Rahmen eines gewerbsmäßigen Bandenbetrugs erlangten Cash-Codes zur Aufladung von Guthaben auf Prepaid-SIM-Karten unter Verwendung von Mobiltelefonen und einer Vielzahl von Prepaid-SIM-Karten eingelöst, hat er insofern einen Vermögensvorteil erlangt, denn er hatte die rein tatsächliche Möglichkeit, über die aus der Einlösung der Prepaid-Aufladecodes resultierenden Guthaben auf den Prepaid-SIM-Karten bis zu deren Rückgabe an einen Mittelsmann zu verfügen, selbst wenn er nach der Rückgabe nur ein verhältnismäßig geringes Entgelt erhielt (BGH NStZ 2021, 221).

Hinweis

In der Praxis kann das zu unbefriedigenden Ergebnissen beim Drogenkurier führen, der für den Hintermann Drogen abliefert und den Kaufpreis zur alsbaldigen Aushändigung an den Hintermann kassiert. Trotz der untergeordneten und weisungsgebundenen Rolle des Kuriers kommt eine gesamtschuldnerische Einziehung des Wertes des Kaufpreises und nicht nur des Kurierlohns in Betracht (eingehend Volkmer/Fabricius, in: Patzak/Volkmer/Fabricius, BtMG, 10. Aufl. 2022, § 33 BtMG Rn 153). Insofern bleibt allenfalls die Möglichkeit eines Absehens von der Einziehung nach § 421 StPO. Zu einer bedenkenswerten Einschränkung bei Fällen des transitorischen Besitzes durch eine Zivilrechtsakzessorietät Zivanovic, NStZ 2021, 264.

4. Ausschluss der Einziehung von Tatertrag und Wertersatz

a) Zustimmung zur außergerichtlichen Einziehung

Die rechtswirksame Zustimmung des Angeklagten zur außergerichtlichen Einziehung schließt eine gerichtliche Entscheidung im Urteil über die Einziehung bereits sichergestellter Gegenstände und Taterlöse aus (Nw. im letzten Bericht StRR 12/2020, 6,11). Das gilt auch bei der Zustimmung zur Einziehung der auf einem Konto sichergestellten Forderung (BGH NStZ-RR 2021, 220).

b) Erlöschen des Anspruchs

Die Einziehung des Tatertrags und des Wertersatzes ist ausgeschlossen, soweit der Anspruch, der dem Verletzten aus der Tat auf Rückgewähr des Erlangten oder auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen ist, erloschen ist (§ 73e Abs. 1 StGB). Ist eine Sicherstellung der unbeschädigten Fahrzeuge und eine Rückgabe an die Eigentümer erfolgt, sind die durch die Hehlerei entstandenen Ansprüche der Verletzten erloschen (BGH NStZ 2021, 105). Gleiches gilt, wenn ein gesamtschuldnerisch haftender Mittäter oder diejenige Gesellschaft, für die der Mittäter gehandelt hat, den Anspruch des Verletzten erfüllt hat (OLG Frankfurt/Main NStZ-RR 2022, 177; zur Auswirkung der Zahlung der Steuerschuld BGH NStZ-RR 2022, 205).

