Beitrag

Vorsicht Falle: Pflicht zur elektronischen Übermittlung seit dem 1.1.2022 (§ 32d StPO)

I.

Grundlagen

Durch das Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5.7.2017 (BGBl I, 2208, hierzu Kassebohm, StraFo 2017, 393) hat der Gesetzgeber durch Einführung der §§ 32 ff. StPO die Grundlagen für die elektronische Akte und die elektronische Kommunikation im Strafverfahren gelegt. Hierdurch sollte der technische Fortschritt nachvollzogen und die Strafjustiz modernisiert sowie eine Angleichung an die übrigen Gerichtsbarkeiten geschaffen werden (BT-Drucks 18/9416, S. 1). Auf längere Sicht sollte zudem das ressourcenfeindliche Nebeneinander von Papierakte und elektronischer Akte beseitigt werden (Radke, in: Ory/Weth, juris-PK-ERV Bd. 4, Stand 17.12.2021, § 32d StPO Rn 5; allg. zur Strafakte im Zeitalter ihrer digitalen Reproduzierbarkeit Growe/Gutfleisch, NStZ 2020, 633). Während die meisten neuen Vorschriften am Tag nach der Verkündung oder zum 1.1.2018 in Kraft getreten sind, ist der für die elektronische Kommunikation von Verteidigern und Rechtsanwälten einschlägige § 32d StPO erst zum 1.1.2022 wirksam geworden. Dadurch sollte ein Gleichlauf mit den Parallelvorschriften § 130d ZPO, § 14b FamFG, § 46g VwGO, § 65d ArbGG und § 52d FGO hergestellt werden, die ebenfalls erst ab dem 1.1.2022 eine verbindliche Nutzungspflicht regeln (BT-Drucks 18/9416, S. 81; allg. zur Pflicht zur elektronischen Kommunikation mit den Gerichten Siegmund, NJW 2021, 3617). Das sollte dem Adressatenkreis die Gelegenheit geben, die erforderlichen Einrichtungen anzuschaffen und sich und ihr Personal mit deren Nutzung hinreichend vertraut zu machen. Dies gilt auch für das besondere elektronische Anwaltspostfach als Kommunikationsmittel (§ 31a Abs. 6 BRAO). Hier werden die Grundsätze und Rechtsfolgen des § 32d StPO näher erläutert.

Hinweis

Naturgemäß gibt es bislang keine einschlägige Rechtsprechung und nur eher allgemein gehaltene Literatur zu dieser Vorschrift. Für den Bereich der in der Vorschrift genannten bestimmenden Schriftsätze ist wegen der zwingenden Wirkung und der erheblichen Folgen bei Verstößen aber alsbald mit Gerichtsentscheidungen zu der Norm zu rechnen.

II.

Normadressaten

1. Absender

Die Pflicht zur elektronischen Übermittlung in § 32d StPO trifft Verteidiger und Rechtsanwälte. Der Begriff des Verteidigers umfasst zum einen die in § 138 StPO genannten Wahlverteidiger (Rechtsanwälte, Rechtslehrer, sonstige mit Genehmigung des Gerichts gewählte Personen) und bestellte Pflichtverteidiger. Der Beschuldigte sowie der nicht vertretenen Nebenkläger und sonstige Verfahrensbeteiligten sind zur elektronischen Einreichung von Dokumenten nicht verpflichtet, um den Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG zu wahren. Die Pflicht für Justizbehörden, die elektronische Kommunikation zu nutzen, ergibt sich bereits aus § 32b Abs. 3 StPO (BT-Drucks 18/9416, S. 51).

2. Empfänger

Die Vorschrift erfasst als Empfänger Gerichte und Strafverfolgungsbehörden. Neben der Staatsanwaltschaft umfasst das bei Steuerstraftaten auch die Finanzbehörde (Hauptzollamt, Finanzamt, Bundesamt für Finanzen und Familienkasse), soweit diese im Ermittlungsverfahren Aufgaben der Staatsanwaltschaft übernehmen (§§ 386 Abs. 2, 399 Abs. 1 AO). Nicht erfasst sind Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft (§ 152 Abs. 1 GVG), also insbesondere Polizeibehörden.

Hinweis

Im Ordnungswidrigkeitenverfahren gilt § 32d StPO über die Verweisungsvorschrift des § 110c OWiG ebenfalls, ob auch für den Einspruch nach § 67 OWiG ist umstritten.

III.

