Strafrecht 2022 #07

StRR-Kompakt 2022-07
Pflichtverteidiger: Abberufung Die Äußerung eines beigeordneten Rechtsanwalts, wonach die Hauptverhandlung „eine Farce“ sei und weder er noch der Angeklagte sich daher an ihr aktiv beteiligen würden, stellt keine ernsthafte und endgültige Verteidigungsverweigerung dar und rechtfertigt eine Entpflichtung des Pflichtverteidigers nach § 145 Abs. 1 S. 1 StPO auch dann nicht, wenn die Verteidigung bei Zeugenvernehmungen tatsächlich auf […]
Gegenstandswert von illegal produzierten und unversteuerten Zigaretten
1. Der Gegenstandswert von illegal produzierten und unversteuerten Zigaretten ist mit 0 EUR festzusetzen. 2. Das Verschlechterungsverbot findet im Wertfestsetzungsverfahren keine Anwendung. (Leitsätze des Gerichts) OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 9.2.2022 – 2 Ws 33/21 I. Sachverhalt Freispruch vom Vorwurf der Tabaksteuerhinterziehung In einem gegen den ehemaligen Angeklagten geführten Strafverfahren wegen Tabaksteuerhinterziehung wurde in der […]
Einspruch gegen den Bußgeldbescheid durch beA?
Nach §§ 67, 100c OWiG in Verbindung mit § 32d StPO ist ein Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid ausschließlich als signiertes elektronisches Dokument über das BeA – das besondere Anwaltspostfach – und das BeBPo – das besondere elektronische Behördenpostfach – zu übermitteln. Eine Übermittlung in Papierform oder als Telefax ist unzulässig. (Leitsatz des Gerichts) AG Tiergarten, Beschl. v. […]
Drogenfahrt und Medikamentenklausel
1. Um dem Rechtsbeschwerdegericht die Überprüfung der Frage zu ermöglichen, ob die sog. Medikamentenklausel nach § 24a Abs. 2 S. 3 StVG eingreift oder nicht, ist der Inhalt des hierfür maßgeblichen Cannabinoidausweises – sofern keine zulässige Bezugnahme erfolgt – im Wortlaut in den Urteilsgründen wiederzugeben. 2. Der Konsum von illegalen Drogen neben Medizinalcannabis lässt die Anwendung der […]
Rechtzeitiger Eingang eines Entbindungsantrags
Zum rechtzeitigen Eingang eines per beA gestellten Entbindungsantrags. (Leitsatz des Verfassers) OLG Düsseldorf, Beschl. v. 31.5.2022 – IV – 2 RBs 78/22 I. Sachverhalt Einspruchsverwerfung Das AG hat den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid auf der Grundlage von § 74 Abs. 2 OWiG verworfen. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde, die er vor allem […]
Anzeichen für relative Fahruntüchtigkeit
Voraussetzung für den Schluss aus Fehlverhaltensweisen betreffend die Fahrweise eines Kraftfahrzeugführers auf eine alkoholbedingte Fahrunsicherheit ist die sichere Feststellung, dass sie Folgen des Alkoholgenusses sind. Dabei sind die Anforderungen an die für das Vorliegen einer relativen Fahruntüchtigkeit festzustellenden alkoholbedingten Ausfallerscheinungen umso höher, je weiter eine festgestellte Blutalkoholkonzentration von der Grenze zur absoluten Fahruntüchtigkeit (1,1 ‰) entfernt […]
Vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis: Zeitablauf, Verhältnismäßigkeit, effektive Verteidigung und Verfahrensverzögerung
1. Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis kann im Einzelfall auch sechzehn Monate nach Tatbegehung verhältnismäßig sein. 2. Resultiert die Verfahrensverzögerung aus der Sphäre der Verteidigung bzw. des Angeklagten, ist dies bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit einer erst später vorgenommenen Maßnahme nach § 111a StPO zu berücksichtigen. 3. Zum Grundsatz „einfach abwarten und bestreiten“ als „effektive Verteidigung“ […]
Entziehung der Fahrerlaubnis nach unerlaubtem Entfernen vom Unfallort
