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Wohnen im Teileigentum

BGH, Urt. v. 15.7.2022V ZR 127/21

I. Der Fall

Die Parteien, Eigentümer einer in Wohnungseigentum aufgeteilten Liegenschaft, streiten um die Zulässigkeit der Wohnnutzung einer Teileigentumseinheit. Die aus zwei Baukörpern bestehende Wohnanlage beherbergt zehn nicht zu Wohnzwecken dienende Einheiten und in den Dachgeschossen jeweils zwei Wohnungen. Die Gemeinschaftsordnung erlaubt die Nutzung der Teileigentumseinheiten als Büro, Praxis, Apotheke, Kiosk, Laden oder zu ähnlichen Zwecken. Die Beklagten bauten ihre als Zahnarztpraxis mit Labor genutzte Einheit zu Wohnzwecken um. Die Klägerin begehrte mit ihrer 2019 erhobenen Klage die Unterlassung der Wohnnutzung. Gegen die in der Berufungsinstanz erfolgreiche Klage richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision. In der Revisionsinstanz widersprach die Verwalterin der weiteren Rechtsverfolgung durch die Klägerin. Der Erledigungserklärung sind die Beklagten entgegengetreten.

II. Die Entscheidung

Das erfolglose Rechtsmittel führt zu dem Ausspruch, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist. Die Klage war bis zum Widerspruch des Verwalters als Vertreter der Wohnungseigentümergemeinschaft zulässig und begründet.

Fortgeltung alten Rechts analog § 48 Abs. 5 WEG

Sie wurde erst durch den Widerspruch der Wohnungseigentümergemeinschaft gegen die Rechtsverfolgung unzulässig. Denn die Fortgeltung alten Rechts analog § 48 Abs. 5 WEG besteht nur bis zum schriftlichen Widerspruch der Wohnungseigentümergemeinschaft gegen die Rechtsverfolgung durch einen einzelnen Wohnungseigentümer fort (BGH, Urt. v. 7.5.2021 – V ZR 299/19; ZMR 2021, 680 = ZWE 2021, 325). Danach fehlt es an der Prozessführungsbefugnis des einzelnen Wohnungseigentümers. Die Klage war auch begründet. Zwar ist nach den Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung davon auszugehen, dass auch eine von der Gemeinschaftsordnung abweichende Nutzung hinzunehmen ist, wenn sie bei typisierender Betrachtung nicht stärker stört als eine zulässige. Dies kann bei einer Wohnnutzung von Teileigentum der Fall sein, wenn die Anlage im Übrigen aus Wohnungen besteht. Hingegen stört sie bei typisierender Betrachtung stärker als eine zulässige Nutzung, wenn das Gebäude nur beruflichen und gewerblichen Zwecken dient. Hier spricht zum einen gegen eine Wohnnutzung, dass abweichende Nutzungen zwar im Einzelnen geregelt sind, die Wohnnutzung aber nicht dazugehört. Zum anderen sind Gewerbe- und Wohnnutzung getrennt, indem die Wohnnutzung auf das Dachgeschoss beschränkt sein soll, während die übrigen Gebäudeteile der gewerblichen Nutzung dienen.

III. Der Praxistipp

Es kommt also auf eine typisierende Betrachtung der konkreten Liegenschaft an. Ist die Teileinheit in den Wohnbereich integriert, kann eine Beeinträchtigung ausscheiden. Allerdings gilt dies nur, solange Raum für eine ergänzende Vertragsauslegung bleibt. Der Verfasser der Gemeinschaftsordnung kann also von dieser abweichende Nutzungen auch gänzlich ausschließen.

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