Kategorie: Verkehrsrecht

Verkehrsrecht 2023 #11

Unzulässige Abschalteinrichtung: Kühlmittelsolltemperatur-Regelung Die Kühlmittelsolltemperatur-Regelung stellt eine unzulässige Abschalteinrichtung dar, wegen derer den Fahrzeughersteller in der Regel zumindest eine Schadensersatzhaftung wegen fahrlässigen Verhaltens trifft. Demgegenüber vermag sich dieser nicht mit Erfolg darauf zu berufen, dass entgegen der Annahme des BGH für eine Fahrlässigkeitshaftung im deutschen Recht kein Bedürfnis bestehe, da ausreichende andere Sanktionsmöglichkeiten zur Verfügung […]
Der VI. Zivilsenat des BGH hat im Bereich des Verkehrszivilrechts in den Jahren 2022 und 2023 eine Reihe von für die Praxis relevante Entscheidungen getroffen, die sich mit der Bildung der Haftungsquote beschäftigen und in diesem Beitrag im Einzelnen dargelegt werden. 1. Einfahren und Fahrstreifenwechsel Eine in der Praxis häufig vorkommende Konstellation hatte der BGH […]
Werden über das beA Schriftsätze versendet, muss sichergestellt sein, dass Fristen nicht versehentlich gestrichen werden. (Leitsatz des Verfassers) BGH, Beschl. v. 6.9.2023 – IV ZB 4/23 I. SachverhaltFrist von Kanzleimitarbeiter versehentlich gestrichen Das LG hat die Klage abgewiesen. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat fristgerecht Berufung über das beA eingelegt. Nachdem die Berufung nicht innerhalb der […]
Zu den Anforderungen an die Versendung eines bestimmenden Schriftsatzes über das besondere elektronische Anwaltspostfach. (Leitsatz des Gerichts) BGH, Beschl. v. 31.8.2023 – VIa ZB 24/22 I. SachverhaltFalsche Berufungsbegründung übersandt Das OLG hat die Berufung des Klägers gegen eine Klageabweisung verworfen. Der Kläger hatte fristgemäß Berufung eingelegt. Innerhalb der bis zum 8.9.2022 verlängerten Frist zur Begründung […]
1. Auch in der Kasko-Versicherung ist für eine sichere Bestimmung des Wiederbeschaffungswertes ein Vortrag durch die Versicherungsnehmerin zu erbringen, in welchem Umfang ein Vorschaden bestanden hat und wie dieser repariert worden sein soll. 2. Nur soweit die Versicherungsnehmerin als Geschädigte behauptet, von einem eventuellen Vorschaden selbst keine Kenntnis und das Fahrzeug in einem unbeschädigten Zustand […]
1. Ob eine Fahrzeugführer gemäß § 1 Abs. 2 StVO in Verbindung mit § 16 StVO verpflichtet ist, an einem Stauende eine Warnblickanlage einzuschalten und ihn deswegen bei einem Verkehrsunfall einer Mithaftung treffen kann hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und ist nicht bei jedem Stauende zu fordern. 2. Eine solche Verpflichtung besteht nicht, wenn ein möglicher […]
1. Im Fall einer fiktiven Abrechnung mit einem Fahrzeugschaden, der über 1.500,00 EUR liegt, ist die Kasko-Versicherung des Versicherungsnehmers berechtigt, die Vornahme einer fiktiven Abrechnung als Meldegrund, die Höhe des entstandenen Schadens und die Fahrzeugidentifikationsnummer des betroffenen Kfz an das HIS-Informationssystem zu melden. 2. Auch im Fall einer bloß (pauschal) behaupteten Reparatur des Schadens bei einem […]
