Strafrecht 2023 #04

Zusätzliche Verfahrensgebühr nach „abgesprochenem Strafbefehl“
Nr. 4141 VV RVG ist analog auf den Fall anzuwenden, dass der Verteidiger mit der Staatsanwaltschaft noch vor Anklageerhebung vereinbart, dass ein Strafbefehl ergehen soll, der vom Beschuldigten akzeptiert wird, und das dann umgesetzt wird. (Leitsatz des Gerichts) LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 16.1.2023 – 12 Qs 76/22 I. Sachverhalt „Abgesprochener Strafbefehl“ Die Rechtsanwältin des Beschuldigten war […]
Gebührenrechtliche Auswirkungen der rückwirkenden Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung
Wird die Pflichtverteidigerbestellung rückwirkend aufgehoben, entfällt damit ein Vergütungsanspruch des Verteidigers. (Leitsatz des Verfassers) LG Amberg, Beschl. v. 5.12.2022 – 11 Qs 79/22 I. Sachverhalt AG Amberg StRR 1/2023, 35 ff. Wegen des näheren Sachverhalts wird verwiesen auf AG Amberg StRR 1/2023, 35 ff. Der Rechtsanwalt hat gegen den AG-Beschluss Beschwerde eingelegt. Die hatte beim […]
Keine zusätzliche Verfahrensgebühr nach „abgesprochenem Strafbefehl“
Der Senat hält an seiner bisherigen Rechtsprechung (Beschl. v. 20.5.2009 – 2 Ws 132/09) fest, dass die zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG nicht anfällt, wenn der Verteidiger den Verurteilten dahingehend berät, ein den Rechtszug beendendes Urteil oder den erlassenen Strafbefehl hinzunehmen und nicht dagegen vorzugehen. Dabei ist es unerheblich, ob von Anfang an übereinstimmend […]
Wiederinvollzugsetzung des Haftbefehls nach neuen Taten (Wiederholungsgefahr)
1. Ein Haftbefehl wegen Wiederholungsgefahr kann nach § 116 Abs. 4 StPO wieder in Vollzug gesetzt werden, wenn der Beschuldigte neue gleichartige Straftaten begeht und dadurch das in ihn gesetzte Vertrauen zerstört. 2. Die neuen Taten müssen weder gegenüber dem gleichen Geschädigten erfolgen noch im gleichen Verfahren verfolgt werden. Stets ist aber zumindest ein dringender Tatverdacht erforderlich. […]
Verzögerte Aktenvorlage im Haftbeschwerdeverfahren
Nicht jede Verzögerung eines Haftbeschwerdeverfahrens, wie z.B. die versehentliche Überschreitung der Dreitagesfrist des § 306 Abs. 2 Hs. 2 StPO um rund einen Monat, führt zur Unverhältnismäßigkeit der Haftfortdauer bzw. zu einer Verletzung des Freiheitsgrundrechts (Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG) oder des Rechtsschutzanspruchs (Art 19 Abs. 4 GG). (Leitsatz des Verfassers) BVerfG, Beschl. v. 23.1.2023 – 2 […]
Straßenblockade durch „Klimaaktivisten“ mittels Festklebens
Beim Festkleben mit der Hand auf einer Fahrbahn ihm Rahmen einer Straßenblockade, um Fahrzeugführer an ihrer Weiterfahrt zu hindern, bis die Blockade durch Polizeieinsatzkräfte geräumt wird, besteht hinreichender Tatverdacht hinsichtlich Nötigung und Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte. (Leitsatz des Gerichts) LG Berlin, Beschl. v. 21.11.2022 – 534 Qs 80/22 I. Sachverhalt Erlass eines Strafbefehls abgelehnt Das AG […]
Einziehung eines Erbbaurechts
Zur Einziehung eines Erbbaurechts als Tatmittel. (Leitsatz des Verfassers) BGH, Beschl. v. 24.11.2022 – 4 StR 263/22 I. Sachverhalt Einziehung eines Erbbaurechts Wegen des Sachverhalts wird verwiesen auf BGH StRR 3/2023, 14 ff. Die Angeklagten hatten mit ihren Revisionen die Einziehung des Erbbaurechts als Tatmittel beanstandet. Insoweit hatte die Revision keinen Erfolg. II. Entscheidung Die […]
Wahlfeststellung erfordert Strafbarkeit aller denkbaren Sachverhalte
Kommen verschiedene Lebenssachverhalte wahlweise in Betracht, kann eine Verurteilung auf wahldeutiger Tatsachengrundlage nur erfolgen, wenn zu allen Varianten eine zugelassene Anklageschrift vorliegt und die in exklusiver Alternativität möglichen Sachverhaltsvarianten sämtlich eine Strafbarkeit des Angeklagten ergeben. (Leitsatz des Verfassers) BGH, Beschl. v. 28.6.2022 – 2 StR 229/21 I. Sachverhalt Temperaturregler geliefert, Bezugspunkt unklar Das LG hat […]
