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Klein, aber fein? – Downsizing als Anwalt

Downsizing. Schon mal gehört? Ich weiß genau, was Sie jetzt denken: Ach je, schon wieder so ein englisches Buzzword. Ich könnte auch von „Verkleinerung der Kanzlei“ sprechen, aber das trifft es nicht wirklich. Downsizing bedeutet nämlich nicht einfach nur, kleinere Räumlichkeiten anzumieten und weniger zu arbeiten. Es ist noch viel mehr. Es ist eine Art Anti-Trend. Schließlich wollen die meisten Menschen Karriere machen und viel Geld verdienen, um sich ein angenehmes Leben zu leisten. Wer das jedoch infrage stellt, also anders priorisiert, sich von der Karrierefixiertheit löst oder „Karriere“ zumindest anders definiert, wird erstmal schräg beäugt.

Doch ist es nicht ähnlich erstrebenswert, genug Zeit für sich und für Freunde und Familie zu haben? Mit weniger Arbeitszeit wird zwar ein niedrigeres Einkommen korrelieren, doch wie viel Umsatz braucht es tatsächlich, um klarzukommen?

Mehr Zeit, mehr Fokus, mehr Zufriedenheit – die Vorteile des Downsizing

Downsizing wird oft als letztes Mittel zur Kostenreduktion gedeutet, doch es gibt durchaus Anwälte, die sich freiwillig zu diesem Schritt entscheiden – mit erheblichen Vorteilen.

  • Bessere Work-Life-Balance, weniger Stress: Einer der überzeugendsten Gründe für berufliches Downsizing ist die bessere Work-Life-Balance. Während lange Arbeitszeiten gepaart mit Fristendruck und hohem Stresspegel oftmals zu Überarbeitung und Unzufriedenheit führen, schafft die Verringerung der Mandantszahl und -volumina Raum für persönliche Interessen, Familie und Selbstfürsorge.
  • Bessere Mandantenbeziehungen: Die Verkleinerung der Kanzlei und weniger Mandate ermöglichen es, den verbleibenden Mandanten mehr Zeit und Aufmerksamkeit zu widmen. Persönlichere Kommunikation und gründlichere Arbeit führen zu rundum besserem Service und engeren Beziehungen. Die Mandanten fühlen sich gesehen, verstanden und damit auch geschätzt. Hohe Mandantenzufriedenheit führt zu Loyalität und Weiterempfehlungen.
  • Erhöhte Effizienz: Ohne den Druck (zu) vieler Mandate und Fristen können Anwälte endlich einmal nicht nur in, sondern auch an ihrem „Unternehmen Kanzlei“ arbeiten. So können beispielsweise das Praxismanagement vereinfacht und Sekretariatsprozesse optimiert werden.
  • Kostenreduzierung: Wenn durch Verkleinerung der Kanzlei, Verringerung der Mandatszahl und effektiveren Prozessen kleinere Räume und weniger Personal nötig ist, werden Kosten gespart. Eine fachlich spezialisierte Kanzlei zieht zudem ggf. eher Mandanten an, die für fachspezifisches Wissen und entsprechende Qualität bereitwillig mehr zahlen, als bei „Wald-und-Wiesen“-Kanzleien.
  • Größere Arbeitszufriedenheit durch Interessenfokus: Anwälte, die schon länger davon träumen, sich auf eine Nische zu spezialisieren, können dies im Zuge des Downsizings realisieren. Wenn sie sich auf Fälle konzentrieren, die auch tatsächlich ihren Fachkenntnissen und Interessen entsprechen, können sie spezifischeres Fachwissen aufbauen und erlangen zunehmend entsprechende Bekanntheit und Anerkennung in ihrer Nische. Die überschaubare Arbeitsbelastung senkt zudem das Stressniveau auf ein gut handhabbares Maß. So macht die Arbeit mehr Freude.

Geld regiert die Welt – der große Nachteil des Downsizing

Natürlich hat das Downsizing auch Nachteile. Der Hauptnachteil ist der Verlust von Einnahmen. Wer hohe Fixkosten hat, wird möglicherweise allein aus diesem Grund vom Downsizing absehen. Doch da liegt eben auch die Herausforderung dieses Arbeits- oder sogar Lebensmodells. Wer freiwillig die Prioritäten neu setzt und weniger einnimmt, muss zuvor entsprechend planen und bewusst Bereiche festlegen, deren Verkleinerung oder Verbesserung diese fehlenden Einnahmen kompensieren – seien es kleinere Büroräume, optimierte Prozesse oder lukrativere Mandate. Die Planung umfasst dabei selbstverständlich auch das Privatleben: Muss es die große Wohnung in Bestlage sein? Braucht man tatsächlich zwei Autos? Gibt es Einsparmöglichkeiten bei Urlauben oder Alltagsluxus wie Personal Training, ständig neuen Klamotten oder Essen in teuren Restaurants?

Downsizing ist eben auch keine Maßnahme, die von einem Monat auf den anderen vollzogen wird. Je nach individueller Struktur, Planung und Priorität kann sich dieser Prozess auch sukzessive über mehrere Jahre hinziehen.

Damit das Ganze keinen unnötigen Stress oder gar Existenzängste verursacht, muss es – wie bereits erwähnt – zuvor gut geplant, durchdacht und durchgerechnet werden. Downsizing ist Typsache. Wer uneingestandener Workaholic ist, sich vorrangig mit seiner Arbeit identifiziert oder wem Luxusgüter, Prestige und ein stets hohes Einkommen wichtiger sind als mehr Flexibilität und Zeit für sich und seine Lieben, der wird sich wohl kaum zu diesem Schritt entschließen. Oder erst, wenn er kurz vor der Rente so viel Geld verdient und gewinnbringend angelegt hat, dass er monatlich locker auf ein paar Tausend Euro verzichten kann.

Geld oder Leben?

Ganz so extrem muss Downsizing gar nicht sein und es lässt sich durchaus beides miteinander verbinden. Die Frage, wie viel Geld man meint, zu „brauchen“ und mit wie viel „Leben“ die dafür benötigte Arbeitszeit korrelieren soll oder kann, ist sehr individuell. Und so werden die Vor- und Nachteile des Downsizings auch von jedem unterschiedlich gewichtet. Während es Möglichkeiten zur Verbesserung der Work-Life-Balance und zur Spezialisierung bietet, können die finanziellen Einbußen durchaus eine Herausforderung darstellen. Anwälte, die eine Verkleinerung ihrer Kanzlei in Betracht ziehen, sollten diese Nachteile sorgfältig abwägen. Doch wer schrittweise und zunächst temporär eine Reduzierung seiner Arbeit vollzieht, dem ist selbstverständlich unbenommen, dies – nach einer erfolglosen Testphase – wieder zu ändern und hochzufahren. Reflektieren Sie doch einfach mal ganz bewusst Ihre Prioritäten.

 

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