5. Einziehung bei einem Drittbegünstigten

Die Dritteinziehung richtet sich nach den Vorgaben des § 73b StGB. Zu dem Personenkreis des „anderen“ i.S.v. § 73b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB, an den der Wert ersparter Aufwendungen übertragen wurde und bei ihm abgeschöpft werden kann, gehören nicht Täter und Teilnehmer (BGH NStZ-RR 2021, 336 Ls. = StRR 11/2021, 19 [Gehm]). § 73b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB gilt auch für rechtsgeschäftliche Übertragungen im Wege partieller Gesamtrechtsnachfolge. Wird nicht das ursprünglich Erlangte, sondern dessen Wertersatz übertragen, ist die Haftung des Übernehmenden nach § 73b Abs. 2 StGB auf den Wert der übertragenen Vermögenswerte beschränkt und erfordert auch nach der Gesetzesnovelle einen Bereicherungszusammenhang in dem Sinne, dass die Verschiebung mit der Zielrichtung vorgenommen wird, den Wertersatz dem Zugriff des Gläubigers zu entziehen oder die Tat zu verschleiern (BGHSt 66, 147 = NStZ 2022, 354 m. Anm. Ventzke). Voraussetzung für das Vorliegen eines Verschiebungsfalls gem. § 73b Abs. 1 S. 1 Nr. 2a StGB ist, dass nachgewiesen ist, dass der Dritte aus einer Straftat etwas erlangt hat (BGH StRR 8/2022, 23 [Gehm]). Ob die Übertragung des Tatertrages zum Verstecken oder Verschleiern des erlangten Gegenstands dienen soll oder dazu bestimmt wird, ihn dem Dritten zuzuwenden, ist im Rahmen des § 73b Abs. 1 S. 1 Nr. 2b StGB unerheblich. Die in „Verschiebungsfällen“ stattfindende Überschneidung der Anwendungsbereiche von § 73b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. b und § 73 StGB (oder bei Geldwäsche auch nach § 74 Abs. 2 StGB) entspricht dem Willen des Gesetzgebers. Die gesamtschuldnerische Einziehung des Wertes von Taterträgen betrifft aufgrund unterschiedlichen Rechtsgrundes nur die an der Vortat beteiligten Angeklagten und den Wert ihrer Taterträge, nicht einen an der Vortat unbeteiligten und sich mittels der Taterträge wegen Geldwäsche strafbar machenden Angeklagten (BGH NStZ 2021, 96 m. Anm. Bittmann). Auch wenn aus einer Straftat unmittelbar nur Ersparnisse (etwa von Steuern oder Sozialversicherungsabgaben) erlangt wurden, kann der aus diesen Ersparnissen resultierende Vermögensvorteil Gegenstand einer Vermögensverschiebung i.S.d. § 73b Abs. 1 S. 1, Abs. 2 StGB sein und deshalb unter Umständen bei einem Dritten eingezogen werden. Das folgt jedenfalls aus § 73b Abs. 2 StGB. Der hierfür erforderliche Bereicherungszusammenhang ist dann anzunehmen, wenn eine Gesamtschau der Zahlungsflüsse bei wirtschaftlicher Betrachtung ergibt, dass der dem Dritten zugewendete Vermögensvorteil aus der Straftat resultiert und die Transaktionen das Ziel verfolgten, das Erlangte dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen oder die Tat zu verschleiern (OLG Frankfurt/Main NStZ-RR 2022, 71). Fließt der Verkaufserlös aus dem Verkauf von Diebesgut auf das Konto eines Dritten, der diesen später an den Dieb auskehrt, ist eine Einziehungsanordnung gegenüber dem Dritten mangels Anwendbarkeit des § 73b Abs. 3 StGB nicht zulässig (BGH StRR 7/2021, 22 [Deutscher]). Stellt der Gehilfe im Rahmen eines auf Subventionsbetrug zielenden Geschehens dem Haupttäter (hier: einem GmbH-Geschäftsführer) fingierte Rechnungen, scheidet eine Einziehung gegenüber dem Gehilfen gem. §§ 73b Abs. 1 S. 1, 73c S. 1 StGB aus (BGH NJW 2021, 3609 = NStZ 2021, 668 m. Anm. Bittmann; zur Einziehung von Gesellschaftserträgen für die Tat Bekritzky, NStZ 2022, 207).

