a) Grundlegendes zur Geschäftsführung
Die GmbH muss gem. § 6 Abs. 1 GmbHG einen oder mehrere Geschäftsführer haben. Bestellung und Anstellung des Geschäftsführers sind voneinander zu unterscheiden. Nur die Bestellung zum Geschäftsführer begründet die spezifischen organschaftlichen Rechte und Pflichten des Geschäftsführers und insb. die Vertretungsmacht der Gesellschaft. Sie enthält jedoch nicht alle Rechtsverhältnisse zwischen Geschäftsführer und GmbH, wie z.B. den Umfang der Leistungspflichten des Geschäftsführers und Gegenleistungspflichten der GmbH, bspw. den Anspruch auf Vergütung.
Diese Regelungen sind vielmehr Bestandteil des Anstellungsvertrages. Anstellung und Organverhältnis stehen gleichwohl in einem Zusammenhang, da aus beiden Pflichten des Geschäftsführers resultieren und der Anstellungsvertrag i.d.R. auch die Vergütung für die Organtätigkeit festlegt. Die Dauer des Anstellungsvertrages ist grds. unabhängig von der Dauer der Organstellung; die Organstellung ist auch grds. wirksam, sollte der Anstellungsvertrag unwirksam oder noch nicht abgeschlossen sein. Organstellung und Anstellungsverhältnis können aber mittels einer sog. Koppelungsklausel im Geschäftsführerdienstvertrag derart verknüpft werden, dass der Widerruf des Organverhältnisses als auflösende Bedingung zu einer automatischen Beendigung des Dienstvertrages führt (OLG Saarbrücken, 8.5.2013 – 1 U 154/12–43, ZIP 2013, 1821).
b) Bestellung zum Geschäftsführer
Ist die Bestellung des Geschäftsführers nicht schon bei der Gründung erfolgt, liegt die Zuständigkeit bei der Gesellschafterversammlung, soweit nicht im Gesellschaftsvertrag eine abweichende Ermächtigung wie z.B. zugunsten eines Aufsichtsrates, Gesellschafterausschusses oder Beirates enthalten ist (§ 46 Nr. 5 GmbHG).
Erfolgt die Gesellschaftsgründung mit Musterprotokoll gem. § 2 Abs. 1a GmbHG, stellt die Bestellung des Geschäftsführers gem. Ziff. 4 des Musterprotokolls nach h.M. einen unechten Satzungsbestandteil dar. Für Änderungen in der Geschäftsführung gelten insofern die allgemeinen Grundsätze.
Meldet der neue Geschäftsführer seine Geschäftsführerbestellung zum Handelsregister (Allgemein zur Handelsregisteranmeldung mit unvollständigen Unterlagen: Waldner, ZNotP 2000, 188. In der Anmeldung ist die Angabe des Wohnortes des Geschäftsführers ausreichend, hingegen die Angabe der Wohnanschrift entbehrlich, vgl. DNotI-Report 2004, 89. Die Eintragung der Berufsbezeichnung, z.B. Architekt, ist nicht möglich, hingegen werden akademische Titel, z.B. Dipl.- Ing., eingetragen, vgl. DNotI-Dokument Nr. 13122 v. 17.6.2003.) an, so muss der ernennende Gesellschafterbeschluss vor dieser Erklärung gefasst und der Geschäftsführer in diesem Beschluss bereits wirksam bestellt worden sein (S. jüngst OLG Brandenburg, 3.4.2023 – 7 W 31/23, GmbHR 2023, 671).
Die Anmeldung einer in der Zukunft liegenden Bestellung ist unwirksam (OLG Düsseldorf, 15.12.1999 – 3 Wx 354/99, MittRhNotK 2000, 77; krit. dazu: Böcker, MittRhNotK 2000, 61; Waldner, ZNotP 2000, 188; BayObLG, 17.9.2003 – 3Z BR 183/03, ZIP 2003, 2361). Die Bestellung eines Geschäftsführers unter einer auflösenden Bedingung ist zulässig (BGH, 24.10.2005 – II ZR 55/04, ZIP 2005, 2255 m. abl. Anm. Theusinger/Liese, EWiR 2006, 113; OLG Stuttgart, 11.2.2004 –14 U 58/03, ZIP 2004, 951).
aa) Bestellungsvoraussetzungen
Nach § 6 Abs. 2 GmbHG muss der Geschäftsführer eine natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Person sein. Bestellungsverbote ergeben sich aus § 6 Abs. 2 GmbHG. Ausgeschlossen sind demnach Personen, die aufgrund von Betreuung einem Einwilligungsvorbehalt gem. § 1903 BGB unterliegen (Nr. 1), denen ein Berufs- oder Gewerbeverbot erteilt wurde (Nr. 2), oder die wegen bestimmter vorsätzlich begangener Straftaten verurteilt worden sind (Nr. 3). Der Katalog der Straftatbestände umfasst neben Insolvenzverschleppung und den Insolvenzstraftaten nach §§ 283–283d StGB auch Delikte wie falsche Angaben nach § 82 GmbHG, § 399 AktG, unrichtige Darstellungen nach § 400 AktG, § 331 HGB, § 313 UmwG und § 17 PublG, sowie – bei Verhängung einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr – die Vermögensdelikte nach §§ 263–264a StGB und §§ 265b–266a StGB und vergleichbare ausländische Delikte. Der Ausschluss gilt für die Dauer von mindestens fünf Jahren seit Rechtskraft des Urteils.
§ 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 lit. a) GmbHG schließt denjenigen als Geschäftsführer aus, der wegen Insolvenzverschleppung verurteilt wurde. Hierbei wird der Begriff der Insolvenzverschleppung zum ersten Mal legal definiert (Römermann, GmbHR-Sonderheft 10/2008, 62, 63). Diese Definition, die wörtlich von dem „Unterlassen der Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Insolvenzverschleppung)“ spricht, ist wesentlich enger als § 15a Abs. 4 InsO, welcher die Insolvenzantragspflicht für Kapitalgesellschaften normiert (Römermann, GmbHR-Sonderheft 10/2008, 62, 63). Gleichwohl hat das OLG Celle zwischenzeitlich klargestellt, dass auch die Verurteilung wegen Insolvenzverschleppung in Form der nicht rechtzeitigen Stellung eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 15a Abs. 4 Alt. 3 InsO) zu einer Amtsunfähigkeit als Geschäftsführer einer GmbH führt (OLG Celle, 29.8.2013 – 9 W 109/13, DB 2013, 2262).
Seit 2017 erfasst der Verweis in § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 lit. e) GmbHG auch §§ 265c, 265d und 265e StGB, die die Manipulation von Sportwettbewerben sanktionieren. Die Versicherung des Geschäftsführers muss sich auch auf diese Tatbestände erstrecken (BGH, 28.6.2022 – II ZB 8/22; OLG Düsseldorf, 21.10.2021 – 3 Wx 182/21, jew. m.w.N. zum bisherigen Diskussionsstand).
Erfasst werden jedoch nur vorsätzliche Taten, jedoch auch Verurteilungen wegen vergleichbarer Taten im Ausland, § 6 Abs. 2 Satz 3 GmbHG.
Ein Verstoß gegen die Ausschlussgründe des § 6 Abs. 2 GmbHG führt zur Nichtigkeit der Bestellung des Geschäftsführers (Vgl. OLG Naumburg, 10.11.1999 – 7 Wx 7/99, ZIP 2000, 622; OLG Frankfurt am Main, 4.3.1994 – 20 W 49/94, DB 1994, 2282). Auch der nachträgliche Eintritt eines Bestellungshindernisses führt nach h.M. ipso iure zum sofortigen Amtsverlust (Begr. des Rechtsausschusses, BT-Drucks 16/9737 v. 24.6.2008, S. 98; Scholz/U. Schneider/S. Schneider, GmbHG, § 6 Rn 38 m.w.N.). Für Schäden der Gesellschaft, die dadurch entstanden sind, dass vorsätzlich oder grob fahrlässig unter Verletzung des § 6 Abs. 2 GmbHG ein Geschäftsführer bestellt wurde, haften die Gesellschafter gem. § 6 Abs. 5 GmbHG.
Der Gesellschaftsvertrag kann zusätzliche Anforderungen an die Person des Geschäftsführers aufstellen, z.B. die Gesellschaftereigenschaft, das Mindestalter oder eine bestimmte Ausbildung. Solche Anforderungen können jedoch Einschränkungen aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) unterliegen (BGH, 23.4.2012 – II ZR 163/10, BGHZ 193, 110).
Jeder Geschäftsführer muss gegenüber dem Registergericht versichern, dass seiner Bestellung keine Bestellungsverbote entgegenstehen, § 8 Abs. 3 Satz 1 GmbHG (vgl. zur Versicherung Rdn 85 ff.). Bei mehreren Geschäftsführern muss jeder Geschäftsführer die Erklärung ausdrücklich für sich abgeben, eine „Wir-Form“ genüge nicht (OLG Frankfurt am Main, 4.2.2016 – 20 W 28/16, NZG 2016, 918). Eine falsche Versicherung hindert auch bei Nichtvorliegen eines Bestellungsverbotes die Eintragung (OLG Oldenburg, 3.4.2018 – 12 W 39/18, ZIP 2019, 375). Die erforderliche Belehrung nach § 53 Abs. 2 BZRG kann gem. § 8 Abs. 3 Satz 2 GmbHG schriftlich durch einen deutschen oder auch ausländischen Notar, sogar durch einen Vertreter eines vergleichbaren rechtsberatenden Berufes oder einen Konsularbeamten erfolgen. Ein ausländischer Notar wird seiner Belehrungspflicht ohne Kenntnis des deutschen Rechts allerdings kaum hinreichend nachkommen können, weshalb in Fällen mit Auslandsbezug eine schriftliche Belehrung durch einen deutschen Notar oder Rechtsanwalt vorzugswürdig erscheint.
bb) Ausländische Geschäftsführer
Für ausländische Geschäftsführer (Dazu ausführlich: Bohlscheid: RNotZ 2005, 505) darf weder eine Arbeitserlaubnis noch eine Gewerbeerlaubnis verlangt werden. Mit der Möglichkeit, den Verwaltungssitz der GmbH abweichend vom Satzungssitz und sogar im Ausland zu begründen, verliert auch die Argumentation der früheren Auffassung, dass der Geschäftsführer seine Aufgaben nur bei der Einreisemöglichkeit in Deutschland wahrnehmen könne, ihre Berechtigung (Leitzen, NZG 2009, 728). Wenn die GmbH ihren Verwaltungssitz im Ausland hat, wird sie gerade vom Ausland aus geführt. Mit eben dieser Argumentation hat das OLG Düsseldorf (OLG Düsseldorf, 16.4.2009 – 3 Wx 85/09, NZG 2009, 678) im Fall eines Geschäftsführers mit iranischer Staatsbürgerschaft entschieden, dass auch Nicht-EU-Ausländer trotz fehlender Einreisemöglichkeit ihre gesetzlichen Aufgaben als GmbH-Geschäftsführer erfüllen können. Insb. bei Anmeldungen zum Handelsregister könne er sich kraft notariell beglaubigter Vollmacht vertreten lassen.
Daher ist die Ernennung von natürlichen Personen jeder Nationalität ohne Einschränkungen zum Geschäftsführer zu befürworten, wenn sie nur die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 GmbHG erfüllen.
c) Anstellungsvertrag
Der Anstellungsvertrag regelt das Anstellungsverhältnis zwischen GmbH und Geschäftsführer. Der Anstellungsvertrag des Geschäftsführers ist, wenn wie i.d.R. eine entgeltliche Tätigkeit vereinbart wird, ein Dienstvertrag in der Form eines Geschäftsbesorgungsvertrages, andernfalls ein Auftrag mit dem Recht auf Auslagenerstattung. Das Arbeitsrecht findet keine Anwendung (A.A. in Ausnahmefällen BAG, 13.5.1992 – 5 AZR 344/91, ZIP 1992, 1496; BAG, 6.5.1999 – 5 AZB 22/98, NZA 1999,839; BAG, 26.5.1999 – 5 AZR 664/98, NZA 1999, 987; s. hierzu Lücke, NJOZ 2009, 3469, der die Rspr. des BGH und die des BAG bzgl. dieser Frage gegenüberstellt).
Aus dem Anstellungsvertrag hat der Geschäftsführer, wenn dies nicht ausgeschlossen wurde, auch einen Anspruch auf Vergütung seiner Tätigkeit. Häufig werden Festbezüge mit gewinnabhängigen Elementen kombiniert, z.B. einer Gewinn- oder Umsatztantieme. Typische weitere Regelungen betreffen die Altersvorsorge und Urlaubsansprüche oder auch die Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots. Der Anstellungsvertrag kann die Pflichten des Geschäftsführers, die sich schon aus der Organstellung ergeben, auch konkretisieren oder ergänzen.
Die Gesellschafterversammlung hat eine Annexkompetenz für Abschluss und Änderung des Anstellungsvertrages aus § 46 Nr. 5 GmbHG, wenn nicht die Satzung etwas anderes regelt, z.B. diese Zuständigkeit auf einen Aufsichtsrat überträgt (BGH, 3.7.2018 – II ZR 452/17, ZIP 2018, 1629; Noack/Servatius/Haas/Noack, GmbHG, § 46 Rn 36. LAG Hessen, 21.6.2000 – 13 Sa 1300/99, GmbHR 2001, 298; BGH, 27.3.1995 – II ZR 140/93, GmbHR 1995, 373; vgl. a. BGH, 9.10.1989 – II ZR 16/89, GmbHR 1990, 33, 34; BGH, 25.3.1991 – II ZR 169/90, GmbHR 1991, 363; OLG Düsseldorf, 10.10.2003 – I-17 U 35/03, NZG 2004, 478 für die Kündigung). Dies beinhaltet auch Vereinbarungen mit Dritten über die Weiterberechnung von Kosten für die Drittanstellung des Geschäftsführers (BGH, 14.5.2019 – II ZR 299/17, BGHZ 222, 32 = ZIP 2019, 1348).
Nicht selten werden in der Praxis Arbeitnehmer zu Geschäftsführern berufen. Wird dabei ein schriftlicher Geschäftsführer-Dienstvertrag geschlossen, ist damit nach der Rspr. des BAG zugleich eine konkludente Aufhebung des früheren Arbeitsverhältnisses verbunden (BAG, 14.6.2006 – 5 AZR 592/05, ZIP 2006, 1692; BAG, 24.11.2005 – 2 AZR 614/04, ZIP 2006, 821; krit. Stück, GmbHR 2006, 1009, 1016).