Elektronisch einzureichende Dokumente

§ 32d StPO differenziert zwischen zwei Arten von elektronisch einzureichenden Dokumenten. S. 2 nennt bestimmte Dokumente mit Verfahrenserklärungen, bei denen eine Nutzungspflicht zwingend ist mit der Folge, dass ein Verstoß dagegen die entsprechende Verfahrenshandlung unwirksam bzw. verfristet sein lässt. Sonstige Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen sollen nach S. 1 als elektronisches Dokument übermittelt werden. Eine strenge Nutzungspflicht wird danach nur für solche schriftlichen Erklärungen statuiert, bei denen ausgeschlossen ist, dass sie in einer besonders eilbedürftigen Situation, in der zudem die für eine elektronische Kommunikation erforderliche Infrastruktur fehlen kann (etwa in einem Verhandlung- oder Haftprüfungstermin), abzugeben sind (BT-Drucks 18/9416, S. 50).

1. Nutzungszwang

Auch wenn sie nicht als solche bezeichnet werden, umfasst nach S. 2 der Nutzungszwang ausgewählte bestimmende Schriftsätze:

  • die schriftliche Einlegung und Begründung von Berufung und Revision (§§ 314 Abs. 1, 317, 341 Abs. 1 und 344 StPO),

  • Gegenerklärungen (§ 347 Abs. 1 S. 2 StPO),

  • die Privatklage (§ 381 StPO) und

  • die Anschlusserklärung bei der Nebenklage (§ 396 StPO).

Die Pflicht zur elektronischen Einreichung betrifft nur schriftlich abgegebene Erklärungen. Die Möglichkeit, sie mündlich zu Protokoll der Geschäftsstelle abzugeben, wird durch § 32d StPO nicht eingeschränkt (BT-Drucks 18/9416, S. 51). Die Aufzählung ist abschließend. Das ergibt sich zum einen aus der Tatsache, dass das Gesetz die einzelnen Erklärungen nennt, ohne einen Zusatz hinzuzufügen wie „insbesondere“ oder „etwa“. Dies entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, der den Benutzungszwang abschließend auf die aufgeführten Erklärungen beschränken wollte (BT-Drucks 18/9416, S. 50; zur analogen Anwendung des § 130a ZPO auf andere bestimmende Schriftsätze Leuering, NJW 2019, 2739, 2740). Andere bestimmende Schriftsätze unterfallen daher nicht dem Benutzungszwang nach S. 2, sondern lediglich der Regelpflicht nach S. 1 der Vorschrift. Das betrifft praxisrelevant etwa

  • den Einspruch gegen den Strafbefehl,

  • die Einlegung und Begründung der Beschwerde und sofortigen Beschwerde.

2. Regelpflicht

Sonstige Schriftsätze, deren Anlagen, schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen sollen auf elektronischem Weg eingereicht werden. Es handelt sich mithin um eine Regelpflicht, von der nur in Ausnahmefällen abgesehen werden kann. Sonstige Verfahrenserklärungen, insbesondere Einlassungen, Anträge zum Verfahren oder Beschwerden sollen im Strafverfahren auch weiterhin durch handschriftliche Erklärung möglich bleiben, die der Verteidiger jederzeit auch ohne technische Hilfsmittel vornehmen können muss (BT-Drucks 18/9416, S. 51). Solche nicht elektronisch eingereichten Erklärungen sind dann vom Gericht oder der Staatsanwaltschaft gemäß § 32e Abs. 1 StPO in die elektronische Form umzuwandeln.

Hinweis

Weitergehende Verpflichtungen zur elektronischen Einreichung können unabhängig von § 32d StPO auch durch allgemeine Verwaltungsvorschriften (RiStBV, Verfügung oder Dienstanweisung) begründet werden, wobei deren Verletzung keine Auswirkung auf die Wirksamkeit der Erklärung hat (BT-Drucks 18/9416, S. 51).

