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Resilienz und Selbstfürsorge in der anwaltlichen Praxis: Wie Sie beruflichen Stress nicht nur meistern können, sondern dabei auch noch leistungsfähiger werden.

Der Beruf des Rechtsanwalts ist, wie wir alle wissen, anspruchsvoll und oft stressig. Lange Arbeitszeiten, hohe Verantwortung und der ständige Druck, immer auf dem neuesten Stand zu sein, fordern zweifelsohne ihren Tribut. Das ist kein subjektives Empfinden, sondern schlägt sich auch in aktuellen Zahlen nieder. Eine Studie der American Bar Association (ABA) in Zusammenarbeit mit der Hazelden Betty Ford Foundation ergab beispielsweise, dass 28 % der amerikanischen Anwälte unter Depressionen und 19 % unter Angststörungen leiden. Eine andere Studie der Johns Hopkins University zeigte, dass Anwälte die höchste Rate an Depressionen unter mehr als 100 untersuchten Berufen aufweisen – die Raten sind 3,6-mal höher als in der allgemeinen Bevölkerung. Eine Untersuchung von Wolters Kluwer Deutschland ergab, dass 32 % der deutschen Rechtsanwälte das Gefühl haben, unter einem Burnout zu leiden, während 39 % über erhebliche Stresssymptome berichten. Diese Studien verdeutlichen, dass die mentale Gesundheit in der Rechtsbranche in Deutschland genauso besorgniserregend ist wie in anderen Ländern.

Fallen Sie auch in diese Statistik? Falls ja, wird es höchste Zeit, etwas zu tun. Falls nein: Herzlichen Glückwunsch! Trotzdem ist es Zeit, etwas zu tun, damit es auch so bleibt! Denn Vorsicht ist ja bekanntlich besser als Nachsicht.

Lawyer Wellbeing – Wellnessangebote für Rechtsanwälte oder sinnvolle Initiative

Haben Sie schon einmal etwas von „lawyer wellbeing“ gehört? Nein? Dann sind Sie in guter Gesellschaft.

Der Begriff „lawyer wellbeing“ stößt gerade in Deutschland häufig auf Ablehnung, da er ein gewisses Missverständnis-Potenzial mit sich bringt. Was viele darunter verstehen, lässt sich eher als ein Wellnessangebot mit Massagen, ein bisschen Yoga und was sonst zu einem gelungenen Wellness-Wochenende noch so dazugehört, beschreiben.

Weit gefehlt!

Der Begriff „lawyer wellbeing“ beschreibt viel mehr eine umfassende Strategie zur Förderung der mentalen und physischen Gesundheit von Rechtsanwälten. Es geht darum, Rahmenbedingungen zu schaffen, die Rechtsanwälten helfen, ihre Arbeit effektiv und vor allem gesund zu bewältigen. Dies umfasst verschiedene Bereiche. Neben der mentalen und der physischen Gesundheit auch die sogenannte Work-Life-Balance, die Arbeitsumgebung und -bedingungen und berufliche Erfüllung bzw. Sinnfindung.

Während sich die Zahlen zur Gesundheitssituation von Rechtsdienstleistern in verschiedenen Ländern zwar ähneln, gibt es doch große Unterschiede in der Herangehensweise an das Problem. In den USA und Großbritannien gibt es bereits Initiativen, die sich auf das Wohlbefinden von Anwälten konzentrieren. Organisationen wie das Institute for Well-Being in Law (IWIL) in den USA setzen sich aktiv dafür ein, das Wohlbefinden der Anwälte durch Programme und Ressourcen zu verbessern.

In Deutschland hingegen stehen solche Initiativen noch am Anfang. Es gibt zwar erste Maßnahmen und Programme wie z. B. den „Human Centered Leadership Circle“ als Teil des Liquid Legal Institutes, aber die Implementierung in die anwaltliche Praxis steht vergleichsweise noch am Anfang. Hier besteht noch großes Potenzial, von internationalen Best Practices zu lernen und diese zu übertragen.

Als Life Coach für Jurist:innen arbeite ich täglich mit Individuen an Fragen, die genau diesen Bereich, nämlich das „lawyer wellbeing“ betreffen: Wie kann ich mit dem großen Druck umgehen, wie schaffe ich es, nicht ständig gestresst zu sein, wie gehe ich mit Herausforderungen im Alltag, wie z.B. schwierigen Mandanten um, wie bleibe ich in schwierigen Situationen gelassen und und und…

Dabei kann ich aus meiner Praxis berichten, dass es einige einfach umzusetzende Methoden gibt, die sich quasi als Allzweckwaffe einsetzen lassen. Davon will ich Ihnen zwei vorstellen: Resilienz und Selbstfürsorge.

Was Sie direkt selbst umsetzten können: Resilienz und Selbstfürsorge!