Während der Organstellung besteht also nicht zugleich ein „ruhendes Arbeitsverhältnis“. Eine andere Auslegung komme nur in Ausnahmefällen, und zwar bei entsprechenden deutlichen Anhaltspunkten, in Betracht (BAG, 14.6.2006 – 5 AZR 592/05, ZIP 2006, 1692). Die streitige Frage, ob durch § 623 BGB, nach dem die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oder Aufhebungsvertrag zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form bedürfen, eine konkludente Aufhebung des Arbeitsvertrages ausgeschlossen wird, ist nunmehr höchstrichterlich beantwortet. So wird das Schriftformerfordernis des § 623 BGB für den Aufhebungsvertrag betreffend das alte Dienstverhältnis mit einem schriftlichen Geschäftsführer-Dienstvertrag gewahrt (BAG, 19.7.2007 – 6 AZR 774/06, ZIP 2007, 1917; BAG, 15.3.2011 – 10 AZB 32/10, NZA 2011, 874).
Umgekehrt ist lediglich die Frage ungeklärt, wie mit Arbeitsverhältnissen zu verfahren ist, die vor Inkrafttreten des § 623 BGB geschlossen wurden. Der BAG hat diese Frage bislang nicht beantwortet, vielmehr dazu ausgeführt, dass § 623 BGB auf diese Arbeitsverhältnisse keine Anwendung finde (BAG, 14.6.2006 – 5 AZR 592/05, ZIP 2006, 1692, 1694). Eine Aufhebung des Arbeitsverhältnisses scheidet zumindest dann aus, wenn der Anstellungsvertrag nur mündlich geschlossen und nicht gleichzeitig der Arbeitsvertrag schriftlich gekündigt oder aufgehoben wird (LAG Bremen, 2.3.2006 – 3 Ta 9/06, DB 2006, 1012; BAG, 15.3.2011 – 10 AZB 32/10, NZA 2011, 874).
d) Stellung des Geschäftsführers im Arbeits- und Sozialrecht
aa) Arbeitsrecht
Der Geschäftsführer einer GmbH ist nach ständiger Rspr. kein Arbeitnehmer; vielmehr repräsentiert er die GmbH als Arbeitgeber (BGH, 9.11.1967 – II ZR 64/67, BGHZ 49, 30 f.; BGH, 26.3.2019 – II ZR 244/17, ZIP 2019, 960. BAG, 21.1.2019 – 9 AZB 23/18, ZIP 2019, 808). Etwas anderes soll in Ausnahmefällen gelten, nämlich wenn der Geschäftsführer über das gesellschaftsrechtliche Weisungsrecht hinaus weiteren auch arbeitsbegleitenden und verfahrensorientierten Weisungen unterliegt (BAG, 26.5.1999 – 5 AZR 664/98, NZA 1999, 987). Unabhängig davon sind Fremdgeschäftsführer in europarechtskonformer Auslegung als Arbeitnehmer i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 1 AGG anzusehen (BGH, 26.3.2019 – II ZR 244/17, ZIP 2019, 925).
Rechtsstreitigkeiten aus dem Anstellungsvertrag des Geschäftsführers unterliegen nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG der ordentlichen Zivilgerichtsbarkeit, und zwar auch dann, wenn der Geschäftsführer im Einzelfall als Arbeitnehmer eingestuft wird, da gesetzliche Vertreter von Kapitalgesellschaften nicht der Arbeitsgerichtsbarkeit unterfallen (Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG). Besonderheiten können sich ergeben, wenn der Geschäftsführer nach Beendigung der Organstellung das Dienstverhältnis als Arbeitsverhältnis fortsetzt.
bb) Sozial- und Rentenversicherungspflicht
Die Sozialversicherungspflicht hängt von der Beschäftigteneigenschaft i.S.d. § 7 Abs. 1 SGB IV, also von der Frage ab, ob eine nichtselbstständige Tätigkeit ausgeübt wird. Maßgebliche Kriterien sind hier das Maß der Eingliederung in die Arbeitsorganisation und die Weisungsabhängigkeit. Ausgehend hiervon kommt es beim Geschäftsführer also darauf an, ob er über eine Kapitalbeteiligung oder in sonstiger Weise maßgeblichen Einfluss auf die GmbH hat (Vgl. hierzu auch die Ausführungen in Anlage 3 „Versicherungsrechtliche Beurteilung von Gesellschafter-Geschäftsführern, Fremdgeschäftsführern und mitarbeitenden Gesellschaftern einer GmbH, sowie Geschäftsführern einer Familien-GmbH“ in: GKV-Spitzenverband, DRV und Bundesagentur für Arbeit, Rundschreiben „Statusfeststellung von Erwerbstätigen“ (1.4.2022), infolge derer er weisungsunabhängig ist.
Bei Fremdgeschäftsführern ist in aller Regel von einer nichtselbstständigen Beschäftigung auszugehen (BSG, 14.3.2018 – B 12 KR 13/17 R, GmbHR 2018, 903, 4.7.2007 – B 11a AL 5/06 R, GmbHR 2007, 1324; BSG, 6.3.2003 – B 11 AL 25/02 R, GmbHR 2004, 494; s. aber auch BSG, 18.11.1999 – 2 AZR 89/99, BB 2000, 674). Bei Gesellschafter-Geschäftsführern sind die entscheidenden Abgrenzungskriterien der Umfang der Kapitalbeteiligung und des sich daraus ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft. Bei einer Kapitalbeteiligung größer 50 %, ist davon auszugehen, dass keine abhängige Beschäftigung vorliegt (St. Rspr., vgl. BSG, 1.2.2022 – B 12 R 19/19 R; vgl. a. Reiserer, BB 2009, 718.).
Bei einer Kapitalbeteiligung kleiner 50 % ist grds. von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen; Ausnahmen gelten nur bei Vorliegen einer gesellschaftsvertraglich abgesicherten, umfassenden Sperrminorität (BSG, 1.2.2022 – B 12 R 19/19 R; BSG, 1.2.2022 – B 12 KR 37/19 R; BSG, 14.3.2018 – B 12 KR 13/17 R, GmbHR 2018, 903 m. Anm. Peetz; Urt. v. 4.7.2007 – B 11a AL 5/06 R, GmbHR 2007, 1324; Heckschen/Strnad, notar 2018, 435; BeckOK-GmbHG/Wisskirchen/Zoglowek, § 6 Rn 76 ff.).
In Zweifelsfällen kann die Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens gem. § 7 Abs. 1 SGB IV zweckmäßig sein. Dies spielt insbesondere dann eine Rolle, wenn der Geschäftsführer selbst von einer abhängigen Beschäftigung ausgeht und Beiträge abgeführt werden. Nach Auffassung des BSG ist nämlich die tatsächliche Abführung von Beiträgen nicht bindend für die Agenturen für Arbeit, was im Anschluss an die Tätigkeit als Geschäftsführer zur Ablehnung von Leistungen durch die Bundesagentur führen kann (Moll, Münchener Anwaltshandbuch Arbeitsrecht, § 80 Rn 46).
Liegt bei Alleingesellschafter-Geschäftsführern grds. Selbstständigkeit vor, so kann eine Rentenversicherungspflicht gem. § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI dennoch bestehen, nämlich wenn sie im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit regelmäßig keine versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen (lit. a) und auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind (lit. b) (BSG, 17.11.2005 – III R 8/03, GmbHR 2006, 367 m. Anm. Löw; dazu Plagemann/Radtke-Schwenzer, NZG 2006, 281; Plagemann/Plagemann, DStR 2009, 1809, 1812). Bei beiden Voraussetzungen, die kumulativ vorliegen müssen, werden dem Gesellschafter-Geschäftsführer die Außenbeziehungen der Gesellschaft zugerechnet – mit Blick auf die Auftraggeber direkt über § 2 Satz 1 Nr. 9 lit. b), mit Blick auf die Arbeitnehmer über § 2 Satz 2 Nr. 3 SGB VI.
Relevant wird dies für Kleinunternehmer, die mit ihrer Gesellschaft – typischerweise in Rechtsform der UG (haftungsbeschränkt), deren Kapitalanteile mehrheitlich oder ausschließlich in der Hand des Geschäftsführers liegen –, nur für einen Auftraggeber tätig werden ohne dabei sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer zu beschäftigen (Dazu Knepper/Langner, DStR 2006, 1283).
In den ersten drei Jahren nach Aufnahme der Tätigkeit besteht die Möglichkeit, auf Antrag von der Rentenversicherungspflicht befreit werden, § 6 Abs. 1a SGB VI. Wenn die Einmann-UG mehrere Auftraggeber akquiriert, fällt die Rentenversicherungspflicht des Unternehmers als „arbeitsnehmerähnlicher Selbstständiger“ gem. § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI weg.
Als Selbstständiger kann der Unternehmer in der GKV freiwillig kranken- und pflegeversichert sein, § 9 SGB V. Es besteht aber keine Krankenversicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13b SGB V, soweit eine hauptsächliche berufliche Selbstständigkeit vorliegt und zuvor keine oder aber eine private Krankenversicherung unterhalten wurde. Wenn der jetzt Selbstständige vorher gesetzlich krankenversichert war, muss er sich nach § 5 Abs. 13a SGB V gesetzlich versichern, außer er hätte sich privat krankenversichert.
Auch in der Selbstständigkeit kann der Unternehmer weiter freiwillig in der Arbeitslosenversicherung bleiben, § 28a SGB III, sofern er mindestens zwölf Monate arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war. Eine Unfallversicherungspflicht gem. SGB III besteht hingegen nicht, jedoch ist eine freiwillige Versicherung des Unternehmers gem. § 6 SGB VII möglich.
Für die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) als Unterform der GmbH gelten die vorstehenden Ausführungen zur versicherungsrechtlichen Einordung von Gesellschafter-Geschäftsführern entsprechend (Vgl. a. GKV-Spitzenverband, DRV und Bundesagentur für Arbeit, Rundschreiben „Statusfeststellung von Erwerbstätigen“ (1.4.2022), Anlage 3, S. 11).
e) Rechte und Pflichten der Geschäftsführer
aa) Überblick über die gesetzlichen Pflichten
Zu den zwingenden gesetzlichen Pflichten des Geschäftsführers (Vgl. a. Überblick zu den Handlungsgeboten und -verboten bei der Geschäftsführertätigkeit sowie zur Haftungsbegrenzung bei Lutter, GmbHR 2000, 301) gehören insb.
- die Vertretung der GmbH (§ 35 GmbHG),
- die Aufstellung des Jahresabschlusses (§ 264 Abs. 1 HGB),
- die Einberufung der Gesellschafterversammlung (§ 49 Abs. 1 GmbHG),
- die Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Buchführung (§ 41 GmbHG),
- das Unterlassen verbotener Auszahlungen des Stammkapitals (§ 30 GmbHG) sowie
- bei Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit die unverzügliche Stellung des Insolvenzantrags (§ 15a Abs. 1 InsO).
bb) Vertretung und Geschäftsführung
Ob eine Willenserklärung für die GmbH gegenüber Dritten wirksam ist, hängt maßgeblich von der Vertretungsmacht des für die GmbH Handelnden Geschäftsführers. Demgegenüber bestimmt die Geschäftsführungsbefugnis, in welchem Umfang Geschäftsführungshandlungen im Innenverhältnis gegenüber der Gesellschaft zulässig sind (vgl. § 37 Abs. 1 GmbHG). Eine eventuelle Überschreitung der Geschäftsführungsbefugnis im Innenverhältnis hat auf das Außenverhältnis, also die Wirksamkeit der Willenserklärung und eines Rechtsgeschäftes, keinen Einfluss (§ 37 Abs. 2 GmbHG), führt vielmehr allenfalls zu einer Schadensersatzpflicht. Nach §§ 35 ff. GmbHG kommt die Geschäftsführungsbefugnis und die Vertretungsmacht bei der GmbH grds. den Geschäftsführern zu. Diese sind aufgrund ihrer Organstellung zur Vertretung und Geschäftsführung der GmbH verpflichtet.
(1) Vertretungsmacht
Grds. ist die Vertretungsmacht der Geschäftsführer (Zur Abgrenzung von Stellvertretung nach §§ 164 ff. BGB, Organschaft und Organtätigkeit bei Körperschaften ausführlich Beuthien, NJW 1999, 1142.) nach außen unbeschränkt und unbeschränkbar (Rechtsvergleichender Überblick zu den Voraussetzungen und Grenzen der Vertretung bei Bormann, NotBZ 2003, 405; zur Rspr. ders., NotBZ 2005, 203).
Beschränkungen, die sich aus dem Geschäftsführervertrag oder aus den in der Satzung festgelegten Zustimmungserfordernissen ergeben, wirken nicht gegenüber Dritten (§ 37 Abs. 2 GmbHG). Anderes gilt bei kollusivem Zusammenwirken zwischen Geschäftsführer und Dritten oder wenn ein Zustimmungsvorbehalt zum Gegenstand des Vertrages mit dem Dritten gemacht wird (Vgl. zu den sog. Gremienvorbehalten BGH, ZIP 1997, 1419).
Entgegen § 37 Abs. 2 Satz 1 GmbHG wirkt eine durch Gesellschafterbeschluss begründete Beschränkung der Vertretungsmacht auch nach außen, wenn sie dem Vertragspartner erkennbar war. Darauf, ob der Geschäftsführer zum Nachteil der Gesellschaft handelt, kommt es nicht an (BGH, 10.4.2006 – II ZR 337/05, ZIP 2006, 1391).
Nach § 35 Abs. 2 Satz 1 GmbHG wird die Gesellschaft durch alle Geschäftsführer gemeinsam vertreten (sog. Gesamtvertretungsmacht). In der Satzung kann die Vertretung anderweitig geregelt (z.B. Einzelvertretungsmacht) oder eine Ermächtigung, z.B. an die Gesellschafter, Beirat oder Aufsichtsrat, für abweichende Regelungen durch einen Beschluss enthalten sein (Noack/Servatius/Haas/Beurskens, GmbHG, § 35 Rn 44).