3. Mediendateien als Beweismittel

Bilddateien sind im Format PDF, ggf. TIF zu übermitteln (§ 2 Abs. 1 ERVV, s.u. IV.). Audio- und Videodateien fallen nicht unter die von § 32d S. 1 StPO als elektronische Dokumente erfassten Objekte (Schriftsätze, deren Anlage, schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen). Die Gesetzesbegründung definiert den Begriff des elektronischen Dokuments als „jegliche Form von elektronischer Information (z.B. Text-, Tabellen-, Bilddatei), die ein Schriftstück bzw. eine körperliche Urkunde ersetzen soll und grundsätzlich zur Wiedergabe in verkörperter Form (z.B. durch Ausdruck) geeignet ist“ (BT-Drucks 18/9416, S. 45). Reine Audio- und Videodateien sowie sonstige Informationen, die nicht zur Wiedergabe in verkörperter Form geeignet sind, sind hiernach keine elektronischen Dokumente. Ihre Übermittlung ist aber wie bisher – etwa als Anlage zu elektronisch eingereichten Dokumenten – ebenfalls über die vom Gericht vorgehaltenen Kommunikationswege beziehungsweise auf einem Datenträger möglich (Radke, in: Ory/Weth, § 32a StPO Rn 9). Ein Nutzungszwang oder auch nur eine Regelpflicht besteht insoweit aber nicht.

IV.

Art und Weise der elektronischen Kommunikation

Die Vorgaben für die Art und Weise der elektronischen Kommunikation mit Gerichten und Strafverfolgungsbehörden ergeben sich aus § 32a StPO. § 32a Abs. 4 StPO nennt mehrere sichere Übermittlungswege. Insbesondere das dort in Nr. 2 genannte besondere elektronische Anwaltspostfach nach § 31a BRAO (beA) ist für Verteidiger und Rechtsanwälte das Mittel der Wahl (hierzu näher Leuering, NJW 2019, 2739; zum Zivilprozess Jungbauer, DAR 2022, 52; zur früheren Rechtslage BGH NJW 2021, 390). Das elektronische Dokument selbst muss für die Bearbeitung durch die Strafverfolgungsbehörde oder das Gericht geeignet sein (§ 32a Abs. 2 StPO). Die Einzelheiten regelt die Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung vom 24.11.2017 (ERVV, BGBl I, S. 3803), die über deren § 1 Abs. 1 S. 2 auch im Strafverfahren gilt. § 2 Abs. 1 ERVV schreibt vor, dass das elektronische Dokument im Dateiformat PDF zu übermitteln ist. Wenn bildliche Darstellungen in diesem Format nicht verlustfrei wiedergegeben werden können, darf zusätzlich im Dateiformat TIF übermittelt werden. Das PDF-Dokument muss bearbeitbar und druckbar sein und weiteren Vorgaben zum Dateinamen sowie sonstigen technischen Umständen genügen sowie nach § 32a Abs. 3 StPO mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sein (Einzelheiten bei Mardorf, JM 2022, 2 bei juris; Siegmund, NJW 2021, 3617, 3619; Beukelmann/Brökers, in: Müller/Schlothauer/Knauer, Münchner Anwaltshandbuch Strafverteidigung, 6. Aufl. 2022, Rn 148 ff.).

V.

Folgen von Verstößen

Soweit nach § 32d S. 1 StPO kein Benutzungszwang, sondern lediglich eine Regelpflicht zur Nutzung elektronischer Kommunikationswege besteht, bleibt ein Verstoß gegen diese Vorgaben ohne Rechtsfolge. Die Einhaltung der Pflicht zur Einreichung elektronischer Dokumente nach S. 2 ist eine Form- und Wirksamkeitsvoraussetzung der jeweiligen Prozesshandlung. Ihre Nichteinhaltung führt daher zur Unwirksamkeit der Erklärung (BT-Drucks 18/9416, S. 51).

VI.

