Beitrag

Die weitere Vermögensauskunft gemäß § 802d ZPO

Kommt es zu wesentlichen Veränderungen der Vermögensverhältnisse des Schuldners, ist eine weitere (früher: erneute) Vermögensauskunft innerhalb der „Schonzeit“ von zwei Jahren möglich.

Kommt das in der Praxis häufig vor?

Ja.

Eigentlich ist der Schuldner gemäß § 802c ZPO und § 284 AO nicht verpflichtet, innerhalb von zwei Jahren erneut die Vermögensauskunft abzugeben. Kann der Gläubiger jedoch glaubhaft machen, dass es zu wesentlichen Vermögensänderungen gekommen ist, hat der Gläubiger die Möglichkeit der sogenannten weiteren Vermögensauskunft.

Was bedeutet wesentlich?

Der Begriff „wesentlich“ findet seine Anlehnung an § 323 Abs. 1 Satz 2 ZPO.

Diese Vorschrift besagt, dass grundsätzlich eine objektive Änderung der nach Grund und Betrag erheblichen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse eingetreten sein muss (BGH NJW 1993, 1795).

Welche Gewichtung hat „Änderung“?

Die Darlegung der Änderung der Verhältnisse ist eine besondere Zulässigkeitsvoraussetzung für den Gläubiger in der Zwangsvollstreckung, der die Darlegungs- und Beweislast trägt (BGH NJW 1987, 1201; Anders/Gehle, Kommentar ZPO, 22. Auflage, § 323 Rn 28).

Was sind Gründe für die weitere Vermögensauskunft?

Die allseits bekannten Gründe sind in der Regel

  • Arbeitswechsel,

  • Erbschaft

  • Lotteriegewinn.

Die vorgenannten Gründe stellen allerdings nur eine oberflächliche Betrachtung dar. Es gibt eine Vielzahl teilweise auch weniger bekannter Gründe, die eine weitere Vermögensauskunft gemäß § 802d ZPO rechtfertigen.

Müssen die Voraussetzungen bewiesen werden?

Nein.

Es genügt, wenn der Gläubiger die Änderungsgründe glaubhaft macht. Ein Vollbeweisantritt ist zwar statthaft, aber nicht notwendig (OLG Stuttgart, DGVZ 2001, 116; LG Saarbrücken JurBüro 2009, 102; AG Lübeck JurBüro 2004, 43).

Nachfolgend soll eine umfassende Auflistung bekannter und teilweise weniger bekannter Gründe für eine weitere Vermögensauskunft erfolgen.

Dazu gehören u.a.:

  • Arbeitgeberwechsel (LG Oldenburg Rpfleger 1981, 70; LG Potsdam JurBüro 1997, 490);

  • Einkommenssteigerung durch Eintritt in eine neue Gehaltsstufe bei z.B. Beschäftigten im Öffentlichen Dienst;

  • Einkommensverbesserung, z.B. zur Ernennung vom Arbeiter zum Vorarbeiter (Hamm FamRZ 1997, 232);

  • Lotteriegewinn.

  • Eine Änderung der Vermögensverhältnisse kann beim Anwachsen von Ersparnissen vorliegen (Brandenburg FamRZ 1997, 1342).

  • Eine Änderung der Verhältnisse kann vorliegen, wenn ein Wechsel bei den Verhältnissen wegen des Kindergeldes eingetreten ist (Hamm FamRZ 2000, 427).

  • Eine Änderung der Vermögensverhältnisse kann dann vorliegen, wenn sich die Situation steuerrechtlich ändert (BGH FamRZ 1988, 817).

  • Der Eintritt der Volljährigkeit eines Kindes kann ausreichen (Köln FER 2000, 144; AG Halberstadt FamRZ 1988, 197).

  • Auch das Arbeitslosigkeitsende stellt einen Grund dar (AG Burgwedel DGVZ 2010, 18).

  • Außenstände des selbstständigen Schuldners (LG Köln DGVZ 2005, 182 –hier bei einem Zahnarzt).

  • wenn der Schuldner zu erkennen gibt, dass er über weiteres Bargeld verfüge (AG Ludwigsburg DGVZ 2009, 31);

  • anwendbar bei einer Erbschaft (AG Lindau DGVZ 2003, 173);

  • wenn der Schuldner nach eigenen Angaben Gelegenheitsarbeiten durchführt (LG Osnabrück JurBüro 11996, 213);

  • wenn der Schuldner sein Haus verkauft und dabei Bargeld erhalten hat (LG Oldenburg JurBüro 2013, 492);

  • wenn der Schuldner im Schuldenbereinigungsverfahren einen Vergleich vorschlägt (LG Wiesbaden DGVZ 2009, 64);

  • wenn der Schuldner jetzt als selbstständiger Unternehmer tätig ist (LG Dresden JurBüro 2010, 663);

  • Abschluss eines Leasingvertrages (LG Wiesbaden DGVZ 2007, 189);

  • Wohnungswechsel (LG Frankfurt/Main DGVZ 2004, 44; AG Heidelberg DGVZ 2006, 70; LG Kassel Rpfleger 2005, 39; LG Wiesbaden DGVZ 2007, 189; AG Leipzig DGVZ 2015, 211).

