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Gelassen bleiben, wenn der Druck größer wird

In der letzten Augustwoche haben auffällig viele Menschen geweint, während sie mir ihr Rechtsproblem geschildert haben. Und auffällig viele haben es so konfus vorgetragen, dass ich mehr Mühe als sonst hatte, die Frage herauszufiltern und den Sachverhalt zu sortieren. Eine kurze und nicht repräsentative Umfrage unter Kolleginnen und Kollegen in den Sozialen Medien hat ergeben: Es war bei vielen so. Und einige vermuten, dass sich das in den nächsten Monaten noch verstärken wird. Die Pandemie, die Kriege und Konflikte auf der Welt und die an vielen Stellen daraus entstandene Unsicherheit haben ihre Spuren hinterlassen und ein nicht zu unterschätzender Anteil der daraus entstandenen und entstehenden Probleme landet in den Kanzleien. Und dort sitzen ebenfalls Menschen, die durch die gleiche Zeit gegangen sind – und in der auch das eigene Leben mit dem persönlichen Auf und Ab weiterging. Wie bleiben wir in all dem gesund und zuversichtlich?

Die Resilienz nicht nur in der Freizeit stärken

Oft ist von der geheimnisvollen „Work-Life-Balance“ die Rede, die wir für ein erfülltes Leben erreichen sollen. Das Wort birgt die Gefahr, die verschiedenen Bereiche des Lebens gedanklich zu trennen in einen, der Energie zieht und einen, in dem wir auftanken. Das kann mit Blick auf die Zeit, die wir mit unserer Arbeit verbringen allerdings ein recht großer Teil unserer Lebenszeit sein, der dann ausschließlich mit Stress und Belastung einhergeht oder in Verbindung gebracht wird und das hoffentlich zu Unrecht. Oft gibt die Arbeit auch Energie, gerade in Krisen kann sie Halt geben. Gleichzeitig macht es mit uns auch etwas, wenn wir hauptsächlich mit Problemen beschäftigt sind. Was, wenn wir auch direkt während der Arbeit mit den Kolleginnen und Kollegen etwas dafür tun können, uns selbst und gegenseitig zu stärken?

In vielen Teams klappt das wunderbar und scheinbar wie von selbst. Was machen diese Teams anders? Vieles hängt sicherlich von den Persönlichkeiten ab, die aufeinandertreffen und manchmal passt es einfach. Es gibt aber auch Dinge, die wir bewusst tun können, um die Resilienz direkt am Arbeitsplatz zu unterstützen.

Die wichtigsten Säulen der Resilienz:

Akzeptanz und Zuversicht

Manchmal am schwierigsten: Anerkennen, was ist. Auch die positivste Grundeinstellung wird uns nicht davor bewahren, dass es schwierige Phasen gibt im Leben und nervige Tage. Und die dürfen wir natürlich auch als solche benennen. Manches können wir nicht ändern und dann ist es hilfreich, das zu akzeptieren. Dennoch haben wir alle solch schwierige Zeiten, Tage oder Wochen auch schon gemeistert. Mit welchen Fähigkeiten ist das gelungen? Humor, der sachliche Blick auf die Fälle und Durchhaltevermögen oder das Talent, andere zu begeistern, Empathie und Flexibilität? Ihre Fähigkeiten werden auch Ihnen bei zukünftigen Herausforderungen helfen, rufen Sie sich diese einmal in Erinnerung. Gerade wenn Sie im Team arbeiten, wird eine schöne Mischung herauskommen und Sie tun direkt gemeinsam etwas für eine zuversichtliche Stimmung im Büro.

Persönliche Bindungen

Unsere Kolleginnen und Kollegen gehören zu den Menschen, mit denen wir am meisten Zeit verbringen. Gut, wenn wir wissen, woran wir mit ihnen sind und wenn möglichst verlässliche Bindungen vorhanden sind. Das muss nicht heißen, dass wir uns ständig alle privaten Themen erzählen müssen. Aber mit Blick und Wertschätzung auf unterschiedliche Temperamente und Persönlichkeiten können wir gute Bindungen schaffen, die uns den Alltag leichter bewältigen lassen. Es zeigt sich nicht nur in wissenschaftlichen Studien, sondern auch in vielen Kanzleien: Ein Team, das zusammenhält und in guter Verbindung miteinander arbeitet, kann auch die Herausforderungen von außen viel gelassener meistern. Es ist deshalb auch bei hoher Arbeitsbelastung keine Zeitverschwendung, für diese Verbindung etwas zu tun. Das können wir, indem wir uns füreinander interessieren, eine offene Fehlerkultur etablieren, Unterstützung anbieten und – was vielen sogar schwerer fällt – auch mal annehmen. All das führt zu noch mehr Vertrauen untereinander und damit zu stabilen Arbeitsbeziehungen.

Lösungsfokus

Wir sind darauf trainiert, die Probleme im Sachverhalt zu finden und Risiken abzuwägen. Das ist an vielen Stellen notwendig, gleichzeitig ist ein Fokus auf Möglichkeiten oft hilfreicher, um Lösungen zu finden. Gerade in den ersten Monaten der Pandemie haben wir es sehr gut erlebt, als immer wieder schnell für neue Situationen und rechtliche Rahmenbedingungen Lösungen gefunden werden mussten – mit Hygienekonzepten, Plexiglasscheiben, veränderten Sprechzeiten. Der Lösungsfokus stärkt unsere Selbstwirksamkeit und das unterstützt uns gerade in Krisen.

Gesunder Blick auf uns selbst und Reflexion

Eigen- und Fremdwahrnehmung sind selten mal deckungsgleich und das geht in beide Richtungen. Manchmal überschätzen wir uns oder unseren Anteil, den wir am Gelingen des Ganzen haben. In anderen Fällen schlägt das Hochstapler-Syndrom zu und wir sehen unsere Leistung oder Wirkung viel geringer an, als sie ist. Um den Spalt ein wenig zu schließen, hilft gegenseitiges Feedback. Das ist nicht in allen Kanzleien etabliert und fällt im Arbeitsalltag oft hinten runter. Geben Sie zwischendurch gern mal eine Rückmeldung an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Kolleginnen und Kollegen. Wenn dies auf einer wertschätzenden Basis geschieht, wird es auch gern genommen. Mutige holen sich auch mal ein Feedback ein – und müssen so nicht mehr rätseln, was die Anderen von ihnen halten. Es führt zu einem viel realistischeren Bild von der Zusammenarbeit und von sich selbst – auch das gibt Sicherheit.

Wir werden trotzdem weiterhin mit Menschen zu tun haben, die sich in emotionalen Ausnahmezuständen befinden. Wenn wir auf unsere eigene Resilienz achten, können wir dem gelassen begegnen.

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