Zulässig ist es bspw., die Vertretung durch einen Geschäftsführer an die Mitwirkung eines Prokuristen zu binden (sog. unechte/gemischte Gesamtvertretung) (Auch bei unechter Gesamtprokura kann eine Einzelprokura erteilt werden, vgl. DNotI-Report 2004, 119. Ein neu bestellter Prokurist kann bei der Anmeldung der ihm erteilten Prokura nicht mitwirken, vgl. OLG Frankfurt am Main, 28.2.2005 – 20 W 451/04, GmbHR 2005, 683), wenn es nicht nur einen einzigen Geschäftsführer gibt, also die Vertretung der Gesellschaft nicht von einem Prokuristen abhängig ist (Vgl. Scholz/U. Schneider/S. Schneider, GmbHG, § 35 Rn 113).
Davon zu unterscheiden ist die sog. unechte Gesamtprokura, bei der das Vertreterhandeln eines Prokuristen an die Mitwirkung eines Geschäftsführers gebunden ist (Eine Bindung des Prokuristen der GmbH & Co. KG an den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH ist hingegen nicht möglich, da der Geschäftsführer insofern Dritter ist und die Bindung eine gegen § 50 HGB verstoßende Einschränkung der Prokura darstellen würde, vgl. dazu DNotI-Gutachten Nr. 46847 v. 19.1.2004). Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass bei der unechten Gesamtgeschäftsführung der Umfang der Vertretungsmacht des mitwirkenden Prokuristen zur Vertretungsmacht des Geschäftsführers angehoben wird, die Vertretungsmacht bei der unechten Gesamtprokura trotz Mitwirkung des Geschäftsführers im Umfang der Prokura verbleibt (Vgl. zu den vielfältigen Gestaltungsformen Krafka, FS 10 Jahre DNotI, S. 223 ff.). Dies wirkt sich z.B. bei Grundstücksgeschäften aus.
(2) Verbot des Selbstkontrahierens, Mehrfachvertretung (§ 181 BGB)
Geschäftsführer, die Geschäfte zwischen sich und der GmbH abschließen wollen, unterliegen grds. dem Verbot des Insichgeschäfts. Jeder Verstoß führt grds. zur Nichtigkeit des betroffenen Rechtsgeschäfts (§ 181 BGB).
§ 181 BGB erfasst neben Insichgeschäften die sog. Mehrfachvertretung, die insbesondere in Konzernverhältnissen häufig vorkommt. Dies betrifft insbesondere die Konstellation, in der bei der Gründung von 100 %-igen Tochtergesellschaften, bei denen der gesetzliche Vertreter der Muttergesellschaft auch zum gesetzlichen Vertreter der Tochter bestellt werden soll.
Bestellt sich der gesetzliche Vertreter der Mutter-GmbH zum Geschäftsführer der Tochter-GmbH, ist § 181 BGB einschlägig (BayObLG, 17.11.2000 – 3Z BR 271/00, NZG 2001, 128; Noack/Servatius/Haas/Noack, GmbHG, § 47 Rn 60; Scholz/ K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rn 181; Krafka, Registerrecht, Rn 1097; Götze, GmbHR 2001, 217, 219; Baetzgen, RNotZ 2005, 193, 222 f.; Gutachten DNotI-Report 2006, 61, 62 und 2012, 189 f.; ausführlich dazu Heckschen/Heidinger/Blath, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, Kap. 6 Rn 529 ff. Zur Selbstbestellung des GbR-Gesellschafters s. BGH, 24.9.1990 – II ZR 167/89, BGHZ 112, 339).
Bei einer Einmanngesellschaft hat eine sich daraus ergebende, auf § 181 BGB beruhende Unwirksamkeit der Stimmabgabe die Unwirksamkeit des gesamten Beschlusses zur Folge. Eine danach unwirksame Bestellung zum Geschäftsführer ist allerdings grds. genehmigungsfähig. Bei der Selbstbestellung des AG-Vorstandes als Geschäftsführer der Tochter-GmbH findet ebenfalls § 181 BGB Anwendung; mangels Befreiung von § 181 Alt. 1 BGB des betroffenen Vorstands ist das Stimmrecht der AG durch die übrigen vertretungsberechtigten Vorstandsmitglieder auszuüben bzw. die Genehmigung zu erteilen. Der Aufsichtsrat und andere Organe der AG sind für die Erteilung der Zustimmung nicht zuständig, es sei denn, ihnen ist die gesetzliche Vertretung übertragen worden (BGH, 17.1.2023 – II ZB 6/22 m.w.N. zum bisherigen Meinungsstand; dazu Anm. Heckschen, EWiR 2023, 295 f. sowie ausführl. Wicke, GmbHR 2023, 477 ff.).
Auch ein nicht vom Verbot des § 181 BGB befreiter Geschäftsführer einer GmbH, die eine weitere GmbH gründet, kann bei der Gründung mitwirken, wenn die Satzung der neugegründeten GmbH deren Geschäftsführer von dem Verbot des § 181 BGB befreit oder eine entspr. Ermächtigung der Gesellschafterversammlung vorsieht (DNotI-Gutachten Nr. 64339 v. 15.12.2005. Zum Vorstand der Aktiengesellschaft und zur Möglichkeit der Befreiung von § 181 Alt. 1 BGB entgegen der bisher h.M. vgl. BGH, 17.1.2023 – II ZB 6/22 = EwiR 2023, 295 (Heckschen) sowie ausf. s.o., Rdn 17 a.E.).
(3) Befreiu§ng vom Verbot des Selbstkontrahierens
Hinweis
Für die Befreiung vom Verbot des § 181 BGB ist nach der Art der betroffenen Gesellschaft genau zu differenzieren. |
Zunächst kann die Satzung die unmittelbare Befreiung des (Alleingesellschafter-)Geschäftsführers von § 181 BGB enthalten. In der Einmann-GmbH ist nach h.M. (Vgl. OLG Stuttgart, 18.10.2007 – 8 W 412/07, NZG 2008, 36; Noack/Servatius/Haas/Beurskens, GmbHG, § 35 Rn 57 m.w.N. Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 35 Rn 53; a.A. Altmeppen, GmbHG, § 35 Rn 93.; ders., NJW 1995, 1182, 1184; ders, NZG 2013, 401; Herrler, GmbHR 2010, 960, 962; Baetzgen, RNotZ 2005, 193, 209 re. Sp.; Kanzleiter, DNotZ 1996, 819, 820) eine Regelung in der Satzung unabdingbare Voraussetzung für die Befreiung.
Bei der vereinfachten Gründung gem. § 2 Abs. 1a GmbHG unter Verwendung des Musterprotokolls ist die Befreiung des Geschäftsführers in der Satzung zwingend vorgesehen, obwohl danach bis zu drei Personen eine GmbH gründen können. Bei der regulären Gründung hingegen muss die Satzungsregelung nicht den konkret von § 181 BGB zu befreienden Geschäftsführer benennen. Sie kann auch die bloße Ermächtigung enthalten, den Geschäftsführer im Einzelfall oder generell durch (einfachen) Beschluss der Gesellschafterversammlung vom Verbot des Selbstkontrahierens zu befreien (BGH, 3.4.2000 – II ZR 379/99, DStR 2000, 697 m. Anm. Goette).
Fehlt eine Befreiung oder Ermächtigung in der Satzung, muss der Alleingesellschafter-Geschäftsführer, wenn er mit sich selbst kontrahieren will, die Satzung dementsprechend ändern und dies in das Handelsregister eintragen lassen.
In einer Mehrpersonen-GmbH sind die Voraussetzungen für die Gestattung des Selbstkontrahierens umstritten (Überblick bei Altmeppen, GmbHG, § 35, Rn 80 ff.; MüKo-GmbHG/Stephan/Tieves, § 35 Rn 188, jew. m.w.N.). Hierbei geht es einerseits um die Differenzierung zwischen der generellen Befreiung und der Gestattung im Einzelfall (MüKo-GmbHG/Stephan/Tieves, § 35 Rn 188 m.w.N.), sowie andererseits um das Erfordernis einer Satzungsänderung und Eintragung im Handelsregister bei genereller Befreiung.
Die generelle Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB erfordert nach obergerichtlicher Rspr. eine formgebundene Satzungsänderung unter Einhaltung der Anforderungen von §§ 53, 54 GmbHG (OLG Celle, 16.8.2000 – 9 W 82/00, NJW-RR 2001, 175; KG, 21.3.2006 – 1 W 252/05, GmbHR 2006, 653, abl. dazu Theusinger/Liese, EWiR 2006, 683 m.w.N.; OLG Nürnberg, 5.3.2010 – 12 W 376/10, NZG 2010, 623). Eine generelle Befreiung liegt auch dann vor, wenn sich diese zwar gegenständlich auf einen einzigen Vertragspartner beschränkt, aber sich auf eine unbestimmte Anzahl von Rechtsgeschäften erstreckt (OLG Nürnberg, 5.3.2010 – 12 W 376/10, NZG 2010, 623).
Eine Befreiung im Einzelfall ist demgegenüber durch einfachen Gesellschafterbeschluss oder auch durch schlüssiges Handeln möglich, wenn nicht die Satzung höhere Erfordernisse aufstellt (KG, 23.8.2001 – 8 U 8644/99, GmbHR 2002, 25; Scholz/U. Schneider/S. Schneider, GmbHG § 35 Rn 144 m.w.N.). Vereinzelt wurde ein einfacher Gesellschafterbeschluss nur dann für ausreichend erachtet, wenn eine entspr. Ermächtigung in der Satzung enthalten ist (BayObLG, 7.5.1984 – BReg 3 Z 163/83, DB 1984, 1517; OLG Frankfurt am Main, 13.10.2011 – 20 W 95/11, GmbHR 2012, 394).
Die Gegenauffassung lehnt eine unterschiedliche Behandlung von genereller und konkreter Gestattung ab und befürwortet die Gestattung sowohl im Einzelfall als auch generell durch Gesellschafterbeschluss auch ohne das Erfordernis einer Ermächtigung in der Satzung (LG Köln, 12.2.2001 – 89 T 2/01, RNotZ 2001, 402 m. Anm. Lohr; Altmeppen GmbHG, § 35 Rn 90 ff.; Altmeppen, NZG 2013, 401; MHLS/Lenz, GmbHG, 35 Rn 92; MüKo-GmbHG/Stephan/Tieves, § 35 Rn 189, 192, jew. m.w.N.).
Im Rahmen der Formulierung des Ermächtigungsbeschlusses bzw. der entspr. Registeranmeldung zur Befreiung des Geschäftsführers einer GmbH von den Beschränkungen des § 181 BGB ist, wie das OLG Nürnberg (OLG Nürnberg, 12.2.2015 – 12 W 129/15, GmbHR 2015, 486) klarstellte, genau zu differenzieren und zu benennen, ob von den Beschränkungen beider Verbote des Selbstkontrahierens, lediglich vom Verbot des Insichgeschäfts oder nur vom Verbot der Mehrfachvertretung Befreiung erteilt wird. Eine Anmeldung bzw. ein entspr. Gesellschafterbeschluss, in der/dem – ohne weiteren Hinweis – nur eine Befreiung von „der Beschränkung“ des § 181 BGB angeführt wird, ist insoweit unzureichend und kann nicht Grundlage einer Handelsregistereintragung sein.
Ist eine Befreiungsmöglichkeit in der Satzung vorgesehen, bezieht sich diese regelmäßig auf Beschlüsse, mit denen die gesetzlichen Vertreter schlechthin (z.B. auch als Liquidatoren) von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit werden können (OLG Zweibrücken, 6.7.2011 – 3 W 62/11, GmbHR 2011, 1209; dazu Holger Schmidt, NotBZ 2012, 161; Stuppi, notar 2012, 66; so schon OLG Zweibrücken, GmbHR 1999, 237; BayObLG, GmbHR 1996, 56; ebenso Reymann, GmbHR 2009, 176; vorsichtiger offenbar Wachter, EWiR 2011, 115, 116, der auch Satzungsermächtigung ausdrücklich für den Liquidator empfiehlt).
Anderes gilt für den konkreten Befreiungsbeschluss aufgrund einer solchen Satzungsklausel (Vgl. BayObLG, 24.10.1996 – 3Z BR 262/96, ZIP 1996, 2110) bzw. auch für die konkrete Befreiung des Geschäftsführers in der Satzung selbst (Vgl. OLG Rostock, 6.10.2003 – 3 U 188/03, NZG 2004, 288). Beide gelten nicht gleichermaßen für den Liquidator, selbst wenn dieser personengleich mit dem ehemaligen Geschäftsführer ist (OLG Hamm, 6.7.2010 – 15 Wx 281/09, GmbHR 2011, 432; dazu Wachter, EWiR 2011, 115).
Der analog § 29 BGB gerichtlich bestellte Notgeschäftsführer einer GmbH kann durch gerichtlichen Beschluss von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit werden, wenn dies im Interesse der Gesellschaft erforderlich ist und wenn die Satzung der GmbH die Befreiung des alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführers von § 181 BGB zulässt (OLG Düsseldorf, 12.11.2001 – 3 Wx 157/00, GmbHR 2002, 158, 161).
Hat eine GmbH mehrere gesamtvertretungsberechtigte Geschäftsführer, von denen nur einer nicht dem Verbot des § 181 BGB unterliegt, kann ein Verstoß gegen § 181 BGB verhindert werden, indem dem nicht von § 181 BGB betroffenen Geschäftsführer eine Ermächtigung zur Alleinvertretung erteilt wird.
Die bisherige Gesamtvertretungsmacht des ermächtigten Geschäftsführers erstarkt für den Einzelfall zur Einzelvertretungsmacht (BGH, 6.3.1975 – II ZR 80/73, BGHZ 64, 72 = NJW 1975, 1117; DNotI-Gutachten Nr. 60370 v. 12.7.2005; Altmeppen, GmbHG, § 35 Rn 96, str., vgl. Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 35 Rn 51; ablehnend MüKo-GmbHG/Stephan/Tieves, § 35 Rn 207 ff., 106 m.w.N.).