1. Die Wertgrenze für einen bedeutenden Schaden i.S.v. § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB liegt jedenfalls nicht unter 1.500 EUR. 2. Jedenfalls in Fällen, in denen der auf der Basis eines Kostenvoranschlags festgestellte Schaden nicht sehr über der Wertgrenze eines bedeutenden Schadens i.S.v. § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB liegt, ist der Inhalt des Kostenvoranschlags in den Urteilsgründen näher darzulegen, […]
Schätzung im Steuerstrafverfahren
Wenn sowohl die Eingangsumsätze (Warenbezug) als auch die Ausgangsumsätze (Warenveräußerung) zu niedrig vom Steuerpflichtigen angegeben werden – Fall der sogenannten Doppelverkürzung –, scheidet eine Warenverkehrsrechnung zur Ermittlung der verkürzten Steuer aus, weil sowohl der Warenanfangs- wie Warenendbestand nicht feststehen. (Leitsatz des Verfassers) BGH, Beschl. v. 10.2.2022 – 1 StR 484/21 I. Sachverhalt Schätzung bei Verurteilung […]
Zustellung des Strafbefehls an einen ausländischen Beschuldigten
1. Bei einem nicht der deutschen Sprache mächtigen Beschuldigten bedarf es zwingend der Übersendung einer Übersetzung des Strafbefehls, um die Einspruchsfrist in Gang zu setzen (LG Göttingen und AG Bremen). 2. Zur Bestellung eines Pflichtverteidigers bei einem ausländischen Angeklagten (AG Bremen). (Leitsätze des Verfassers) LG Göttingen, Beschl. v. 25.10.2021 – 2 Qs 70/21 AG Bremen, […]
Hinweispflicht des Gerichts
Zur Hinweispflicht nach § 265 Abs. 2 Nr. 3 StPO wegen veränderter Sachlage. (Leitsatz des Verfassers) OLG Hamm, Beschl. v. 13.1.2022 – 5 RVs 4/22 I. Sachverhalt Verurteilung wegen Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz Das AG hat den Angeklagten wegen Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz verurteilt. Soweit es den Angeklagten verurteilt hat, hat es folgende Feststellungen getroffen: „Im Herbst 2019 […]
Keine handschriftliche Unterzeichnung des elektronischen Dokuments
Eine Revisionsbegründungsschrift muss nicht handschriftlich unterzeichnet sein, wenn sie gemäß § 32d S. 2 StPO elektronisch übersandt wird und die Übermittlung über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) erfolgt. (Leitsatz des Verfassers) BGH, Beschl. v. 3.5.2022 – 3 StR 89/22 I. Sachverhalt Verwerfung der Revision als unzulässig, weil nicht handschriftlich unterzeichnet Das OLG Frankfurt am Main hatte […]
Ablehnung der Vernehmung eines Auslandszeugen
Bei der Ablehnung eines Beweisantrags auf Vernehmung eines sog. Auslandszeugen ist das Tatgericht von dem Verbot der Beweisantizipation befreit und darf seine Entscheidung davon abhängig machen, welche Ergebnisse von der beantragten Beweisaufnahme zu erwarten sind und wie diese zu erwartenden Ergebnisse zu würdigen wären. In dem insoweit erforderlichen Gerichtsbeschluss (§ 244 Abs. 6 S. 1 StPO) müssen […]
Verteidigungsstrategien und praktische Überlegungen bei drohender Ausweisung
I. Einführung Ausweisungen als mittelbare Folgen von strafrechtlichen Verurteilungen haben in den letzten Jahren für die Strafverteidigung stark an Bedeutung gewonnen. Das liegt insbesondere daran, dass das als Ordnungsrecht konzipierte Ausländerrecht (vgl. § 1 Abs. 1 AufenthG) die Bewertung von Straftaten und damit auch von – ausländischen – Straftätern zuletzt grundsätzlich verändert hat. Dies hat zu einer […]
Gegenstandswert beim Vermögensarrest
Zur Wertfestsetzung bei einem Vermögensarrest gemäß §§ 111e, 111f. (Leitsatz des Verfassers) OLG Nürnberg, Beschl. v. 21.12.2021 – Ws 1149/21 I. Sachverhalt Vermögensarrest über rund 3,2 Mio. EUR, Sicherung im Wert von rund 470.000 EUR Das AG hat mit Beschluss vom 19.4.2018 den Vermögensarrest in Höhe von 3.231.444,00 EUR in das Vermögen der Nebenbeteiligten angeordnet. Aufgrund dessen wurden Vermögenswerte […]

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