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Beschlussfeststellung und -ersetzung durch das Gericht

BGH, Urt. v. 10.11.2023V ZR 51/23

I. Der Fall

Die Parteien, Wohnungseigentümer und die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE), streiten um die Feststellung eines Beschlusses. Die Gemeinschaftsordnung der aus mehreren Häusern bestehenden Gemeinschaft sieht vor, dass über Maßnahmen, deren Kosten alleine die dortigen Eigentümer zu tragen haben, nur diese Beschluss fassen. In einem früheren Verfahren ersetzte das Gericht den Beschluss über die Sanierung des zur Wohnung der Kläger gehörenden Balkons, wofür der Verwalter drei Angebote einholen sollte. Dieser holte indessen jeweils nur ein Angebot für die beteiligten Gewerke ein. Über dessen Annahme ließ er auf der Eigentümerversammlung abstimmen. Die Mehrheit aller Wohnungseigentümer stimmte dagegen, die Mehrheit der Eigentümer des betroffenen Hauses dafür. Da der Verwalter die Ablehnung des Beschlussantrags feststellte, klagten die Kläger auf Ungültigerklärung des ablehnenden Beschlusses und begehrten die Feststellung eines positiven Beschlusses. Ihre Klage hatte in den Tatsacheninstanzen nur hinsichtlich der Anfechtung des ablehnenden Beschlusses Erfolg. Hiergegen richtet sich ihre vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Kläger.

II. Die Entscheidung

Kombination der Anfechtung des ablehnenden mit dem Antrag auf Feststellung des tatsächlich gefassten Beschlusses

Der BGH bejaht zunächst die Möglichkeit, die Anfechtung des ablehnenden Beschlusses mit dem Antrag auf Feststellung des tatsächlich gefassten zu kombinieren. Es war in Schrifttum und Rechtsprechung umstritten, ob das Gericht bereits im Rahmen der Klage auf Feststellung Anfechtungsgründe zu berücksichtigen hat oder ob dies erst in einer nachfolgenden Anfechtungsklage zu geschehen hat. Der BGH bejaht die Prüfung von Anfechtungsgründen vorwiegend aus prozessökonomischen Gründen und dem Sinn der Beschlussfeststellungsklage, möglichst rasch Rechtsklarheit über die Beschlusslage zu schaffen. Allerdings sind Anfechtungsgründe auch in diesem Rahmen nicht von Amts wegen, sondern nur auf Einrede zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall bleibt die Klage auf Beschlussfeststellung deshalb ohne Erfolg, obwohl nach der Gemeinschaftsordnung die alleine stimmberechtigten Eigentümer des betroffenen Hauses für die Maßnahme gestimmt haben. Denn der begehrte Beschluss wäre anfechtbar, da danach entgegen dem im Vorprozess ersetzten Beschluss die Auftragsvergabe ohne Einholung von Alternativangebot erfolgen sollte.

III. Der Praxistipp

Vorsicht ist bei der vom BGH unbeanstandet gebliebenen Ungültigerklärung des ablehnenden Beschlusses geboten. Denn nach seiner neuesten Rechtsprechung hat die Anfechtung eines Negativbeschlusses nur dann Erfolg, wenn alleine die beantragte positive Beschlussfassung ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht (BGH, Urt. v. 23.6.2023 – V ZR 158/22). Das war hier gerade nicht der Fall. Im Ergebnis kann sich derjenige, der eine Beschlussfeststellung erstreiten will, das Risiko der Anfechtung des Negativbeschlusses ersparen. Denn dieser entfaltet nach Auffassung des BGH ohnehin keine Sperrwirkung. Im Zusammenhang mit der Beschlussersetzung im Vorprozess nimmt der BGH noch zur Frage der Abänderung einer gerichtlich ersetzten Beschlussfassung durch die Eigentümerversammlung Stellung. Eine solche will der BGH unter Hinweis auf die Rechtskraft der gerichtlichen Beschlussersetzung nur bei einer erheblichen Veränderung der maßgeblichen Umstände zulassen. Dies erscheint dogmatisch nicht zwingend, da das Gericht in diesen Verfahren nur an die Stelle der Eigentümerversammlung tritt. Folglich dürften die gerichtlich ersetzten Beschlüsse nicht anders zu behandeln sind als solche der Eigentümerversammlung.

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