Der jetzt einzelvertretungsberechtigte Mitgeschäftsführer muss zur Durchführung des einzelnen Rechtsgeschäftes auch nicht von § 181 BGB befreit sein, da in seiner Person § 181 BGB schon tatbestandlich nicht gegeben ist (keine Personenidentität). Allerdings kann selbst der von § 181 BGB befreite Geschäftsführer nicht seinen Mitgeschäftsführer unter Befreiung von § 181 BGB ermächtigen. Dies wird bei Rechtsgeschäften relevant, bei denen der ermächtigte Mitgeschäftsführer mit sich selbst oder als Vertreter eines Dritten kontrahieren will.
(4) Geschäftsführung
Die Pflicht zur Geschäftsführung beginnt mit der Wirksamkeit der Bestellung zum Geschäftsführer. Die Geschäftsführungsbefugnis eines Geschäftsführers umfasst allgemein alle zur Verfolgung des Gesellschaftszwecks erforderlichen gewöhnlichen Maßnahmen. Sie umfasst nicht mehr die Maßnahmen, die wegen ihrer Wichtigkeit nur durch die Gesellschafter entschieden werden können.
Der Geschäftsführer kann, wenn in Satzung oder Anstellungsvertrag nichts anderes geregelt ist, grds. ohne Rücksprache mit den Gesellschaftern z.B. entscheiden über
- die laufende Geschäftsführung,
- die Umsetzung der Unternehmensziele,
- die Organisation des Unternehmens und deren Kontrolle,
- die Personalangelegenheiten und
- die Umsetzung von Beschlüssen der Gesellschafter (Zu den Formalpflichten eines Geschäftsführers s. Heckschen/Heidinger /Knaier, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, Kap. 6 Rn 6 f.).
Hinweis
Je nach Unternehmen empfiehlt es sich, durch die Satzung bestimmte Maßnahmen von der vorherigen Zustimmung der Gesellschafter abhängig zu machen, z.B. den Erwerb oder die Veräußerung von Unternehmensteilen, die Errichtung und Schließung von Zweigniederlassungen, die Aufnahme von Krediten und Erwerb, Veräußerung und Belastung von Grundstücken. Sofern Unternehmen im Wachstum betroffen sind, ist die Auslagerung dieses Katalogs zustimmungsbedürftiger Rechtsgeschäfte in eine Geschäftsordnung der Geschäftsführung geboten um das Erfordernis einer notariellen Satzungsänderung bei der sukzessiven Anpassung des Kataloges an die Unternehmensgröße zu vermeiden. |
Viele Aufgaben und Befugnisse, die an sich dem Geschäftsführer obliegen, können auch auf andere Organe der Gesellschaft, z.B. einen Beirat, übertragen werden. Grenze ist aber der Kern der Geschäftsführertätigkeit, d.h. die Vertretung der GmbH und die vom Gesetz zwingend übertragenen Aufgaben.
cc) Allgemeine Treuepflicht
Mit Übernahme der Organstellung unterliegt der Geschäftsführer – unabhängig von etwaigen Regelungen im Anstellungsvertrag – einer Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft (Ausführl. MHLS/Ziemons, GmbHG, § 43 Rn 204 ff. m.w.N.; Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn 35 ff.). Der Geschäftsführer ist verpflichtet, für die bestmögliche Verwirklichung des Gesellschaftszwecks zu sorgen. Dies beinhaltet die Pflicht zur Geheimhaltung vertraulicher Betriebsinterna und Gesellschaftsgeheimnisse sowie die Pflicht zu uneigennütziger Amtsführung, z.B. darf er keine Mitarbeiter zu Privatzwecken nutzen.
dd) Wettbewerbsverbot
Aus der allgemeinen Treuepflicht des Geschäftsführers folgt auch das Verbot, mit der Gesellschaft in Wettbewerb zu treten. Hinsichtlich der Wettbewerbsverbote ist zwischen Fremdgeschäftsführern, Alleingesellschafter-Geschäftsführern, und sonstigen Gesellschafter-Geschäftsführern zu differenzieren.
Der Verstoß gegen ein Wettbewerbsverbot kann ggf. die fristlose Kündigung des Anstellungsvertrages und die Abberufung des Geschäftsführers nach sich ziehen. Die GmbH kann auch Schadensersatz oder die Herausgabe des Gewinns aus diesen Geschäften fordern.
(1) Fremdgeschäftsführer
Der Fremdgeschäftsführer unterliegt während seiner Tätigkeit als Geschäftsführer (Das Wettbewerbsverbot besteht auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, vgl. DNotI-Dokument Nr. 13156 v. 18.11.2004) einem aus der Treuepflicht bzw. seiner Organstellung resultierenden Wettbewerbsverbot (Ausf. Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn 92 ff. sowie § 43 Rn 38 ff.; zur Geschäftschancenlehre Fleischer, NZG 2003, 985).
Der Geschäftsführer hat die Vermögensinteressen der Gesellschaft über alle anderen, vor allem seine eigenen zu stellen. Er darf im Geschäftsbereich der Gesellschaft nicht unternehmerisch tätig werden, nicht auf eigene oder fremde Rechte Geschäfte machen oder sich an im Wettbewerb mit der Gesellschaft stehenden Unternehmen beteiligen. Es ist dem Geschäftsführer untersagt, Geschäfts- oder Gewinnchancen – selbst wenn er die Kenntnis hiervon privat erlangt hat – für sich statt für die Gesellschaft zu nutzen (KG, 16.3.2010 – 14 U 45/09, GmbHR 2010, 869). Soll ein Geschäftsführer generell vom Wettbewerbsverbot befreit werden, ist nach h.M. eine Befreiung unmittelbar in der Satzung oder eine Öffnungsklausel erforderlich, die die Gesellschafter ermächtigt, den Geschäftsführer durch einfachen Beschl. v. generellen Wettbewerbsverbot zu dispensieren (MHLS/Ziemons, GmbHG, § 43 Rn 245; Scholz/Verse, GmbHG, § 43 Rn 202 m.w.N.; s.a. DNotI-Gutachten Nr. 54297 v. 18.11.2004).
Nach h.M. ist eine Befreiung für ein konkretes Geschäft auch durch einfachen Gesellschafterbeschluss möglich (Noack/Servatius/Haas/Beurskens, GmbHG, § 37 Rn 90; Scholz/Verse, GmbHG, § 43 Rn 201. Die Einzelheiten sind str., vgl. dazu ausführlich: MHLS/Ziemons, GmbHG, § 43 Rn 245 ff. Eine nur formlose Zustimmung aller Gesellschafter soll ausreichend sein nach Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn 40). Eine Befreiung ist entbehrlich, wenn den Gesellschaftern die anderweitige unternehmerische Tätigkeit des Geschäftsführers und deren beabsichtigte Fortsetzung bei dessen Bestellung bekannt ist (H.M., so Scholz/Verse, GmbHG, § 43 Rn 201; Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn 40).
Teilweise wird wegen des maßgeblichen Einflusses des Geschäftsführers auf die Gesellschaft verlangt, eine Befreiung an dieselben Voraussetzungen und damit an einen Beschluss mit satzungsändernder Mehrheit zu knüpfen, wie dies auch für Gesellschafter der Fall ist (Rudersdorf, RNotZ 2011, 509, 518 m.w.N.).
Nach Beendigung der Tätigkeit als Geschäftsführer besteht ein Wettbewerbsverbot nur, wenn es vertraglich vereinbart wird (OLG Nürnberg, 25.11.2009 – 12 U 681/09, GmbHR 2010, 141 ff.). Eine solche Vereinbarung ist nur wirksam, wenn sie einem berechtigten Interesse der Gesellschaft dient und nach Ort, Zeit und Gegenstand die Berufsausübung und wirtschaftliche Betätigung des ausgeschiedenen Geschäftsführers nicht unbillig erschwert (MünchHdbGesR III/Diekmann, § 43 Rn 76; Scholz/Verse, GmbHG, § 43 Rn 245 ff.; Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn 94 ff.).
Wettbewerbsverbote dürfen i.d.R. nicht über die Dauer von zwei Jahren hinaus vereinbart werden (BGH, 29.9.2003 – II ZR 59/02, NZG 2004, 35; für Freiberufler-Sozietät: BGH, 8.5.2000 – II ZR 308/98, NJW 2000, 2584). Sofern die Bindungsdauer überlang ist, ist die Klausel nur soweit sie diese Grenzen einhält wirksam und bzgl. des überschreitenden Teils nichtig (Vgl. BGH, 14.7.1997 – II ZR 238/96, NJW 1997, 3089).
Dem Geschäftsführer ist grds. eine angemessene Entschädigung zu gewähren, die in etwa die Hälfte seiner letzten Bezüge betragen sollte. Eine Karenzentschädigung kann aber entfallen, wenn das Wettbewerbsverbot ausschließlich in einer Kunden-/Mandantenschutzklausel besteht (MünchHdbGesR III/Diekmann, § 43 Rn 77). Anspruch auf eine Karenzentschädigung hat ein Geschäftsführer nur, wenn eine solche vereinbart worden ist (BGH, 7.7.2008 – II ZR 81/07, NZG 2008, 753. Unklar ist, ob der BGH in Rn 6 des Urteils damit auch generell nachvertragliche Wettbewerbsverbote ohne Karenzentschädigung zulassen will). Eine Anrechnung nach § 74c HGB findet nicht statt (BGH, Urt. v. 28.4.2008 – II ZR 11/07, ZIP 2008, 1379).
(2) Alleingesellschafter- und Gesellschafter-Geschäftsführer
Für Gesellschafter-Geschäftsführer ist bei Fehlen einer vertraglichen oder satzungsmäßigen Regelung ein Wettbewerbsverbot aus der Treuepflicht entsprechend §§ 60, 112, 113 HGB und § 88 AktG abzuleiten (HCL/Raiser, GmbHG, § 14 Rn 108; BeckOK-GmbHG/Ziemons/Pöschke, § 43 Rn 158). Von diesem kann in der Satzung ein Dispens erteilt werden, wobei der Betroffen aber für die entspr. Beschlussfassung gem. § 47 Abs. 4 Satz 1 GmbHG vom Stimmrecht ausgeschlossen ist (MünchHdbGesR III/Diekmann, § 43 Rn 72).
Der Alleingesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH unterliegt nach h.M. (BGH, 7.1.2008 – II ZR 314/05, NZG 2008, 187; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anh zu § 6 Rn 20; Rudersdorf, RNotZ 2011, 509, 515 m.w.N.) weder als Geschäftsführer noch als Gesellschafter einer Treuepflicht und daher auch keinem Wettbewerbsverbot, sofern nicht eine nachhaltige Gefährdung von Gläubigerinteressen oder ein existenzvernichtender Eingriff vorliegt oder der GmbH Vermögen entzogen wird, das zur Deckung des Stammkapitals erforderlich ist (MHLS/Ziemons, GmbHG, § 43 Rn 228).
f) Haftung des Geschäftsführers
aa) Haftung gegenüber der GmbH
Im Mittelpunkt der Haftung der Geschäftsführer (Ausführl. hierzu die Übersichten bei Pelz, RNotZ 2003, 415; Römermann, GmbHR-Sonderheft, 10/2008, 62) gegenüber der GmbH steht § 43 GmbHG, wonach Geschäftsführer in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns anzuwenden haben und der Gesellschaft solidarisch für den entstandenen Schaden haften, wenn sie ihre Obliegenheiten verletzen. Die Haftung gilt unabhängig vom Bestehen eines Anstellungsvertrages ab dem Zeitpunkt der Bestellung zum Geschäftsführer und erfasst somit auch sog. „Strohmann“-Geschäftsführer (OLG Frankfurt, 16.4.2008 – 1 U 136/05, GmbHR 2009, 317). Unabhängig von der wirksamen Bestellung beginnt die organschaftliche Haftung bereits mit der tatsächlichen Aufnahme des Amtes und erfasst auch faktische Geschäftsführer (OLG München, 23.1.2019 – 7 U 2822/17, GmbHR 2019, 600; Goette, Die GmbH, § 8 Rn 205 f. m.w.N.).
Die Pflichten der Geschäftsführer ergeben sich zum einen aus ihrer Organstellung, zum anderen auch aus dem Anstellungsvertrag. Als Pflichtverletzungen kommen beispielhaft in Betracht:
- Misswirtschaft (z.B. Kassenfehlbestände, zweckwidrige Verwendung von Geldern, Verjährenlassen von Forderungen der GmbH (LG Wiesbaden, 16.4.2013 – 20 W 494/11, ZIP 2013, 2060), Einrichten verdeckter („schwarzer“) Kassen (BGH, 23.4.2007 – II ZR 149/06, DStR 2007, 1358), Nichtbeitreiben von Zahlungsansprüchen gegen Gesellschafter (LG Krefeld 21.5.1999, 26 StK 197/98, NJW-RR 2000, 536), Verschwendung von Gesellschaftsvermögen (BGH, 18.6.2013 – II ZR 86/11, NZG 2013, 1021), Haftungsübernahme fremder Verbindlichkeiten (OLG Jena, 12.1.2011 – 1 Ws 352/10, GmbHR 2011, 813), auch durch Bürgschaftserklärung),
- Veräußerung der Vermögensgegenstände unter Wert (BGH, 23.4.2012 – II ZR 252/10, NZG 2012, 667),
- Überschreiten der Vertretungsmacht, wenn sie in Satzung, im Anstellungsvertrag oder per Gesellschafterbeschluss (BGH, 10.4.2006 – II ZR 337/05, NZG 2006, 626; Vedder, GmbHR 2008, 736, der zusätzlich zur Erkennbarkeit des pflichtwidrigen Vertreterhandels Vorsatz hinsichtlich der Interessenwidrigkeit seines Handels fordert) beschränkt worden ist,
- persönliche Bereicherung (z.B. Beschäftigung von Mitarbeitern zu privaten Zwecken, Privatreisen auf Geschäftskosten (OLG Hamm, 21.8.2012 – III-4 RVs 42/12, NJW-Spezial 2012, 665), Auszahlung einer überhöhten nicht vereinbarten Vergütung (BGH, 26.11.2007 – II ZR 161/06, ZIP 2008, 117), Unterlassen der Zustimmung zur Reduktion des Geschäftsführergehalts in existenzieller Krise der Gesellschaft (OLG Düsseldorf, 2.12.2011 – I-16 U 19/10, NZG 2012, 103)),
- Verletzung der Buchführungspflicht und der Pflicht zur Aufstellung und Vorlage von Jahresabschlüssen (§§ 41, 42a Abs. 1 Satz 1 GmbHG) (BGH, 12.1.2009 – II ZR 27/08, NZG 2009, 386; BGH, GmbHR 1985, 256. Die Verletzung der Buchführungspflicht gem. § 283b Abs. 1 Nr. 3 lit. a) StGB ist hingegen kein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB, da kein hinreichend bestimmbarer geschützter Personenkreis besteht, BGH, 11.12.2018 – II ZR 455/17, ZIP 2019, 462),
- Weitergabe von geheimzuhaltenden Gesellschaftsinterna (ggf. strafbar nach § 85 GmbHG),
- Auszahlung von Vermögen, das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlich war (Haftung nach § 43 Abs. 3 GmbHG) (Dem Geschäftsführer obliegt hinsichtlich der Haftungsvoraussetzungen eine sekundäre Darlegungslast, vgl. BGH, 15.12.2005 – IX ZB 135/03, ZIP 2006, 805), wobei durch den Geschäftsführer die Vollwertigkeit des Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruchs (§ 30 Abs. 1 Satz 2 GmbHG) im Leistungszeitpunkt zu prüfen ist; unterlassene Prüfung der fortbestehenden Vollwertigkeit oder unterlassene Rückforderung bei Wegfall der Vollwertigkeit begründen wiederum Haftung des Geschäftsführers (Noack/Servatius/Haas/Servatius, GmbHG, § 30 Rn 43. Ausführlich hierzu Römermann, GmbHR-Sonderheft 10/2008, 62, 67; vgl. a. Heckschen, Das MoMiG in der notariellen Praxis, Rn 745 ff.),
- Kreditgewährung aus Gesellschaftsmitteln an Geschäftsführer oder sonstige vertretungsberechtigte Dritte (§ 43a GmbHG) (BGH, 23.4.2012 – II ZR 252/10, NZG 2012, 667; Noack/Servatius/Haas/Beurskens, GmbHG, § 43a Rn 17; ausf. Fromm, GmbHR 2010, 537 ff.),
- Entscheidungen und Handlungen auf unzureichender Tatsachengrundlage (z.B. Unternehmenskauf ohne vorherige Due Diligence) (OLG Oldenburg, 22.6.2006 – 1 U 34/03, NZG 2007, 434).
