Kategorie: Strafrecht

Strafrecht 2023 #02

Zuständigkeit des Gerichts: Strafmaßprognose Die Strafmaßprognose zur Bestimmung der Gerichtszuständigkeit ist zunächst von der Staatsanwaltschaft bei Anklageerhebung und sodann vom Gericht bei der Eröffnungsentscheidung einzelfallbezogen vorzunehmen. Dabei obliegt dem Gericht nicht nur eine Nachprüfung der Zuständigkeitsauswahl der Staatsanwaltschaft, sondern mit der Prüfung auch eine gerichtliche Entscheidung über den vorbestimmten gesetzlichen Richter. Für die zu treffende […]
I. Ausgangspunkt Die Begehung von sog. Propagandadelikten nimmt stetig zu. Hierzu zählen vorrangig § 86a StGB (Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen), § 130 StGB (Volksverhetzung) und § 140 StGB (Billigung von Straftaten). Hinweis Zukünftig wird man auch die zum 22.9.2021 eingeführte verhetzende Beleidigung nach § 192a StGB hinzunehmen müssen (Übersicht hierzu bei Hoven/Witting, NStZ 2022, 589). Der Schwerpunkt lag […]
1. Zum Grundsatz der Subsidiarität im Verfassungsbeschwerdeverfahren. 2. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass die Durchsicht von Papieren zügig durchgeführt wird, um abhängig von der Menge des vorläufig sichergestellten Materials und der Schwierigkeit seiner Auswertung in angemessener Zeit zu einer Entscheidung darüber zu gelangen, was als potenziell beweiserheblich dem Gericht zur Beschlagnahme angetragen und was […]
Die bloße Möglichkeit, dass ein Untersuchungsgefangener Freiheiten missbraucht, reicht nicht aus, um Beschränkungen anzuordnen. Gerade bei Maßnahmen, die auch den Schutz der Familie betreffen, ist eine eingehende Prüfung der Notwendigkeit erforderlich. (Leitsatz des Verfassers) BVerfG, Beschl. v. 15.11.2022 – 2 BvR 1139/22 I. Sachverhalt Telefonate mit den Eltern nur überwacht Das AG hat im Juni […]
1. Beschwerden gegen die Anberaumung von Hauptverhandlungsterminen oder gegen die Ablehnung eines Antrags auf Terminsverlegung sind ausnahmsweise zulässig, wenn der angefochtenen (Termins-)Entscheidung gewichtige und offensichtliche Ermessensfehler zugrunde liegen. 2. Eine rechtsfehlerfreie Ermessensausübung setzt voraus, dass der Vorsitzende des Gerichts bei der Terminierung neben der Belastung des Gerichts auch berechtigte Wünsche der Prozessbeteiligten, insbesondere des Verteidigers, […]
Verwendet ein Rechtsanwalt vom Prozessgegner an ihn zur Erfüllung der Forderung überwiesene Beträge für sich selbst, handelt es sich nicht um anvertrautes Fremdgeld und damit nicht um strafbare Untreue gem. § 266 StGB, wenn der Anwalt von seinem Mandanten keine Geldempfangsvollmacht erhalten hat oder die Einziehung der Forderung nicht genehmigt wird. (Leitsatz des Verfassers) BGH, Beschl. […]
Wird ein gutgläubiger Steuerberater beauftragt, unrichtige Lohnsteueranmeldungen, unrichtige Meldungen zur gesetzlichen Sozialversicherung und zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft (SOKA-Bau) bzw. der Berufsgenossenschaft abzugeben, so richtet sich die Beurteilung der Konkurrenzen für den mittelbaren Täter nach dessen Tatbeitrag, unabhängig von der Anzahl der Handlungen des Tatmittlers, die ihm zuzurechnen sind. Wird solchermaßen vom mittelbaren Täter der […]
Zur Strafbarkeit der Verweigerung eines Soldaten, einen Befehl zu befolgen, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen. (Leitsatz des Gerichts) OLG Celle, Beschl. v. 29.9.2022 – 1 Ss 14/22 I. Sachverhalt Befehl zur Impfung verweigert Das AG hat den Angeklagten wegen Gehorsamsverweigerung verurteilt. Er ist Soldat der Bundeswehr. Er erhielt im Dezember 2021 von seinem Vorgesetzten […]
1. Die Einziehung gemäß §§ 184b Abs. 6 bzw. 184c Abs. 6 StGB a.F (entspricht Abs. 7 n.F.) betrifft (nur) die Beziehungsgegenstände, etwa die Festplatte, auf der sich die inkriminierten Dateien befinden, nicht jedoch den gesamten Computer nebst Zubehör. 2. Als weniger einschneidendes Mittel kann die endgültige Löschung der Dateien in Betracht kommen. In diesem Fall wäre der Vorbehalt […]
1. Ein tatbestandliches Verhalten (hier: Sachbeschädigung), durch das der Täter bezweckt, auf die Gefahren des Klimawandels aufmerksam zu machen und die Politik zu Maßnahmen zu deren Abwehr zu veranlassen, ist weder vor dem Hintergrund des allgemeinen rechtfertigenden Notstands gemäß § 34 StGB noch als „ziviler Ungehorsam“ gerechtfertigt. 2. Eine strafrechtliche Rechtfertigung der Begehung einer Tat, die […]
Geht es um eine im absoluten Maß vergleichsweise niedrige Geschwindigkeitsüberschreitung – hier von 22 km/h –, ist nicht ohne weiteres und stets anzunehmen, der Fahrer habe die Übertretung anhand der äußeren Kriterien (Motorengeräusche, sonstige Fahrgeräusche, Fahrzeugvibration und Schnelligkeit der Änderung in der Umgebung) zwanglos erkannt. (Leitsatz des Gerichts) OLG Zweibrücken, Beschl. v. 11.7.2022 – 1 […]
1. Der Erlass eines neuen (inhaltlich abweichenden) Bußgeldbescheids ohne vorherige Aufhebung eines zuvor ergangenen Bußgeldbescheids in derselben Sache unter dem Datum des früheren Bußgeldbescheids ist nichtig und daher nicht geeignet, die Verfolgungsverjährungsfrist zu unterbrechen. 2. Die Verfolgungsverjährungsfrist wird durch die bloße Veranlassung einer Aufenthaltsermittlung im Hinblick auf den Betroffenen nicht unterbrochen, wenn zuvor keine vorläufige […]
1. Die Terminsgebühr für einen geplatzten Termin nach Vorbem. 4 Abs. 3 S. 2 VV RVG setzt nicht voraus, dass der Rechtsanwalt nur dann zu einem anberaumten Termin erschienen ist, wenn er im Gerichtsgebäude körperlich anwesend ist. Vielmehr steht auch dem nicht erschienenen Rechtsanwalt eine Terminsgebühr zu, wenn die Terminsabsage nicht so rechtzeitig erfolgt ist, dass dem […]

