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Keine Löschung einer HISMeldung

1. Im Fall einer fiktiven Abrechnung mit einem Fahrzeugschaden, der über 1.500,00 EUR liegt, ist die Kasko-Versicherung des Versicherungsnehmers berechtigt, die Vornahme einer fiktiven Abrechnung als Meldegrund, die Höhe des entstandenen Schadens und die Fahrzeugidentifikationsnummer des betroffenen Kfz an das HIS-Informationssystem zu melden.

2. Auch im Fall einer bloß (pauschal) behaupteten Reparatur des Schadens bei einem verbleibenden Minderwert besteht ein überwiegendes Interesse an dieser Meldung fort, sodass keine Löschung nach Art. 17 DSGVO vorzunehmen ist. (Leitsätze des Verfassers)

AG München, Urt. v. 26.7.2023322 C 3109/23 (2)

I. Sachverhalt

Kläger begehrt Löschung der Meldung nach behaupteter Reparatur

Der Kläger hat einen Schaden in der Vollkasko-Versicherung gegenüber der beklagten Kasko-Versicherung fiktiv unter Vorlage eines Kostenvoranschlages mit Reparaturkosten in Höhe von 3.352,00 EUR abgerechnet. Die beklagte Versicherung nahm sodann eine Meldung an das HIS-System vor, bei welcher neben dem Meldegrund der fiktiven Abrechnung auch die Höhe des Schadens und die Fahrzeugidentifikationsnummer des klägerischen Fahrzeuges mitgeteilt wurde. In der Folgezeit legte der Kläger eine sogenannte „Reparaturbestätigung“ vor und verlangte von der Beklagten, dass diese nunmehr als meldende Versicherung veranlassen würde, dass der entsprechende Eintrag im HIS-System gelöscht würde, da nun der Schaden repariert wäre. Die Beklagte ging jedoch von einem fortbestehenden Interesse an der Meldung aus und verweigerte eine Einwirkung auf den Betreiber des HIS-Systems.

II. Entscheidung

Fiktive Abrechnung über mehr als 1.500m EUR rechtfertigt die Meldung

Seitens des Amtsgerichtes wurde hier die Entscheidung der Beklagten bestätigt. Entgegen der Auffassung des Klägers wäre bereits die Meldung an das HIS-System mit dem Meldegrund der fiktiven Abrechnung bei der hier vorliegenden Schadenshöhe nicht zu beanstanden, da die Versicherungswirtschaft ein berechtigtes Interesse daran hätte zu verhindern, dass derselbe Schaden bei einem weiteren Verkehrsunfall wieder im gleichen Umfang abgerechnet und die Versichertengemeinschaft dadurch einen Nachteil erleiden würde. Und selbst bei einer Reparatur wäre weiter aufzuklären, ob und in welchem Umfang der Vorschaden repariert worden wäre. Daher würde auch insoweit ein berechtigtes Interesse an der entsprechenden Meldung bestehen, um zu verhindern, dass zumindest teilweise unreparierte Schäden erneut abgerechnet werden würden.

Fortbestand der Meldung ist durch ein überwiegendes Interesse gerechtfertigt

Aus diesem Grund auch ein fortbestehendes überwiegendes schutzwürdiges Interesse der Beklagtenseite an einem Fortbestand dieser Meldung zu bejahen. Dabei wäre insbesondere zu beachten, dass der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers bei diesen im Wesentlichen rein fahrzeugbezogenen Daten als gering einzustufen wäre. Dazu kam in diesem Einzelfall, dass wegen fortbestehender Altschäden ohne den Nachweis einer vollständigen und fachgerechten Reparatur auch von einem Minderwert auszugehen wäre, der eine erneute Prüfung des Falles und damit ein Fortbestehen der Meldung rechtfertigen würde. Ohnehin würde es sich um einen offenbarungspflichtigen Vorschaden im Falle eines Verkaufs handeln und gegebenenfalls wäre auch bei einer vollständigen und fachgerechten Reparatur von einem verbleibenden Minderwert auszugehen. Unabhängig davon hätte die Klägerseite gar nicht in ausreichendem Umfang dazu vorgetragen, auf welche Art und Weise der Vorschaden denn repariert worden sein soll und ob tatsächlich eine vollständige und fachgerechte Reparatur vorgenommen worden wäre.