Der Geschäftsführer haftet auch für Falschangaben bei der Anmeldung der GmbH, der wirtschaftlichen Neugründung (BGH, 12.7.2011 – II ZR 71/11, NZG 2011, 1066) oder einer Kapitalerhöhung (§ 9a Abs. 1 und 3, § 57 Abs. 4 GmbHG). Zu beachten ist, dass der Geschäftsführer nach § 19 Abs. 5 Satz 2 GmbHG auch Angaben hinsichtlich eines Hin- und Herzahlens oder der Vereinbarung eines Hin- und Herzahlens der Einlage machen muss (zum nunmehr erlaubten Hin- und Herzahlen s.o. Rdn 60 ff.). Dies stellt neben Vollwertigkeit und (jederzeitiger) Fälligkeit des Rückgewähranspruchs (§ 19 Abs. 5 Satz 1 GmbHG) eine weitere Voraussetzung der Erfüllungswirkung dar (BGH, 16.2.2009 – II ZR 120/07 („Qivive“), NZG 2009, 463; BGH, 20.7.2009 – II ZR 273/07 („Cash Pool II“), NZG 2009, 944; OLG Stuttgart, 6.9.2011 – 8 W 319/11, NZG 2012, 231; OLG Nürnberg, 13.10.2010 – 12 U 1528/09, ZIP 2010, 2300; OLG Koblenz, 17.3.2011 – 6 U 879/10, GmbHR 2011, 579;).
Macht der Geschäftsführer bei der Handelsregisteranmeldung diesbzgl. falsche Angaben oder versäumt er die Offenlegung, wird auch die Fiktion der freien Verfügbarkeit der Einlagen nicht unterstellt. Die Versicherung des Geschäftsführers ist dann falsch und er macht sich gem. § 82 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG strafbar. Eine Verurteilung nach dieser Strafnorm zieht auch den Ausschluss der betroffenen Person vom Amt des Geschäftsführers nach sich (S. hierzu Römermann, GmbHR-Sonderheft 10/2008, 62, 66).
Auch im Zusammenhang mit Hin- und Herzahlen im Rahmen einer Gründung oder Kapitalerhöhung muss der Geschäftsführer die Vollwertigkeit des Rückgewähranspruchs fortlaufend prüfen und bei deren Wegfall Rückforderungsansprüche geltend machen. Versäumt er dies, macht er sich seinerseits haftbar gem. § 43 Abs. 2 GmbHG.
Weiterhin haften die Geschäftsführer für den Schaden, der der GmbH durch deliktische Handlungen, z.B. Untreue, entsteht (Z.B. bei der Einreichung unrichtiger oder privat veranlasster Spesenabrechnungen: OLG München, 27.2.2013 – 7 U 4465/11, GmbHR 2013, 813).
Bei unternehmerischen Entscheidungen steht dem Geschäftsführer ein Ermessensspielraum zu. Gegenüber Schadensersatzansprüchen aus § 43 Abs. 2 GmbHG kann sich der Geschäftsführer dann entlasten, wenn sein Handeln auf einer sorgfältigen Ermittlung der Entscheidungsgrundlage beruht, d.h. er in der konkreten Entscheidungssituation alle verfügbaren Informationsquellen tatsächlicher und rechtlicher Art ausschöpft, auf dieser Grundlage die Vor- und Nachteile der bestehenden Handlungsoptionen sorgfältig abschätzt und den erkennbaren Risiken Rechnung trägt (sog. Business Judgment Rule) (BGH, 14.7.2008 – II ZR 202/07, ZIP 2008, 1675; Zur Business Judgment Rule im GmbH-Recht vgl. Lutter, ZIP 2007, 841, 848; Besonderheiten bei Gesellschafter-Geschäftsführern untersucht Kuntz, GmbHR 2008, 128).
Unzulässig ist es dagegen, sich bei der Ermessensausübung alleine auf das Urteil eines Dritten zu verlassen. So kann die Geschäftsleitung ihre unternehmerischen Entscheidungen bei der Wertpapieranlage nicht allein auf Grundlage externer Ratings treffen, wenn diese vom Emittenten vergütet werden (OLG Düsseldorf, 9.12.2009 – I-6 W 45/09, NZG 2010, 306). Überschritten ist der Ermessensspielraum jedenfalls, wenn die Mittel der Gesellschaft für gesellschaftsfremde oder eigennützige Zwecke verwendet werden (OLG Brandenburg, 17.2.2010 – 7 U 82/09, BeckRS 2010, 20227).
Bei einem mehrköpfigen Geschäftsführungsorgan haften die einzelnen Geschäftsführer zusammen mit dem seine Ressortpflichten verletzenden Geschäftsführer als Gesamtschuldner. Da sich die Pflichten des für das Ressort unzuständigen Geschäftsführers auf die Überwachung des ressortzuständigen Mitgeschäftsführers beschränken, haftet letzterer im Innenverhältnis allein (Leuering/Dornhegge, NZG 2010, 13, 16; MHLS/Ziemons, GmbHG, § 43 Rn 374 ff., 380; Scholz/Verse, GmbHG, § 43 Rn 345. Zu den Anforderungen an eine wirksame Ressortaufteilung BGH, 6.11.2018 – II ZR 11/17, ZIP 2019, 261).
Ausgeschlossen ist die Haftung des Geschäftsführers, wenn die schädigende Maßnahme in Übereinstimmung mit dem Gesetz und der Satzung auf einem Beschluss der Gesellschafter beruht (Keine Haftung bei Weisung der Gesellschafter: BGH, 26.10.2009 – II ZR 222/08, ZIP 2009, 2335). Dies ist Folge der den Geschäftsführern gem. § 37 GmbHG obliegenden Pflicht zur Befolgung der Weisungen der Gesellschafter. Pflichtwidrig durch den Geschäftsführer veranlasste Weisungen oder Weisungen aufgrund nichtiger Beschlüsse darf ein Geschäftsführer hingegen nicht ausführen. Die Haftung wird auch ausgeschlossen, soweit die Gesellschafter den Geschäftsführer gem. § 46 Nr. 5 GmbHG entlastet haben (Altmeppen, GmbHG, § 46 Rn 55 ff. m.w.N.).
Die Pflichtverletzung muss vorsätzlich oder fahrlässig erfolgen. Maßstab ist die von einem ordentlichen Geschäftsmann objektiv zu erwartende Sorgfalt, nicht die von dem jeweiligen Geschäftsführer gezeigte Sorgfalt (MHLS/Ziemons, GmbHG, § 43 Rn 411 ff. Zu den Verhaltensmaßstäben vgl. Schneider/Schneider, GmbHR 2005, 1229; zur Haftung im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes (Wettbewerbsverstöße, Verletzungen gewerblicher Schutzrechte Dritter) Keller, GmbHR 2005, 1235).
Persönliche Eigenschaften wie Alter, Unerfahrenheit, Unfähigkeit oder Unkenntnis des Geschäftsführers bleiben daher außer Betracht. Art und Größe, wirtschaftliche Situation und Zweck des Unternehmens sowie Bedeutung der Geschäftsführungsmaßnahme und der besonderen Aufgabe des einzelnen Geschäftsführers sind allerdings zu berücksichtigen.
Der Geschäftsführer kann sich zu seiner Entlastung nicht auf ein Mitverschulden eines weiteren Mitgeschäftsführers berufen (BGH, 26.11.2007 – II ZR 161/06, ZIP 2008, 117; MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn 315).
Der gesetzliche Pflichtenkatalog und Sorgfaltsmaßstab kann – bis auf den Fall des § 43 Abs. 3 GmbHG – in Satzung oder Anstellungsvertrag herabgesetzt werden (BGH, 7.4.2003 – II ZR 193/02, GmbHR 2003, 712; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, § 43 Rn 60 ff. (66)). Nicht möglich ist es aber generell, im Voraus die Haftung wegen Vorsatzes zu erlassen oder deren Verjährung zu erleichtern (§§ 276 Abs. 3, 202 Abs. 1 BGB). Zulässig ist z.B. der Haftungsausschluss für leichte Fahrlässigkeit.
Die Gesellschafter können dem Geschäftsführer alle erkennbaren Schadensersatzansprüche für Fehler in einen bestimmten Zeitraum (sog. Entlastung, § 46 Nr. 5 GmbHG) oder sämtliche erkannten und unerkannten Ansprüche der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer (sog. Generalbereinigung) erlassen (Musterformulierungen bei Fröhlich/Schelp, GmbH-StB 2008, 54).
Den Gesellschaftern steht bei der Entlastung ein weiter Ermessensspielraum zu; Einschränkungen können sich aber aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht ergeben (Dies ist dann der Fall, wenn keine andere Entscheidung als die Versagung denkbar und die Entlastung missbräuchlich ist, BGH, 4.5.2009 – II ZR 169/09, ZIP 2009, 2195). Lediglich im Fall des § 43 Abs. 3 Satz 1 GmbHG ist nach § 43 Abs. 3 Satz 2 GmbHG ein Verzicht der Gesellschaft ausgeschlossen (BGH, 18.2.2008 – II ZR 62/07, ZIP 2008, 736).
Der Schadensersatzanspruch nach § 43 GmbHG verjährt in fünf Jahren ab der Entstehung des Anspruchs. Auf die Kenntnis der Gesellschafter von den anspruchsbegründenden Tatsachen kommt es (entgegen § 199 Abs. 1 BGB) nach dem BGH nicht an (BGH, 21.2.2005 – II ZR 112/03, DStR 2005, 659).
Hinweis
In der Praxis ist der Abschluss von sog. D&O-Versicherungen (Directors & Officers Liability Insurances) für Geschäftsführer üblich geworden, die zu einem gewissen Grad das Haftungsrisiko abfangen (Ausführl. MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn 467 ff. m.w.N. Zur Reichweite der D&O-Versicherung OLG Düsseldorf, 20.7.2018 – I-4 U 93/16, ZIP 2018, 1542 (keine Deckung von Ansprüchen aus § 64 GmbHG)). |
bb) Haftung gegenüber den Gesellschaftern
Eine unmittelbare Haftung des (Fremd-)Geschäftsführers der GmbH gegenüber deren Gesellschaftern besteht im Grundsatz nicht (S. nur BGH, 25.1.2022 – II ZR 50/20). Der Geschäftsführer haftet den Gesellschaftern für die Auszahlung von Gesellschaftsvermögen, das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlich war (dazu u. Rdn 454 ff.), unter den weiteren Voraussetzungen der §§ 30 Abs. 1, 31 Abs. 3 und Abs. 6 GmbHG (Ausführlich hierzu Römermann, GmbHR-Sonderheft 10/2008, 62, 67 f.), sowie wegen fehlerhafter Führung der Gesellschafterliste (§ 40 Abs. 3 GmbHG).
Jenseits dessen besteht eine Pflichten- und Haftungskonzentration des Geschäftsführers auf die Gesellschaft. Eine unmittelbare Haftung gegenüber den Gesellschaftern kommt daher nur bei Bestehen einer eigenständigen (vor-)vertraglichen Beziehung zwischen Geschäftsführer und Gesellschaftern (Etwa im Falle eines (beabsichtigten) Management-Buyout, vgl. MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43, Rn 418 m.w.N.; oder aufgrund der bestehenden gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht des Gesellschafter-Geschäftsführers gegenüber seinen Mitgesellschaftern, BGH, 8.11.2022 – II ZR 91/21) oder aus Delikt in Betracht.