1. Wird vom Angeklagten ein Nachtrunk behauptet, hat das Gericht – vor der Rückrechnung – zunächst zu prüfen, ob die Nachtrunkbehauptung als glaubhaft zu bewerten ist. Kann die Behauptung eines Nachtrunks nicht mit der erforderlichen Sicherheit widerlegt werden, so muss es klären, welche Alkoholmenge der Angeklagte maximal nach der Tat zu sich genommen haben kann. […]
Eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis ist unverhältnismäßig, wenn sie mehr als 13 Monate nach dem Unfallereignis erfolgt und die bisherige Sachbehandlung durch die Ermittlungsbehörde und das Gericht zudem eklatant gegen das Beschleunigungsgebot verstößt. (Leitsatz des Verfassers) LG Stuttgart, Beschl. v. 4.8.2023 – 9 Qs 39/23 I. SachverhaltZunächst 13 Monate keine vorläufige Entziehung In einem Verfahren mit dem […]
1. Unabhängig von einem in § 77a Abs. 1, 2 und 4 OWiG geregelten Zustimmungserfordernis kann das Messprotokoll auf Anordnung des Vorsitzenden in der Hauptverhandlung nach § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO verlesen werden. 2. Denn das Messprotokoll ist eine Urkunde i.S.v. § 256 Abs. 1 StPO, weil sie eine Erklärung über eine amtlich festgestellte Tatsache einer Ermittlungsmaßnahme ist und keine […]
Zur Auferlegung der notwendigen Auslagen des Betroffenen auf die Staatskasse, wenn das Bußgeldverfahren wegen Verjährung eingestellt wird. (Leitsatz des Gerichts) AG Büdingen, Beschl. v. 30.5.2023 – 60 OWi 48/23 I. SachverhaltVerfahren wegen Geschwindigkeitsüberschreitung wird eingestellt Der Betroffenen wurde eine Geschwindigkeitsüberschreitung zur Last gelegt. Im Laufe des Verfahrens beantragte der Verteidiger gerichtliche Entscheidung bezüglich verschiedener, ihm […]
Für eine Ermessensentscheidung nach § 109a Abs. 2 OWiG ist nur Raum, wenn das nicht rechtzeitige Vorbringen als missbräuchlich oder unlauter anzusehen ist. (Leitsatz des Verfassers) AG Oranienburg, Beschl. v. 1.6.2023 – 13g OWi 264/23 I. SachverhaltBußgeldbescheid kann nicht zugestellt werden Dem Betroffenen wurde eine angeblich am 27.7.2022 begangene Geschwindigkeitsüberschreitung vorgeworfen. Mit Schreiben vom 31.8.2022 wurde er […]
1. Den gesetzlichen Regelungen des RVG ist nicht zu entnehmen, dass in den Fällen straßenverkehrsrechtlicher Bußgeldverfahren grundsätzlich von einer unterdurchschnittlichen Bedeutung der Sache im Sinne des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG auszugehen ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn im Rahmen des Zwischenverfahrens die technischen Voraussetzungen der Messung, die der in einem Bußgeldbescheid vorgeworfenen Geschwindigkeitsüberschreitung zugrunde liegt, […]
Die im Zuge der Akteneinsichtnahme entstandene Aktenversendungspauschale ist keine notwendige Auslage der Prozessführung und wird damit nicht erstattet. (Leitsatz des Verfassers) AG Tiergarten, Beschl. v. 12.7.2023 – (327 Ds) 232 Js 312/19 29207 V (10/19) I. SachverhaltAktenversendungspauschale wird nicht erstattet Der Rechtsanwalt war Verteidiger des Beschuldigten. Der in Berlin ansässige Rechtsanwalt hat nach Beendigung die […]

