Strafrecht 2023 #07

Erst „beschränkter“, dann „voller“ Pflichtverteidiger
1. Wird ein Rechtsanwalt einem Mandanten zunächst als Pflichtverteidiger „für die Dauer der Vernehmung eines Zeugen“ beigeordnet und dann später als Pflichtverteidiger für das Verfahren, handelt es sich nicht um dieselbe Angelegenheit, sodass eine Anrechnung von Gebühren nicht in Betracht kommt. 2. Erfolgt die Bestellung des Rechtsanwalts als Pflichtverteidiger nach § 140 Abs. 1 Nr. 10 StPO, handelt […]
Zweimal Hauptverhandlung an einem Tag
Wird eine Hauptverhandlung ausgesetzt und findet am selben Tag ein neuer Hauptverhandlungstermin statt, entstehen zwei Terminsgebühren. (Leitsatz des Verfassers) LG Freiburg, Beschl. v. 25.5.2023 – 9 Qs 5/23 I. Sachverhalt Hauptverhandlung wird wegen Nichterscheinens des Angeklagten ausgesetzt Der Rechtsanwalt war Pflichtverteidiger in einem BtM-Verfahren. In dem ist der Angeklagte zwar zur Hauptverhandlung am 15.3.2022 geladen […]
Rekonstruierbarkeit des Messvorgangs; Aussetzung des Verfahrens
1. Dass bei einem standardisierten Messverfahren (hier: PoliScan M1 HP) Messdaten nicht gespeichert werden, führt nicht zu einem Beweisverwertungsverbot. Die Verwertbarkeit des Messergebnisses hängt nicht von der Rekonstruierbarkeit des Messvorgangs anhand gespeicherter Messdaten ab. 2. Die Aussetzung des Verfahrens, um die Entscheidung über eine Verfassungsbeschwerde in anderer Sache abzuwarten, liegt im Ermessen des Gerichts. In […]
Regelvermutung bei Trunkenheitsfahrt mit E-Scooter
Eine Trunkenheitsfahrt (§ 316 StGB) mit einem E-Scooter begründet die Regelvermutung der Ungeeignetheit des Täters zum Führen eines Kfz. Von der Entziehung der Fahrerlaubnis kann nur in Ausnahmefällen abgesehen werden. (Leitsätze des Gerichts) OLG Frankfurt, Beschl. v. 8.5.2023 – 1 Ss 276/22 I. Sachverhalt E-Scooter mit 1,64 Promille geführt Das AG hat den Angeklagten wegen Trunkenheit […]
Kostenübernahme beim Drogenscreening
1. Die Kosten von Drogenscreenings im Rahmen von Bewährungsweisungen sind nach dem Veranlassungsprinzip zwar grundsätzlich vom Verurteilten zu tragen, weil die Screenings durch seine Straftaten erst erforderlich geworden sind. Die Zurechnung dieser Kosten aber findet ihre Grenze im verfassungsrechtlich verankerten Übermaßverbot, einfachrechtlich in der Zumutbarkeitsklausel des § 56c Abs. 1 S. 2 StGB. 2. Bei fehlender finanzieller Leistungsfähigkeit […]
„Judenstern“ mit Aufschrift „Ungeimpft“ – Volksverhetzung?
Die für jedermann zugängliche Veröffentlichung eines sogenannten Judensterns mit dem Zusatz „Ungeimpft“ auf der Plattform Facebook ist zur Störung des öffentlichen Friedens jedenfalls dann nicht geeignet, wenn sie auf ein kritisches persönliches Umfeld trifft und sich aus ihrem übrigen Inhalt – hier der Ankündigung, sich einen „Judenstern“ zu „basteln“ – ergibt, dass sie nicht auf […]
Rechtsbeugung durch Unterlassen
1. Eine Rechtsbeugung kann durch Unterlassen begangen werden, wenn dies angesichts der objektiven und subjektiven Umstände des Einzelfalls nicht nur eine fehlerhafte Sachbehandlung darstellt, sondern wenn bewusst gegen eine Vorschrift verstoßen wird, die ein bestimmtes Handeln unabweislich zur Pflicht macht, wenn der Richter untätig bleibt, obwohl besondere Umstände sofortiges Handeln zwingend gebieten, oder wenn die […]
Berufungshauptverhandlung; Ausbleiben; Entschuldigung
1. Gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung ist der Wiedereinsetzungsantrag der maßgebliche Rechtsbehelf, wenn es das Berufungsgericht versäumt hat, vorgebrachte Tatsachen im Verwerfungsurteil zu würdigen. 2. Im Falle einer Infektion mit dem Coronavirus ist das Fernbleiben des Angeklagten von der Hauptverhandlung bereits durch die Schutzbedürftigkeit anderer Prozessbeteiligter gerechtfertigt. (Leitsätze des Verfassers) OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.2.2023 […]
Formulierung der Vertretungsvollmacht
Eine Erklärung, mit welcher der Angeklagte dem Verteidiger Vollmacht zur Vertretung, auch im Fall der Abwesenheit des Angeklagten, in allen Instanzen – ohne ausdrückliche Bezugnahme auf die Abwesenheitsvertretung in der Berufungshauptverhandlung – erteilt hat, genügt den Anforderungen der in § 329 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 StPO vorausgesetzten Vertretungsvollmacht. (Leitsatz des Gerichts) BGH, Beschl. v. 24.1.2023 – […]
Wohnungsdurchsuchung wegen Geldwäscheverdachts
Nicht ausreichend für die Annahme eines Anfangsverdachts (einer Geldwäsche nach § 261 Abs. 1 S. 2 StGB a.F.) ist es, wenn keine über bloße Vermutungen hinausgehenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Vortat bestehen oder wenn lediglich angenommen wird, das betroffene Geld oder der betroffene Vermögensgegenstand rühre aus irgendeiner Straftat her. (Leitsatz des Verfassers) BVerfG, Beschl. v. 19.4.2023 – 2 […]
Die Neuregelung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
I. Einführung Mit dem voraussichtlich am 1.10.2023 in Kraft tretenden „Gesetz zur Überarbeitung des Sanktionenrechts – Ersatzfreiheitsstrafe, Strafzumessung, Auflagen und Weisungen sowie Unterbringung in einer Entziehungsanstalt“ hat der Gesetzgeber die in § 64 StGB geregelten Voraussetzungen für die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt in mehrfacher Hinsicht verschärft und überdies die in § 67 Abs. 5 […]
StRR-Kompakt 2023_07
Verfassungsbeschwerde: Wiedereinsetzung Eine Verfassungsbeschwerde ist fristgerecht erhoben, wenn der vollständige Beschwerdeschriftsatz bis zum Ablauf der Begründungsfrist zusammen mit allen für eine verfassungsrechtliche Prüfung des Beschwerdevorbringens unverzichtbaren Unterlagen tatsächlich in die Verfügungsgewalt des BVerfG gelangt ist. Dafür reicht es aus, dass ein Zugang auf dem Telefaxempfangsgerät des BVerfG erfolgt ist. Ein Wiedereinsetzungsantrag nach § 93 Abs. 2 BVerfGG […]

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