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Verkehrspsychologische Maßnahme und Geldbuße

Eine freiwillige verkehrspsychologische Maßnahme ist nicht schlechterdings ungeeignet, im Rahmen der Bemessung der Geldbuße Berücksichtigung zu finden und gegebenenfalls zu einer Reduzierung der Regelgeldbuße zu führen. (Leitsatz des Verfassers)

OLG Zweibrücken, Beschl. v. 8.3.20231 OWi 2 SsRs 64/22

I. Sachverhalt

Keine Herabsetzung der Geldbuße

Das AG hat den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften um 26 km/h zu einer Geldbuße von 100 EUR verurteilt. Das AG hat die Regelbuße in Höhe von 80 EUR wegen einer früheren Ahndung eines Rotlichtverstoßes um 20 EUR erhöht. Im Rahmen der Bemessung der Geldbuße hat es ausgeführt, dass die Teilnahme an einer verkehrspsychologischen Beratung nicht geeignet sei, die Herabsetzung der Geldbuße zu rechtfertigen. Eine solche Maßnahme habe nach § 4 Abs. 7 StVG zur Folge, dass bei einem Punktestand von einem bis fünf Punkten ein bereits erworbener Punkt abgezogen werden, nicht aber, dass zusätzlich bei einer weiteren Verkehrsordnungswidrigkeit die Geldbuße zu reduzieren sei. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hatte im Ergebnis keinen Erfolg.

II. Entscheidung

Nach Auffassung des OLG halten die Ausführungen des AG, dass die Teilnahme an einer freiwilligen verkehrspsychologischen Maßnahme nicht zu einer Reduzierung der Geldbuße führen könne, rechtlicher Prüfung nicht stand. Insoweit gelte:

Allgemeine Erwägungen zur Geldbuße

Gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 OWiG sei Grundlage für die Bemessung der Geldbuße die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und des Vorwurfs, der den Täter treffe. Als Ausgangspunkt für die Bemessung einer Geldbuße, die für eine straßenverkehrsrechtliche Ordnungswidrigkeit verhängt werden soll, sei grundsätzlich der Bußgeldkatalog heranzuziehen. Dieser diene der gleichmäßigen Behandlung sehr häufig vorkommender, wesentlich gleichgelagerter Sachverhalte (OLG Frankfurt, Beschl. v. 29.9.2022 – 3 Ss-OWi 1048/22, VRR 12/2022, 26; vgl. auch BR-Drucks 140/89 S. 22 f.). Er habe die Qualität eines für Gerichte verbindlichen Rechtssatzes. Die darin enthaltenen Bußgeldbeträge seien Regelsätze (§ 1 Abs. 2 Satz 1 BKatV) und als solche Zumessungsrichtlinien, die im Rahmen des § 17 Abs. 3 OWiG Berücksichtigung zu finden haben (s. BGHSt 38, 125, 132, OLG Frankfurt, a.a.O.). Dabei gehe § 1 Abs. 2 BKatV von fahrlässiger Begehung und gewöhnlichen Tatumständen aus. Bei der gleichwohl vorzunehmenden individuellen Zumessungsentscheidung sei zu prüfen, ob Milderungs- oder Erschwerungsgründe vorliegen, die ein Abweichen von den Regelsätzen rechtfertigen (OLG Karlsruhe NJW 2007, 166). Hierbei könne grundsätzlich auch das Verhalten des Betroffenen nach dem begangenen Verstoß Berücksichtigung finden und zu einer Erhöhung oder Ermäßigung der Regelgeldbuße führen (vgl. Mitsch in KK-OWiG, 5. Aufl., § 17 Rn 66, Krenberger in BeckOK StVR, 18. Ed., § 17 OWiG Rn 5).

