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Rabattanrechnung bei der Ersatzbeschaffung eines beschädigten Gebrauchtwagens

(1) Besteht ein Anspruch auf die Anschaffung eines Neuwagens, ist der einem Unternehmen gewährter Neuwagenrabatt grundsätzlich zu berücksichtigen.

(2) Ebenso muss ein Gebrauchtwagenrabatt in der Schadensberechnung Eingang finden, wenn sie von dem geschädigten Unternehmen auf dem Gebrauchtwagenmarkt ohne Weiteres in Anspruch genommen werden können.

(3) Steht einem Leasingunternehmen aber nur ein Anspruch auf Ersatz des Wiederbeschaffungswertes eines gebrauchten Kraftfahrzeuges zu, wird aber sodann ein Neuwagen unter Gewährung eines Rabattes als Ersatz erworben, ist der dem Unternehmen der gewährte Rabatt grundsätzlich nicht entgegenzuhalten.

(4) Dies ist ausnahmsweise nur dann anders, wenn die Anschaffung eines Neufahrzeuges unter Berücksichtigung des Sonderrabatts günstiger wäre als die Anschaffung eines entsprechenden Gebrauchtwagens.

OLG Stuttgart, Urt. v. 19.1.20232 O 303/21

I. Sachverhalt

Streit über Rabatt von 20 % bei Ersatzbeschaffung

Die Klägerin verlangt nach einem Verkehrsunfall Schadensersatz von der beklagten Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung, welche der Klägerin einen Rabatt in Höhe von 20 % entgegenhielt, den diese bei der Beschaffung eines Ersatzwagens üblicherweise erzielen könnte. Der Klägerin stand der Schadensersatzanspruch allerdings lediglich in Höhe des Wiederbeschaffungswertes eines gebrauchten Fahrzeuges unter Anrechnung des Restwertes zu, nicht jedoch eine Entschädigung auf Basis eines Neuwagenpreises. Die Klägerin als Leasinggeber selbst schafft Ersatzfahrzeuge üblicherweise auch lediglich als Neuwagen an, wobei dann allerdings auch ein Rabatt anfallen kann. Die Parteien stritten jetzt darüber, ob die Klägerin sich insoweit einen üblichen Rabatt von 20 % entgegenhalten lassen muss.

II. Entscheidung

Rabatt nur bei Neuwagen, nicht Gebrauchtwagen anzurechnen

Den Abzug in Höhe von 20 % hat das Oberlandesgericht in diesem Einzelfall nicht für gerechtfertigt erachtet. Der Geschädigte wäre zwar gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu gehen, sodass grundsätzlich auch Rabatte angerechnet werden müssten. Allerdings wäre vorliegend zu berücksichtigen, dass ein entsprechender Rabatt lediglich bei Neufahrzeugen angesetzt werden könne und die Klägerin sich – wie auch hier – üblicherweise für die Anschaffung eines Neufahrzeuges entscheidet, nicht jedoch eines Gebrauchtfahrzeuges. Nach der subjektbezogenen Schadensbetrachtung könne ein Rabatt in dieser Konstellation jedoch nur dann anspruchsmindernd berücksichtigt werden, wenn der Erwerb eines Gebrauchtfahrzeugen mit einem solchen Rabatt erfolgen würde und dies war vorliegend gerade nicht der Fall. Maßgeblich wäre also für die Schadensabwicklung der Preis, den die Geschädigte beim Kauf eines gleichwertigen Fahrzeuges aufwenden müsste – und gerade bei Gebrauchtwagen wird üblicherweise auch vom Sachverständigen der am Markt erzielbare Preise einberechnet, ohne dass wie bei Neuwagen gesonderte Rabatte ausgewiesen werden Etwas andere könnte nur dann gelten, wenn die Anschaffung eines Neufahrzeuges unter Berücksichtigung des Sonderrabattes günstiger wäre als die Anschaffung eines entsprechenden Gebrauchtwagens – dies wäre bei dem vorliegenden Einzelfall allerdings nicht gegeben.

III. Bedeutung für die Praxis

Rabatte anzurechnen entspricht der Schadens-minderungspflicht

Großkundenrabatte sind grundsätzlich auch bei der Schadensabrechnung zu berücksichtigen, wenn sie im Rahmen der subjektiven Schadensbetrachtung dem Geschädigten auch zur Verfügung stehen. Dies gilt auch für eine fiktive Schadensabrechnung, damit das schadensersatzrechtliche Bereicherungsverbot beachtet werden kann. Dies bedeutet, dass Neuwagenrabatte grundsätzlich zu berücksichtigen sind, wenn das geschädigte Unternehmen einen Anspruch auf die Anschaffung eines Neuwagens nach schadensersatzrechtlichen Gesichtspunkten haben sollte.

Sonderfall: Neuwagen mit Rabatt ist günstiger als gefragter Gebrauchtwagen

Gleiches gilt, wenn auch Gebrauchtwagenrabatte gewährt werden – wobei im Regelfall auch davon auszugehen sein dürfte, dass sich dies schon bei der Bestimmung des Wiederbeschaffungswertes durch den Sachverständigen niederschlägt. Hat der Geschädigte allerdings keinen Anspruch auf Neuwagenersatz und kann bei seiner Ersatzbeschaffung vorab vereinbarten Rabatt für sich in Anspruch nehmen, muss er sich die Tatsache, dass er bei der jetzt tatsächlich durchgeführten Anschaffung eines Neuwagens von einem Rabatt profitiert hat, bei der gewählten fiktiven Abrechnung jedenfalls nicht entgegenhalten lassen. Mit einer Ausnahme: Wenn die Anschaffung eines Neufahrzeuges unter Berücksichtigung des Sonderrabatts tatsächlich einmal günstiger wäre als die Anschaffung eines entsprechenden Gebrauchtwagens, greift das schadensersatzrechtliche Bereicherungsverbot ein – dies mit dem interessanten Ergebnis, dass der Geschädigte dann gehalten ist, sich ein hochwertigeres Fahrzeug anzuschaffen, welches im Ergebnis dann aber für die Schädigerseite wegen des gewährten Rabattes deutlich günstiger ist.

RA Dr. Michal Nugel, FA für Verkehrsrecht, Essen

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