Beitrag

Täterschaft/Teilnahme beim Handeltreiben mit BtM

Zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme beim unerlaubten Handeltreiben mit BtM.

(Leitsatz des Verfassers)

BGH, Beschl. v. 11.4.20224 StR 461/21

I. Sachverhalt

Fahrer im „Kokstaxi“

Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt. Nach den Feststellungen des LG betrieb der Angeklagte in der Nacht zum 27.9.2020 einen Lieferservice für Betäubungsmittel als sog. Kokstaxi. Für die Ausübung dieser Tätigkeit erhielt er ein Mobiltelefon, auf dem sich ein Messengerdienst mit einer voreingestellten Chatgruppe befand, über die Betäubungsmittel bestellt werden konnten. Im Handschuhfach des von ihm geführten Mietfahrzeugs befanden sich mindestens 15 Eppendorfgefäße mit einem Kokaingemisch mit einem Wirkstoffgehalt von insgesamt ca. 6,7 Gramm Kokain-Hydrochlorid und vier Tüten mit ca. 16 Gramm Blütenständen von Cannabispflanzen, die zum gewinnbringenden Weiterverkauf an Kunden bestimmt waren. Das LG konnte nicht feststellen, ob der Angeklagte sich selbst als Verkäufer betätigte und das Rauschgift sowie das Handy selbst in das Fahrzeug verbracht hatte oder ob er das Fahrzeug wissentlich bereits mit den Betäubungsmitteln und dem Mobiltelefon übernommen hatte. Jedenfalls wickelte er die einzelnen Bestellungen selbstständig ab. Dagegen richtet sich die Revision des Angeklagten. Der BGH hat die Verurteilung wegen täterschaftlichen Handeltreibens aufgehoben und den Angeklagten nur wegen Beihilfe verurteilt.

II. Entscheidung

Grundsätze zur Abgrenzung Täterschaft/Teilnahme

Der BGH führt aus: Nach ständiger Rechtsprechung des BGH zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln komme es für die Abgrenzung zwischen Täterschaft und Beihilfe darauf an, welche Bedeutung der konkreten Beteiligungshandlung im Rahmen des Gesamtgeschäfts zukommt (vgl. BGHSt 51, 219; BGH NJW 2008, 1460; NStZ 2015, 225, 226). Erschöpfe sich der Tatbeitrag im bloßen Transport von Betäubungsmitteln, liege selbst dann keine Täterschaft vor, wenn dem Auslieferer Handlungsspielräume hinsichtlich der Art und Weise des Transports verbleiben. Eine andere Bewertung komme nur in Betracht, wenn der Beteiligte erhebliche, über den reinen Transport hinausgehende Tätigkeiten entfalte habe, am An- und Verkauf des Rauschgifts unmittelbar beteiligt gewesen sei oder sonst ein eigenes Interesse am weiteren Schicksal des Gesamtgeschäfts gehabt habe, weil er eine Beteiligung am Umsatz oder zu erzielenden Gewinn erhalten sollte (vgl. BGH a.a.O.).

Kein eigenes Interesse erkennbar

Daran gemessen tragen – so der BGH – die Feststellungen des LG eine Verurteilung des Angeklagten als Täter des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nicht. Dem Urteil lasse sich nicht entnehmen, ob der Angeklagte ein eigenes Interesse an den abzuwickelnden Drogengeschäften hatte; weder eine finanzielle Beteiligung an den Geschäften noch eine sonstige Entlohnung oder ein anderweitiges eigennütziges Motiv sei festgestellt. Unklar bleibe zudem, ob der Angeklagte unmittelbar am Verkauf der Betäubungsmittel beteiligt gewesen sei oder lediglich die über die Chatgruppe getätigten Bestellungen ausfahren und den zuvor schon unabhängig von seiner Mitwirkung festgesetzten Kaufpreis entgegennehmen sollte. Erfüllt seien jedoch die Tatbestände des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und – tateinheitlich – der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.

III. Bedeutung für die Praxis

Umstände des Einzelfalls maßgeblich

1. Die Entscheidung zeigt noch einmal, dass es für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme beim BtM-Handel auf die Umstände des Einzelfalls ankommt, und führt die Umstände an, auf die maßgeblich abzustellen ist. Entscheidend ist letztlich das eigene Interesse des Täters am Taterfolg und am eigenen Nutzen.

Keine Änderung bei den Rechtsfolgen

2. Trotz der Änderung des Schuldspruchs hat der BGH die vom LG festgesetzten Strafen unberührt gelassen. Der Senat meint nämlich ausschließen zu können, dass die Strafkammer bei zutreffender rechtlicher Bewertung auf eine mildere Einzelstrafe als Einsatzstrafe und eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte, weil sich durch die andere rechtliche Bewertung der wesentliche Unrechts- und Schuldgehalt der Tat nicht geändert habe. Der vom LG herangezogene Strafrahmen des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG sei nicht betroffen und die strafschärfend berücksichtigten Gesichtspunkte, darunter die tateinheitliche Verwirklichung mehrerer Tatbestände, würden gleichermaßen gelten. Ob Täterschaft oder Beihilfe vorliegt, bringt im Ergebnis danach also nichts.

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

Diesen Beitrag teilen

Facebook
Twitter
WhatsApp
LinkedIn
E-Mail

Unser KI-Spezial

Erfahren Sie hier mehr über Künstliche Intelligenz – u.a. moderne Chatbots und KI-basierte…