Als Anwalt/-ältin sind Sie jederzeit bemüht keine Fehler zu machen. Damit würden Sie ggf. am Ende Ihren Klient/-innen schaden. Das bringt alleine der Berufsstand mit sich. Wie sieht es aber drum herum aus? Muss gleichzeitig die Kanzlei immer perfekt aussehen, genau wie Sie? Die Deko z.B. der Jahreszeit angepasst, immer frische Blumen am Eingang…
Und wie ist es in Ihrem privaten Umfeld? Die Geburtstagskuchen der Kinder bedürfen einer besonderen Deko und vor dem Weihnachtsfest machen Sie sich über Wochen bereits Gedanken über das perfekte Weihnachtsessen, bis ins Detail?
Dann sollten Sie sich darüber Gedanken machen, ob der Perfektionismus Sie fest im Griff hat und Sie ggf. von einem wirklich entspannt erfolgreichen Leben abhält.
Was steckt hinter dem Perfektionismus?
Perfektionismus ist zunächst einmal ein Persönlichkeitsmerkmal, welcher bis zu einem gewissen Grad ein guter Antrieb ist. Das Streben nach Perfektion bringt Sie meist zu guten Ergebnissen. Sie setzen sich hohe Maßstäbe und bringen i.d.R. entsprechend gute Leistungen. Viele Perfektionisten sind überdurchschnittlich erfolgreich, beruflich oder auch z.B. im Leistungssport.
Genau hier ist allerding auch der Haken an der Sache: Sobald der eigene Selbstwert an die Leistungserbringung gekoppelt ist, hat der Perfektionismus einen negativen Einfluss auf Ihre Lebensqualität. Dann verursacht er Stress. Ängste werden geschürt und im schlimmsten Fall kann es zu psychischen Erkrankungen kommen – wie Burnout, Depressionen oder Essstörungen.
Betroffene rennen dem Perfektionismus bildlich hinterher und können diesen Lauf doch nie gewinnen. Egal, was sie erreichen, sie fühlen sich nie gut genug. Das Ziel ist immer mindestens einen Schritt weiter. Wenn es doch erreicht ist, wird es kaum wahrgenommen, weil direkt das nächsthöhere Ziel gesetzt wird. Es beginnt eine ewige Jagd, die zu einem verringerten Selbstvertrauen und einer verzerrten Wahrnehmung des eigenen Selbstwertes führt. Fehler bleiben bei den Betroffenen präsent, während Erfolge gerne übersehen werden.
Insgesamt gibt es zwei Formen von Perfektionismus:
Funktionaler Perfektionismus
Der funktionale Perfektionismus ist mehr nach innen gerichtet. Betroffene haben einen hohen Anspruch an sich selbst und streben danach immer besser zu werden in dem, was sie tun. Das persönliche Wachstum steht hier im Vordergrund. Diese Menschen können aber mit Misserfolgen umgehen und sind ebenso sehr stolz auf das, was sie bisher erreicht haben.
Dysfunktionaler Perfektionismus
Hier steht die extrinsische Motivation im Vordergrund. Betroffene sind quasi süchtig nach Anerkennung. Dieses unaufhörliche Verlangen nach Bestätigung und Beifall lässt sie immer weiter rotieren. Es handelt sich meist um extrem willensstarke Menschen, die nach außen hart, nach innen aber eher sensibel sind. Das dauerhafte Streben nach Perfektion lässt sie über die Zeit immer unglücklicher werden.
Welche Ursachen gibt es?
Die Ursachen für Perfektionismus sind vielfältig. Er kann seinen Ursprung in der Kindheit haben und durch die Prägung durch die Beziehung zu wichtigen Bezugspersonen entstehen, wie z.B. den Eltern, Großeltern oder auch den eigenen Geschwistern. Bekommen Kinder z.B. immer wieder besondere Anerkennung oder sogar mehr Liebe, wenn sie etwas besonders perfekt machen, entwickeln sie früh entsprechend perfektionistische Ansprüche. Perfektionismus kann aber auch ein Teil der eigenen Persönlichkeit, bzw. des eigenen Charakters sein oder durch komplett fehlende Strukturen entstehen. Hier löst der Perfektionismus das Problem der fehlenden Kontrolle.