Strafrecht 2023 #01

Durchsicht von Papieren: lange Dauer Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass die Durchsicht von Papieren zügig durchgeführt wird, um abhängig von der Menge des vorläufig sichergestellten Materials und der Schwierigkeit seiner Auswertung in angemessener Zeit zu einer Entscheidung darüber zu gelangen, was als potenziell beweiserheblich dem Gericht zur Beschlagnahme angetragen und was an den Beschuldigten […]
Dieser Beitrag knüpft an die Übersicht in StRR 4/2021, 5 ff. an; berücksichtigt wurden Entscheidungen bis Dezember 2022. I. Gefährliche Körperverletzung, § 224 StGB 1. Waffe bzw. gefährliches Werkzeug Als gefährliches Werkzeug wird ein Gegenstand bezeichnet, der unter Berücksichtigung seiner objektiven Beschaffenheit und Art seiner Benutzung konkret geeignet ist, erhebliche körperliche Verletzungen herbeizuführen. Hierbei kommt es maßgeblich […]
1. Mit der Regelung der Aufhebung einer Pflichtverteidigerbestellung nach § 143a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Alt. 2 StPO hat der Gesetzgeber einen in der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannten Fall des Verteidigerwechsels normiert, der auf dem Gedanken der Sicherung einer sachgerechten Verteidigung beruht und bei dem es auf den Willen des Beschuldigten nicht ankommt. Insofern kann für die Frage, […]
Auch in der Befassung lediglich mit Verfahrensfragen kann eine Förderung des Verfahrens in der Sache liegen, wenn deren Ziel die Klärung ist, durch welche Untersuchungshandlungen der Aufklärung des Sachverhalts Fortgang gegeben werden kann. (Leitsatz des Verfassers) BGH, Beschl. v. 3.8.2022 – 5 StR 47/22 I. Sachverhalt Verfahrensrüge Das LG hat die Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Bandenbetruges […]
1. Bei einem Besetzungseinwand ist das Nachschieben von Tatsachen auch dann unzulässig, wenn die Beanstandungsfrist noch nicht abgelaufen ist. 2. Die Frage, ob für die Erhebung eines Besetzungseinwandes § 32d StPO gilt, kann offen bleiben. (Leitsatz des Verfassers) OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.9.2022 – III-2 Ws 181-183/22 I. Sachverhalt Besetzungseinwand Bei einer großen Strafkammer des LG […]
Besteht nicht die Gefahr eines Beweismittelverlustes, führt die staatsanwaltliche Anordnung der Durchsuchung einer Wohnung zu einem Beweisverwertungsverbot, wenn zuvor nicht versucht wurde, eine Entscheidung durch den zuständigen Ermittlungsrichter während dessen Dienstzeit einzuholen. (Leitsatz des Verfassers) LG Hamburg, Urt. v. 2.11.2022 – 711 Ns 45/22 I. Sachverhalt Durchsuchung wegen Gefahr im Verzug ausgeweitet Das AG hat […]
Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen die Strafurteile im sog. „Ku‘damm-Raser-Fall“, insbesondere zur Bejahung des Tötungsvorsatzes beim Verurteilten. (Leitsatz des Verfassers) BVerfG, Beschl. v. 7.12.2022 – 2 BvR 1404/20 I. Sachverhalt Verurteilung wegen Mordes Der Beschwerdeführer verursachte Anfang des Jahres 2016 bei einem Autorennen auf dem Berliner Kurfürstendamm einen Autounfall, bei dem ein Mensch zu Tode kam. Das […]
