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Anforderungen an Gespräche für die Entstehung einer Terminsgebühr

1. Einseitige Gespräche nur einer Partei mit dem Gericht stellen keine Besprechung im Sinne von Vorb. 3 Abs. 3 Nr. 2 VV RVG dar. Erforderlich ist vielmehr stets die Beteiligung von zumindest zwei am Verfahren Beteiligten mit dem Ziel, im Rahmen der Besprechung eine Erledigung des Verfahrens herbeizuführen.

2. Ein Telefongespräch zwischen dem Verfahrensbevollmächtigten einer Partei und dem zuständigen Richter kann daher mangels Einbeziehung der Gegenseite keine Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG i.V.m. Vorb. 3 Abs. 3 VV RVG auslösen. (Leitsatz des Gerichts)

OLG Bamberg, Beschl. v. 18.1.20242 WF 177/23

I. Sachverhalt

Nach Telefonat Richter/Antragsteller Erledigungserklärung

Gestritten wird um den Anfall einer Terminsgebühr in einem familienrechtlichen Verfahren. Die Antragsteller haben von der Antragsgegnerin Zahlung von 9.580,00 EUR verlangt. Nach Zustellung der Antragsschrift zahlte die Antragsgegnerin die Hauptforderung mit Eingang am 7.3.2023 auf das Konto der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller. Am 9.3.2023 führte der anwaltliche Vertreter der Antragsteller ein Telefonat mit dem zuständigen Richter am AG. Gegenstand war dabei in Verbindung mit einem weiteren zwischen den Beteiligten geführten Verfahren die Frage, wie beide Verfahren ohne die Tragung von Verfahrenskosten durch die Antragstellerseite beendet werden konnten. Mit Schriftsatz vom 10.3.2023 erklärten die Antragsteller daraufhin unter Bezugnahme auf das Telefonat das Verfahren in der Hauptsache für erledigt bis auf die geltend gemachten außergerichtlichen Anwaltskosten. Hinsichtlich dieser erweiterten sie den Antrag auf einen Freistellungsbetrag von 1.192,86 EUR. Dieser wurde am 13.3.2023 von der Antragsgegnerin an die Antragsteller gezahlt, woraufhin die Antragsteller mit Schriftsatz vom gleichen Tag das Verfahren insgesamt für erledigt erklärten. Nachdem die Antragsgegnerin der Erledigungserklärung nicht widersprach (§§ 113 Abs. 1 FamFG, 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO), hat das AG der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens auferlegt.

Festsetzung einer Terminsgebühr beantragt

Die Antragsteller haben bei der Kostenfestsetzung auch die Festsetzung einer 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG i.V.m. Vorb. 3 Abs. 3 VV RVG beantragt. Das AG hat diese letztlich festgesetzt. Eine auf die Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechung liege grundsätzlich auch bei einem Telefonat nur eines Beteiligten mit dem Gericht vor. Das Verfahren sei im Zeitpunkt des Telefonats in der Hauptsache auch noch nicht erledigt gewesen, nachdem die Erledigungserklärung durch die Antragsteller erst einen Tag später erfolgt sei. Dagegen wendet sich die Antragsgegnerin, die mit ihrer sofortigen Beschwerde Erfolg hatte.

II. Entscheidung

Begriff der „Besprechung“ umstritten

Nach Auffassung des OLG ist eine 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG i.V.m. Vorb. 3 Abs. 3 VV RVG nicht angefallen. Gemäß Vorb. 3 Abs. 3 Nr. 2 VV RVG entstehe die Terminsgebühr für außergerichtliche Termine und Besprechungen bei der Mitwirkung an Besprechungen, die auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet seien; dies gelte nicht für Besprechungen mit dem Auftraggeber. Wie insbesondere eine – auch telefonisch mögliche (vgl. BGH, Beschl. v. 20.11.2006 – II ZB 9/06) – außergerichtliche Besprechung formal ausgestaltet sein müsse, um die Terminsgebühr auszulösen, sei in Rechtsprechung und Literatur in verschiedenen Punkten umstritten. Dieses betreffe u.a. die hier maßgebliche Frage, ob auch eine auf die Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechung nur einer Partei mit dem Gericht ohne Einbeziehung der Gegenpartei geeignet ist, den Kostentatbestand auszulösen (ablehnend Hessisches FG, Beschl. v. 19.1.2022 – 6 Ko 1615/21; OVG Münster, Beschl. v. 3.2.2014 – 6 E 1209/12; Hinne, Anwaltsvergütung im Sozialrecht, 3. Aufl., § 3 Rn 132; i.Erg. auch Schneider/Volpert/Fölsch – Winkler, Kostenrecht, 3. Aufl., VV RVG Vorbem. 3 Rn 40; bejahend hingegen Gerold/Schmidt-Müller – Rabe, RVG, 26. Aufl.,2023, VV Vorbemerkung 3 Rn 216; Mayer/Kroiß – Mayer, RVG, 2021, 8. Aufl., VV Vorbem. 3 Rn 58; SG Fulda, Beschl. v. 8.3.2011 – S 3 SF 60/10).