Sicherlich haben Sie schon von Resilienz gehört. Lassen Sie mich noch einmal kurz zusammenfassen, was Resilienz bedeutet:

Resilienz ist die Fähigkeit, sich von Rückschlägen zu erholen und gestärkt aus Herausforderungen hervorzugehen. Es bedeutet also, trotz Stress und widrigen Umständen flexibel und anpassungsfähig zu bleiben. Resilienz kann durch verschiedene Methoden und Strategien gestärkt werden, darunter z. B. Achtsamkeit, positive soziale Beziehungen und effektiver Umgang mit Stress.

Selbstfürsorge ist dabei die nicht ganz so bekannte kleine Schwester der Resilienz. Sie meint die aktive Pflege der eigenen körperlichen, emotionalen und mentalen Gesundheit. Dies umfasst z. B. gesunde Lebensgewohnheiten wie ausreichenden Schlaf, ausgewogene Ernährung, regelmäßige Bewegung sowie das Setzen von Grenzen und das Einplanen von Pausen im Alltag. Selbstfürsorge bedeutet dabei auch, sich Zeit für Hobbys und Aktivitäten zu nehmen, die Freude bereiten und entspannen, sich also aktiv Energielieferanten zu suchen und die eigenen Batterien aufzuladen.

Resilienz und Selbstfürsorge weisen eine Wechselwirkung auf. Wer sich gut um sich kümmert, wird resilienter und wer resilienter wird, hat es leichter, sich gut um sich zu kümmern. Zusammen fördern Resilienz und Selbstfürsorge die ganzheitliche Gesundheit. Sie steigern das Wohlbefinden nicht nur im Beruf, sondern auch im Privatleben signifikant, erhalten uns auf lange Sicht nicht nur leistungsfähig, schützen vor Burnout, sondern machen uns sogar noch leistungsfähiger.

Das Beste daran? Es ist gar nicht schwer, die eigene Resilienzfähigkeit zu stärken und Selbstfürsorge in den Alltag zu integrieren.

Klingt zu schön, um wahr zu sein?

Nicht mit diesen fünf einfachen Tipps.

5 einfache Tipps zur Stärkung der Resilienz und Förderung der Selbstfürsorge

1. Achtsamkeit üben

Was es ist: Achtsamkeit bedeutet, den gegenwärtigen Moment bewusst und ohne Bewertung wahrzunehmen.

Was es bringt: Achtsamkeit hilft, im Moment präsent zu sein, und reduziert genau dadurch das Stresserleben sowie Ängste. Sie fördert das emotionale Wohlbefinden und verbessert die Fähigkeit, in stressigen Situationen gelassen zu bleiben.

Wie es geht: Beginnen Sie mit kurzen Meditationsübungen von 5-10 Minuten täglich. Setzen Sie sich in eine bequeme Position, schließen Sie die Augen und konzentrieren Sie sich auf Ihren Atem. Beobachten Sie Ihre Gedanken ohne Bewertung und kehren Sie immer wieder sanft zur Atmung zurück, wenn Sie merken, dass Sie abschweifen. Sie können sich vorstellen, dass Ihre Gedanken, wie schnelle Autos auf der Autobahn fahren. Sie sind aber nicht der Fahrer, sondern stehen daneben und beobachten das ganze Geschehen nur. Je länger der Abstand zwischen den Autos ist, desto besser. (Das gilt im echten Leben und in der Meditation gleichermaßen).

Das können Sie morgens nach dem Aufstehen, am Schreibtisch bei der Arbeit, in der Mittagspause oder wann immer Ihnen danach ist, durchführen. Stellen Sie dabei nur sicher, dass Sie für 5 – 10 Minuten ungestört sind.

Profi Tipp: Stellen sie sich für Ihren Moment der Achtsamkeit einen Wecker oder einen Reminder ein. Verwenden Sie Kopfhörer mit Noise-Cancelling-Funktion und geben sich meditative Musik oder Alpha Waves auf‘s Ohr. Youtube und Spotify bieten hier eine fantastische Auswahl.

2. Dankbarkeit kultivieren

Ähnlich aber doch anders: Dankbarkeit zu kultivieren hat ebenfalls mit Achtsamkeit zu tun, geht aber etwas weiter.

Was es ist: Dankbarkeit bedeutet, bewusst die positiven Aspekte des Lebens wahrzunehmen und wertzuschätzen.

Was es bringt: Dankbarkeit fördert positive Emotionen, reduziert Stress und verbessert das allgemeine Wohlbefinden. Mit anderen geteilt, stärkt sie soziale Bindungen und das Gefühl von Zufriedenheit.

Wie es geht: Notieren Sie täglich drei Dinge, für die Sie dankbar sind. Am besten funktioniert das mit dem Führen eines Dankbarkeitstagebuchs. Es muss nichts Großes sein, sondern darf alles sein wie z. B., dass die Sonne heute scheint, dass ein Gespräch Sie erheitert hat, dass Ihre Tochter Sie heute Morgen angelächelt hat.

