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Unabdingbarkeit der Begründungsfrist

BGH, Urt. v. 23.6.2023V ZR 28/22

I. Der Fall

Die Parteien, die Eigentümer einer in Wohnungseigentum aufgeteilten Liegenschaft, streiten um die Gültigkeit eines Beschusses. Die Klägerin begehrt die Ungültigerklärung der auf der Eigentümerversammlung vom 15.6.2019 gefassten Beschlüsse. Sie begründete ihre Anfechtungsklage mit Schriftsatz vom 15.8.2019, bei Gericht eingegangen am 16.8.2019. Ihre Anfechtungsklage hatte in den Tatsacheninstanzen Erfolg, wobei das Berufungsgericht Feststellungen zum Zeitpunkt, zu dem die Begründung der Anfechtungsklage einging, unterließ. Hiergegen richtet sich die vom BGH zugelassene Revision der Beklagten.

II. Die Entscheidung

Passivlegitimation der übrigen Wohnungseigentümer

Da Rechtsmittel hatte Erfolg. Zunächst besteht für die vor dem 1.12.2020 erhobene Klage die Passivlegitimation der übrigen Wohnungseigentümer fort, da gemäß § 48 Abs. 5 WEG altes Recht anzuwenden ist. Bestimmende Schriftsätze müssen allerdings im Anwaltsprozess eigenhändig unterschrieben sein. Dies gilt auch für die Begründung einer Anfechtungsklage. Für die Einhaltung der Begründungsfrist kommt es zwar nicht darauf an, ob bis zum Fristablauf eine ausgedruckte Version des per Telefax übermittelten Schriftsatzes vorliegt. Es genügt, wenn er vom Telefaxgerät des Gerichtes bis Fristablauf vollständig empfangen wird. Ob dies der Fall war, hätte das Berufungsgericht nicht als unstreitig ansehen und deswegen eigene Feststellungen unterlassen dürfen. Denn von Amts wegen zu prüfende Tatsachen sind der Parteidisposition entzogen. Hierzu gehört die Wahrung der Begründungsfrist für die Anfechtungsklage, die als materiell – rechtliche Ausschlussfrist den zeitnahen Eintritt der Bestandskraft und somit Rechtssicherheit gewährleisten. Deshalb kann sie weder vom Gericht verlängert (BGHZ 182, 307 Rn 8 ff.) noch durch Parteivereinbarung abgeändert werden. Dabei bedeutet Amtsprüfung nicht Amtsermittlung, sondern nur Berücksichtigung auch ohne Rüge. Deshalb wird das Berufungsgericht zu klären haben, ob die Klagebegründung rechtzeitig eingegangen ist.

III. Der Praxistipp

Die Entscheidung gilt ohne Einschränkungen auch für das neue Recht. Damit dürfte auch die Diskussion beendet sein, ob abweichende Regelungen in der Gemeinschaftsordnung wirksam sind (vgl. zum Streitstand Bergerhoff, NZM 2007, 427; Dötsch, ZMR 2008, 436). Zwar sind weder Dritte im Sinne des § 10 Abs. 3 WEG betroffen noch enthält § 45 WEG einen Hinweis auf die Unabdingbarkeit der dort geregelten Fristen. Der BGH scheint ihnen aber dennoch über den Parteiwillen hinausgehende Bedeutung beizumessen. Wenn die Fristen des § 45 WEG aber noch nicht einmal im konkreten Verfahren der Disposition der beteiligten Parteien unterliegen, dann erst recht nicht der Gestaltungsmacht des teilenden Eigentümers.

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