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Streitwert und Streitwertbeschwerde im Strafvollzug

1. Eine Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwerts in Strafvollzugssachen ist auch möglich, wenn in der Hauptsache kein Rechtsmittel eröffnet ist.

2. Zur Höhe des festzusetzenden Streitwertes, wenn der Gefangene seine Verlegung in den offenen Vollzug verfolgt.

(Leitsätze des Gerichts)

OLG Celle, Beschl. v. 1.4.20251 Ws 55/25 (StrVollz)

I. Sachverhalt

Antrag auf Neufassung des Vollzugsplans

Auf Antrag des Antragstellers hat die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 5.3.2025 den Vollzugsplan der JVA vom 17.1.2025 hinsichtlich der dort festgelegten Nichteignung des Antragstellers für den offenen Vollzug sowie für Vollzugslockerungen aufgehoben und die JVA verpflichtet, den Antragsteller neu zu bescheiden. Der Streitwert wurde auf bis zu 500 EUR festgesetzt.

Gegen die Festsetzung des Streitwertes richtet sich die Beschwerde des Verteidigers, der eine Streitwertfestsetzung von 4.000 EUR erstrebt.

II. Entscheidung

Zulässigkeit der Beschwerde

Nach Auffassung des OLG war die Beschwerde gemäß § 68 Abs. 1 GKG i.V.m. § 32 Abs. 2 S. 1 RVG zulässig. Soweit in der Rechtsprechung und der Literatur die Möglichkeit einer solchen Beschwerde verneint werde, wenn in der Hauptsache ein Rechtsmittel nicht eröffnet sei (OLG Hamburg, Beschl. v. 9.10.1984 – Vollz Ws 12/84, MDR 1985, 256; OLG Koblenz, Beschl. v. 15.9.1981 – 2 Vollz (Ws) 54/81, NStZ 1982, 48; OLG Rostock, Beschl. v. 12.11.2012 – I Vollz (Ws) 28/12, NStZ-RR 2013, 92; Arloth/Krä-Arloth, § 121 StVollzG Rn 1), schließe sich der Senat dem nicht an. Da sich die Zulässigkeit der Beschwerde allein nach dem GKG richte (§ 1 Abs. 5 GKG), das eine weitere Einschränkung der Zulässigkeit nicht vorsehe, sei von der Möglichkeit einer isolierten Streitwertbeschwerde auszugehen (so auch KG, Beschl. v. 30.3.2007 – 2 Ws 151/07; OLG Hamm, Beschl. v. 26.1.1989 – 1 Vollz (Ws) 6/89, NStZ 1989, 495; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 10.3.2016 – 2 Ws 67/16; OLG Stuttgart, Beschl. v. 31.1.2020 – V 4 Ws 22/20).

Begründetheit der Beschwerde

Die Beschwerde sei jedoch unbegründet, da die Festsetzung des Streitwertes durch die Strafvollstreckungskammer in Höhe von bis zu 500 EUR nicht zu beanstanden sei.

Maßgeblich für die Höhe des festzusetzenden Streitwertes sei die Bedeutung, die die im Streit stehende Sache für den Antragsteller habe (§ 52 Abs. 1 GKG), wobei es auf objektive Kriterien und nicht auf das Affektionsinteresse des Antragstellers ankomme (vgl. OLG Rostock JurBüro 2017, 474). Sei Antragsteller ein Strafgefangener, werde ein Rückgriff auf den Auffangwert des § 52 Abs. 2 GKG in Höhe von 5.000 EUR nur selten vorgenommen. Aufgrund der sonst damit ausgelösten Höhe der für einen Verteidiger anfallenden Gebühren und dem damit verbundenen Kostenrisiko für die überwiegend finanzschwachen Strafgefangenen werde der Streitwert regelmäßig deutlich niedriger angesetzt (vgl. KG JurBüro 2022, 366; OLG Celle AGS 2010, 224; OLG Nürnberg ZfStrVo 1986, 61). Andererseits müssten die gesetzlichen Gebühren hoch genug sein, um die Tätigkeit des Verteidigers wirtschaftlich vertretbar erscheinen zu lassen und den Gefangenen so die Inanspruchnahme anwaltlichen Beistands zu ermöglichen (OLG Koblenz StraFo 2013, 305; OLG München StraFo 2017, 40).

Der Senat halte für Verfahren, in denen es um Verlegung von Strafgefangenen in den offenen Vollzug gehe, wegen der hohen Bedeutung für diese unter Berücksichtigung der dargestellten Abwägungsparameter einen Streitwert in Höhe von 1.000 EUR für angemessen (siehe zuletzt OLG Celle, Beschl. v. 23.12.2024 – 1 Ws 240/24 (StrVollz)). Soweit andere Oberlandesgerichte von deutlich höheren Streitwerten ausgehen (etwa KG, Beschl. v. 14.2.2014 – 2 Ws 27/14 Vollz: 2.000 EUR; OLG Hamburg, Beschl. v. 28.7.2022 – 5 Ws 42/22 Vollz: 4.000 EUR), folge der Senat dem aus den benannten Gründen nicht.

Vorliegend sei es dem Antragsteller nicht um die unmittelbare Gewährung von Lockerungen bzw. Verlegung in den offenen Vollzug, sondern um die Überprüfung des Vollzugsplans und gegebenenfalls eine erneute Entscheidung der JVA gegangen. Dies rechtfertige es, den Streitwert auf die Hälfte des Wertes festzusetzen, der bei einem Verfahren, das auf unmittelbare Gewährung von Lockerungen bzw. Verlegung in den offenen Vollzug gerichtet wäre, angemessen wäre.

III. Bedeutung für die Praxis

H.M., aber sehr knappe Bemessung des Streitwerts

Die Entscheidung entspricht der h.M. in der Rechtsprechung (vgl. dazu auch Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 7. Aufl. 2025, Teil A Rn 2332 m.z.w.N. Allerdings kann man sich schon fragen, ob nicht die Festsetzung des Streitwerts auf nur 1.000 EUR bzw. hier nur 500 EUR nicht das „Kostenrisiko für die überwiegend finanzschwachen Strafgefangenen“ überbetont und die wirtschaftlichen Interessen der Verteidiger zu wenig berücksichtigt. Denn eine 1,3-Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV sind bei einem Streitwert von 500 EUR gerade mal – nach neuem Recht – 66,95 EUR. Das ist zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel.

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

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