Dabei stellt das Mitgliedschaftsrecht des Gesellschafters zwar ein sonstiges Recht i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB dar; inwieweit hieraus allerdings lediglich ein Schutz vor Eingriffen von Außen, oder aber auch ein verbandsinterner Schutz resultiert, ist umstritten (HCL/Paefgen, GmbHG, § 43 Rn 318 f.; MHLS/Ziemons, GmbHG, § 43 Rn 577 ff., jew. m.w.N.). Weiterhin kommt eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. einem Schutzgesetz in Betracht (S. HCL/Paefgen, GmbHG, § 43 Rn 321 ff.; MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn 420; MHLS/Ziemons, GmbHG, § 43 Rn 587 ff. f.S. HCL/Paefgen, GmbHG, § 43 Rn 321 ff.; MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn 420; MHLS/Ziemons, GmbHG, § 43 Rn 587 ff. f.). § 43 Abs. 1 GmbHG scheidet dabei allerdings nach h.M. als Schutzgesetz aus (Noack/Servatius/Haas/Beurskens, GmbHG, § 43 Rn 131; HCL/Paefgen, GmbHG, § 43 Rn 327 f.).
cc) Haftung gegenüber Dritten
Eine Haftung gegenüber Dritten besteht nach den allgemeinen zivilrechtlichen Regeln, so insb. bei deliktischem Verhalten (§§ 823 Abs. 1, 2 i.V.m. BGB einem Schutzgesetz, z.B. § 263 StGB, § 826 BGB). Problematisch kann im Rahmen von § 826 BGB sein, ob der Vorwurf der Sittenwidrigkeit auch in Bezug auf Schäden von Gesellschaftsgläubigern zutrifft. Dies ist nicht der Fall, wenn die Sittenwidrigkeit auf eine Verletzung der Treuepflicht aus § 43 Abs. 1 GmbHG gestützt werden soll, da diese nur gegenüber der Gesellschaft besteht (BGH, 7.5.2019 – VI ZR 512/17, ZIP 2019, 1549).
Der Geschäftsführer haftet gegenüber denjenigen, deren Beteiligung sich geändert hat und gegenüber den Gläubigern auch für den Schaden, der ihnen durch die unrichtige, verspätete oder unterlassene Einreichung der Gesellschafterliste entstanden ist (§ 40 Abs. 3 GmbHG).
Eine Haftung für Verschulden bei Vertragsverhandlungen (§§ 311 Abs. 2 und 3, 280 BGB) besteht nur ausnahmsweise bei wirtschaftlichem Eigeninteresse oder Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens, was eine besondere Interessenlage oder besondere Offenbarungspflichten voraussetzt.
Gegenüber dem Sozialversicherungsträger haftet der Geschäftsführer persönlich für vorsätzlich nicht abgeführte fällige Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266a StGB) (Zur Haftung, wenn die GmbH nicht über die nötigen Zahlungsmittel verfügt vgl. BGH, 25.9.2006 – II ZR 108/05, ZIP 2006, 2127). Möglich ist auch eine Haftung der Geschäftsführer bei Vorliegen eines existenzvernichtenden Eingriffs (BGH, 23.4.2012 – II ZR 252/10, NZG 2012, 667; dazu Rdn 336 ff.).
dd) Insbesondere: Haftung in der Insolvenz
Gläubigern der Gesellschaft haftet der Geschäftsführer, wenn er nicht rechtzeitig den Insolvenzantrag stellt und diese daraufhin einen Schaden erleiden, z.B. weil sie mit der insolventen GmbH einen Vertrag schließen, den die GmbH nicht mehr erfüllen kann (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a Abs. 1 InsO, ggf. strafbar nach § 15a Abs. 4, 5 InsO) oder der Geschäftsführer an den Vertragsverhandlungen beteiligt ist, aber nicht auf die (drohende) Insolvenz hinweist (culpa in contrahendo, §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB (Ausführl. MüKo-InsO/Klöhn, § 15a Rn 284 ff.; Heckschen/Heidinger/Heckschen/Weitbrecht, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, Kap. 19 Rn 41 ff.)). Nach h.M. genügt für eine Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a Abs. 1, 3 InsO bereits das (einfach) fahrlässige Unterlassen der Insolvenzantragstellung (MüKo-InsO/Klöhn, § 15a Rn 171 m.w.N.).
Bei objektiver Versäumung der Insolvenzantragspflicht wird ein Verschulden vermutet. Den Geschäftsführer bzw. Gesellschafter trifft dann die Darlegungs- und Beweislast für eine nicht schuldhafte Verletzung der Insolvenzantragspflicht (Beispiele für die erfolgreiche Widerlegung der Vermutung sind BGH, 5.2.2007 – II ZR 234/05, ZIP 2007, 676; dazu Haas/Reiche, EWiR 2007, 305 sowie für eine Konzern-/Cash-Pool-Situation OLG München, 28.11.2007 – 7 U 5444/05, GmbHR 2008, 320, i.E. zust. Klein, EWiR 2008, 275).
Fehlt dem Geschäftsführer bzw. Gesellschafter die eigene Sachkunde zur Feststellung der Insolvenzreife, muss er sich unter umfassender Darstellung der Verhältnisse und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einem sachkundigen, für die zu klärenden Fragestellungen fachlich qualifizierten Berufsträger beraten lassen und die Ergebnisse der Beratung auf Plausibilität kontrollieren (BGH, 14.5.2007 – II ZR 48/06, ZIP 2007, 1265; dazu Henkel/Mock, EWiR 2007, 495. Zu den Anforderungen an die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit vgl. BGH, 19.12.2017 – II ZR 88/16, ZIP 2018, 283.).
Daneben muss er nach der Auftragserteilung für die sofortige Bearbeitung und Prüfung sorgen und auf die umgehende Vorlage des Prüfungsergebnisses hinwirken (BGH, 27.3.2012 – II ZR 171/10, NZG 2012, 672). Das Gutachten des externen Sachverständigen muss er auf Plausibilität und Sorgfältigkeit (Nennung von Quellen und Rspr.; Widerspruch zu branchenüblichen Ansichten) überprüfen. Die Rspr. stellt hier Anforderungen, die selbst für juristisch vorgebildete Geschäftsführer nur schwer zu erfüllen sind. In diesem Zusammenhang kann der mit der Gesellschaft geschlossene Beratungsvertrag, welcher die Prüfung einer möglichen Insolvenzreife der Gesellschaft zum Gegenstand hat, ausnahmsweise auch drittschützende Wirkung zugunsten des Geschäftsführers und der Gesellschafter entfalten (Vgl. BGH, 14.6.2012 – IX ZR 145/11, NZG 2012, 866; nicht jedoch im Rahmen eines Dauermandats über die allgemeine steuerliche Beratung: BGH, 7.3.2013 – IX ZR 64/12, BeckRS 2013, 06838).
Die verspätete Stellung des Insolvenzantrags kann auch zu einer Haftung wegen sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB führen (BGH, 18.12.2007 – VI ZR 231/06, BGHZ 175, 58 = ZIP 2008, 361 (Anspruch der BfA aus Insolvenzgeld); demgegenüber aber LG Stuttgart, 13.6.2008 – 15 O 228/07, ZIP 2008, 1428.; Vgl. a. OLG Saarbrücken, 21.11.2006 – 4 U 49/06–16, ZIP 2007, 328; dazu Blank, EWiR 2007, 367). Ein Geschäftsführer haftet jedoch auch, wenn er pflichtwidrig (zu früh) Insolvenzantrag stellt (OLG München, 21.3.2013 – 23 U 3344/12, ZIP 2013, 1121). Denn allein die drohende Zahlungsunfähigkeit löst noch keine unverzüglich zu erfüllende Insolvenzantragspflicht nach § 15a InsO aus, sondern gibt lediglich ein Recht zur Antragstellung (auch noch keine Haftung aus Insolvenzverschleppung). In diesem Stadium bedarf die Insolvenzantragstellung eines zustimmenden Gesellschafterbeschlusses (OLG München, 21.3.2013 – 23 U 3344/12, ZIP 2013, 1121).
Weitere Haftungsrisiken drohen dem Geschäftsführer, wenn er Sozialversicherungsbeiträge nicht begleicht (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266a StGB). Zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen ist er verpflichtet, wenn der Zeitraum zur Prüfung der Insolvenzreife abgeschlossen ist und nach wie vor Insolvenzgründe vorliegen, aber kein Insolvenzantrag gestellt wurde (BGH, 2.6.2008 – II ZR 27/07, ZIP 2008, 1275. Zahlungen in Erfüllung dieser öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen stehen in Einklang mit § 64 Satz 2 GmbHG – ein Ersatzanspruch der Gesellschaft scheidet insoweit aus, BGH, 14.5.2007 – II ZR 48/06, GmbHR 2007, 757 m. Anm. Schröder). Da es sich hierbei um eine öffentlich-rechtliche Pflicht handelt, bleibt der Geschäftsführer unabhängig von einer internen Zuständigkeitsverteilung oder Delegation auf andere Personen verantwortlich; ggf. muss er die anderen Geschäftsführer überwachen, um die Pflichtenerfüllung sicherzustellen.
Hinsichtlich der Schadensberechnung ist zwischen vertraglichen Neu- und Altgläubigern zu unterscheiden. Altgläubiger bekommen nur den sog. Quotenschaden ersetzt, während Neugläubiger das gesamte negative Interesse ersetzt verlangen können (Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 15a Rn 39 ff. m.w.N.). In letzterem Fall ist umstritten, ob der auf Ersatz des negativen Interesses gerichtete Anspruch über den Kontrahierungsschaden hinaus auch auf gesetzliche Schuldverhältnisse zu erstrecken ist (Offen gelassen bei BGH, 7.7.2003 – II ZR 241/02, NZG 2003, 923 m.w.N. Durch die Insolvenzverschleppung begünstigte Schäden, die durch Dritte verursacht wurden, sind nicht von der Ersatzpflicht umfasst, BGH, 21.10.2014 – II ZR 113/13, ZIP 2015, 304).
Ob jemand Alt- oder Neugläubiger ist, entscheidet der Vertragsschluss mit der Gesellschaft – nach Bestehen der Insolvenzantragspflicht spricht man von Neugläubigern, vor Bestehen der Insolvenzantragspflich spricht man von Altgläubigern. Bei Dauerschuldverhältnissen ist zu differenzieren und auf den Zeitabschnitt abzustellen, für den die jeweilige Forderung entstanden ist (BGH, 5.2.2007 – II ZR 234/05; Haas, DStR, 2003, 423, 427 f.).
Der Schadenersatzanspruch verjährt gem. § 195 BGB nach drei Jahren; anders als früher diskutiert, findet § 43 Abs. 4 GmbH insoweit keine analoge Anwendung (BGH, 15.3.2011 – II ZR 204/09; BeckOK-InsR/Wolfer, § 15a InsO Rn 35).
Des Weiteren besteht eine Haftung der Geschäftsführer gegenüber der GmbH für Zahlungen bei Insolvenzreife (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) der Gesellschaft (§ 15b Abs. 4 Satz 1 InsO; dieser hat mit Wirkung zum 1.1.2021 als rechtsformneutrale Regelung den bisherigen § 64 GmbHG abgelöst) (SanInsFoG v. 22.12.2020, BGBl I 2020, S. 3256. Heckschen/Heidinger/Heckschen/Weitbrecht, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, Kap. 19 Rn 63 ff. Für Zahlungen bis zum 31.12.2020 findet weiter die Altvorschrift Anwendung.).
Der Begriff der Zahlungen ist weit auzulegen und umfasst sämtliche Schmälerungen des zur Gläubigerbefriedigung zur Verfügung stehenden Gesellschaftsvermögens. Privilegiert sind Zahlungen, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind (§ 15b Abs. 1 Satz 2 InsO). Hierzu zählen zur Aufrechterhaltung des des Geschäftsbetriebs dienende Zahlungen, sowie ab Antragstellung mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters vorgenommene Zahlungen (§ 15b Abs. 2 InsO).
Im Stadium der Insolvenzverschleppung greift die Privilegierung regelmäßig nicht (§ 15b Abs. 3 InsO). Den Konflikt zwischen insolvenzrechtlichem Zahlungsverbot einerseits und öffentlich-rechtlichen Zahlungsgeboten andererseits adressiert § 15b Abs. 8 InsO. Die Zwangslage des Geschäftsführers, der sich einerseits einer persönlichen Haftung für Zahlungen in der Insolvenz, andererseits bußgeld- oder strafbewehrten Zahlungspflichten gegenüber dem Fiskus und Sozialversicherungsträgern ausgesetzt sah, hat der BGH 2007 dahingehend aufgelöst, dass er die Erfüllung jener Zahlungspflichten als mit der Sorgfalt des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar erklärte und die Erstattungspflicht ablehnte (BGH, 14.5.2007 – II ZR 48/06, GmbHR 2007, 757 m. Anm. Schröder).
Für steuerrechtliche Zahlungspflichten regelt § 15b Abs. 8 Satz 1 InsO jetzt den Vorrang der Massesicherung. Für die strafbewehrte (§ 266a StGB) Pflicht des Arbeitgebers zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen nahliegende Parallelregelung ist im Ergebnis nicht erfolgt, sodass die Pflichtenkollision insoweit weiter fortbesteht. Ob diese durch eine analoge Anwendung von § 15b Abs. 8 Satz 1 InsO aufgelöst werden kann, ist umstritten (Befürwortend: Altmeppen, ZIP 2021, 2413, 2414; MHLS/Hölzle InsO § 15b Rn 64; a.A.: AG Ludwigshafen, 12.12.2022 – 3a IN 389/22 Lu, ZIP 2023, 486; K. Schmidt InsO/K. Schmidt/Herchen InsO § 15b Rn 28;).
In Ermangelung einer höchstrichterlichen Entscheidung hierzu, ist dem vorsichtigen Geschäftsführer zu raten, der früheren Praxis des „Zahlens und Anfechtens“ zu folgen, d.h. die sozialversicherungsrechtlichen Zahlungspflichten zu erfüllen und den Zahlungsempfänger bösgläubig zu machen, worauf der Verwalter nach Insolvenzeröffnung die entsprechende Zahlung anficht.
g) Beendigung der Geschäftsführertätigkeit
aa) Amtsniederlegung und Abberufung
(1) Amtsniederlegung
Der Geschäftsführer kann jederzeit und fristlos sein Amt niederlegen. Die Amtsniederlegung des Geschäftsführers erfolgt durch formfreie empfangsbedürftige Erklärung (Altmeppen, GmbHG, § 38 Rn 76; MHLS/Terlau, GmbHG, § 38 Rn 85). Sie wird erst mit Zugang der Erklärung gegenüber dem Bestellungsorgan, also der Gesellschafterversammlung, wirksam, wobei die Erklärung gegenüber einem einzigen Gesellschafter für die Wirksamkeit der Amtsniederlegung ausreicht (BGH, 8.2.1993 – II ZR 58/92, BGHZ 121, 257, 260; BGH, 17.9.2001 – II ZR 378/99, ZIP 2001, 2227; MHLS/Terlau, GmbHG, § 38 Rn 85.; a.A. aber Scholz/U. Schneider/S. Schneider, GmbHG, § 38 Rn 91 (Erklärung gegenüber nur einem Gesellschafter bei größerem Gesellschafterkreis nicht ausreichend)). Die gem. § 39 Abs. 2 GmbHG zur Anmeldung zum Handelsregister einzureichenden Unterlagen über die Niederlegung und deren Zugang bei den Gesellschaftern können auch originär elektronisch (bspw. mittels Signaturlösungen wie DocuSign) erstellt worden sein (KG, 30.6.2022 – 22 W 36/22).