Profi Tipp: Reflektieren Sie regelmäßig über die Einträge in Ihrem Tagebuch und teilen Sie Ihre Dankbarkeit mit anderen, um tiefe Beziehungen zu fördern.

3. Körperliche Aktivität einbauen

Was es ist: Körperliche Aktivität umfasst alle Bewegungsformen.

Was es bringt: Regelmäßige Bewegung reduziert Stresshormone, verbessert die Stimmung und fördert die allgemeine Gesundheit. Das weiß heutzutage jeder. Was viele noch nicht wissen: Sie stärkt auch das Selbstvertrauen und hat unmittelbar positiven Einfluss auf das Energielevel.

Wie es geht: Integrieren Sie 30 Minuten Bewegung in Ihren Alltag. Das muss keine sportliche Höchstleistung sein, es genügt, wenn Sie den Weg zum Büro zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurücklegen, jede Fahrstuhlfahrt mit Treppengehen ersetzen, in der Mittagspause einmal um den Block gehen, abends ein Home Workout vor dem Fernseher machen oder, oder, oder…

Profi Tipp: Verlegen Sie die Bewegung so oft es geht nach draußen. Tageslicht und frische Luft wirken zusätzlich stimmungsaufhellend und erhöhen Ihr Energielevel.

4. Positive soziale Beziehungen pflegen

Was es ist: Soziale Beziehungen umfassen alle Interaktionen mit anderen Menschen, Familie, Freunde und Kollegen, die Gemeinschaft bieten.

Was es bringt: Starke soziale Beziehungen bieten emotionale Unterstützung und helfen, Stress besser zu bewältigen. Sie erhöhen das Gefühl von Zugehörigkeit und mindern das Gefühl von Isolation. Dies wirkt sich unmittelbar positiv auf unsere Resilienz aus.

Wie es geht: Verbringen Sie regelmäßig Zeit mit Freunden und Familie. Planen Sie wöchentliche Treffen oder gemeinsame Aktivitäten genauso wie Termine in der Arbeit und achten Sie darauf, diese auch einzuhalten und nicht ständig aufzuschieben.

Profi Tipp: Seien Sie offen und ehrlich in Ihren Gesprächen. Sprechen Sie über eigene Herausforderungen. Schaffen Sie Nähe und echte Verbindung. Das führt dazu, dass es Ihnen leichter fällt, Unterstützung anzunehmen, wenn Sie sie einmal benötigen.

5. (Richtig) Grenzen setzen

Was es ist: Grenzen setzen bedeutet, klare Trennlinien zwischen den eigenen Bedürfnissen und den Erwartungen anderer zu ziehen. Das bedeutet nicht, immer nur Nein zu sagen, sondern manchmal auch ein Ja, aber zu Ihren Bedingungen.

Was es bringt: Klare Grenzen schützen vor Überlastung und helfen, die Balance zwischen Arbeit und Privatleben zu wahren. Sie reduzieren damit Stress und fördern das Selbstbewusstsein.

Wie es geht: Identifizieren Sie Ihre eigenen Bedürfnisse und Prioritäten. Lernen Sie, Aufgaben zu delegieren, wo dies möglich ist. Sagen Sie höflich Nein zu zusätzlichen Verpflichtungen, die Sie überfordern könnten oder bieten ein Ja zu Ihren eigenen Bedingungen an.

Profi Tipp: Planen Sie Pausen und Freizeit fest in Ihren Kalender ein und behandeln diese Zeiten wie alle anderen wichtigen Termine: mit Priorität!

Fazit

Wie Sie sehen, ist es kein Hexenwerk, an der eigenen Resilienz zu arbeiten und Selbstfürsorge zu üben. Es bedarf auch nicht wahnsinnig viel Zeit oder Aufmerksamkeit, sondern lediglich einer Anpassung der eigenen Routinen und Gewohnheiten.

Was allerdings dazu gehört, ist, ein gewisses Maß an Reflexion und Selbstanalyse. Das bedeutet vor allem, sich regelmäßig Zeit zu nehmen, um die eigenen Arbeits- und Verhaltensweisen zu reflektieren. Was läuft gut, was könnte besser sein? Durch Selbstanalyse und Reflexion lernen Sie kontinuierlich, Ihre eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen und gleichzeitig an Ihrer Resilienz zu arbeiten. Genau das wird Sie am Ende auch noch leistungsfähiger machen, da Sie mehr Energie haben, sich weniger gestresst fühlen und insgesamt zufriedener sind.

Resilienz und Selbstfürsorge sind also keine Luxusgüter, sondern essenzielle Bestandteile eines gesunden und erfolgreichen Berufslebens. Indem Sie achtsam mit sich umgehen, Dankbarkeit kultivieren, körperliche Aktivitäten in Ihren Alltag integrieren, positive soziale Beziehungen pflegen und Grenzen setzen, legen Sie den Grundstein für eine erfolgreiche und gesunde anwaltliche Praxis.

Starten Sie noch heute – Ihr zukünftiges Ich wird es Ihnen danken. Versprochen!

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