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Gefangen in der Jura-Bubble: Nur Juristen im Freundeskreis?

„Filterblase“ ist so ein typisches buzzword der letzten Jahre. Bekannt wurde der Begriff insbesondere durch Erkenntnisse über die Mechanismen rund um die Social-Media-Nutzung und ihre Auswirkungen auf unser Denken. Algorithmen im Netz führen dazu, dass wir sukzessive immer passendere Inhalte sehen, was wiederum unser Weltbild zementiert. Und unser analoges Leben zeigt gewisse Parallelen.

Die ersten Vorbilder unseres Lebens waren unsere Eltern, ihr Lebensstil, ihre Werte, ihre Art prägten uns. Je älter wir wurden, desto weiter wuchs das uns prägende Umfeld um Nachbarn, Verwandte, erste Spielkameraden, Kindergarten-Erzieherinnen und Lehrer. Vorausgesetzt, man verbrachte seine Schulzeit nicht gerade auf einem Elite-Internat auf dem Lande, war das Umfeld bis dahin meist noch verhältnismäßig heterogen. Das änderte sich jedoch spätestens mit Beginn der juristischen Ausbildung.


Unter Juristen im Paragraphendschungel

In Studium und Referendariat ist man naturgemäß weitestgehend von (angehenden) Juristen umgeben. Man verabredet sich zum Lernen in der Bibliothek, besucht den Rep miteinander und hat Gesprächspartner/innen, die das Gleiche durchmachen, wie man selbst. Das verbindet. Auf Instagram tauchen Studentinnen in den Monaten der Examensvorbereitung voll in die Jura-Bubble ein, folgen und motivieren einander und posten Fotos von Schreibtischen mit Schönfeldern, Karteikarten und akkurat sortierten Textmarkern. Die vielen Jahre der Ausbildung führen in der Regel zu einem Freundes- und Bekanntenkreis mit verhältnismäßig vielen Juristen. Die Jura-Akademiker-Bubble ist omnipräsent. Das ändert sich auch nach Eintritt ins Berufsleben kaum. Aus den einstigen Kommilitonen werden Kolleginnen und Kollegen.


Man bleibt unter sich: Komfortzone Filterblase

Und so bleibt man jahrelang weitestgehend unter sich und kommt kaum mit Menschen ins Gespräch, die völlig andere Werte und Sichtweisen vertreten. Das ist bequem, denn man wird mit nichts konfrontiert, was das Selbstbild erschüttern und kognitive Dissonanz triggern könnte. Warum auch? Wir haben es uns in unseren Komfortzonen bequem eingerichtet und damit es so gemütlich bleibt, umgeben wir uns – mehr oder weniger unbewusst – bevorzugt mit Menschen, die uns ähnlich sind. (Ein in Bewerbungsverfahren bekanntes Problem, das mit dem Bestreben nach einer diverseren Belegschaft kollidiert: Stichwort unconscious bias.)

Muss es aber so weit gehen, dass der ganze Freundeskreis den gleichen sozialen Status hat und Werte, Interessen und Einstellungen teilt? Könnte das vielleicht nicht sogar langweilig werden? Es heißt zwar „Gleich und Gleich gesellt sich gern“, doch was ist mit „Gegensätze ziehen sich an“?


Mit der ReFa zum Lunch!

Im Freundes-, Bekannten- und Kollegenkreis ist es erfrischend und bereichernd, sich aus seiner Filterblase herauszubewegen und das Umfeld sowie das dazugehörige Erleben divers zu gestalten. Natürlich kann man nach der Kanzlei direkt zum Golfplatz fahren, im Urlaub stets in Fünf-Sterne-Häusern übernachten und sich im Übrigen hauptsächlich in akademischen Kreisen bewegen. Der rein persönlichen Weiterentwicklung könnte es aber zuträglicher sein, sich neben Menschen aus dem eigenen Milieu auch mit solchen zu umgeben, die etwas ganz Anderes machen, viel jünger oder weitaus älter sind, Künstlerinnen und Handwerkern, Gastronomen oder Aussteigern, Philosophen, Psychologinnen oder Sportlern.

Man redet sich vielleicht ein, dass es schwer sei und befürchtet Unverständnis. Das ist eben die Mauer der Komfortzone, die es zu überwinden gilt. Und plötzlich merkt man dann ganz überraschend, wie klein die eigene Filterblase doch eigentlich ist. Belohnt wird dieser Blick über den persönlichen Tellerrand mit Lerneffekten, Aha-Momenten, stärkerer Empathie und Verständnis füreinander, also nicht weniger als der Erweiterung des geistigen und emotionalen Horizonts.

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