Verkehrsrecht 2023 #10

Mietwagenkosten: Unverhältnismäßigkeit Mietwagenkosten sind unverhältnismäßig, wenn sie jeden Maßstab einer wirtschaftlich vernünftigen Schadensbehebung sprengen. Im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht obliegt es einem verständigen Geschädigten, der diese wirtschaftliche Unverhältnismäßigkeit erkennt, einen Gebrauchtwagen als Interimsfahrzeug anzuschaffen oder zunächst eine Notreparatur vorzunehmen. OLG Celle, Urt. v. 13.9.2023 – 14 U 19/23 Ersatzeinreichung: Rechtzeitigkeit der Glaubhaftmachung Die nach § 130d Satz […]
I. Einleitung Durch die VO über die Teilnahme von Elektrokleinstfahrzeugen am Straßenverkehr (eKFV) vom 6.6.2019 (BGBl I, 756), am 15.6.2019 in Kraft getreten, wurde der rechtlichen Rahmen für die Nutzung von E-Scootern im öffentlichen Straßenverkehr geschaffen. Nachdem die Popularität von E-Scooter deutlich zugenommen hatte, erhoffte sich der Verordnungsgeber, durch die Regulierung dieses Bereichs zu einer nachhaltigen […]
1. Im Rahmen der umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls sind die wirtschaftlichen Verhältnisse des Hinterbliebenen bei der Bemessung des Hinterbliebenengeldes nur dann zu berücksichtigen, wenn sie sich auf seine seelische Verfassung in prägender Weise ausgewirkt haben. 2. Maßgebend für die Höhe der Hinterbliebenenentschädigung sind im Wesentlichen die Intensität und Dauer des erlittenen seelischen Leids […]
1. Im Verhältnis zum Leasinggeber ist die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung des Unfallgegners bei einem unaufklärbaren Unfallgeschehen verpflichtet, bezüglich des Sachschadens im Außenverhältnis einen vollen Schadensersatz unter Beachtung des Sicherungseigentums zu leisten. 2. Es besteht jedoch kein Regressanspruch unter Gesamtschuldnern gegen den Fahrer und den Leasingnehmer als Halter des Leasingfahrzeuges. BGH, Urt. v. 18.4.2023 – VI ZR 345/21 […]
Bei Verkehrsunfällen mit zwei beteiligten Fahrzeugen liegt in der Regel kein derart einfach gelagerter Sachverhalt vor, dass dem Geschädigten zugemutet werden kann, die Schadensregulierung ohne anwaltliche Hilfe durchzuführen, da diese regelmäßig bezüglich der Haftung der Höhe nach besondere Schwierigkeiten birgt. Lediglich dann, wenn ein Schadensfall vorliegt, der hinsichtlich der Haftung dem Grunde und der Höhe […]
Die Überlassung der beA-Karte und der PIN des Rechtsanwalts an Dritte (hier: Kanzleimitarbeiter) ist nicht zulässig. (Leitsatz des Verfassers) BGH, Beschl. v. 20.6.2023 – 2 StR 39/23 I. SachverhaltRevision der Nebenklägerin per Telefax Das LG hat den Angeklagten am 24.8.2022 freigesprochen. Dagegen hat die Nebenklägerin mit einem am 25.8.2022 per Telefax eingegangenen Schriftsatz ihres anwaltlichen […]
Zur materiellen Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde bei Geltendmachung einer Verletzung des Rechts auf Einsichtnahme in die Messunterlagen. (Leitsatz des Verfassers) BayVerfGH, Beschl. v. 15.9.2023 – 1 Vf. 20-VI-21 I. Sachverhalt Das AG hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 25 km/h zu einer Geldbuße von 80 EUR verurteilt. Die Verteidigung hatte bereits […]
1. Das Zugangsrecht zu den Messunterlagen umfasst die unverschlüsselte Einsicht, mithin die Übersendung einschließlich Token-Datei und Passwort. 2. Die Verteidigung kann nicht auf Einsicht in die Unterlagen in den Räumen der Dienststelle des Messbeamten verwiesen werden. 3. Aus dem Umstand, dass das verwendete Messgerät die Rohmessdaten nicht speichert, folgt kein Beweisverwertungsverbot. (Leitsätze des Verfassers) OLG […]
Das Einsichtsrecht in die Messunterlagen erstreckt sich auf die mit der verfahrensgegenständlichen Messung des Betroffenen in Zusammenhang stehende Messreihe, d.h. auf die gesamten am Tattag an der Messstelle zum Nachweis von Verkehrsverstößen angefallenen und gespeicherten digitalen Falldatensätze. (Leitsatz des Verfassers) OLG Köln, Beschl. v. 30.5.2023 – 1 RBs 288/22 I. SachverhaltFalldatensätze fehlen Das AG hat […]
Benutzer von Elektrofahrzeugen müssen darauf vertrauen können, dass ausdrücklich Elektrofahrzeugen vorbehaltene Parkflächen mit Ladesäulen frei bleiben und benutzt werden können. Daher können auf einer solchen Parkfläche abgestellte mit Verbrennungsmotor auch ohne konkrete Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer abgeschleppt werden. (Leitsatz des Verfassers) VG Düsseldorf, Urt. v. 19.9.2023 – 14 K 7479/22 I. Sachverhalt„Verbrenner-Fahrzeug“ wird „E-Auto-Parkplatz“ versetzt Der […]
1. Die Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft führt nicht dazu, dass die Bestellung von Anfang an entfällt. Vielmehr tritt diese Wirkung erst zu dem Zeitpunkt der Aufhebungsentscheidung ein. 2. Damit hat der Beschwerdeführer gemäß § 45 Abs. 3 Satz 1 RVG Anspruch auf Vergütung seiner Tätigkeit aus der Landeskasse mit der Konsequenz, dass gemäß […]

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