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Fachkräfte – eine aussterbende Spezies! Alter Hut oder doch mal etwas Neues?

Dass wir in Zeiten des Fachkräftemangels leben und auch die neuesten Ausbildungszahlen, die Hoffnung nicht gerade schüren, ist bekannt.

 

Aber was tun dagegen?

Welche Möglichkeiten hat eine Kanzlei trotzdem, noch gute und fähige Mitarbeitende zu finden?

Ganz oben auf der Liste steht sicherlich, Fachkräfte zu pflegen und hegen, damit sie gerne und motiviert in ihrer Kanzlei bleiben.

Damit hat man am wenigsten Arbeit und am meisten Output, aber sollte dies nicht gelingen, so gibt es möglicherweise auch noch andere Lösungen.

 

Gibt es Alternativen zur klassischen Fachangestellten und wenn ja welche?

Ehrlicherweise, es gibt einige Alternativen und Möglichkeiten.

Was haben alle diese Möglichkeiten und Alternativen gemeinsam? Sie brauchen Zeit, Geduld und auch einige Investitionen – und doch kann sich das Ganze auszahlen.

Natürlich kenne ich auch mittlerweile Kanzleien, in denen die Anwälte und Anwältinnen fast alles alleine machen, aber ehrlichweise ist das in der Regel verschwendetes Geld und Ressource. Die meisten Arbeiten könnten wesentlich besser und schneller, durch eine Fachkraft erledigt werden, während der Anwalt oder die Anwältin sich um Mandanten kümmert oder die Kanzlei an sich. Denn ist es Ihre Kernkompetenz als Anwalt Akten anzulegen, Abrechnungen zu fertigen und das Telefon zu bedienen?

Da aber Fachkräfte und darüber hinaus gute Fachkräfte immer schwieriger zu finden sind, ist es an der Zeit, zu überlegen, welche Möglichkeiten und Alternativen es noch gibt oder geben könnte.

 

Alternativen und Lösungen

So macht es an erster Stelle natürlich Sinn, zu schauen, welche Arbeiten zwingend von Fachangestellten erledigt werden müssen und an welchen Stellen fachfremde Kräfte genauso gut oder sogar besser eingesetzt werden können.

So kann es zum Beispiel Sinn machen, die Buchhaltung an den Steuerberater auszulagern und/oder von einer kaufmännischen Kraft die (vorbereitende) Buchhaltung machen zu lassen. Auch die Bestellungen, den Empfang, die Terminverwaltung (nicht Fristen) müssen nicht von einer Fachangestellten gemacht werden. Auch hier können kaufmännische Fachkräfte ohne Probleme einspringen.

Aber auch im Bereich der Sachbearbeitung können fachfremde Kräfte mit einer guten Einarbeitung eingesetzt werden. So können fachfremde Kräfte zum Beispiel in das Abspeichern der Post, in das Versenden von Mitteilungen und Formbriefen sowie Standardrechnungen eingebunden werden.

Dafür benötigen fachfremde Kräfte zwar eine sehr gute Einarbeitung, damit Sie für die Relevanz von Fristen und Genauigkeiten in unserem Beruf ein Bewusstsein bekommen, was Ihnen möglicherweise in dieser Form zuvor nicht vermittelt worden ist, aber es ist möglich.

Im allerbesten Fall können fachfremde Kräfte sogar die komplette Arbeit von Fachangestellten übernehmen und selbst zu Fachkräften werden.

 

Über den Tellerrand schauen

So ist es im Patentanwaltsfachangestelltenbereich schon lange üblich, Fremdsprachenkorrespondenten oder -korrespondentinnen sowie Rechtsanwaltsfachangestellte einzustellen und sie dann in die Materie des gewerblichen Rechtsschutzes einzuarbeiten. Viele von den eingearbeiteten Kräften entscheiden sich sogar über kurz oder lang noch die Prüfung zur Patentanwaltsfachangestellten abzulegen, viele sogar neben ihrer normalen Arbeit.

