Beitrag

B. Digitalisierungsinitiative für die Justiz

Isabelle Désirée Biallaß

Richterin am Amtsgericht, Essen

I.

Einleitung

Bei der „Digitalisierungsinitiative für die Justiz“ handelt es sich um die Umsetzung des im Koalitionsvertrag der Bundesregierung versprochenen „Digitalpakts für die Justiz“. Dass entgegen der dortigen Ankündigung keine Verstetigung und Erweiterung des „Pakts für den Rechtsstaat“ erfolgte und dieser ersatzlos entfiel, hatte zu einem Konflikt zwischen Bund und Ländern geführt, so dass lange keine Gelder freigegeben wurden. Insgesamt stehen 50 Millionen zum Abruf im Jahr 2023 und 200 Millionen für die gesamte Legislaturperiode zur Verfügung.

Nachdem der Haushaltsausschuss des Bundestags im April dieses Jahres die ersten 6,1 Millionen EUR aus der Digitalisierungsinitiative für die Justiz freigegeben hatte, erfolgte am 18.10.2023 nunmehr die Freigabe von weiteren 93 Millionen Euro. Grund genug, um sich einmal anzuschauen, welche Projekte finanziert werden bzw. werden sollen.

II.

Die ersten Projekte

Die erste Mittelfreigabe bezog sich auf vier Projekte, von denen drei regelmäßigen Lesern dieser Broschüre bereits bestens bekannt sind:

1.

Schaffung eines zivilrechtlichen Online-Verfahrens

Das Bundesministerium der Justiz hat die Digital Service GmbH mit der Entwicklung und Erprobung eines neuen, zeitgemäßen zivilgerichtlichen Online-Verfahrens im Bereich niedriger Streitwerte beauftragt. Die Schaffung eines solchen zivilrechtlichen Online-Verfahrens – bereits Gegenstand des Koalitionsvertrags und der Digitalstrategie der Bundesregierung – war schon Gegenstand von Veröffentlichungen in dieser Broschüre. Das Projekt wird nunmehr aus der Digitalisierungsinitiative für die Justiz finanziert.

2.

Digitale Rechtsantragstelle

Ebenfalls ein alter Bekannter ist das Projekt „digitale Rechtsantragstelle“, ehemals „Chatbot für die Rechtsantragstelle“. Die Digital Service GmbH wurde durch das Bundesministerium der Justiz auch mit der Umsetzung dieses Projekts beauftragt. Das Vorhaben war bereits Gegenstand der Digitalstrategie der Bundesregierung. Es wird nunmehr aus Mitteln der Digitalisierungsinitiative für die Justiz finanziert.

3.

Bundesweit einheitliches Videoportal

Bei dem dritten Projekt handelt es sich um die Schaffung eines bundesweit einheitlichen Videoportals für die Justiz. Auch dieses Vorhaben war bereits Gegenstand der Digitalstrategie der Bundesregierung. Zum Einsatz soll „Jitsi“ als Open-Source-Produkt kommen. Der Betrieb soll auf durch Dataport für die Justiz betriebenen Servern erfolgen.

4.

E-Justiz-Koordinierungsstelle Europa (EKE)

Das vierte Projekt für das bereits im April Mittel freigegeben wurden, war die Einrichtung einer E-Justiz-Koordinierungsstelle Europa. Die E-Justiz-Koordinierungsstelle Europa (EKE) ist beim Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen angesiedelt. Diese Aufhängung ist sinnvoll, da Nordrhein-Westfalen bereits seit 2010 im Auftrag der anderen Länder und des Bundes an der Erarbeitung der technischen und organisatorischen Grundlagen für eine umfassende Digitalisierung des zwischenstaatlichen Datenaustauschs zwischen den europäischen Justizbehörden mitgearbeitet hat.

Insbesondere erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang das sogenannte e-CODEX-System. Nordrhein-Westfalen hat mehrere aus EU-Mitteln geförderte Projekte, in denen dieses System entwickelt und ausgebaut wurde, erfolgreich geleitet. Am 30.5.2022 wurde durch den Erlass einer Verordnung über ein EDV-System für den grenzüberschreitenden elektronischen Datenaustausch im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivil- und Strafsachen (e-CODEX-System) eine Rechtsgrundlage für die Nutzung des Systems geschaffen. Das in den Projekten entwickelte technische System wird verstetigt und zu diesem Zweck der EU-Agentur eu-LISA übergeben. Es ist ein wichtiger Baustein für die künftigen Vorhaben zur Förderung einer grenzüberschreitenden digitalen Kommunikation. Innerhalb des deutschen föderalen Systems wird die EKE die Umsetzung künftiger Vorhaben koordinieren.

III.

Das Generative Sprachmodell für die Justiz (GSJ)

Am 18.10.2023 hat der Haushaltsausschuss des Bundestags Mittel für das Forschungsprojekt „Generatives Sprachmodell für die Justiz“ (GSJ) freigegeben. Es handelt sich um ein gemeinsames Projekt des Ministeriums der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen und des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz. Die technische Umsetzung erfolgt durch den Legal-Tech-Experten Herrn Prof. Matthias Grabmair von der Technischen Universität München und die rechtliche Begleitung durch die Universität zu Köln, Prof. Dr. Barbara Dauner-Lieb, Inhaberin des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht, Arbeitsrecht und Europäische Privatrechtsentwicklung.

