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EuGH soll urheberrechtlichen Werkbegriff klären

Vor dem Bundesgerichtshof wird derzeit ein Rechtsstreit ausgetragen, in dem es maßgeblich um die Frage geht, ob ein Möbelsystem ein urheberrechtlich geschütztes Werk sein kann. Weil sich die Karlsruher Richter bei der Auslegung des urheberrechtlichen Werkbegriffs auch nicht sicher sind, haben sie nun den Gerichtshof der Europäischen Union angerufen. Die Luxemburger Richter sollen bei der Klärung der Frage helfen, welche Anforderungen ein Möbelsystem erfüllen muss, um unter den urheberrechtlichen Werkschutz zu fallen (BGH, Beschl. v. 21.12.2023 – I ZR 96/22).

Hintergrund des Falles ist ein Rechtsstreit zwischen einem in der Schweiz ansässigen Möbelhersteller und einem Onlineshop-Betreiber, der u.a. Ersatzteile für dessen Möbelsysteme anbietet und zudem einen Montageservice vermittelt. Seine Ersatz- und Erweiterungsteile entsprechen in Form und Farbe überwiegend den Originalteilen des Möbelherstellers, sind aber erheblich günstiger. Der Schweizer Möbelhersteller ist der Auffassung, dass es sich bei seinem Möbelsystem um ein urheberrechtlich geschütztes Werk der angewandten Kunst, jedenfalls aber um ein lauterkeitsrechtlich gegen Nachahmung geschütztes Leistungsergebnis handelt. In dem Angebot des Onlineshops sieht er ein Geschäftsmodell, das darauf abzielt, nicht nur Ersatzteile für das Möbelsystem anzubieten, sondern letztlich ein eigenes Möbelsystem herzustellen, anzubieten und zu vertreiben, das mit seinem Möbelsystem identisch ist, es also plagiiert. Er hat deshalb den Shop-Betreiber auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Feststellung einer Schadensersatzpflicht in Anspruch genommen. Gestützt hat er seine Klageanträge in erster Linie auf Urheberrecht, hilfsweise auf wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz.

Das LG Düsseldorf hat der Klage aus Urheberrecht überwiegend stattgegeben. Das OLG Düsseldorf hat dagegen urheberrechtliche Ansprüche abgelehnt und lediglich Ansprüche aus Wettbewerbsrecht zuerkannt. Der nun mit der Sache befasste I. Zivilsenat des BGH sieht mit Blick auf europarechtliche Vorgaben noch Klärungsbedarf und hat das Verfahren zunächst ausgesetzt, um dem EuGH drei Fragen zur Auslegung des einschlägigen EU-Rechts (Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft) vorzulegen.

Danach soll durch den Gerichtshof zunächst geklärt werden, ob das OLG Düsseldorf mit Blick auf den für Werke der angewandten Kunst ebenfalls in Betracht kommenden Schutz als Geschmacksmuster oder Design zutreffend von einem Ausnahmecharakter des Urheberrechtsschutzes ausgegangen ist mit der Folge, dass bei der Prüfung der urheberrechtlichen Originalität dieser Werke höhere Anforderungen an die freie kreative Entscheidung des Schöpfers zu stellen wären als bei anderen Werkarten.

Zweitens ist nach Auffassung des I. Zivilsenats zu klären, ob bei der urheberrechtlichen Prüfung der Originalität (auch) auf die subjektive Sicht des Schöpfers beim Schöpfungsprozess abzustellen ist und er insbesondere die kreativen Entscheidungen bewusst treffen muss oder aber ob es auf einen objektiven Maßstab ankommt.

Schließlich, so der Senat, sei bislang nicht eindeutig geklärt, ob bei der Beurteilung der Originalität nach dem maßgeblichen Zeitpunkt der Entstehung der Gestaltung eingetretene Umstände herangezogen werden können, wie etwa die Präsentation der Gestaltung in Kunstausstellungen oder Museen oder ihre Anerkennung in Fachkreisen.

[Quelle: BGH]

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