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Mitteilungspflicht über Verständigungsgespräche

Die Mitteilungspflicht des § 243 Abs. 4 S. 1 StPO greift ein, sobald bei außerhalb einer Hauptverhandlung geführten Gesprächen ausdrücklich oder konkludent die Möglichkeit und die Umstände einer Verständigung im Raum stehen. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn Fragen des prozessualen Verhaltens in Konnex zum Verfahrensergebnis gebracht werden und damit die Frage nach oder die Äußerung zu einer Straferwartung naheliegt.

(Leitsatz des Verfassers)

BGH, Beschl. v. 3.3.20225 StR 228/21

I. Sachverhalt

Revision auch gegen Urteil im zweiten Durchgang

Das LG hatte den Angeklagten in einem ersten Durchgang wegen Untreue zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten hat der BGH dieses Urteil mit den Feststellungen aufgehoben, jedoch die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen mit Ausnahme derjenigen zum Untreueschaden bestehen lassen (vgl. BGH NJW 2020, 628). Das LG hat den Angeklagten wegen Untreue zu einer Geldstrafe verurteilt. Die dagegen eingelegte Revision des Angeklagten, mit der u.a. ein Verstoß gegen § 243 Abs. 4 StPO gerügt worden war, hatte keinen Erfolg.

II. Entscheidung

Verfahrensgeschehen

Die Rüge eines Verstoßes gegen die Mitteilungspflicht aus § 243 Abs. 4 S. 1 StPO war im Hinblick auf ein zwischen der Vorsitzenden und dem zuständigen Dezernenten der Staatsanwaltschaft am 6.4.2020 geführtes Telefonat erhoben worden. In dem Telefonat hatte die Vorsitzende den Oberstaatsanwalt gefragt, ob er für einen gemeinsamen Besprechungstermin mit der Strafkammer und dem Verteidiger zur Verfügung stehe. Der Oberstaatsanwalt hatte dies bejaht und zugleich aber mitgeteilt mit, er wolle bereits jetzt erklären, dass er mit einer Einstellung des Verfahrens nach § 153a StPO, wie vom Verteidiger vorgeschlagen, nicht einverstanden sei. Dies hat die Vorsitzende in einem zu den Akten gebrachten Vermerk niedergelegt, der vor der Hauptverhandlung dem Verteidiger im Wege der Akteneinsicht und dem Angeklagten durch Übersendung einer Kopie des Aktenauszuges bekannt gemacht wurde. In der Hauptverhandlung teilte sie den Inhalt dieses Vermerks dann nicht mit.

Inhalt der Mitteilungspflicht

Der BGH sieht hier keinen Rechtsfehler, denn Gegenstand des Telefongesprächs sei nicht die Möglichkeit einer Verständigung gewesen, so dass es nicht der Mitteilungspflicht nach § 243 Abs. 4 S. 1 StPO unterfallen sei. Die Mitteilungspflicht greife ein, sobald bei außerhalb einer Hauptverhandlung geführten Gesprächen ausdrücklich oder konkludent die Möglichkeit und die Umstände einer Verständigung im Raum stehen. Dies sei jedenfalls dann der Fall, wenn Fragen des prozessualen Verhaltens in Konnex zum Verfahrensergebnis gebracht werden und damit die Frage nach oder die Äußerung zu einer Straferwartung naheliege (BVerfGE 133, 168; vgl. auch BVerfG NJW 2020, 2461; BGH NStZ 2022, 55).

Hier allein Vorbereitung eines Gesprächs

So verhalte es sich hier nicht. Die Frage der Vorsitzenden habe allein auf die Organisation eines gemeinsamen Gesprächs zwischen den Verfahrensbeteiligten hingezielt. Die Äußerung des Oberstaatsanwalts in diesem Zusammenhang habe lediglich eine einseitige Willensbekundung auf den – wie allseits bekannt (vgl. dazu BGHSt 64, 246) – bereits im ersten Durchgang von der Verteidigung formulierten Vorschlag einer Einstellung des Verfahrens nach § 153a StPO dargestellt, die als solche – eine Reaktion der Vorsitzenden hierauf werde auch von der Revision nicht bestimmt behauptet – nicht mitteilungsbedürftig sei (vgl. BGH a.a.O.). An der inhaltlichen Richtigkeit des Vermerks der Vorsitzenden bestünden keine Zweifel, zumal nach der Äußerung des Oberstaatsanwalts – anders als möglicherweise in anderen Fällen – auch keine Reaktion der Vorsitzenden hierzu nahe gelegen habe, denn ohne Zustimmung der Staatsanwaltschaft komme eine Einstellung nach § 153a Abs. 2 StPO von vornherein nicht in Betracht. Die von der Revision in diesem Zusammenhang behauptete Verletzung von § 273 Abs. 1a S. 2 StPO liege nicht vor, denn das Protokoll gebe den Verfahrensgang zutreffend wieder.

III. Bedeutung für die Praxis

Zutreffend

1. M.E. ist die Entscheidung zutreffend und steht im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH zur Mitteilungspflicht (vgl. dazu Burhoff, in: Burhoff (Hrsg.), Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 10. Aufl. 2022, Rn 2228 ff. m.w.N.).

Keine Negativmitteilung, aber kein Beruhen

2. Die Revision hatte im Übrigen auch das Fehlen einer sog. „Negativmitteilung“ nach § 243 Abs. 4 S. 1 StPO gerügt, also einer ausdrücklichen Mitteilung der Vorsitzenden, dass keine Verständigungsgespräche stattgefunden hatten. Insoweit hat der BGH ausgeschlossen, dass das Urteil auf diesem Rechtsfehler i.S.v. § 337 Abs. 1 StPO beruht. Denn auch nach dem Vortrag der Revision – insbesondere auch zu einem ausführlich dokumentierten und in der Hauptverhandlung mitgeteilten Erörterungstermin – könne ausgeschlossen werden, dass es Gespräche über die Möglichkeit einer Verständigung gegeben habe (vgl. dazu BVerfG NStZ 2014, 592, 594; BGH NStZ 2021, 232 m.w.N.; NStZ-RR 2014, 115).

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

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