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Beschluss privilegierter baulicher Veränderungen

BGH, Urt. v. 9.2.2024V ZR 244/22

I. Der Fall

Die Parteien, Wohnungseigentümer und die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE), streiten um die Ersetzung eines Beschlusses. Die nicht gehbehinderten Eigentümer einer im dritten Stock des Hinterhauses gelegenen Wohnung beantragten in der Eigentümerversammlung vom 26.7.2021, die Verwaltung mit der Planung eines Aufzuges zu beauftragen, hilfsweise, ihnen auf eigene Kosten die Errichtung eines Außenaufzugs zu gestatten. Die nach Ablehnung dieses Beschlussantrages erhobene Klage auf Ersetzung des Beschlusses über die Errichtung eines Aufzugs hatte in der Berufungsinstanz Erfolg. Hiergegen richtet sich die vom Landgericht zugelassene Revision.

II. Die Entscheidung

Beschlussersetzungsklage

Das Rechtsmittel blieb ohne Erfolg. Die Beschlussersetzungsklage ist begründet, wenn nur eine Beschlussfassung ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Dabei ist nicht erforderlich, dass nur eine bestimmte Maßnahme ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht; es genügt, wenn die Voraussetzungen eines Grundbeschlusses vorliegen. Dies ist hier der Fall, da aus § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 WEG Anspruch auf eine Beschlussfassung besteht. Dem steht nicht entgegen, dass der Aufzug nur einzelnen, bau- und zahlungswilligen Wohnungseigentümern zur Verfügung stehen soll. Denn die Zuweisung einer alleinigen Nutzungsbefugnis ist nunmehr regelmäßige Folge der Kosten- und Nutzungsregelungen in § 21 WEG. Es spielt auch keine Rolle, dass die Kläger selbst nicht behindert und daher nicht auf die Nutzung des Aufzugs angewiesen sind. Denn die in § 20 Abs. 2 S. 1 WEG aufgeführten baulichen Veränderungen tragen einem gesamtgesellschaftlichen Bedürfnis Rechnung. Der Anbau eines Personenaufzugs ist auch angemessen gemäß § 20 Abs. 2 S. 1 WEG. Eine nach § 20 Abs. 2 S. 1 WEG aufgeführte Maßnahme ist regelmäßig angemessen im Sinne dieser Vorschrift. Anderes kann nur in atypischen Ausnahmefällen gelten, in denen die Nachteile einer baulichen Veränderung deren Vorteile überwiegen. Dabei kommt es auf die Gesamtheit der Wohnungseigentümer an. In diesem Zusammenhang sind die Kosten einer baulichen Veränderung grundsätzlich außer Betracht zu lassen, da sie gemäß § 21 Abs. 1 WEG von dem Wohnungseigentümer zu tragen sind, der die Maßnahme verlangt. Dies umfasst auch die Folgekosten. Im Zweifel gelten dabei die Grundsätze der sekundären Beweislast: Der Wohnungseigentümer, der die bauliche Veränderung verlangt, hat das negative Tatbestandsmerkmal der fehlenden Unangemessenheit zu beweisen, muss dabei aber nur solche Umstände widerlegen, die nach dem Vortrag der GdWE eine Unangemessenheit indizieren. Hingegen ist die bauordnungsrechtliche Zulässigkeit keine Frage der Angemessenheit, sondern eine solche ordnungsmäßiger Verwaltung. Diese Frage ist allerdings für den Grundlagenbeschluss regelmäßig noch ohne Bedeutung, da sie erst bei der konkreten Ausführung der Maßnahme zum Tragen kommt, über die die Eigentümerversammlung zu befinden hat. Anderes gilt nur, wenn von vorneherein feststeht, dass das Begehren in jedem Fall und in jeglicher Ausführung gegen öffentlich – rechtliche Vorschriften verstößt. Auch eine grundlegende Umgestaltung ist bei Maßnahmen, die einem privilegierten Zweck nach § 20 Abs. 2 S. 1 WEG dienen, grundsätzlich nicht anzunehmen. Ebenso wenig liegt eine unbillige Benachteiligung von Miteigentümern vor. Denn diese setzt voraus, dass einem verständigen Miteigentümer die Duldung der baulichen Veränderung nicht abverlangt werden kann. Dabei sind wiederum die Wertungen der §§ 20, 21 WEG zu berücksichtigen, also insbesondere die Privilegierung nach § 20 Abs. 2 S. 1 WEG und der Umstand, dass das Gesetz den Ausschluss überstimmter Wohnungseigentümer von dem umgestalteten Gemeinschaftseigentum vorsieht. Nach diesen Vorgaben können die Kläger einen Grundlagenbeschluss zum Anbau eines Außenaufzugs verlangen.

III. Der Praxistipp

Die Entscheidung stellt wie die obige Zusammenfassung die ausführliche Diskussion der abstrakten Tatbestandsmerkmale voran und wendet sie anschließend eher knapp auf den Fall an. Damit werden zahlreiche offene Fragen zur durchgreifenden Neukodifizierung der baulichen Veränderung geklärt, insbesondere das Verhältnis von Privilegierung nach § 20 Abs. 2 WEG und der Angemessenheit einer baulichen Veränderung, die Darlegungs- und Beweislast für ihre Angemessenheit und die Ausschlusstatbestände der grundlegenden Umgestaltung und der unbilligen Beeinträchtigung.

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