Umfang der Pflichtverteidigerbestellung
Die Pflichtverteidigerbestellung erstreckt sich nicht auf das Adhäsionsverfahren. (Leitsatz des Verfassers) LG Osnabrück, Beschl. v. 5.9.2022 – 18 KLs 5/22 I. Sachverhalt Adhäsionsantrag Der Rechtsanwalt war dem Verurteilten in einem Verfahren mit dem Vorwurf des besonders schweren Raubes u.a. als Pflichtverteidiger beigeordnet. Mit Schreiben vom 15.2.2020 beantragte der Geschädigte, den Angeklagten im Wege des Adhäsionsverfahrens […]
Verfahren bei der Aufhebung der Bestellung eines zusätzlichen Pflichtverteidigers
1. Vor der Aufhebung der Bestellung eines zusätzlichen Pflichtverteidigers nach § 144 Abs. 2 StPO ist dem Beschuldigten nach § 144 Abs. 2 S. 2 StPO i.V.m. § 142 Abs. 5 S. 1 StPO Gelegenheit zu geben, innerhalb einer vom Gericht zu bestimmenden Frist den Pflichtverteidiger zu bezeichnen, dessen Beiordnung aufgehoben werden soll. 2. Macht der Beschuldigte von der Möglichkeit des § 142 Abs. 5 […]
Vorlagepflicht des Fahrzeugherstellers zu gespeicherten Daten im Strafverfahren
Ein Fahrzeughersteller kann nach § 100k StPO verpflichtet sein, dem Ermittlungsrichter in Echtzeit anfallende, auf einem Server des Herstellers zugängliche GPS-Standortdaten eines Kraftfahrzeugs zur Verfügung zu stellen. (Leitsatz des Verfassers) OLG Frankfurt, Beschl. v. 20.7.2021 – 3 WS 369/21 I. Sachverhalt Standortdaten des Herstellers für Ermittlungen benötigt In dem Ermittlungsverfahren ging es um die Fahndung nach […]
Sachverhandlung oder bloße Scheinverhandlung zur Fristwahrung
Auch wenn in einem Termin zur Fortsetzung der Hauptverhandlung Verfahrensvorgänge stattfinden, die als Sachverhandlung anzusehen sind, verstößt es gegen § 229 StPO, wenn aus dem gesamten Verfahrensgang erkennbar wird, dass das Gericht mit der Verhandlung nicht die substanzielle Förderung des Verfahrens bezweckt, sondern allein die Wahrung der Unterbrechungsfrist im Auge hat. (Leitsatz des Gerichts) BGH, Beschl. […]
Vorbefassung im Cum-Ex-Verfahren
Zur Besorgnis der Befangenheit wegen Vorbefassung im sog. Cum-Ex-Verfahren. (Leitsatz des Verfassers) BVerfG, Beschl. v. 27.1.2023 – 2 BvR 1122/22 I. Sachverhalt Verfassungsbeschwerde wegen „Vorbefassung“ Das BVerfG hat über die Verfassungsbeschwerde eines ehemaligen Cum-Ex-Mitarbeiters entschieden, der gegen ein Urteil des LG Bonn und die Revisionsentscheidung des BGH Verfassungsbeschwerde eingelegt und den Erlass einer einstweiligen Anordnung […]
Begründung der TKÜ
Eine richterliche Entscheidung, mit der eine Telefonüberwachung genehmigt wird, muss keine individualisierte Begründung enthalten, wenn ihr ein ausführlich begründeter Antrag der zuständigen Strafverfolgungsbehörde zugrunde liegt und sich die für die Anordnung der Maßnahme ausschlaggebenden Gründe leicht und eindeutig erschließen, wenn die Entscheidung und der Genehmigungsantrag nebeneinander gelesen werden. (Leitsatz des Verfassers) EuGH, Urt. v. 16.2.2023 […]
Rechtsprechungsübersicht zu den Teilen 4–7 VV RVG aus den Jahren 2021–2022 – Teil 1
Wir haben schon länger nicht mehr die Rechtsprechung zum RVG in Straf- und Bußgeldsachen zusammengestellt. Dies holen wir mit der nachfolgenden Übersicht nach. Sie hat den Stand von Ende Dezember 2022 und erfasst Entscheidungen aus dem Zeitraum 2021–2022. Die mit § 14 RVG zusammenhängenden Entscheidungen sind hier nicht enthalten und werden ggf. gesondert behandelt. Auch die […]
StRR-Kompakt 2023_04
Erwerb und Besitz von Kipo: Verfassungsmäßigkeit der Strafverschärfung Dem BVerfG wird gem. Art. 100 Abs. 1 GG die Frage vorgelegt, ob § 184b Abs. 3 StGB in der seit dem 1.7.2021 geltenden Fassung des 60. Strafrechtsänderungsgesetzes mit dem aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abgeleiteten Schuldgrundsatz (Übermaßverbot) vereinbar ist, indem der Tatbestand […]

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