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Als Jurist gut genug? — Über Zweifler und Luftpumpen

Als Jurist gut genug? — Über Zweifler und Luftpumpen

Klischee oder Fakt: Unter Juristen gibt es gewisse Grundtypen, von denen zwei besonders auffallen. Ich nenne sie die Zweifler und die Luftpumpen.

Die Zweifler: reflektiert, sich der Komplexität juristischer Arbeit bewusst, skeptisch, gründlich, überkritisch, aber auch zu Zweifeln neigend und Impostor-Syndrom-gefährdet.

Die Luftpumpen: übermäßig selbstbewusstes Auftreten, teils überheblich, mit Tendenz zur Selbstüberschätzung und nicht kritikfähig. Ihre ausgeprägte Hybris führt zu der Neigung, wichtige Details zu übersehen, zuweilen unüberlegt zu entscheiden und keine Zweifel zuzulassen.

Entschuldigungsgrund Juristerei?

Alles Klischee? Nein. Anstrengende Charaktere wie insbesondere die „Luftpumpen“, die viel heiße Luft (aber teils recht wenig Substanz) produzieren, kennt man schließlich aus vielen Branchen. Doch in der Juristerei ist so ein Verhalten nachvollziehbarer und daher verzeihlicher.

Diese Gruppen – seien es pedantische Zweifler, unsichere Streber oder sehr selbstbewusst auftretende Juristen – pauschal zu verurteilen, ist eine Fehleinschätzung der Komplexität juristischer Arbeit und des individuellen Umgangs damit. Konkurrenz, Ellenbogenmentalität, Erwartungsdruck, anspruchsvolle Mandanten, schwierige Mandate, kurze Fristen, das ständige Bedürfnis, sich beweisen zu müssen,…. Es gibt wahrlich einfachere Jobs.

Wer mit der juristischen Ausbildung und dem Berufsleben als Anwalt nicht vertraut ist, interpretiert den Hang zum Perfektionismus in diesem kompetitiven Umfeld und den Druck, den Juristen sich machen, erstmal fälschlicherweise als Zeichen von Unsicherheit.

Und auch die Sichtweise, die selbstbewusst Auftretenden seien allesamt arrogant und unreflektiert, geht fehl. Denn, Eines ist sicher: Ein gewisses Selbstbewusstsein und der Glaube an das eigene Können sind durchaus vonnöten, um das Jurastudium durchzuziehen. Und im späteren Berufsleben als Anwalt? Da sind Selbstsicherheit und überzeugendes Auftreten zwingend notwendig.

Ob Superman oder Skeptiker: Übertreiben Sie es nicht!

Doch so wichtig Selbstbewusstsein auf der einen und Skepsis auf der anderen Seite auch sind, natürlich sollten sie nicht ins Extreme ausufern. Weder übertriebene Selbstüberschätzung noch ewig-zweifelnde Mega-Pedanterie sind für Anwälte nachhaltig alltagstaugliche Eigenschaften, denn sie kosten unnötig viel Energie (und das Umfeld zuweilen ein paar Nerven).

Und Sie? Ganz ehrlich: Haben Sie einen Hang zu einem der Extreme? Im Interesse Ihrer Mandanten, Ihrer Kollegen und nicht zuletzt Ihrer selbst ist es hilfreich, sich diese Frage alle paar Jahre ehrlich zu beantworten – und sich ggf. um mehr Ausgewogenheit zu bemühen. Das erleichtert Ihrem Umfeld den Umgang und Ihnen die Arbeit.

Alles Gute!

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