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Aktenversendungspauschale für die Übersendung des Ausdrucks einer digitalen Akte

§ 107 Abs. 5 OWiG ist dahingehend auszulegen, dass die Aktenversendungspauschale für einen Ausdruck einer eigentlich digital geführten Akte nur dann anfällt, wenn der Antragsteller dieses – nämlich den Ausdruck – besonders beantragt hat.

(Leitsatz des Gerichts)

AG Verden (Aller), Beschl. v. 5.7.2021 – 9b OWi 245 Js 25572/21 (290/21)

I. Sachverhalt

Elektronisch geführte Akte

Gegen die Betroffene erging am 2.2.2021 ein Bußgeldbescheid wegen einer ihr vorgeworfenen Ordnungswidrigkeit. Mit Schreiben vom 5.2.2021 zeigte der Verteidiger die Verteidigung der Betroffenen an, legte Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ein und beantragte Akteneinsicht „auf dem Wege des EGVP/beA bzw. über das Akteneinsichtsportal des Bundes und der Länder“. Die Verwaltungsbehörde übersandte dem Verteidiger einen Ausdruck der Akte und erhob hierfür gem. § 107 Abs. 5 S. 1 OWiG eine Aktenversendungspauschale in Höhe von 12,00 EUR.

Mehrfach Ausdruck übersandt

Gegen die Erhebung der Aktenversendungspauschale verwahrte sich der Verteidiger und beantragte zugleich gerichtliche Entscheidung. Daraufhin übersandte die Verwaltungsbehörde dem Verteidiger die „digital signierte Akte erneut zur Akteneinsicht“ (wiederum als Ausdruck) und hielt an der Geltendmachung der Aktenversendungspauschale fest. Nach erneuter Beanstandung durch den Verteidiger sandte die Verwaltungsbehörde ihm die Seiten 13 bis 20 der Akte mit einer aufgedruckten Signatur erneut zu und fragte an, ob der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nunmehr erledigt sei. Der Verteidiger hat seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung aufrechterhalten. Der Antrag hatte beim AG Erfolg.

II. Entscheidung

Auslegung des § 107 Abs. 5 S. 2 OWiG …

Auf den Antrag des Verteidigers hat das AG festgestellt, dass die Aktenversendungspauschale für die erfolgte Akteneinsicht nicht anfällt und die Verwaltungsbehörde nicht berechtigt ist, diese in Höhe von 12,00 EUR von dem Verteidiger zu erheben. Gem. § 107 Abs. 5 S. 2 OWiG gelte, dass eine Aktenversendungspauschale nicht erhoben wird, wenn die Akte elektronisch geführt wird, was hier bei der Verwaltungsbehörde der Fall sei, und ihre Übermittlung elektronisch erfolge. Letzteres sei hier zwar nicht erfolgt, denn der Verwaltungsbehörde stünden offenbar (noch) nicht die technischen Mittel zur Verfügung, die Akte dem Verteidiger digital zur Einsicht zur Verfügung stellen zu können.

AVP fällt nur bei Versendung aufgrund eines Antrags an

Die Vorschrift des § 107 Abs. 5 OWiG sei aber im Lichte der Änderung durch das Gesetz vom 5.7.2017 (BGBl I, S. 2208) und der dazu erfolgten Gesetzbegründung (BT-Drucks 18/9416) dahingehend auszulegen, dass die Aktenversendungspauschale für einen Ausdruck einer eigentlich digital geführten Akte nur dann anfällt, wenn der Antragsteller, d.h. der Verteidiger, dieses – nämlich den Ausdruck – besonders beantragt. Das habe der Verteidiger hier aber nicht getan. Diese Auslegung beruht für das AG auf folgenden Erwägungen: Durch das Gesetz vom 5.7.2017 seien in den Kostengesetzen für gerichtliche Verfahren (GKG, FamGKG, GNotKG, JVKostG) die Vorschriften für die Erhebung der Dokumentenpauschale jeweils geändert worden. Dort heiße es jeweils: „Bei der Gewährung der Einsicht in Akten wird eine Dokumentenpauschale nur erhoben, wenn auf besonderen Antrag ein Ausdruck einer elektronischen Akte oder ein Datenträger mit dem Inhalt einer elektronischen Akte übermittelt wird“ (z.B. Nummer 9000 Abs. 4 KV GKG). Die Begründung zur der im selben Gesetz vorgenommenen Änderung des § 107 Abs. 5 S. 2 OWiG (Änderung der Aktenversendungspauschale bei Einsicht in elektronische Akte von 5,00 EUR auf 0,00 EUR) nehme dabei gerade auf die Begründung zu dieser vorgenommenen Änderung z.B. im GKG Bezug (BT-Drucks 18/9416, S. 24, 75). Der Gesetzgeber habe den Anfall einer Aktenversendungspauschale durch die Verwaltungsbehörde im Bußgeldverfahren ersichtlich dem Anfall der Dokumentenpauschale bei einer Akteneinsicht in eine elektronisch geführte Akte gleichstellen wollen. Demnach könne die Vorschrift des § 107 Abs. 5 S. 2 OWiG nur so ausgelegt werden, dass die Aktenversendungspauschale nur anfällt, wenn der Verteidiger die Übermittlung eines Aktenausdrucks besonders beantragt hat. Das habe er hier aber nicht. Im Gegenteil habe er sogar ausdrücklich um Übermittlung der Akte auf digitalem Wege gebeten. Wenn die Verwaltungsbehörde sich hierzu technisch nicht in der Lage sehe, könne sie hierfür keine Aktenversendungspauschale nach § 107 Abs. 5 S. 1 OWiG geltend machen.

III. Bedeutung für die Praxis

Zutreffend

M.E. zutreffend und überzeugend begründet. Die ggf. immer noch vorhandenen technischen Unzulänglichkeiten bei den Verwaltungsbehörden können nicht zu Lasten der Verteidiger und damit im Falle der Verurteilung zu Lasten der Betroffenen gehen. Im Übrigen: Die Entscheidung entspricht der h.M. in der Rechtsprechung (vgl. AG Daun VRR 6/2020, 4 [Ls.]; AG Trier RVGreport 2020, 190 = RVGprofessionell 2020, 81 = VRR 4/2020, 28; AG Landstuhl RVGreport 2020, 190 = RVGprofessionell 2020, 81 = VRR 4/2020, 28; AG Idar-Oberstein RVGreport 2020, 319). Danach rechtfertigt die Übersendung von Ausdrucken aus der elektronisch geführten Bußgeldakte – ohne Antrag – nicht den Ansatz der Aktenversendungspauschale.

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

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