Und genauso könnte es im Bereich der Rechtsanwaltskanzleien auch funktionieren. Umschulen, Ausbilden und danach die Fachkräfte binden.

Was aber motiviert die fachfremden Personen sich dazu zu entscheiden, eine weitere Ausbildung und/oder Prüfung zu machen, sich einzuarbeiten und dabei zu bleiben.

Eine gute Einarbeitung, eine Einbindung ins Team, das Aufzeigen von Perspektiven, spannende Aufgaben, Fortbildung, Wertschätzung, Miteinander, Verständnis für den anderen und nicht zuletzt ein gutes Gehalt.

So haben viele Patentanwaltskanzleien schon früh aus der Not eine Tugend gemacht, denn den Beruf der Patentanwaltsfachangestellten kennen noch weniger Menschen, wie den der Rechts- und Notarfachangestellten.

 

Was ist wichtig?

Wichtig für das Nutzen dieser Möglichkeit ist es, dass es klare Strukturen in ihren Kanzleien gibt, dass noch Rechtsanwaltsfachangestellte zur Verfügung stehen oder motivierte Anwälte und Anwältinnen, die den fachfremden Personen die Möglichkeit schenken anzukommen, sich einzugewöhnen und vor allem zu lernen.

Außerdem ist es notwendig, den neuen Fachkräften Zeit und Ressourcen für Fortbildungen zur Verfügung zu stellen.

Wenn all das gegeben ist, dann kann es wunderbar funktionieren, dass fachfremde Kräfte zu Spitzenkräften werden.

 

Weitere Möglichkeiten

Natürlich ist es auch sinnvoll, bereits ausgebildete Rechts- und Notarfachangestellte wieder in die Kanzleien zurückzuholen.

Mütter, die wegen der Kinder in Elternzeit sind oder Fachangestellte, die in ihren alten Kanzleien nur schlechte Erfahrungen gemacht haben, zum Beispiel.

Dazu ist es sinnvoll bereits während der Elternzeit die noch Angestellten zu unterstützen und ihnen die Möglichkeit zu bieten, aktiv am Kanzleileben teilzunehmen, statt sie nach zwei, drei Jahren Abwesenheit gleich wieder ins kalte Wasser zu werfen.

Insgesamt ist es natürlich notwendig, eine gehörige Portion Flexibilität, Veränderungswille und Lust Neues auszuprobieren mitzubringen.

Wie wäre es zum Beispiel, zwei Mütter einzustellen, die aufgrund von Betreuungszeiten und familiären Situation zwar nicht Vollzeit arbeiten können, aber möglicherweise zu Zeiten, in denen ihre Mandanten sich eine Erreichbarkeit wünschen, eben weil sie selbst Mütter oder Väter sind. Wäre es nicht gut, dann Kräfte zu haben, die in den Randzeiten arbeiten und sich dazwischen um ihre Kinder kümmern könnten. Oder Fachangestellte, die Angehörige pflegen.

Klar wäre es hier von Nöten, sich auf Home-Office und flexible Arbeitszeiten einzulassen. Aber mit einem Monatsstundenkontingent statt einer Wochenarbeitszeit und einem entsprechenden Zeiterfassungssystem können hier sowohl die Kanzlei als auch die Fachangestellte Gewinner sein.

 

Und noch eine Option

Eine weitere Option könnte es sein, Menschen, die erst einmal keine Option zu sein scheinen, einzustellen. Möglicherweise stimmt der Schulabschluss nicht oder die Zeugnisse zeigen in manchen Fächern nicht die erforderlichen Noten auf. Möglicherweise wurde die Prüfung nicht bestanden.

Aber ich selbst durfte schon erleben wie aus einem schüchternen Praktikanten ein selbstbewusster kaufmännischer Mitarbeiter wurde, der sich um viele verschiedene oben bereits genannte Belange, wie Telefon, Bestellungen, Terminverwaltung, E-Mailausdruck, Besprechungsraumorganisation, Seminarvorbereitungen und verschiedene andere Dinge gekümmert hat und so die Fachangestellten entlastet hat.