6. Erweiterte Einziehung

Die Vorschrift des § 73a StGB ist gegenüber § 73 StGB subsidiär (BGH NStZ-RR 2022, 109; zur erweiterten Einziehung auch EuGH wistra 2022, 332 m. Anm. Tschakert). Dennoch ist eine Anordnung nach § 73a Abs. 1 StGB zulässig, wenn unaufklärbar bleibt, ob der Gegenstand aus der Anknüpfungstat oder aus anderen Taten stammt (BGH NStZ-RR 2021, 104). Die erweiterte Einziehung von Taterträgen setzt voraus, dass das Tatgericht aufgrund erschöpfender Beweiserhebung und -würdigung die Überzeugung gewonnen hat, der Angeklagte habe die betreffenden Gegenstände aus rechtswidrigen Taten erlangt. Deren Konkretisierung ist nicht erforderlich. Ein bloßer Verdacht der illegalen Herkunft eines Gegenstandes (hier: hohe Bargeldbeträge) reicht allerdings nicht aus. Für die richterliche Überzeugungsbildung können die Kriterien der für das selbstständige Einziehungsverfahren gem. § 76a Abs. 4 StGB geltenden Vorschrift des § 437 StPO eine Orientierungshilfe geben, die nach dem Willen des Gesetzgebers bei jeder erweiterten Einziehung Berücksichtigung finden soll (BGH NStZ 2021, 286). Taugliche Zugriffsobjekte der erweiterten Einziehung gem. §§ 73a Abs. 1, 73c Abs. 1 StGB sind „Gegenstände“ nur dann, wenn sie oder ihre Surrogate bei Begehung der die erweiterte Einziehung eröffnenden Anknüpfungstat noch im Vermögen des Angeklagten vorhanden waren (BGH NStZ 2021, 105 Ls.; NStZ-RR 2022, 206 m. Anm. Bittmann; hierzu näher Wiersch, NStZ 2022, 385). Die erweiterte Einziehung des Surrogats (§ 73 Abs. 3 StGB) ist in § 73a StGB zwar nicht vorgesehen In solchen Fällen kommt jedoch weiterhin eine erweiterte Einziehung des Wertes von Taterträgen in Betracht (BGH NStZ 2020, 661, wistra 2022, 83).

7. Einziehung von Tatprodukten, Tatmitteln und Tatobjekten

Die Entscheidung steht sowohl hinsichtlich des „Ob“ als auch des Umfangs der Einziehung nach § 74 StGB im Ermessen des Gerichts („können“; BGH NStZ-RR 2022, 206 m. Anm. Bittmann). Für die Ermittlung der Bemakelungsquote eines nach § 74 Abs. 2 StGB einzuziehenden Tatobjektes ist der Verkehrswert des Tatobjektes zum Zeitpunkt der Tatbegehung maßgeblich. Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung gem. § 74f Abs. 1 StGB kann neben der Höhe der Bemakelungsquote und dem aktuellen Verkehrswert zum Zeitpunkt der Einziehung auch Berücksichtigung finden, wer wirtschaftlicher Eigentümer des Tatobjektes ist (BGH NJW 2022, 1028 m. Anm. Wilke; zur Verhältnismäßigkeit auch BGH NStZ-RR 2022, 276 Ls.). Gegenstände i.S.v. § 74b StGB sind nur Tatprodukte und Tatmittel nach § 74 Abs. 1 StGB sowie Tatobjekte nach § 74 Abs. 2 StGB, so dass die Einziehung eines im Eigentum eines Dritten stehenden Pkw, mit dem der Angeklagte bislang keine relevante Straftat begangen hat, nicht in Betracht kommt (BGH NStZ 2021, 608 = NZV 2021, 471 m. Anm. Zivanic = StRR 9/2021, 23 [Burhoff]; BGH NStZ-RR 2022, 12).