Heilung von Verstößen

1. Ersatzeinreichung in Papierform

Nach § 32d S. 3 StPO ist die Übermittlung in Papierform zulässig, wenn eine elektronische Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist. Grund für eine in diesem Bereich zulässige Übermittlung in Papierform oder durch Telefax kann etwa ein Serverausfall sein. Insofern ist es ohne Belang, ob die Ursache für die vorübergehende technische Unmöglichkeit in der Sphäre des Gerichts oder des Einreichenden liegt. Auch ein vorübergehender Ausfall der technischen Einrichtungen des Rechtsanwalts oder des Verteidigers soll den Verfahrensbeteiligten nicht zum Nachteil gereichen (BT-Drucks 18/9416, S. 51). Durch die Merkmale „aus technischen Gründen“ und „vorübergehend“ wird aber deutlich, dass die Einreichenden nicht von der Pflicht entbunden werden, die notwendigen technischen Einrichtungen für die Übermittlung elektronischer Dokumente vorzuhalten und bei technischen Ausfällen unverzüglich für Abhilfe zu sorgen. Nach § 32d S. 4 StPO ist in solchen Fällen die vorübergehende Unmöglichkeit bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen und auf Aufforderung ein elektronisches Dokument nachzureichen. Regelfall ist hiernach, dass die Glaubhaftmachung gleichzeitig mit der Ersatzeinreichung in Papierform erfolgen soll. Allerdings sind Situationen denkbar, bei denen der Verteidiger erst kurz vor Fristablauf feststellt, dass eine elektronische Übermittlung nicht möglich ist, und bis zum Fristablauf keine Zeit mehr verbleibt, die Unmöglichkeit darzutun und glaubhaft zu machen. In solchen Fällen ist die Glaubhaftmachung unverzüglich (also ohne schuldhaftes Zögern) nachzuholen (BT-Drucks 18/9416, S. 51). Eine Glaubhaftmachung, die erst 14 Tage nach der Störung erfolgt, soll nicht mehr unverzüglich sein (AG Lübeck NZA-RR 2021, 89 m. Anm. Oltmanns zu § 46g ArbGG). Die unspezifische Behauptung, „technische Probleme“ hätten eine rechtzeitige Übermittlung verhindert, genügt für eine Glaubhaftmachung nicht (LAG Kiel AnwBl Online 2021, 723). Bislang nicht geklärt ist die Frage, ob ein professioneller Einreicher verschiedene sichere Übermittlungswege (§ 32a Abs. 4 StPO) vorhalten muss, um im Fall einer technischen Störung eines Übermittlungswegs die ordnungsgemäße elektronische Übermittlung sicherzustellen (näher Radke, in: Ory/Weth, § 32d StPO Rn 13.3; Siegmund, NJW 2021, 3617, 3618).

Hinweis

Verteidiger und Rechtsanwälte, bei denen solche Situationen gehäuft zeitnah auftreten, müssen damit rechnen, dass ihren Glaubhaftmachungen kein Glaube geschenkt wird.

2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Daneben besteht die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß §§ 44 ff. StPO für den Beschuldigten oder Nebenkläger. Das kommt insbesondere bei Versäumnissen des Verteidigers in Betracht (BT-Drucks 18/9416, S. 51), wenn dessen Versäumnis dem Mandanten nicht zuzurechnen ist (BeckOK-StPO/Valerius, Stand 1.10.2021, § 32d StPO Rn 4). Hier kommt dem Beschuldigten zugute, dass ihm grundsätzlich ein Verschulden des Verteidigers nicht zuzurechnen ist. Anderes kann nur bei einem offensichtlichen Auswahlverschulden oder einem Mitverschulden des Beschuldigten gelten, wenn er untätig bleibt, obwohl ihm die Unzuverlässigkeit des Verteidigers bekannt ist, oder er die Fristversäumung durch den Verteidiger voraussehen kann (näher Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 10. Aufl. 2022, Rn 4048 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl. 2021, § 44 Rn 18; beide m. Nw.). Anders hingegen beim Nebenkläger und Privatkläger: Insofern gilt der allgemeine Verfahrensgrundsatz des § 85 Abs. 2 ZPO, wonach das Verschulden des Bevollmächtigten dem Verschulden der Partei gleichsteht (Meyer-Goßner/Schmitt, § 44 Rn 19). Hiernach wird der Hauptanwendungsbereich der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vor allem bei einem Versäumnis des Verteidigers liegen. Das Verhältnis und die Abgrenzung der Ersatzeinreichung nach § 32d StPO zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist bislang unklar. Insofern bleibt abzuwarten, wie die Rechtsprechung dies einordnen wird (zu § 130a ZPO Siegmund, NJW 2021, 3617, 3618).