Besprechung zumindest beide Parteien, Gericht muss nicht sein

Das OLG hat sich der – nach seiner Ansicht wohl überwiegenden – Auffassung angeschlossen, nach der einseitige Gespräche nur einer Partei mit dem Gericht keine Besprechung im Sinne von Vorb. 3 Abs. 3 Nr. 2 VV RVG darstellen. Erforderlich sei vielmehr stets die Beteiligung von zumindest zwei am Verfahren Beteiligten mit dem Ziel, im Rahmen der Besprechung eine Erledigung des Verfahrens herbeizuführen. Dieses ergebe sich sowohl aus der historischen Entwicklung des Gebührentatbestands wie auch dessen gesetzgeberisch verfolgtem Zweck. Dazu bezieht sich das OLG auf die Gesetzesmaterialien zur Einführung des RVG (vgl. die Gesetzesbegründung in., BT-Drucks 15/1971, S. 209), denen zum 2. Justizmodernisierungsgesetz vom 22.12.2006 (vgl. Gesetzesbegründung in BT-Drucks 16/3038, S. 56; dazu OVG Münster, a.a.O.; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 16.3.2009 – 1 K 72/08) und auch denen zur Neufassung von Vorb. 3 Abs. 3 VV RVG durch das 2. KostRMoG v. 23.7.2013 (vgl. BT-Drucks 17/11471, S. 274). Nach dem gesetzgeberischen Willen erfasse der Begriff der Besprechung danach den mündlichen und auch telefonisch möglichen Austausch von Erklärungen mit der Gegenseite, wobei die Bereitschaft der Gegenseite bestehen müsse, überhaupt in Überlegungen mit dem Ziel einer einvernehmlichen Beendigung des Verfahrens einzutreten (so bereits BGH, Beschl. v. 20.11.2006 – II ZB 9/06; BVerwG Beschl. v. 3.9.2018 – 3 KSt 1.18). Dem Gericht fehle es insoweit bereits an der allein den Beteiligten vorbehaltenen Möglichkeit der Disposition über den Verfahrensgegenstand, die Voraussetzung einer außerterminlichen Erledigung im Einvernehmen ist (vgl. FG Thüringen, Beschl. v. 16.5.2011 – 4 Ko 772/10). Daher sei die zusätzliche Beteiligung des Gerichts lediglich unschädlich, aber könne nicht die Teilnahme eines Verfahrensbeteiligten ersetzen. Auch der Sinn und Zweck des Anfalls der Terminsgebühr gem. Vorb. 3 Abs. 3 VV RVG, der in der Förderung der gütlichen Streitbeilegung sowie einer verfahrensökonomischen Vermeidung von Präsenzterminen liege, führe zu keinem anderen Ergebnis. Vielmehr drohen – so das OLG – bei einem Wegfall der Beschränkung des Begriffs der Besprechung auf Kommunikationsvorgänge, an denen mindestens zwei Parteien beteiligt seien, aufgrund Konturenlosigkeit der Bestimmung erhebliche praktische Anwendungsschwierigkeiten. So würde bereits der telefonisch statt schriftlich erteilte Hinweis des Gerichts an eine Partei auf die Erfolglosigkeit der Rechtsverfolgung mit dem Anraten einer Klagerücknahme als auf die Erledigung des Verfahrens gerichtetes Gespräch grundsätzlich eine Terminsgebühr begründen.

III. Bedeutung für die Praxis

Zutreffend

1. Die Entscheidung ist zwar nach einem familiengerichtlichen Verfahren ergangen. Die vom OLG entschiedene Frage kann sich aber auch in anderen Verfahren stellen. M.E. ist die Entscheidung zutreffend. Im Begriff „Besprechung“ steckt in Zusammenhang mit dem Sinn und Zweck der Regelung schon, dass an der „Besprechung“ jeweils auch die Gegenseite teilnehmen muss, wenn die Terminsgebühr entstehen soll.

Rechtsbeschwerde zugelassen

2. Letztlich wird diese Frage dann jetzt aber der BGH entscheiden. Denn das OLG hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der maßgeblichen Rechtsfrage der Voraussetzung des Anfalls einer Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG i.V.m. Vorb. 3 Abs. 3 VV RVG sowie zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Rechtsbeschwerde zum BGH zugelassen (§ 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1, 2 ZPO).

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

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