Ein besonderes Augenmerk sollte auch dem Wohnungswechsel zugewandt werden, weil bekanntlich Schuldner öfter einen Umzug vornehmen, um sich evtl. auch dem Zugriff des Gläubigers zu entziehen.

Eine weitere Besonderheit für die weitere Vermögensauskunft soll nicht unbeachtet bleiben. Das Landgericht SaarbrückeFormularen handelt es sich um das Modul „H“, n hat entschieden:

Hat sich nach allgemeiner Lebenserfahrung bei einem selbstständigen Schuldner etwas geändert, kann dieser nach 6 Monaten zur weiteren Vermögensauskunft geladen werden.“ (LG Saarbrücken, Beschl. v. 2.9.2008, 5 T 293/08)

Was könnte eine solche Veränderung im Sinne einer allgemeinen Lebenserfahrung sein?

  • Der Inhaber einer Baumschule gibt im Januar die Vermögensauskunft mit der Begründung ab, dass die Geschäfte schlecht laufen. Jeder weiß, dass sich dieses im Frühjahr ändert.

  • Im Dezember gibt der Inhaber einer Eisdiele die Vermögensauskunft ab. Auch hier tritt eine Änderung im Frühjahr ein.

  • Der Golfplatzanlagenbesitzer gibt die Vermögensauskunft im Dezember ab, weil eine Bespielbarkeit des Golfplatzes nicht möglich ist. Dieses ändert sich im Frühjahr.

  • Der Motorbootsverleiher gibt im Januar die Vermögensauskunft ab, weil die Geschäfte schlecht laufen. Auch hier weiß jeder, dass sich das im Frühjahr ändern wird.

So ließen sich noch unendlich weitere Beispiele benennen.

Tipp:

Bei einer Begründung für eine weitere Vermögensauskunft bei Selbstständigen wird empfohlen, die Formulierung „nach allgemeiner Lebenserfahrung“ in der Begründung mit aufzunehmen.

Wie sieht der Antrag auf „Vermögensauskunft“ und „weitere Vermögensauskunft“ aus?

In den neuen Formularen handelt es sich um das Modul „H“, das wie folgt aussieht:

Magazinbild

Mit diesem Modul ist der Antrag

  • auf Abnahme der Vermögensauskunft nach vorherigem Pfändungsversuch möglich, der wie folgt aussehen würde:

Magazinbild

Bei der vorgenannten Vermögensauskunft bietet es sich an, mit anzukreuzen, wenn der Schuldner bei dem vorherig durchzuführenden Pfändungsversuch wiederholt nicht anzutreffen ist, zu beantragen, das Verfahren zur Abnahme der Vermögensauskunft einzuleiten.

Was bedeutet wiederholt?

„Wiederholt“ heißt: zum zweiten Mal.

Dieser Antrag könnte dann wie folgt aussehen:

Magazinbild

Darüber hinaus ist der Antrag

  • auf Abnahme der sofortigen Vermögensauskunft ohne vorherigen Pfändungsversuch möglich. Dieser sieht wie folgt aus:

Magazinbild

Für die weitere Vermögensauskunft, die Hauptgegenstand des heutigen Infobriefs ist, wäre in der Regel folgendes anzukreuzen:

Magazinbild

Der Gläubiger kann bei der weiteren Vermögensauskunft gemäß § 802d ZPO allerdings auch wählen, ob er „die Weitere“ ohne vorherigen Pfändungsversuch oder „die Weitere“ nach vorherigem Pfändungsversuch wünscht.

In der Praxis wird – wie bereits dargelegt – „ohne weiteren Pfändungsversuch“ markiert.

Ausblick

Was geschieht, wenn der Schuldner die Abgabe der Vermögensauskunft verweigert? Die Antwort darauf wird im ersten Infobrief des neuen Jahres ausführlich beschrieben werden.

Diesen Beitrag teilen

Facebook
Twitter
WhatsApp
LinkedIn
E-Mail

Unser KI-Spezial

Erfahren Sie hier mehr über Künstliche Intelligenz – u.a. moderne Chatbots und KI-basierte…