Was können Sie tun, um der Perfektionismusfalle zu entkommen?
Wichtig ist zunächst die Erkenntnis, dass Sie nie ein glückliches und entspanntes Leben führen werden, wenn Sie in der negativen Perfektionismusfalle gefangen sind. Die folgenden 7 Schritte helfen Ihnen aus dieser auszusteigen:
- Sie dürfen zunächst die Entscheidung treffen, dass sie eine Veränderung herbeiführen wollen, auch wenn es ggf. am Anfang ungewohnt und gar nicht so einfach wird. Das klingt banal. Aber jede Veränderung kostet Energie. So könnte es unter Umständen schwieriger als erwartet werden aus dem alten Muster auszubrechen, welches Sie wahrscheinlich schon über Jahrzehnte kennen und vielleicht sogar schätzen gelernt haben.
- Lernen Sie Schritt für Schritt einen liebevollen Umgang mit sich selbst. Dazu gehört in erster Linie, dass Sie aufhören sich selbst für Fehler „runterzuziehen“. Es ist ok, Fehler zu machen und Sie müssen auch nicht alles beherrschen. Sehen Sie Ihre Selbstzweifel eher als Chance etwas Neues zu lernen und daran zu wachsen.
- Hören Sie auf, sich mit anderen zu vergleichen. Vergleichen macht unglücklich und dabei können Sie nur verlieren. Und: In der Regel vergleichen wir uns nicht mit all den Menschen in unserem Umfeld, die weniger erfolgreich sind, die gerade erst angefangen haben mit dem, was sie machen etc., sondern eher mit den Menschen, die vielleicht schon lange da sind, wo wir hin möchten. Wenn Sie nicht anders können, dann vergleichen Sie sich mit Ihrem alten Ich von vor einem Jahr und schauen Sie, was Sie in diesem Jahr alles dazu gelernt haben.
- Geben Sie sich selbst die Anerkennung, die Sie brauchen. Dann brauchen Sie sie nicht weiter im Außen zu suchen. Erkennen Sie sich selbst für Ihre Erfolge an, egal wie klein sie Ihnen anfangs vielleicht auch erscheinen. Seien Sie stolz auf alles, was sie leisten und bereits geleistet haben. Und sprechen Sie mit sich selbst wie mit Ihre/m besten Freund/in. Wenn Ihnen das schwer fällt, stellen Sie sich doch mal 2 Wochen jeden Tag vor den Spiegel und sagen sich selbst, was Sie heute wieder besonders gut gemacht haben.
- Lernen Sie mit Kritik umzugehen. Egal wie perfekt Sie auch sind, es wird dennoch Menschen geben, die etwas an Ihnen oder Ihrer Leistung auszusetzen haben. Sie können es nicht allen recht machen und wenn doch werden Sie sich selbst verbiegen und nicht mehr authentisch ihre eigenen Ziele verfolgen. Sie werden zum Fähnchen im Wind ohne Rückgrat und Durchsetzungsfähigkeit. Und das sollte eher nicht das Ziel sein.
- Versuchen Sie weniger zu zerdenken und dafür mehr einfach zu machen. Dann ist es wahrscheinlich nicht perfekt, aber durch das Machen werden Sie immer weiter dazu lernen und im Endeffekt schneller Ihr Potenzial erhöhen, als wenn Sie jeden Schritt zunächst in der Theorie perfektioniert haben.
- Holen Sie sich Hilfe. Wenn Sie merken, dass der Perfektionismus für Sie zur Belastung wird und sie selbst den Absprung nicht schaffen, sprechen Sie mit einem Coach oder Therapeuten. Vor allem, wenn Sie bereits starke negative Auswirkungen wahrnehmen, sollten Sie diesen Schritt unbedingt machen. Sie müssen nicht alles alleine schaffen und es ist ein Zeichen von Größe um Hilfe bitten zu können.
Probieren Sie die Schritte gerne in der Reihenfolge aus und stellen Sie sich vor, wie entspannt Ihr Leben sein wird, wenn Sie Ihren Perfektionismus ab sofort loslassen und anstatt dessen mehr Leichtigkeit und Lebensfreude einladen.