a) Einziehung von Fahrzeugen

Weiterhin kommt der Einziehung des Tatfahrzeugs wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens nach § 315d StGB über die Vorschrift des § 315f StGB Bedeutung zu (näher Bleckat, NStZ 2020, 175). Trotz der Absicht des Gesetzgebers, solchen Tätern ihr meist hochwertiges „Lieblingsspielzeug“ wegzunehmen, handelt es sich um eine Kann-Bestimmung. Das verlangt eine Gesamtschau der Umstände des Einzelfalls im Rahmen der Ermessensentscheidung unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (§ 74f StGB). Kriterien sind dabei die Gefahr weiterer verkehrsrechtlicher Verstöße des Täters, die Länge der gefahrenen Strecke, Art und Weise des Renngeschehens, das Ausmaß der Gefährdung anderer sowie die Frage, ob etwa die Familie des Täters auf das Fahrzeug angewiesen ist. Das OLG Hamm (DAR 2021, 343 m. Anm. Niehaus = zfs 2020343 = VRR 12/2020, 12 [Deutscher] = SVR 2020, 473 [Steinert]) hat die Aufhebung einer Beschlagnahmeanordnung nach Nichtanordnung der Einziehung gebilligt: Es ist nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht auf Grundlage einer umfassenden und vertretbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung sowie anhand konkreter Einzelfallumstände (hier: lediglich Beihilfevorwurf, keine Vorstrafen, Geständnis, keine konkrete Drittgefährdung, Beschlagnahmedauer 17 Monate, hohe Verfahrenskosten und Wertverlust des Fahrzeugs, glaubhafte Veräußerungsabsicht) eine Einziehung als nicht wahrscheinlich erachtet. Die Einziehung eines Leasing-Fahrzeugs ist nicht möglich (LG Tübingen, Beschl. v. 11.6.2021 – 3 Qs 16/21).

b) Abgrenzung zur Einziehung von Taterträgen bzw. Wertersatz

Die Praxis tut sich bisweilen schwer mit der Abgrenzung der Einziehung von Tatmitteln bzw. -produkten von der Einziehung von Taterträgen oder deren Wertersatz. Nicht erlangt i.S.v. § 73 Abs. 1 StGB sind als Mittel für die Tatdurchführung erhaltene Gegenstände (BGH NStZ 2022, 668 m. Anm. Bittmann). Gleiches gilt für unerlaubt erworbene Betäubungsmittel (BGH NStZ-RR 2021, 79). Nimmt ein Mitglied einer terroristischen Vereinigung verkörperte Vermögenswerte entgegen, um damit weitere unselbstständige mitgliedschaftliche Beteiligungsakte zu verwirklichen, sind sie zur Tatbegehung bestimmt und damit Tatmittel. Da solche Gegenstände in Bezug auf denselben Straftatbestand nicht zugleich durch die Tat erlangt sind, scheidet eine Einziehung als Taterträge aus (BGH NJW 2022, 3092, vorgesehen für BGHSt). Werden im Rahmen unerlaubt betriebener Bankgeschäfte Darlehen gewährt, handelt es sich bei den zurückgezahlten Geldbeträgen ebenso wie bei den zuvor überlassenen um Tatobjekte i.S.d. § 74 Abs. 2 StGB, nicht um Taterträge nach § 73 Abs. 1 StGB. Die Einziehung an den Täter zurückgeflossener Darlehensbeträge ist mangels einer einschlägigen Sondervorschrift nicht möglich (BGH NJW 2022, 2701).

c) Auswirkungen auf die Strafzumessung

Die Einziehung von Gegenständen nach § 74 StGB hat den Charakter einer Nebenstrafe und stellt damit eine Strafzumessungsentscheidung dar. Wird dem Täter auf diese Weise ein ihm zustehender Gegenstand von nicht unerheblichem Wert entzogen, so ist dies deshalb ein bestimmender Gesichtspunkt für die Bemessung der daneben zu verhängenden Strafe (BGH NStZ-RR 2021, 208; 2022, 105).

IV.

Verfahrens- und Vollstreckungsrecht

Durch das Gesetz zur Fortentwicklung der StPO und Änderung weiterer Vorschriften vom 25.6.2021 (BGBl I, S. 2099) sind mit Wirkung zum 1.7.2021 mehrere Normen zu Verfahren und Vollstreckung der Einziehung geändert worden. Das betrifft Vorschriften zu vorläufigen Maßnahmen im Ermittlungsverfahren (§ 111 d u.a. StPO), zum Hauptverfahren (§§ 413, 421, 430, 435 StPO) und zur Vollstreckung (§§ 459 g, 459 h u.a. StPO). Das wird im Folgenden, soweit erforderlich, erläutert (zur Reform eingehend Bittmann, NStZ 2022, 8).