Der Weg dahin führte über viele Gespräche, über eine Ausbildung und viel Geduld, aber insgesamt hat er sich für beide Seiten gelohnt. Ein junger Mann hat eine Perspektive bekommen, von der er vorher nur geträumt hat, eine Kanzlei hat jemanden der seine Fachangestellten entlastet.

Eine andere Kollegin, die leider die Prüfung nicht bestanden hat, aber sich über die vier Jahre Ausbildung natürlich auch viele Kenntnisse erarbeitet hat, hat ebenfalls die Fachangestellten sowohl in der Ausbildung als auch in den weniger anspruchsvollen Tätigkeiten voll und ganz unterstützt und war immer eine wertvolle Angestellte.

 

Eine letzte Möglichkeit

Außerdem ergibt sich zurzeit ein neues Modell auf dem Markt, dass bei vielen aus der Not heraus entstanden ist, aber eine zwischenzeitliche Lösung bietet, bis all die anderen Dinge greifen, damit die Arbeit sich nicht meterhoch stapelt.

Freelancer, freiberufliche Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte, die Ihnen entweder vor Ort oder remote zur Verfügung stehen, stunden- oder tageweise, für mehrere Wochen oder Monate.

 

Kann all das funktionieren oder ist das nicht zu chaotisch und anstrengend?

Zugegeben, sich auf die verschiedenen Prozesse und Möglichkeiten einzulassen, die Strukturen einer Kanzlei darauf umzubauen, erfordert Mut, Zeit, Geduld und auch immer wieder über den eigenen Schatten zu springen, aber in meinen Augen lohnt es sich.

Nicht immer wird das funktionieren, nicht immer wird dieser Weg von Erfolg gekrönt sein, aber sind wir ehrlich auch nicht jede Fachangestellte ist ein Glücksgriff und erfüllt die erwarteten Voraussetzungen.

Doch wenn es funktioniert, haben Sie dankbare und zufriedene, leistungsstarke Mitarbeitende in ihrer Kanzlei, die Ihnen in der Regel auch lange Zeit treu bleiben.

Probieren Sie es doch einfach mal aus, bevor Sie im Endeffekt ohne Fachangestellte dastehen, sind dies sicherlich Möglichkeiten, die eine Chance bieten.

Denn natürlich gibt es auch Vorteile, die sich aus all diesen Modellen ergeben.

Vorteile

Aus dem Einbinden von fachfremdem Personal können sich auch jede Menge neue Möglichkeiten ergeben, denn fachfremde Mitarbeitende bringen immer wieder auch neue Perspektiven, neues Wissen, andere Ideen aus ihren vorherigen Beschäftigungen mit und können so für Problemlösungen, an die Sie und ihre bisherigen Mitarbeitenden noch gar nicht gedacht haben sorgen. Auch Prozesse können so optimiert und überprüft werden.

Mütter, Väter und pflegende Personen müssen eine Menge Geduld, eine hohe Belastbarkeit, gute Organisation, Lernbereitschaft und auch Umgang mit Menschen und Behörden haben. Alles Dinge, die auch in einer Anwaltskanzlei wichtig sind, sodass sich hieraus auch oft ein Gewinn für Sie und Ihre Kanzlei ergibt.

Freelancer sind kurzzeitig da, frei buchbar und wenn sie nicht mehr benötigt werden auch kurzfristig wieder weg. Außerdem bringen sie eine hohe Flexibilität, Fachwissen, Programmwissen und Motivation mit und können in der Regel ungestört Dinge abarbeiten.

 

Fazit

All das soll die Ausbildung von Fachangestellten nicht ersetzen, denn jungen Menschen in den Beruf zu bringen und sie zu guten Fachkräften auszubilden, sollte das erste Ziel sein.

Aber solange wir das Problem des Fachkräftemangels in dem vorhandenen oder größeren Ausmaß haben, sollten wir nach jeder Lösungsmöglichkeit greifen, die sich uns bietet.

Deswegen: Seien Sie mutig und gehen Sie neue Wege.

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