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Auslagenentscheidung nach Rücknahme des Strafbefehlsantrags

Wird der Antrag auf Erlass eines Strafbefehls von der Staatsanwaltschaft zurückgenommen, sind die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen.

(Leitsatz des Verfassers)

AG Pforzheim, Beschl. v. 25.8.20217 Cs 98 Js 2143/20

I. Sachverhalt

Rücknahme des Strafbefehlsantrags

Das AG hat auf Antrag der Staatsanwaltschaft einen Strafbefehl erlassen. Nach Einlegung des Einspruchs durch den Angeklagten hat die Staatsanwaltschaft den Strafbefehlsantrag zurückgenommen und das Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Der Verteidiger des Angeklagten hat beantragt, seine notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dem hat das AG entsprochen.

II. Entscheidung

Fall des § 467a StPO

Das AG hat die notwendigen Auslagen des Angeklagten antragsgemäß der Staatskasse auferlegt. Die Entscheidung beruhe auf § 467a StPO. Da der Strafbefehlsantrag durch die Staatsanwaltschaft zurückgenommen worden sei und der Angeklagte einen entsprechenden Antrag gestellt habe, lagen damit die Voraussetzungen dieser Vorschrift vor.

III. Bedeutung für die Praxis

Verfahrensrechtlich/kostenrechtlich zutreffend

1. Die Entscheidung ist verfahrensrechtlich/kostenrechtlich zutreffend. Der Antrag auf Erlass eines Strafbefehls steht nach § 407 Abs. 1 S. 3 StPO der Erhebung der Anklage gleich. Mit Stellung des Antrags auf Erlass eines Strafbefehls, dem das Amtsgericht mit Erlass des entsprechenden Strafbefehls entsprochen hatte, war damit öffentliche Klage erhoben worden (zum Strafbefehlsverfahren eingehend Hillenbrand, in: Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 9. Aufl. 2022, Rn 4204 bzw. Burhoff, in: Burhoff (Hrsg.), Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 10. Aufl. 2022, Rn 2981). Damit ist das AG zutreffend davon ausgegangen, dass im Fall der Rücknahme des Strafbefehlsantrags (§ 411 Abs. 3 StPO) die Anklage zurückgenommen wurde und damit ein Fall des § 467a Abs. 1 StPO vorgelegen hat. Auf Antrag des Angeschuldigten waren daher, da die Staatsanwaltschaft das Verfahren dann ja nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt hat, die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen (zur Auslagenerstattung im Ermittlungsverfahren Burhoff/Burhoff, EV, a.a.O., Rn 772). Erforderlich ist insoweit aber entweder ein ausdrücklicher Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Angeschuldigten. Das darf der Verteidiger in diesen Fällen nicht übersehen.

Welche Gebühren sind entstanden?

2. Abrechnen kann der Verteidiger die Nrn. 4100, 4106 VV RVG. Entstanden ist auf jeden Fall auch die Nr. 4104 VV RVG. Ist das Mandat vor Eingang des Antrags auf Erlass des Strafbefehls beim AG erteilt worden, ergibt sich insoweit kein Problem (vgl. die Anm. zur Nr. 4104 VV RVG). Ist der Rechtsanwalt erst nach Eingang des Antrags auf Erlass des Strafbefehls beim AG mandatiert worden, scheint auf den ersten Blick die Anm. zur Nr. 4104 VV RVG dem Anfall der Gebühr entgegenzustehen. Die Rechtsprechung geht jedoch davon aus, dass dann, wenn die die Staatsanwaltschaft nach Erlass eines Strafbefehls und Einspruchseinlegung ihren Antrag zurücknimmt, sie damit das Verfahren in den Stand des Ermittlungsverfahrens zurückversetzt, mit der Folge, dass der Rechtsanwalt, der vom Beschuldigten erst nach Anklageerhebung/Eingang des Antrags auf Erlass des Strafbefehls beauftragt worden ist, die Gebühr Nr. 4104 VV RVG verdient (vgl. für die Rücknahme der Anklage i.e.S. LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 13.10.2020 – 7 Qs 56/20, AGS 2021, 174 = RVGprofessionell 2021, 82; AG Gießen RVGreport 2016, 348 = AGS 2016, 394 = RVGprofessionell 2017, 62 = Sonderausgabe StRR 12/2016, 18; zu allem a. Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, Nr. 4104 VV Rn 10). Entstanden ist dann außerdem noch die Gebühr Nr. 4141 Anm. 1 S. 1 Nr. 1 VV RVG (Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Nr. 4141 VV Rn 41 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung).

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

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