III. Bedeutung für die Praxis

Rechtmäßige Meldung an sich führt zu geringem Eingriff

Das Amtsgericht München hatte sich mit einem Sachverhalt zu befassen, der in der Praxis immer mehr an Bedeutung gewinnt und seit dem Inkrafttreten der DSGVO und der damit verbundenen Stärkung der Betroffenenrechte nach den Art. 15 ff. DSGVO immer mehr in das Bewusstsein der Bevölkerung rückt. Dass allerdings zum Schutz der Versichertengemeinschaft vor einer ungerechtfertigten doppelten Abrechnung ein solcher Vorschaden bei einer rein fiktiven Abrechnung des Schadensfalls ab einer Schadenshöhe von 1.500,00 EUR an das HIS-System gemeldet kann, ist in der Rechtsprechung bereits lange Zeit anerkannt (vgl. hierzu auch OLG Hamm, Urt. v. 3.1.2018 – I 11 U 126/17; grundlegend Nugel DAR 2015, 348) und auch im Zeitalter der DSGVO ist dies über eine Güterabwägung nach Art. 6 Abs. 1f) DSGVO gedeckt. Dabei ist auch zu beachten, dass alleine die Fahrzeugidentifikationsnummer innerhalb der gemeldeten Information ein personenbezogenes Datum darstellen kann, da über sie bei einem berechtigten Interesse über eine Anfrage beim Kraftfahrtbundesamt in der Tat der Halter des Fahrzeuges ermittelt werden kann, jedoch diese Information im Zusammenspiel mit dem Auftreten eines Schadens in der Vergangenheit einen nur geringen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen darstellt und das überwiegende Aufklärungsinteresse der Versichertengemeinschaft deutlich überwiegt.

Bei Nachweis der vollständigen Reparatur (durch Rechnung) kann der Meldegrund entfallen

In der Tat ist aber immer im Einzelfall zu prüfen, ob auch im Falle einer Reparatur noch ein fortbestehendes überwiegendes Interesse dritter Personen wegen des Fortbestands der Meldung im HIS-System zu bejahen ist. Im Fall einer nachgewiesenen, aus Sicht des Gerichts auch vollständigen und fachgerechten Reparatur hat das Landgericht Schweinfurt dies in einem Einzelfall bejaht (LG Schweinfurt, Urt. v. 12.4.2021 – 23 O 819/20), ohne dass dafür eine Rechnung vorgelegt werden musste. Noch umfassender in die Beweisaufnahme war hierzu das LG Mannheim in die Beweisaufnahme eingetreten, und war nach Einholung eines Gerichtsgutachtens, Vorlage einer Rechnung und Zeugenvernehmung davon überzeugt, dass der Schaden vollständig und fachgerecht beseitigt worden ist (LG Mannheim, Urt. v. 25.10.2022 – 11 O 197/19). Im Regelfall wird dazu auch die Vorlage einer Rechnung nach den Anwendungshinweisen zum HIS-System genügen, welche mit durch den Betreiber mit der Datenschutzaufsichtsbehörde abgestimmt worden sind.

Umfassende Interessenabwägung im Einzelfall

In dem hier vorliegenden Fall hat jedoch der Geschädigte gar nicht in ausreichendem Umfang dazu vorgetragen, mit welchen Maßnahmen denn der Fahrzeugschaden repariert worden sein soll und ob überhaupt eine vollständige und fachgerechte Reparatur angenommen werden kann (vgl. zu den Anforderungen Nugel DAR 2022, 4 ff.). Alleine deshalb war von einem fortbestehenden überwiegenden schutzwürdigen Interesse der Versichertengemeinschaft auszugehen. Aber selbst wenn der Nachweis einer vollständigen und fachgerechten Reparatur erbracht werden sollte, ist zu beachten, dass es sehr wohl gute Gründe geben kann, auch weiterhin von einem berechtigten Interesse für die Anmeldung auszugehen: So beispielsweise, wenn ein merkantiler Minderwert bei dem Fahrzeug trotz seiner vollständigen, fachgerechten Reparatur verbleiben kann oder es sich aber um einen erheblichen Vorschaden handelt, der beispielsweise auch bei dem Verkauf des Fahrzeuges offenbart werden müsste (vgl. AG Düsseldorf, Urt. v. 23.2.2023 – 40 C 226/22). Hier bedarf es also genau einer Prüfung im Einzelfall, bei der auch zu berücksichtigen ist, dass beispielsweise ein berechtigten Interesse für eine Auskunft aus dem HIS-System auch bei anderen Personen bestehen kann – beispielsweise der Erwerber eines Fahrzeuges, der nach dem Kauf erfahren musste, dass ihm ein erheblicher Vorschaden verschwiegen worden ist und eine Aufklärung zur Wahrung seiner berechtigten Interessen bei der Geltendmachung eigener zivilrechtlicher Ansprüche benötigt.

RA Dr. Michael Nugel, FA für Verkehrsrecht und Versicherungsrecht, Essen

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