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Verbote und Gebote durch Beschluss

BGH, Urt. v. 21.7.2023V ZR 215/21

I. Der Fall

Die Parteien, die Eigentümer einer in Wohnungseigentum aufgeteilten Liegenschaft, streiten um die Gültigkeit von Beschlüssen. Die Eigentümerversammlung vom 7.9.2020 beschloss u. A., einer Miteigentümerin die Nutzung einer Garage zu Wohnzwecken und einer Terrasse als Gartenfläche zu untersagen. Die hiergegen gerichtete Anfechtungsklage blieb in den Tatsacheninstanzen, die von einer Versäumung der Anfechtungsfrist ausgingen, ohne Erfolg. Hiergegen richtet sich die vom BGH zugelassene Revision.

II. Die Entscheidung

Anfechtungsfrist

Die Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung. Die Anfechtungsfrist ist gewahrt, da die verspätete Zustellung zum Teil auf langsamer Bearbeitung durch die Geschäftsstelle beruht. Hinsichtlich des Beschlusses, der einer Miteigentümerin die Nutzung einer Garage zu Wohnzwecken und einer Terrasse als Gartenfläche untersagt, geht das Berufungsgericht zwar zu Recht davon aus, dass der Eigentümerversammlung die Beschlusskompetenz fehlt, Pflichten außerhalb der gemeinschaftlichen Kosten und Lasten durch Beschluss zu begründen. Sie darf aber durch Beschluss ihren Willen bilden, ob sie bestimmte Nutzungen oder bauliche Veränderungen für zulässig hält. Wird dies dem Wortlaut nach als Gebot oder Verbot beschlossen, ist darin ein Beschluss zur Aufforderung zu sehen, Gemeinschafts- oder Sondereigentum nur im zulässigen Rahmen zu nutzen. Ein solcher Beschluss ist nur auf formelle Beschlussmängel zu prüfen. Ob die Aufforderung zutrifft, ist erst in einer nachfolgenden Unterlassungsklage zu prüfen. Dann ist dem solchermaßen Aufgeforderten allerdings der Einwand abgeschnitten, er habe keine Veranlassung zur Klage gegeben.

III. Der Praxistipp

Die Entscheidung ist von erheblicher Bedeutung. Denn der BGH bricht mit seiner Rechtsprechung, wonach ein Beschluss, durch den ein Wohnungseigentümer jenseits der Kostentragung konstitutiv zu Handlungen oder Unterlassungen verpflichtet wird, mangels Beschlusskompetenz nichtig ist (so noch BGH ZMR 2010, 777). Zudem ist die Anfechtbarkeit solcher Beschlüsse auf formelle Mängel beschränkt. Umgekehrt entfalten sie für das Gericht keine Bindungswirkung. Im Ergebnis ist ihre Anfechtung regelmäßig nicht mehr zu empfehlen. Denn der vom BGH angenommene Inhalt solcher Beschlüsse entfaltet für niemanden, insbesondere nicht für das Gericht, das das Gebot bzw. Verbot prüft, Bindungswirkung. Die mit dem Beschluss beabsichtigte Verpflichtung des Miteigentümers kommt somit nach wie vor nicht zustande, ohne dass es der Beschlussklage zur Rechtsverteidigung bedarf. Die Anfechtung wegen der Aufforderung wird aber infolge der eingeschränkten Prüfungsdichte regelmäßig erfolglos bleiben.

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