Bei einer Zweimann-GmbH reicht die Erklärung des Gesellschafter-Geschäftsführers gegenüber sich selbst als Gesellschafter nicht aus, da eine ggf. erteilte Befreiung von § 181 BGB sich nicht auf die hier betroffene Gesellschafterstellung, sondern nur auf die Tätigkeit als Geschäftsführer bezieht (OLG Frankfurt am Main, 19.7.2006 – 20 W 229/06, ZIP 2006, 1769). Anderen Geschäftsführern gegenüber kann die Amtsniederlegung nicht erklärt werden (OLG Düsseldorf, 3.6.2005 – I-3 Wx 118/05, MittBayNot 2006, 166).
Für die Amtsniederlegung eines Geschäftsführers bedarf es grds. keines wichtigen Grundes (Noack/Servatius/Haas/Beurskens, GmbHG, § 38 Rn 74 m.w.N.). Der Zugang der Amtsniederlegungserklärung bei dem zuständigen Organ ist gegenüber dem Registergericht in der Form des § 39 Abs. 2 GmbHG nachzuweisen (OLG Jena, 29.7.2010 – 6 W 91/10, NJW-RR 2011, 42; Zugang im Ausland: BGH, 21.6.2011 – II ZB 15/10, ZIP 2011,
1562).
Mit dem durch das FüPoG II (Gesetz zur Ergänzung und Änderung der Regelungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in Führungspositionen der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst v. 7.8.2021, BGBl I 2021, S. 3311) neu geschaffenen § 38 Abs. 3 GmbHG wurde nun das Recht des Geschäftsführers geschaffen, aus bestimmten Gründen, nämlich Mutterschutz, Elternzeit, Pflege eines Familienangehörigen oder Krankheit, eine Mandatspause einzulegen (Ausführl. Heckschen/Heidinger/Knaier, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, Kap. 6 Rn 240 ff.; MHLS/Terlau GmbHG § 38 Rn 95 ff.).
Rechtstechnisch erfolgt dies durch Widerruf der Bestellung auf Ersuchen des Geschäftsführers, verbunden mit der Zusicherung einer Neubestellung nach Ablauf der Fristen gem. § 38 Abs. 3 Satz 2 GmbHG. Der Anspruch gem. § 38 Abs. 3 Satz 1 GmbHG besteht nur, wenn mindestens ein weiterer Geschäftsführer bestellt ist. Der (vorübergehende) Widerruf befreit den Geschäftsführer von den Haftungsrisiken in einer Lebensphase in der er seinen Organpflichten nicht mehr erfüllen kann. Das Anstellungsverhältnis und die daraus folgenden Pflichten bleiben unberührt.
Vor Einführung der Regelungen zur Führungslosigkeit der GmbH in § 35 Abs. 1 Satz 2 GmbHG und § 15a InsO wurde die Amtsniederlegung des einzigen Geschäftsführers und zugleich Allein-Gesellschafters regelmäßig dann als rechtsmissbräuchlich und damit nach außen unwirksam angesehen, wenn nicht zugleich ein neuer Geschäftsführer bestellt wurde oder kein wichtiger Grund für eine Amtsniederlegung gegeben war. Gleiches galt, wenn sich der Alleingesellschafter-Geschäftsführer selbst abberief (OLG Zweibrücken, 15.2.2006 – 3 W 209/05, ZIP 2006, 950; BayObLG, 15.6.1999 – 3Z BR 35/99, BayObLGZ 1999, 171 ff.; OLG Düsseldorf, 6.12.2000 – 3 Wx 393/00, NotBZ 2001, 186; offengelassen noch in BGH, 8.2.1993 – II ZR 58/92, BGHZ 121, 257, 262).
Die in § 35 Abs. 1 Satz 2 GmbHG und § 15a InsO enthaltenen Ersatzzuständigkeiten der Gesellschafter setzen eine Führungslosigkeit – deren Entstehen die vorgenannte Auffassung verhindern sollte – gerade voraus, weshalb die besseren Argumente gegen die Annahme einer körperschaftsrechtlichen Unwirksamkeit der Amtsniederlegung in diesen Fällen sprechen (Vgl. Altmeppen, GmbHG, § 38 Rn 81; Noack/Servatius/Haas/Beurskens, GmbHG, § 38 Rn 77; MüKo-GmbHG/Stephan/Tieves, § 38 Rn 67; MHLS/Terlau, GmbHG, § 38 Rn 84, jew. m.w.N.).
Gleichwohl halten Rspr. und Teile der Lit. jedenfalls für den Fall des (Allein-)Gesellschafter-Geschäftsführers an der bisherigen Auffassung fest (Vgl. OLG Bamberg, 17.7.2017 – 5 W 51/17; OLG Düsseldorf, 10.6.2015 – 25 Wx 18/15 sowie für den Fall der parallelen Niederlegung durch beide Gesellschafter-Geschäftsführer: OLG Nürnberg, 12.5.2021 – 15 W 502/21. Ebenso HCL/ Paefgen, GmbHG, § 38, Rn 273 f.; Scholz/U. Schneider/S. Schneider, GmbHG, § 38 Rn 90a. S. hierzu auch Heckschen/ Heidinger/Knaier, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, Kap. 6 Rn 203 ff. m.w.N.).
(2) Abberufung
Die Abberufung, durch die die Organstellung des Geschäftsführers beendet wird, ist von der Beendigung des Anstellungsvertrages zu unterscheiden. Gem. § 38 Abs. 1 GmbHG ist die Abberufung von Geschäftsführern in einer nicht mitbestimmten GmbH (Für mitbestimmte GmbH gilt gem. § 31 MitBestG zwingend § 84 AktG; vgl. Noack/Servatius/Haas/Beurskens, GmbHG, § 38 Rn 22) grds. zu jeder Zeit möglich und bedarf keines Grundes (Bayer/Illhardt, GmbHR 2011, 751, 752; zur Abberufung und außerordentlichen Kündigung des Geschäftsführers auch:
Freund, GmbHR 2010, 117 ff.).
Der Gesellschaftsvertrag kann die freie Abberufbarkeit einschränken, auch durch nur konkludente Regelung, z.B. Bestellung auf Lebenszeit oder für die Dauer der Gesellschaft. So kann die Abberufbarkeit nur bei Vorliegen wichtiger Gründe (Zum Vorliegen eines wichtigen Grundes: OLG Stuttgart, 13.5.2013 – 14 U 12/13, GmbHR 2013, 803; LG Berlin, 10.12.2012 – 99 O 118/11, NZG 2013, 500; dazu Juretzek, GWR 2013, 160.) zugelassen werden, aber auch auf sachliche Gründe beschränkt werden. Bei Gesellschafter-Geschäftsführern kann sich ausnahmsweise aus der Treuebindung der Gesellschafter eine Einschränkung der freien Abberufbarkeit ergeben.
Ihre Abberufung bedarf daher regelmäßig eines sachlichen Grundes, der jedoch nicht so hohe Anforderungen wie ein „wichtiger Grund“ erfüllen muss (OLG Zweibrücken, 5.5.2003 – 4 U 117/02, GmbHR 2003, 1206; das OLG Brandenburg (Urt. v. 30.1.2008 – 7 U 59/07) lässt sogar bei fehlender Satzungsregelung die Abberufung eines Mitgeschäftsführers durch einfachen Mehrheitsbeschluss ohne das Vorliegen von Gründen zu).
Einschränkungen der freien Abberufbarkeit können sich aus bestehenden Treuebindungen ergeben, auch wenn die Satzung dies nicht ausdrücklich vorsieht (Zur Abberufung und Kündigung von Geschäftsführern vgl. a. Reiserer/Peters, DB 2008, 167). Das Brandenburgische OLG (OLG Brandenburg, 30.1.2008 – 7 U 59/07, BeckRS 2008, 06648: zum Fall des wechselseitigen Vorwurfs gesellschaftswidrigen Verhaltens; zum Wert des diesbezüglichen Streitwertes in der nachfolgenden Nichtzulassungsbeschwerde: BGH, 2.3.2009 – II ZR 59/08, GmbHR 2009, 995.) lässt bei fehlender Satzungsregelung die Abberufung eines (Mit-)Geschäftsführers durch einfachen Mehrheitsbeschluss sogar ohne Vorliegen von Gründen zu, da es sich bei der Geschäftsführerstellung nicht um ein relativ unentziehbares – also nur mit Zustimmung entziehbares – Mitgliedschaftsrecht handelt.
Anders könnte nach Ansicht des OLG die Rechtslage allenfalls bei einer Zweipersonen-Gesellschaft wegen strengerer Anforderungen an die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht zu beurteilen sein (Verweis auf BGH, 29.11.1993 – II ZR 61/93, DStR 1994, 214; zur Abberufung eines Geschäftsführers aus wichtigem Grund wegen unheilbaren Zerwürfnisses mit einem Mitgeschäftsführer bei einer Zwei-Personen-GmbH: BGH, 12.1.2009 – II ZR 27/08, NZG 2009, 386). Können die für die Eintragung erforderlichen Feststellungen im Registerverfahren nicht getroffen werden, kann das Registergericht das Eintragungsverfahren bei Streit über die Abberufung eines Gesellschafter-Geschäftsführers in einer Zwei-Personen-Gesellschaft aussetzen, bis die Gesellschafter das Erlöschen der Vertretungsbefugnis des vermeintlich abberufenen Geschäftsführers durch ein Prozessgericht haben klären lassen (OLG München, 18.8.2011 – 31 Wx 300/11, GmbHR 2011, 1102; MüKo-GmbHG/Stephan/Tieves, § 39 Rn 47).
Einen nur wegen Fehlern im Abstimmungsverfahren anfechtbaren, aber nicht nichtigen Abberufungsbeschluss muss das Registergericht demgegenüber eintragen (OLG Stuttgart, 25.10.2011 – 8 W 387/11, NZG 2011, 1301).
Nach wie vor ungeklärt ist, inwieweit aus der „Danosa“-Entscheidung des EuGH Einschränkungen der freien Abberufbarkeit schwangerer Geschäftsführerinnen folgen (EuGH, 11.11.2010 – C-232/09 („Danosa“), NJW 2011, 2343. Nach einer Ansicht folgen wegen der Trennung von Anstellungsverhältnis und Organstellung keine Auswirkungen auf die letztere und deren Beendigung: Altmeppen, GmbHG, § 38, Rn 32; Noack/Servatius/Haas/Beurskens, GmbHG, § 38 Rn 26. Nach der Gegenansicht erfasst die Mutterschutz-RL (92/85/EWG) auch die Organstellung, weshalb die freie Abberufbarkeit eingeschränkt sei. BeckOK-GmbHG/Heilmeier, § 38, Rn 39 f. geht folglich vom Vorliegen einer Begründungspflicht und der Notwendigkeit eines sachlichen Grundes für die Abberufung aus; ebenso: MüKo-GmbHG/Stephan/Tieves GmbHG § 38 Rn 16).
Die Abberufung erfolgt, wenn nicht die Satzung eine abweichende Regelung enthält, durch Beschluss der Gesellschafterversammlung, bei dem der abzuberufende Geschäftsführer mitstimmen darf, wenn er auch Gesellschafter ist. Anders ist dies nur, wenn – wie bei einer Abberufung aus wichtigem Grund – sein Stimmrecht ausgeschlossen ist (bspw. nach § 47 Abs. 4 GmbHG) (BGH, 4.4.2017 – II ZR 77/16, ZIP 2017, 1014). So hat z.B. ein Mitgesellschafter, der an der Pflichtverletzung, die den Ausschlussgrund herbeigeführt hat, mitgewirkt hat, kein Stimmrecht (OLG Frankfurt am Main, 25.4.2007 – 6 U 947/05, ZIP 2007, 1319). Der Beschluss muss dem Geschäftsführer, wenn er bei der Beschlussfassung nicht anwesend ist, bekannt gegeben werden.
Mit Blick auf die Zulässigkeit einstweiligen Rechtsschutzes eines GmbH-Geschäftsführers gegen seine Abberufung ist zu differenzieren. Wird die Nichtigkeit des Abberufungsbeschlusses geltend gemacht, hat jedenfalls der Gesellschafter-Geschäftsführer ein Rechtsschutzinteresse. Der Fremdgeschäftsführer kann gegen den Abberufungsbeschluss im Rahmen des Eilrechtsschutzes dann vorgehen, wenn abweichend vom Gesetz vereinbart wurde, dass er nur aus wichtigem Grund und nicht durch einen einfachen Beschluss abberufen werden darf. Die Nichtigkeit des Abberufungsbeschlusses ist glaubhaft zu machen (Zum Meinungsstand s. Altmeppen, GmbHG, § 38 Rn 69 ff.; MüKo-GmbHG/Stephan/Tieves GmbHG § 38 Rn 77 ff.; MHLS/Terlau, GmbHG, § 38 Rn 78; sehr ausführlich zum einstweiligen Rechtsschutz: Leinekugel, GmbhR 2023, 1233).
Das OLG Hamm lehnte einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung eines Fremdgeschäftsführers gegen seine Abberufung ab, da dieser schon allein deshalb unbegründet sei, weil der Verfügungskläger nicht selbst Gesellschafter und als Fremdgeschäftsführer jederzeit abrufbar (§ 38 GmbHG) sei. Er besitze keine vorläufigen Interessen, die durch einstweiligen Rechtsschutz zu schützen wären (OLG Hamm, 17.9.2001 – 8 U 126/01, GmbHR 2002, 327, 328).
(3) Eintreten von Inhabilitätsgründen (§ 6 Abs. 2 GmbHG)
Auch der nachträgliche Eintritt von Ausschlussgründen für Geschäftsführer gem. § 6 Abs. 2 GmbHG (hierzu bereits o. Rdn 244) führt zu einem Erlöschen der Organstellung von Amts wegen, sodass eine Abberufung obsolet ist (Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn 25; MHLS/Tebben/Kämper, GmbHG, § 6 Rn 89, jew. m.w.N.).
