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Einspruch gegen den Bußgeldbescheid durch beA?

Nach §§ 67, 100c OWiG in Verbindung mit § 32d StPO ist ein Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid ausschließlich als signiertes elektronisches Dokument über das BeA – das besondere Anwaltspostfach – und das BeBPo – das besondere elektronische Behördenpostfach – zu übermitteln. Eine Übermittlung in Papierform oder als Telefax ist unzulässig.

(Leitsatz des Gerichts)

AG Tiergarten, Beschl. v. 5.4.2022310 OWi 161/22

I. Sachverhalt

Einspruch nur per Telefax

Die Verteidigerin des Betroffenen hat gegen den gegen den Betroffenen wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung erlassenen Bußgeldbescheid mit Telefax Einspruch eingelegt. Das AG hat den Einspruch mangels Wahrung der gesetzlichen Formvorschriften als unwirksam und unzulässig angesehen.

II. Entscheidung

Telefax ist keine elektronische Datenkommunikation

Nach Auffassung des AG kann nur die Übertragung eines elektronischen Dokuments in eine elektronische Poststelle mit einer qualifizierten elektronischen Signatur i.S.d. Signaturgesetzes die Formvorschriften für einen Einspruch und dessen Begründung im Bußgeldverfahren erfüllen. Ein Telefax erfülle die Kriterien für eine elektronische Datenkommunikation, die gesetzlich definiert sei, nicht. § 32d StPO normiere eine Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument für bestimmte Verfahrenshandlungen. Durch die entsprechende Anwendung aus § 110c OWiG und unter Berücksichtigung des § 110a Abs. 4 OWiG müsse § 32d StPO im Bußgeldverfahren um den Einspruch und die Einspruchsbegründung, die Rechtsbeschwerde und die Rechtsbeschwerdebegründung ergänzt werden (vgl. Krenberger/Krumm, 6. Aufl. 2020, OWiG § 110c Rn 13). Würden die zwingenden Erklärungen in § 32d StPO S. 2 StPO nicht in elektronischer Form eingereicht, sei die jeweilige Erklärung mangels Wahrung der Form unwirksam (BeckOK-StPO/Valerius, 41. Ed. 1.10.2021, StPO § 32d Rn 4; Gassner/Seith, Ordnungswidrigkeitengesetz, OWiG § 110c Rn 25; Krenberger/Krumm, a.a.O.).

AG Hameln ist a.A.

Soweit das AG Hameln (VRR 4/2022, 26 = StRR 4/2022, 43) die gegenteilige Ansicht vertrete, lasse weder der Gesetzeswortlaut noch der Gesetzeszweck diese Auslegung zu. Zur Begründung bezieht sich das AG Tiergarten auf die Gesetzbegründung in der BT-Drucks 18/9416, S. 36. Dort sei niedergelegt, dass durch die Vorschriften des neuen Gesetzes zur Einführung der elektronischen Akte in Strafsachen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in Straf- und Bußgeldsachen zur elektronischen Übermittlung von Dokumenten an Gerichte und Strafverfolgungsbehörden verpflichtet werden – sofern es keine Ausnahmeregelung in bestimmten Fällen gebe, wie z.B. in § 335 HGB. Zu diesen Strafverfolgungsbehörden gehören auch die Behörden des Polizeidienstes, soweit diese Aufgaben im Bußgeldverfahren wahrnehmen.

III. Bedeutung für die Praxis

Streit aus dem Wege gehen

Es war zu erwarten, dass es in der Frage, ob (auch) der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid (§ 67 OWiG) seit dem 1.1.2022 nur noch über das beA formwirksam erfolgen könne, Streit geben würde. Denn die Frage ist durch die Neuregelung nicht ausreichend sicher geklärt. §§ 110c, 110a Abs. 4 OWiG erwähnen den Einspruch gerade nicht; ebenso wird z.B. der Einspruch gegen den Strafbefehl in § 32d StPO nicht erwähnt. Von daher lässt sich im Hinblick auf die im Übrigen eindeutige Regelung, welche Rechtsmittel bzw. Begründungen durch das beA erfolgen müssen, die Ansicht des AG Hameln gut vertreten.

Aber: Als Verteidiger wird man dem Streit aus dem Wege gehen, den sog. sicheren Weg gehen und den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid auf jeden Fall per beA einlegen (müssen). Denn es bringt nichts, sich später mit dem AG/der Verwaltungsbehörde um die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand streiten zu müssen. Das gilt vor allem, wenn wie in dem vom AG Tiergarten entschiedenen Fall das AG in einer anderen Sache ausdrücklich auf eine etwaige Formverletzung hingewiesen worden ist. Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Verteidigerin dann in diesem Verfahren sehenden Auges in den Streit mit dem AG um die Formwirksamkeit des Einspruchs gezogen ist. Das ist ein Streit auf Kosten des Mandanten, der unnötig ist.

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

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