3. Fehlende Eignung des eingereichten Dokuments

Ist das eingereichte elektronische Dokument für die Bearbeitung nicht geeignet, ist dies dem Absender unter Hinweis auf die Unwirksamkeit des Eingangs unverzüglich mitzuteilen (§ 32a Abs. 6 S. 1 StPO). Das elektronische Dokument gilt ab dem Zeitpunkt der früheren Einreichung als eingegangen, sofern der Absender es unverzüglich in einer zur Bearbeitung geeigneten Form nachreicht und glaubhaft macht, dass es mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimmt (§ 32a Abs. 6 S. 2 StPO). Dies berücksichtigt die Rechtsprechung des BVerfG (NJW 2005, 814), wonach Anforderungen des formellen Rechts den Zugang zu den Gerichten nicht unverhältnismäßig erschweren dürfen. Wird ein formeller Fehler unverzüglich korrigiert, darf dies zu keinem Rechtsverlust führen. Wenn die Vorgaben missachtet werden und die Einreichung nicht in zulässiger Form nachgeholt wird, ist die entsprechende Prozesshandlung unzulässig, wenn zuvor der Hinweis auf die fehlende Eignung zu Bearbeitbarkeit erfolgt und nicht angemessen darauf reagiert worden ist (Siegmund, NJW 2019, 3617, 3619). Das Gesetz sieht keine mehrfache Hinweispflicht vor („unverzüglich“; BAG NJW 2020, 1694). Wird ein Formatfehler allerdings erst nach längerer Zeit bemerkt und hat das Gericht bis zur Entdeckung inhaltlich dennoch mit dem Dokument gearbeitet, so wird der nun entdeckte technische Fehler die Einschätzung des Dokuments als zur Bearbeitung ungeeignet nicht tragen (Radke, in: Ory/Weth, § 32a StPO Rn 19 ff. m. Nw.). Wird durch Übermittlung einer De-Mail ohne Absenderbestätigung Revision eingelegt, scheidet eine „Heilung“ des Formmangels durch Ausdrucken des elektronischen Dokuments jedenfalls dann aus, wenn es sich lediglich um eine Textdatei in Systemschrift und nicht um das Abbild eines eingescannten und im Original unterzeichneten Schriftsatzes handelt (OLG Düsseldorf NJW 20220, 1452). Besteht der Grund für die fehlende Bearbeitbarkeit auf Seiten der Justiz oder ist dort wegen einer der Justiz zuzurechnenden technischen Störung keine Kommunikation möglich, so besteht wegen einer darauf beruhenden Fristversäumung ein Wiedereinsetzungsgrund (Meyer-Goßner/Köhler, § 32a Rn 8). Inhaltliche Mängel oder das Fehlen der erforderlichen Signatur fallen nicht unter diese Vorschrift (Meyer-Goßner/Köhler, § 32a Rn 9; Jungbauer DAR 2022, 52, 55).

VII.

Ausblick

Angesichts des massiven, mit der Einführung der jedenfalls teils zwingenden elektronischen Kommunikation verbundenen Ausbaus der IT-Infrastruktur bei allen Beteiligten ist die Frist von vier Jahren bis zur Einführung des § 32a StPO recht knapp bemessen. Die Bedienerfreundlichkeit des beA ist nicht sonderlich hoch (Beukelmann/Brökers, in: Müller/Schlothauer/Knauer, Rn 152). Die Einlegung eines Rechtsmittels wird damit für Verteidiger und Rechtsanwälte zu einer technischen Meisterleistung (Beukelmann/Brökers, a.a.O., Rn 155). Erst vor wenigen Tagen erhielt ich einen mehrseitigen Schriftsatz des Verteidigers mit der Einlassung des Beschuldigten per beA. Dem Ausdruck fehlte bei mehreren Wörtern der erste Buchstabe, obwohl mir seitens der Kanzlei die Vollständigkeit bei Absendung versichert wurde, was auch durch einen nachgereichten Ausdruck bestätigt wurde. Für eine durchaus sinnvolle Übergangsfrist, in der die Gerichte Verstöße gegen den Nutzungszwang konziliant behandeln, lässt das Gesetz leider keinen Raum. Auch Gerichte tun sich im Umgang mit dem beA hier und da noch schwer (etwa OLG Frankfurt NJW 2021, 1109 = DAR 2021, 275 = VRR 4/2021, 19 [Burhoff] zu einem Entbindungsantrag nach § 73 Abs. 1 OWiG). Zudem ist die Justiz nicht gerade bekannt dafür, technische Neuerungen schnell, reibungslos und funktionstüchtig umzusetzen. Es bleibt daher abzuwarten, wie sich die Umsetzung der elektronischen Kommunikation darstellen wird und welche Vorgaben die Obergerichte zu § 32d StPO machen werden.

Richter am Amtsgericht Dr. Axel Deutscher, Bochum

Diesen Beitrag teilen

Facebook
Twitter
WhatsApp
LinkedIn
E-Mail

Unser KI-Spezial

Erfahren Sie hier mehr über Künstliche Intelligenz – u.a. moderne Chatbots und KI-basierte…