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Déformation professionelle – Juristen und ihre Eigenarten

Die juristische Ausbildung und das Berufsleben prägen Anwälte sehr. Regeln, Erfahrungen und Konventionen beeinflussen nicht nur ihr Wissen, sondern auch ihre Persönlichkeit und ihr Verhalten – beruflich wie privat. Dieses als déformation professionelle bekannte Phänomen zeigt sich in unterschiedlichen Facetten. Nicht immer zur Freude des privaten Umfelds …

Juristendeutsch und sprachliche Prägung

Juristendeutsch“, diese für viele Juristen und einige Behörden so charakteristischen Formulierungen, werden von Laien zugleich belächelt und verflucht. Der von Fachbegriffen und Schachtelsätzen geprägte, überkomplexe Stil zeigt sich jedoch nicht nur im beruflichen Kontext, sondern zuweilen auch im Alltag und Privatleben. Der Ausdruck ist dann immer etwas zu gewählt, der Stil etwas zu formell. Das ist nicht per se schlimm, kann aber im Bekanntenkreis oder an der Supermarktkasse zu manch hochgezogener Augenbraue oder Augenrollen führen …

Streng gesetzeskonform: Pedanterie und Perfektionismus

Zu weiteren Merkmalen der déformation professionelle von Anwälten zählen auch die zuweilen ausgeprägte Pedanterie und der Hang zum Perfektionismus. Erinnern Sie sich noch an Ihr Studium und die Klausuren, als Sie darauf trainiert wurden, jedes Detail eines Sachverhalts genau zu analysieren? Die damals erworbene Fähigkeit zur akribischen Prüfung ist im Beruf zwar unerlässlich, im Privatleben hingegen wird die Tendenz, alles haarklein durch die juristische Brille zu betrachten, meist als übertrieben oder störend wahrgenommen.

Haftungsrisiko Unbeschwertheit – Ernsthaftigkeit und Anspannung

Stoff vieler Juristenwitze ist die übertriebene Ernsthaftigkeit. Studium und Referendariat, mit ihrem Lernstress und Leistungsdruck, können schon früh die Entwicklung eines ernsthaften Charakters begünstigen. Kritiker behaupten, Jurastudenten und Referendare hätten in ihrer Ausbildung vergleichsweise wenig Freiräume, was sich suboptimal auf die Persönlichkeitsentwicklung auswirke. Die starke Examensfokussierung fördere zudem eine “Einzelkämpfer-Mentalität” und Konkurrenzdenken.

Vielleicht ist jene mangelnde Lockerheit, die Juristen gern nachgesagt wird, auch Folge ihres Perfektionismus oder des Wunsches, allen gegenüber stets seriös wirken zu wollen.

Woher auch immer die latent angespannt-ernste Art stammt: Die Berufspraxis ist jedenfalls nicht dazu geeignet, diese eher nüchterne, sachliche Einstellung aufzulockern.

Überidentifikation, beruflicher Dünkel und Elitedenken

Eine weitere Ausprägung der déformation professionelle kann sich bei einigen Juristen in einem gewissen beruflichen Dünkel zeigen. Die anspruchsvolle Ausbildung und das exklusive Umfeld können zu einem ausgeprägten Standesbewusstsein führen. In einigen Fällen kann sich dies in einer übermäßig formellen, hierarchisch geprägten Arbeitskultur widerspiegeln. Besonders Rechtsanwaltsfachangestellte (ReFas) spüren das und wünschen sich regelmäßig mehr Anerkennung und Wertschätzung im Job.

Gelernt ist gelernt: analytisches Denken und Argumentationsfähigkeit

Die juristische Ausbildung fördert in besonderem Maße das analytische Denken und die Fähigkeit zur strukturierten Argumentation. Juristen haben gelernt, komplexe Sachverhalte zu durchdenken, logische Schlüsse zu ziehen und ihre Positionen überzeugend zu vertreten. Diese Fähigkeiten sind im Job unabdingbar, können aber im privaten Umfeld teils als besserwisserisch wahrgenommen werden.

Umgang mit den déformations professionelles

All diese Eigenheiten sind keine großen Makel. Einige sind hilfreich, andere höchstens Marotten. Doch es hilft, um ihre Existenz zu wissen. Bewusste Reflexion schadet nie. Fragen Sie doch mal Ihr Umfeld, ob es diese Eigenschaften bei Ihnen verstärkt wahrnimmt. Eines ist sicher: Das Pflegen von Hobbys und Interessen außerhalb des juristischen Bereichs sowie ein regelmäßiger Austausch mit Menschen aus ganz anderen Berufsfeldern schadet nicht. Im Gegenteil. Es erfrischt, erweitert den Horizont und hilft, mal aus der eigenen “Bubble” rauszukommen.

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