Dass ein als Schlagwerkzeug eingesetztes Mobiltelefon grundsätzlich geeignet ist, erhebliche Verletzungen zuzufügen, reicht für die Annahme einer gefährlichen Körperverletzung nicht aus. (Leitsatz des Verfassers) OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.8.2022 – 1 OLG 53 Ss 59/22 I. Sachverhalt AG und LG haben den Angeklagten u.a. wegen gefährlicher Körperverletzung (§ 224 StGB) mittels eines als Schlagwerkzeug eingesetzten Mobiltelefons […]
1. Kleben sog „Klimaschützer“ bei einer Demonstration ihre Hände auf der Fahrbahn fest, liegt kein Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 StGB) vor. 2. Die Bedeutung des Klimaschutzes und des Demonstrationsrechts in Art. 8 GG überwiegen die geringfügige Beeinträchtigung von Verkehrsteilnehmern bei solchen Aktionen. 3. Solches Verhalten ist daher nicht verwerflich gem. § 240 Abs. 2 StGB. (Leitsätze des Gerichts) […]
Für die Beurteilung der Verteidigungsrelevanz einer begehrten Information ist im Ausgangspunkt der Vortrag des Betroffenen maßgeblich, der jedoch einer Evidenzkontrolle standzuhalten hat (hier: Statistikdatei und Case-List eines Geschwindigkeitsmessgerätes). (Leitsatz des Verfassers) VerfGH Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 27.10.2022 – VGH B 57/21 I. Sachverhalt Das AG hat den Betroffenen am 4.2.2019 (!) wegen Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit außerhalb […]
Auch in einem Bußgeldverfahren hat der Betroffene regelmäßig das Recht, sich durch einen Verteidiger seines Vertrauens vertreten zu lassen. (Leitsatz des Verfassers) LG Wuppertal, Beschl. v. 11.11.2022 – 26 Qs 230/22 I. Sachverhalt Terminsverlegung abgelehnt Das AG hat in einem Bußgeldverfahren die vom Verteidiger beantragte Terminsverlegung u.a. mit der Begründung abgelehnt, der Hauptverhandlungstermin sei bereits […]
Eine Honorarberechnung nach § 10 Abs. 1 S. 1 RVG geht dem Mandanten nicht in der erforderlichen schriftlichen Form zu, wenn die Berechnung vom Rechtsanwalt mit einfacher Signatur über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) an das Gericht übermittelt und dem Mandanten vom Gericht als Ausdruck zugeleitet wird. (Leitsatz des Verfassers) OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.10.2022 – I-3 W […]
Bei einem eingestellten Ermittlungsverfahren und dem selbstständigen Einziehungsverfahren handelt es nicht um dieselbe Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG. Gebührenrechtlich hat eine eigenständige Abgeltung zu erfolgen bei der – neben der zusätzlichen Verfahrensgebühr für Einziehungen nach Nr. 4142 VV RVG – auch Grund-, Verfahrens- und Terminsgebühren für den Einziehungsbeteiligten entstehen können. (Leitsatz des Verfassers) LG Bremen, Beschl. v. […]
Wird die Pflichtverteidigerbestellung rückwirkend aufgehoben, entfällt damit ein Vergütungsanspruch des Verteidigers. (Leitsatz des Verfassers) AG Amberg, Beschl. v. 12.10.2022 – 6 Gs 398/21 I. Sachverhalt Aufhebung der (rückwirkenden) Pflichtverteidigerbestellung Der Rechtsanwalt war Verteidiger des Beschuldigten in einem Verfahren mit dem Vorwurf des Verbreitens jugendpornographischer Schriften. Er erhielt am 17.2.2021 Akteneinsicht (in einen Sonderband). Mit Schriftsatz […]

Unser KI-Spezial

Erfahren Sie hier mehr über Künstliche Intelligenz – u.a. moderne Chatbots und KI-basierte…