Hinweis

Rechtsprechungsübersicht zum Verfahrensrecht bei Bittmann, NStZ 2021, 276, 342.

1. Rechtlicher Hinweis

Der Große Senat des BGH (BGH 66, 20 = NJW 2022, 201 m. Anm. Exner-Kuhn = StRR 1/2022, 9 [Deutscher]) hatte eine streitige Frage zur Erforderlichkeit eines rechtlichen Hinweises zu entscheiden. Ein Hinweis auf die Einziehung des Wertes von Taterträgen (§§ 73, 73c StGB) ist nach § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO auch dann erforderlich, wenn die ihr zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen bereits in der zugelassenen Anklage enthalten sind.

2. Einziehung und Sicherungsverfahren

Nach der bis 30.6.2021 geltenden Fassung des § 413 StPO konnten Einziehungsentscheidungen bei schuldunfähigen Tätern nicht im Sicherungsverfahren, sondern nur im selbstständigen Einziehungsverfahren gem. § 435 StPO erfolgen (BGH StV 2019, 231 Ls.). Durch die Änderung des § 413 StPO zum 1.7.2021 ist das nunmehr auch im Sicherungsverfahren möglich, ein besonderer Antrag der StA ist nicht mehr erforderlich (BGH NJW 2022, 339 = NStZ 2022, 250). Eine Einziehung von Tatprodukten, Tatmitteln und Tatobjekten nach § 74 Abs. 1 StGB ist im Sicherungsverfahren auch weiterhin ausgeschlossen, soweit diese eine schuldhaft verübte Straftat voraussetzt und dem Betroffenen kein Schuldvorwurf zu machen ist (BGH, Beschl. v. 23.11.2021 – 4 StR 322/21).

3. Selbstständiges Einziehungsverfahren

Durch § 435 Abs. 4 StPO n.F. sind zum 1.7.2021 die Ermittlungsmöglichkeiten der StA erweitert worden (hierzu Bittmann, NStZ 2022, 8, 12 f.). Eine von der StA in der Anklageschrift beantragte erweiterte Einziehung von sichergestellten Geldbeträgen nach §§ 73 ff. StGB stellt keinen gem. § 435 Abs. 1 S. 1 StGB notwendigen Antrag auf eine selbstständige Einziehung gem. § 76a Abs. 4 S. 1 StGB dar. Nach § 435 Abs. 2 StPO sind bei einem Antrag gem. § 76a Abs. 4 S. 1 StGB neben der Bezeichnung der einzuziehenden Gegenstände die Tatsachen anzugeben, die die Zulässigkeit der selbstständigen Einziehung begründen (BGH NStZ-RR 2021, 185). Abweichend von der Ansicht der anderen Senate meint der 3. Senat des BGH (Anfragebeschluss NStZ 2022, 252 = NStZ-RR 2022, 82 m. Anm. Lantermann), dass die Einziehung des durch eine verjährte Straftat erlangten Wertes des Tatertrags nach § 76 a Abs. 2 S. 1 StGB auch im subjektiven Verfahren angeordnet werden kann, wenn die StA wegen der Erwerbstat Anklage erhoben, das Gericht das Hauptverfahren insoweit eröffnet und die Einstellung des Verfahrens erst im Urteil ausgesprochen hat (§ 260 Abs. 3 StPO); eines Übergangs in das objektive Verfahren sowie eines Antrags der StA nach § 435 Abs. 1 S. 1 StPO und einer staatsanwaltschaftlichen Ermessensausübung i.S.d. § 435 Abs. 1 S. 2 StPO bedarf es in einem solchen Fall nicht. Ist im selbstständigen Einziehungsverfahren eine Einziehungsanordnung ergangen, stellt das Fehlen der Prozessvoraussetzung eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses ein endgültiges, nicht mehr behebbares Verfahrenshindernis dar (KG wistra 2022, 131).

