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Kostenschuldner der Aktenversendungspauschale

Die Kosten für die Versendung der Akten in die Kanzleiräume eines Prozessbevollmächtigten schuldet – im Verhältnis zum Gericht – der Prozessbevollmächtigte und nicht der von ihm im Verfahren vertretene Beteiligte. (Leitsatz des Gerichts)

OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 19.1.202410 E 780/23

I. Sachverhalt

Der Prozessbevollmächtigten der Klägerin sind im Ausgangsverfahren die Kosten einer Aktenversendungspauschale nach Nr. 9003 KV GKG in Höhe von 12 EUR auferlegt worden. dagegen hat die Prozessbevollmächtigte Beschwerde eingelegt. Die hatten keinen Erfolg.

II. Entscheidung

Die Kosten für die – hier erfolgte – Versendung der Akten in die Kanzleiräume eines Prozessbevollmächtigten schulde – im Verhältnis zum Gericht – der Prozessbevollmächtigte und nicht der von ihm im Verfahren vertretene Beteiligte.

Nach § 28 Abs. 2 GKG schulde die Auslagen nach Nr. 9003 KV GKG nur, wer die Versendung der Akte beantragt habe. Dabei handele es sich um eine spezielle Kostenhaftungsregelung für die Aktenversendungspauschale, mit der eine ungerechtfertigte Haftung der allgemeinen Kostenschuldner nach den §§ 22 ff. GKG vermieden werden solle (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zu Art. 1 Nr. 26 (§ 56 GKG a.F.) des Kostenrechtsänderungsgesetzes 1994 in der BT-Drucks 12/6962, S. 7, 66).

Daraus ergebe sich, wie die Beschwerdeführerin richtigerweise vorbringe, noch nicht, ob der Prozessbevollmächtigte oder der von ihm Vertretene Schuldner der Aktenversendungspauschale sei. Anders als die Beschwerdeführerin meine, lasse sich dem Umstand, dass das Recht auf Akteneinsicht nach § 100 Abs. 1 VwGO den Beteiligten zusteht und auch dessen Wahrnehmung durch Bevollmächtigte letztlich im Interesse der Vertretenen erfolge, aber nicht entnehmen, dass diese als Antragsteller und damit Kostenschuldner i.S.v. § 28 Abs. 2 GKG anzusehen seien. Vielmehr sei davon auszugehen, dass der Kostenschuldner unabhängig davon zu bestimmen ist. Bei der Versendung von Akten handele es sich um eine von § 100 VwGO nicht umfasste zusätzliche Leistung, für die Nr. 9003 einen eigenen Gebührentatbestand vorsehe (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 22.3.2013 – 11 E 85/13 – und v. 29.1.2013 – 2 E 81/13).

Davon ausgehend habe das VG zutreffend angenommen, dass Kostenschuldner dieser zusätzlichen Leistung der Prozessbevollmächtigte ist, wenn dieser die Versendung an sich beantragt habe. Die – durch die Pauschale abzugeltende – Aktenversendung erfolge bei einer Beantragung durch einen Rechtsanwalt regelmäßig nur aus arbeitsorganisatorischen Gründen, die in die Interessensphäre des Prozessbevollmächtigten und nicht in diejenige des von ihm vertretenen Beteiligten fallen. Eine Aktenversendung, wie sie hier beantragt worden sei, sei von vornherein nur den nach § 67 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 3 bis 6 VwGO bevollmächtigten Personen möglich, da allein ihnen und nicht den von ihnen Vertretenen die Mitnahme der Akten in die Wohnung oder die Geschäftsräume gestattet werden könne (vgl. § 100 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Der Rechtsanwalt entscheide darüber, auf welche Weise und an welchem Ort er die Gerichtsakten einsehe, vorwiegend unter Berücksichtigung seiner eigenen Interessen und Arbeitsorganisation. Dass sich die Anfertigung von Aktenauszügen und Fotokopien für den Rechtsanwalt bei einer Aktenübersendung als einfacher erweisen möge, rechtfertige nicht die Annahme, die Aktenübersendung liege auch im Interesse des von ihm Vertretenen. Dies gelte ebenso für den Einwand der Beschwerdeführerin, bei einer Aktenübersendung in die Kanzleiräume erfolge gewöhnlich ein gründlicheres Aktenstudium. Ein gründliches Aktenstudium sei dem Rechtsanwalt auch bei einer Akteneinsichtnahme bei Gericht möglich – entweder während der Akteneinsicht im Gerichtsgebäude oder auf Grundlage einer dort gefertigten Kopie der Akte in seinen Kanzleiräumen. Entscheide sich der Rechtsanwalt für die Beantragung einer Aktenübersendung, rechtfertige es die für ihn damit in aller Regel verbundene erhebliche Arbeitserleichterung, die dadurch entstandenen Kosten bei ihm zu erheben ( BVerwG, Beschl. v. 9.4.2010 – 1 WDS-KSt 6/09; BGH, Urt. v. 6.4.2011 – IV ZR 232/08; BSG, Beschl. v. 20.3.2015 – B 13 SF 4/15 S; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 21.3.2016 – 5 S 2450/12; OVG Lüneburg, Beschl. v. 1.2.2010 – 13 OA 170/09; BayVGH, Beschl. v. 18.1.2007 – 19 C 05.3348; a.A. OVG Bautzen, Beschl. v. 25.6.2009 – 5 A 398/08; OVG Hamburg, Beschl. v. 18.4.2006 – 1 So 148/05). Dass dies zu einer Vorfinanzierung der Aktenversendungspauschale durch den Rechtsanwalt für den Fall führe, dass er die Kosten an den Vertretenen weitergeben kann, rechtfertiget keine andere Entscheidung.

III. Bedeutung für die Praxis

1. Der Entscheidung ist nicht viel hinzuzufügen, außer: Alle Jahre wieder, und: Man fragt sich, warum eigentlich solche Frage, die in der Rechtsprechung seit Jahren „ausgekaut“ und im Sinne des OVG Münster, das die h.M. anwendet, entschieden sind, wieder thematisiert werden. M.E. haben die Gerichte genügend andere, wichtige Frage/Probleme, mit denen sie sich beschäftigen müssen und für die dann Zeit fehlt.

2. Die Auffassung des OVG Münster gilt im Übrigen nicht nur im Verwaltungsverfahren, sondern auch in Straf- und Bußgeldsachen (vgl. dazu Burhoff in: Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 9. Aufl., 2022, Rn 424 und Burhoff (Hrsg.) in: Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 6. Aufl., 2021, Rn 279, jeweils m.w.N. aus der Rechtsprechung).

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

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