Für eine realistische Erwartungshaltung ist es wichtig zu berücksichtigen, dass es sich um ein Forschungsprojekt handelt, in dem die Möglichkeiten der Nutzbarmachung eines Large Language Models für die Justiz anhand von maximal zwei bis drei Pilotprojekten, deren Ausgestaltung anhand der Anwenderbedürfnisse unter Anwendung von Legal Design Thinking Methoden erfolgt, erprobt wird.

IV.

Das gemeinsame Fachverfahren für die Justiz (GeFa)

Auch für das Gemeinsame Fachverfahren für die Justiz (GeFa) wurden Mittel freigegeben. Es handelt sich um ein laufendes Projekt, das zum Ziel hat, eine neue einheitliche Software für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ordentlichen Gerichtsbarkeit einschließlich der Staatsanwaltschaften sowie der Fachgerichtsbarkeiten bereitzustellen. Nach seiner Fertigstellung sollen die unterschiedlichen Fachverfahren, in denen Daten, die verwaltet werden, in allen 16 Bundesländern abgelöst werden.

Nicht verwechselt sollte das Einsatzgebiet des GeFa mit dem der E-Akten-Systeme, die weiterhin in drei verschiedenen Entwicklungsverbünden entwickelt werden (e²A, eIP und eAS). Auch für die Texterstellung sind in der Justizlandschaft zahlreiche unterschiedliche Fachverfahren im Einsatz. Beispielsweise wird in NRW in der ordentlichen Gerichtsbarkeit TSJ genutzt.

V.

Länderübergreifendes gemeinsames Registerfachverfahren (AuRegis)

Ebenfalls wurden Mittel für ein länderübergreifendes gemeinsames Registerfachverfahren (AuRegis) freigegeben. Es handelt sich um ein laufendes Projekt zur Weiterentwicklung der IT-Fachverfahren Aureg und RegisSTAR zur elektronischen Führung der Handels-, Genossenschafts-, Partnerschafts- und Vereinsregister für alle 16 Bundesländer.

VI.

KI-Strategie und KI-Plattform für die Justiz

Die Stichworte „KI-Portal“ oder „KI-Plattform“ sind alte Bekannte. Bereits Anfang 2021 berichtete der Themenkreis „Einsatz kognitiver Systeme in der Justiz“ der BLK AG Zukunft über die Notwendigkeit, KI-Anwendungen über einheitliche Schnittstellen an die E-Akten-Systeme anzubinden, einheitliche betriebliche Anforderungen zu definieren und einen justizeigenen Pool von Trainingsdaten zu schaffen.

Soweit ersichtlich, erfolgte die Mittelfreigabe nunmehr für die Schaffung einheitlicher Schnittstellen zur Anbindung an die E-Akten-Systeme und der Erstellung einer gemeinsamen Strategie. Die Forderung eines justizeigenen Pools von Trainingsdaten, scheint bislang noch nicht in Angriff genommen zu werden. Insofern wurde zuletzt angeregt, eine Machbarkeitsstudie einzuholen, in der die zahlreichen noch offenen Fragen, die sich in diesem Zusammenhang stellen, beantwortet werden.

VII.

KI-Fachverfahren „StruKI – Strukturierung mit KI“ und KI-Apps

Zu dem ebenfalls geförderten Projekt des Ministeriums der Justiz und für Migration Baden-Württemberg zur Entwicklung eines KI-Fachverfahrens „StruKI – Strukturierung mit KI“ und von KI-Apps finden sich noch keine öffentlichen Informationen.

VIII.

Digitaler Austausch zwischen Polizei und Justiz (DAPJ)

Bis zum 1.1.2026 müssen bei allen Gerichten und Staatsanwaltschaften neue Verfahren elektronisch geführt werden. Um einen Medienbruch zu vermeiden, muss spätestens bis zu diesem Zeitpunkt auch der digitale Austausch zwischen Polizei und Justiz stehen. Hierzu wird das Projekt Digitaler Austausch zwischen Polizei und Justiz (DAPJ) gefördert.

IX.

Entwicklung eines bundeseinheitlichen Datenbankgrundbuchs

Mittel für die Entwicklung eines bundeseinheitlichen Datenbankgrundbuchs wurden durch den Haushaltsausschuss des Bundestags, obwohl ihre Entsperrung scheinbar ebenfalls beantragt wurde, nicht freigegeben. Hierzu heißt es, dass in Bezug auf den „Dachverbund Modernisierung Grundbuchverfahren“ zwischen Bund und Ländern noch einmal über die Kostenteilung nachverhandelt werden solle.

X.

Fazit – Ein bunter Strauß

Wie man sieht, wurden Mittel für einen bunten Strauß von Digitalisierungsprojekten freigegeben. Teilweise handelte es sich um altbekannte Projekte oder Projektideen und teilweise auch um neue Vorhaben, über die noch kaum etwas bekannt ist. Es lohnt sich hoffentlich, die Entwicklung dieser Projekte im Auge zu behalten.

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