4. Der Einziehungsbeteiligte

Die Beteiligung von Personen, die nicht Beschuldigte sind, gegen die sich aber die Einziehung richtet (Einziehungsbeteiligte), ist in §§ 424 ff. StPO geregelt. Die Verfahrensbeteiligung solcher Personen ist europarechtlich zwingend (EuGH wistra 2022, 332 m. Anm. Tschakert). Eine Verurteilung ist dann keine bindende gem. §§ 436 Abs. 2, 423 Abs. 1 S. 2 StPO, wenn der Einziehungsbeteiligte an dem ihr zugrunde liegenden Verfahren nicht beteiligt war (OLG Celle wistra 2022, 175). Da die Einziehung von Wertersatz in § 438 Abs. 1 StPO nicht erwähnt wird, kommt eine Beteiligung als Nebenbetroffener hierbei nicht in Betracht, weil der bloß einen staatlichen Zahlungsanspruch titulierenden Anordnung der Wertersatzeinziehung die für die Nebenbetroffenheit nach § 438 StPO ursächliche (unmittelbare) dingliche Wirkung fehlt (LG Berlin, Beschl. v. 10.6.2022 – 516 Ls 251 Js 72/22 – 6/22).

5. Absehen von der Vollstreckung

Nach § 459g Abs. 5 S. 1 StPO unterbleibt die Vollstreckung, wenn sie unverhältnismäßig ist (vor der Reform 2017: § 73c StGB). Die bis 30.6.2021 alternative Voraussetzung der Entreicherung betreffend den erlangten Vorteil ist seit dem 1.7.2021 entfallen. Damit verbleibt nur das wertende Kriterium der Unverhältnismäßigkeit (eingehend Bittmann, NStZ 2022, 8, 13 ff.; auch Köhler, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StGB, 65. Aufl. 2022, § 459 12 ff.). Die Entreicherung stellte nach der alten Fassung einen vertypten Regelfall der Unverhältnismäßigkeit i.S.d. § 459g Abs. 5 S. 1 StPO dar, weshalb das Kriterium der Entreicherung auch weiterhin eine Rolle spielt. Dabei kommt es darauf an, zu welchem Zeitpunkt, aufgrund welcher Dispositionen und mit welchen Folgen für ihn selbst der Betroffene den Wert des Verlangten verloren hat. Auch wird es darauf ankommen, ob die weitere Vollstreckung mit dem nicht-repressiven Charakter der Einziehung noch im Einklang steht (OLG Schleswig NStZ-RR 2021, 63; ähnl. LG Bochum StRR 12/2020, 35 Burhoff]; beide zur a.F.). Für Altfälle der Entreicherung gilt die frühere Fassung als milderes Gesetz (OLG Karlsruhe, Beschl. vom 25.5.2022 – 1 Ws 122/22). An die Unverhältnismäßigkeit nach § 459g Abs. 5 S. 1 StPO sind hohe Anforderungen zu stellen. Zu der mit der Wertersatzeinziehung typischerweise einhergehenden Belastung des Schuldners müssen im Einzelfall besondere Gründe hinzutreten, die einen durch die Vollstreckung bedingten Rückfall des Verurteilten in kriminelle Muster trotz zumutbarer Willensanstrengungen befürchten lassen und denen nicht durch Maßnahmen nach § 459a StPO begegnet werden kann (KG wistra 2021, 163 m. Anm. Rettke).