(4) Probleme des Registervollzuges
Die Niederlegungserklärung wird ohne Rücksicht auf die Gründe der Niederlegung sofort mit Zugang wirksam. Sie vollzieht sich außerhalb des Registers, ist gem. § 39 Abs. 1 GmbHG jedoch zur Eintragung anzumelden. Die Eintragung hat also folglich nur deklaratorische Wirkung (Scholz/U. Schneider/S. Schneider, GmbHG, § 38 Rn 91). Die Amtsbeendigung eines GmbH-Geschäftsführers ist gem. § 39 Abs. 1 GmbHG auch dann in das Handelsregister einzutragen, wenn die Geschäftsführer-Bestellung nicht in das Handelsregister voreingetragen worden ist (KG, 23.12.2011 – 25 W 51/11, GmbHR 2012, 518; MüKo-GmbHG/Stephan/Tieves, § 39 Rn 15 ff.). Die Anmeldebefugnis des Niederlegenden endet mit seinem Ausscheiden aus dem Amt. Besteht Gesamtvertretungsbefugnis, ist noch die Anmeldung durch den weiteren Geschäftsführer erforderlich (BayObLG, 17.9.2003 – 3Z BR 183/03, ZIP 2003, 2361).
Hinweis
Hat der Geschäftsführer sein Amt mit sofortiger Wirkung niedergelegt, ist er selbst nicht mehr anmeldebefugt; dies gilt auch dann, wenn kein weiterer Anmeldeberechtigter mehr vorhanden ist (H.M., z.B. OLG Bamberg, 26.6.2012 – 1 W 29/12, NZG 2012, 1106; OLG Frankfurt am Main, 19.7.2006 – 20 W 229/06, GmbHR 2006, 1151; MüKo-GmbHG/Stephan/Tieves, § 39 Rn 26; Noack/Servatius/Haas/Beurskens, GmbHG, § 39 Rn 11; a.A. für Anmeldebefugnis des abberufenen Alleingeschäftsführers in engem zeitlichem Zusammenhang mit der Amtsniederlegung erfolgt: Altmeppen, GmbHG, § 39 Rn 9). Der Geschäftsführer hat es selbst in der Hand, diese Situation zu vermeiden, indem er sein Amt erst (aufschiebend bedingt) mit Wirkung der entspr. Registereintragung niedergelegt hat (Die Zulässigkeit bestätigend: OLG Hamm, 25.1.2013 – 27 W 12/13, BeckRS 2013, 06545; vgl. zu einem solchen Fall schon OLG Frankfurt am Main, 31.5.1983 – 20 W 120/83, DB 1983, 1971; OLG Frankfurt am Main, 19.7.2006 – 20 W 229/06, ZIP 2006, 1769, BeckRS 2006, 10391 m.w.N.; OLG Zweibrücken, 30.6.1996 – 3 W 130/98, GmbHR 1999, 479, BeckRS 1998, 31343509 Rn 3). |
Um den Interessen des ausscheidenden Geschäftsführers an möglichst schneller Wirksamkeit der Amtsniederlegung gerecht zu werden, kann die Beendigung der Organstellung auch an den Zugang der entsprechenden Handelsregisteranmeldung beim Registergericht gekoppelt werden (Bärwaldt, GmbHR 2001, 290).
Nach Auff. des OLG Hamm (OLG Hamm, 23.2.2012 – I-27 W 175/11, GmbHR 2012, 903) genügt auch eine Handelsregistervollmacht, durch den mit sofortiger Wirkung abberufenen Geschäftsführer. Denn diese stellt eine Vollmacht der Gesellschaft dar und wirkt damit unabhängig von einer Veränderung in der personellen Zusammensetzung ihrer Vertretungsorgane (hier Abberufung des Geschäftsführers) fort. Die Gesellschaft kann sich, da die Anmeldung nach § 39 GmbHG keine höchstpersönliche Pflicht der Geschäftsführer ist, auch durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen, § 378 Abs. 1 FamFG (Zur Anmeldung der Abberufung durch den vom Komplementär der Alleingesellschafterin einer GmbH: BGH, 20.10.2008 – II ZR 107/07, NZG 2009, 30).
Nicht ausreichend ist jedoch eine Prokura und Handlungsvollmacht (OLG Düsseldorf, 16.3.2012 – I-3 Wx 296/11, NZG 2012, 1223; dazu Renaud, GmbHR 2012, 1128). Denn die Anmeldung des Ausscheidens eines GmbH-Geschäftsführers ist nicht lediglich ein Geschäft des „laufenden Betriebs“, sondern betrifft mit Rücksicht auf die dem Geschäftsführer zukommende Organstellung und die damit einhergehende umfassende Vertretungsbefugnis die Grundlagen des kaufmännischen Unternehmens.
Auch in der Insolvenz der GmbH bleibt der Geschäftsführer aus §§ 39, 78 GmbHG berechtigt und verpflichtet, die Abberufung und Neubestellung von Geschäftsführern zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (OLG Köln, 11.7.2001 – 2 Wx 13/01, ZIP 2001, 1553). Das Amt des Geschäftsführers besteht über die Insolvenzeröffnung hinaus fort (KG, 26.4.2012 – 25 W 103/11, ZIP 2012, 1352).
Weder der Insolvenzverwalter noch der vorläufige Insolvenzverwalter sind berechtigt und verpflichtet die Abberufung und Neubestellung von Geschäftsführern zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden.
Der Anmeldung sind die Urkunden über die Beendigung des Vertretungsverhältnisses (hier also die Amtsniederlegungserklärung) in Urschrift oder öffentlich beglaubigter Abschrift beizufügen (§ 39 Abs. 2 GmbHG). Eine eidesstattliche Versicherung nach § 31 Abs. 1 FamFG reicht nicht aus (OLG Frankfurt am Main, 19.7.2006 – 20 W 229/06, ZIP 2006, 1769). Der Umfang der Prüfungspflicht des Registergerichtes in diesem Zusammenhang ist sehr umstritten (Vgl. dazu ausführlich Wachter, GmbHR 2001, 1129). Z.T. wird vertreten, dem Registergericht obliege ein umfassendes materielles Prüfungsrecht und eine Prüfungspflicht hinsichtlich der Ordnungsmäßigkeit der Änderung in den Personen der Geschäftsführer sowie der Beendigung der Vertretungsbefugnis (OLG Köln, 4.5.1988 – 2 Wx 6/88, GmbHR 1989, 125).
Die wohl herrschende Ansicht in der Lit. und OLG-Rspr. geht jedoch davon aus, dass keine solche umfassende Prüfungspflicht des Registergerichtes und damit auch kein solches Prüfungsrecht existiert (Ausführlich mit Nachweisen zur Rspr. Heckschen/Heidinger/Knaier, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, Kap. 6 Rn 219 ff.). Die Pflicht des Registergerichts zur Amtsermittlung besteht nur, wenn die formalen Mindestanforderungen einer Eintragung nicht erfüllt sind oder begründete Zweifel an der Wirksamkeit der zur Eintragung angemeldeten Erklärungen oder an der Richtigkeit der mitgeteilten Tatsachen bestehen (BGH, 21.6.2011 – II ZB 15/10, ZIP 2011, 1562).
bb) Beendigung des Anstellungsvertrages
Die Beendigung des Anstellungsvertrages (BeckOK-GmbHG/Wisskirchen/Zoglowek GmbHG § 6 Rn 143 ff.) kann durch Zeitablauf bei Abschluss eines befristeten Vertrages, durch ordentliche oder außerordentliche Kündigung oder durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrages (Zur Gestaltung von Aufhebungsverträgen mit GmbH-Geschäftsführern vgl. Lohr, ZNotP 2004, 82) erfolgen. Die Fristen für die ordentliche Kündigung ergeben sich aus § 621 BGB, wenn nicht andere Kündigungsfristen vereinbart wurden (BAG, 11.6.2020 – 2 AZR 374/19, GmbHR 2020, 1070). Das Kündigungsschutzgesetz ist nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG nicht anwendbar.
Die Beendigung der Organstellung (Abberufung) hat nicht automatisch eine Beendigung auch des Anstellungsvertrages zur Folge. Häufig wird jedoch der Anstellungsvertrag unter die auflösende Bedingung gestellt, dass er mit Beendigung der Organstellung endet (sog. Koppelungsklausel) (Zur Zulässigkeit: OLG Saarbrücken, 8.5.2013 – 1 U 154/12–43, ZIP 2013, 1821; BGH, 21.6.1999 – II ZR 27/98, NZG 1999, 1215).
Die Abberufung kann selbstverständlich zusammen mit der Kündigung erklärt werden und führt dann gleichzeitig zur Beendigung des Anstellungsvertrages, wenn die Kündigung fristlos möglich war.
Die ordentliche Kündigung der GmbH gegenüber dem Geschäftsführer erfolgt durch das für die Anstellung zuständige Organ, d.h. regelmäßig die Gesellschafterversammlung. Die ordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages eines wirksam abberufenen Geschäftsführers bedarf keiner Rechtfertigung (Ausnahme: außerordentliche Kündigung bedarf der Rechtfertigung, z.B. schweres Zerwürfnis unter Geschäftsführern: OLG München, 22.7.2010 – 23 U 4147/09, DB 2010, 2162); sie ist vom Geschäftsführer hinzunehmen, auch wenn sie Ziele verfolgt, die gegenüber einem normalen Arbeitnehmer von den ArbG nicht hingenommen würden (BGH, 3.11.2003 – II ZR 158/01, DStR 2003, 2174 m. Anm. Goette).
h) Fehlerhafte Organstellung/faktischer Geschäftsführer
Fehlt es an einer wirksamen Bestellung liegen Fälle des fehlerhaft bestellten Geschäftsführers oder des faktischen Geschäftsführers vor. Die Abgrenzung zwischen beiden Fallgruppen ist nicht abschließend geklärt; im Grundsatz wird darauf abgestellt, ob überhaupt ein förmlicher Bestellungsakt vorliegt. Ist die Bestellung zum Geschäftsführer unwirksam oder nichtig, liegt ein fehlerhaft bestellter Geschäftsführer vor, während erst das völlige Fehlen eines förmlichen Bestellungsakts die Fallgruppe der faktischen Geschäftsführung eröffnet (Vgl. Noack/Servatius/Haas/Beurskens GmbHG § 6 Rn 75 ff.-83; MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn 272 ff.; Gehrlein, GmbHR 2022, 1124 ff.).
Die Einordnung von an Inhabilitätsgründen scheiternden Bestellungen ist umstritten (UHL/Paefgen, GmbHG, § 6 Rn 43 ff., 45: dann faktischer Geschäftsführer; i.E. ebenso Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Vor § 35 Rn 9). In Ermangelung jeglichen Bestellungsakts setzt die Annahme eines faktischen Geschäftsführers weiterhin voraus, dass der Handelnde die Geschicke der GmbH – über die interne Einwirkung auf die satzungsmäßige Geschäftsführung hinaus – durch das eigene Handeln nach außen, das die Tätigkeit des rechtlichen Geschäftsführungsorgans nachhaltig prägt, maßgeblich in die Hand genommen hat (BGH, 11.7.2005 – II ZR 235/03, ZIP 2005, 1550. Im Einzelnen umstr.; ausführl. MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43
Rn 272 ff.; Gehrlein, GmbHR 2022, 1124 ff.).
Für den fehlerhaft bestellten Geschäftsführer finden im Grundsatz nach h.M. im Zeitraum von der Aufnahme der Geschäftsführertätigkeit bis zur Geltendmachung des Bestellungsmangels die Grundsätze über die fehlerhafte Organstellung Anwendung. Die Gesellschaft wird aufgrund seiner Handlungen ebenso berechtigt und verpflichtet, als ob ein wirksam bestellter Geschäftsführer gehandelt hätte, während der fehlerhaft bestellte Geschäftsführer selbst den Pflichten und Verantwortlichkeiten eines wirksam bestellten Geschäftsführers unterliegt (Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Vor § 35 Rn 8).
Liegen die – im Detail umstrittenen – Voraussetzungen der faktischen Geschäftsführung vor, haftet der Handelnde gleich einem wirksam bestellten Geschäftsführer (OLG Celle, 6.5.2015 – 9 U 173/14, ZWH 2017, 171; Noack/Servatius/Haas/Beurskens, GmbHG, § 43 Rn 5; MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn 295; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 43 Rn 2 ff.; jew. m.w.N.). Im Einzelnen uneinheitlich wird beurteilt, inwieweit seine Handlungen die Gesellschaft berechtigen und verpflichten (Gegen eine organschaftliche Vertretung und für Anwendung der allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätze: Noack/Servatius/Haas/Beurskens, GmbHG, § 6 Rn 76; MHLS/Lenz, GmbHG, § 35 Rn 28).
Eine Insolvenzantragspflicht des faktischen Geschäftsführers nach § 15a InsO wird allgemein bejaht (dazu Rdn 526). Der faktische Geschäftsführer haftet auch für die Nichtabführung von Lohnsteuer nach §§ 34, 69 AO (FG Hamburg, 29.3.2017 – 3 K 183/15, EFG 2017, 1225; FG Köln, 12.9.2005 – 8 K 5677/01, ZIP 2006, 470; dazu Kahlert, EWiR 2006, 293).
Das Fehlen einer formalen Organstellung schützt den faktischen Geschäftsführer nicht vor einer Verfolgung wegen geschäftsführertypischer Sonderdelikte, wie etwa Insolvenzverschleppung (§ 15a Abs. 4 InsO) oder Bankrottdelikten (§§ 283 ff. StGB) (BGH, 18.12.2014 – 4 StR 323/14, 4 StR 324/14, GmbHR 2015, 191; BGH, 15.11.2012 – 3 StR 199/12, NZG 2013, 397. Überblick m.w.N. bei MüKo-StGB/Radtke, § 14 Rn 119 ff., 120 sowie Matt/Renzikowski/Schröder/Bergmann, StGB, § 14 Rn 76 ff.).
Ein Auszug aus dem Buch Wachter/Heckschen (Hrsg.) Praxis des Handels- und Gesellschaftsrechts, 6. Auflage, 2024, §10 Rn 242-284