6. Vermögensarrest

Zur Sicherung einer späteren Wertersatzeinziehungsanordnung ermöglicht § 111e StPO den Vermögensarrest. Die Einziehung von Taterträgen nach §§ 73 bis 73c StGB und ein diesbezüglicher Vermögensarrest nach § 111e StPO sind gem. 73e Abs. 1 StGB ausgeschlossen, wenn ein gesamtschuldnerisch haftender Mittäter oder diejenige Gesellschaft, für die der Mittäter gehandelt hat, den Anspruch des Verletzten erfüllt hat (OLG Frankfurt/Main, Beschl. v. 16.8.2021 – 3 Ws 406–408/21). In zeitlicher Hinsicht ist der Vermögensarrest allein an dem allgemeinen Übermaßverbot zu messen. Eine gesetzliche Bestimmung zu zeitlichen Grenzen des Vollzugs eines Arrestes gibt es demgegenüber seit der ersatzlosen Streichung des § 111b Abs. 3 StPO a.F. nicht mehr (OLG Hamm, Beschl. v. 23.6.2022 – 5 Ws 94/22). Die Aufrechterhaltung des Vermögensarrestes nach § 111e Abs. 1 StPO ist mit dem Übermaßverbot nicht mehr zu vereinbaren, wenn der Vermögensarrest mehr als drei Jahre andauert, das Verfahren seit mehr als 16 Monaten nicht mehr betrieben wird und eine Terminierung und damit ein Abschluss des Verfahrens nicht absehbar ist (OLG Nürnberg StraFo 2021, 469).

Hinweis

Zu Vermögensabschöpfung und Verteidigerhonorar Brockhaus/Scheier, StraFo 2021, 178.

V.

Kosten und Gebühren

1. Kostengrundentscheidung

Bei einem Erfolg der Revision allein in Bezug auf die Einziehungsentscheidung kann es billig erscheinen, dem Angeklagten die gesamten Kosten seines Rechtsmittels aufzuerlegen (BGH NStZ-RR 2022, 160). Sowohl bei vollständigem wie teilweisem Absehen von der Einziehungsentscheidung nach § 421 Abs. 1 StPO ist in der Revisionsinstanz eine einheitliche Kostenentscheidung nach § 473 Abs. 4 StPO zu treffen (BGH NStZ-RR 2021, 229). Verringert das Revisionsgericht den Betrag des einzuziehenden Wertes von Taterträgen, muss sich dieser Teilerfolg in der Kostenentscheidung nach § 473 Abs. 4 StPO niederschlagen (BGH NJW 2021, 1829 = StRR Sonderausgabe 11/2021, 2 [Burhoff]).

2. Gebühren

Die Gebühr Nr. 4142 VV RVG entsteht u.a. für eine Tätigkeit des Verteidigers für den Beschuldigten, die sich auf eine Einziehung bezieht. Dabei setzt der Gebührentatbestand nicht zwingend eine gerichtliche Tätigkeit oder einen Antrag der StA voraus, sondern kann auch im Falle außergerichtlicher Beratung in Ansatz gebracht werden (OLG Braunschweig StRR Sonderausgabe 5/2022, 25 [Burhoff]). Es ist insbesondere nicht erforderlich, dass die Einziehung bereits beantragt ist, es reicht vielmehr aus, wenn nach Aktenlage eine Einziehung ernsthaft in Betracht kommt (OLG Dresden StRR Sonderausgabe 11/2021, 30 [Burhoff]); ähnl. KG StRR Sonderausgabe 11/2021, 13 [Burhoff]). Die Gebühr fällt bereits an, wenn Einspruch gegen einen die Einziehung von Wertersatz anordnenden Strafbefehl eingelegt wird (LG Köln StRR 1/2022, 32 [Burhoff]).

3. Gegenstandswert

Der Gegenstandswert bemisst sich nach dem wirtschaftlichen Interesse des Angeklagten an der Abwehr der Einziehung. Der Gegenstandswert von illegal produzierten und unversteuerten Zigaretten ist mit 0 EUR festzusetzen (OLG Frankfurt/Main NStZ-RR 2022, 295 = StRR 7/2022, 37 [Burhoff]).

Richter am Amtsgericht Dr. Axel Deutscher, Bochum

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