Abweichen vom BKat nur beim deutlichen Abweichen vom Normalfall

Aufgrund des vorgenannten Zwecks des Bußgeldkatalogs rechtfertige indes lediglich ein deutliches Abweichen vom Normalfall betreffend die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit oder die Vorwerfbarkeit eine Abweichung vom Bußgeldkatalog. Seien hingegen außergewöhnliche, besondere Umstände hinsichtlich der Tatausführung und der Person des Täters nicht gegeben, dürfe nicht von ihm abgewichen werden (OLG Frankfurt, a.a.O.; OLG Stuttgart, Beschl. v. 16.11.2018 – 1 Rb 25 Ss 1157/18; vgl. auch OLG Zweibrücken, Beschl. v. 31.5.2022 – 1 OWi 2 SsBs 89/21; Janiszewski NJW 1989, 3113, 3116).

Verkehrspsychologische Maßnahme nicht schlechterdings ungeeignet

Hieran gemessen sei eine freiwillige verkehrspsychologische Maßnahme wie die hier vorliegende nicht schlechterdings ungeeignet, im Rahmen der Bemessung der Geldbuße Berücksichtigung zu finden und ggf. zu einer Reduzierung der Regelgeldbuße zu führen. Denn sie könne auf ein erhöhtes Maß an Einsicht und Besinnung in die straßenverkehrsrechtlichen Regelungen hindeuten. Anders als das AG meine, handele es sich vorliegend nämlich nicht um eine Maßnahme, durch die der Betroffene gemäß § 4 Abs. 7 StVG eine Reduzierung seiner bereits eingetragenen Punkte im FABS hätte herbeiführen können. Denn hierzu müsste der Fahrer freiwillig an einem Fahreignungsseminar im Sinne des § 4a StVG teilnehmen, welches aus einer verkehrspädagogischen und einer verkehrspsychologischen Teilmaßnahme bestehe (s. § 4a Abs. 2 Satz 1 StVG, § 42 FeV). Der Betroffene hingegen habe hingegen nur an einer verkehrspsychologischen Beratung teilgenommen, die zudem nicht den Vorgaben des § 42 Abs. 6 bis 9 StVG entsprochen habe. Mit seiner Begründung habe sich das AG den Blick dafür verstellt, in einem eigenen Zumessungsvorgang zu prüfen, ob die verkehrspsychologische Beratung vorliegend einen mildernden Umstand darstellt, der auf die Bemessung der konkreten Geldbuße Einfluss gehabt hätte. Der Senat könne deshalb nicht auszuschließen, dass das Urteil hierauf beruhe.

Eigene Sachentscheidung

Aufgrund der vom AG getroffenen Feststellungen könne der Senat aber gemäß § 79 Abs. 6 OWiG eine eigene Sachentscheidung treffen. Für die festgestellte Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit sei eine Geldbuße in Höhe von 100 EUR angemessen. Der zum Tatzeitpunkt geltende Bußgeldkatalog habe für den vorliegenden Verstoß in Nr. 11.3.5 BKat eine Regelgeldbuße in Höhe von 80 EUR vorgesehen. Die bloße Teilnahme an der verkehrspsychologischen Maßnahme führe hier unter Anwendung des oben dargestellten Maßstabs nicht dazu, von dieser abzuweichen. Um zu einer Reduzierung der Regelgeldbuße zu führen, müssen vielmehr weitere Umstände, die zugunsten des Betroffenen sprechen, hinzutreten, um diesen Umstand dergestalt aus den gewöhnlichen Fällen herauszuheben, dass ein Abweichen vom Regelsatz gerechtfertigt erscheine (vgl. insoweit zur Frage der Berücksichtigung einer solch freiwilligen Maßnahme bei der Prüfung des Absehens vom Regelfahrverbot Senat, Beschl. v. 12.5.2017 – 1 OWi 2 SsBs 5/17; OLG Bamberg, Beschl. v. 17.3.2008 – 2 Ss OWi 265/08 und v. 2.1.2018 – 3 Ss OWi 1704/17). Entsprechende Umstände seien nicht festgestellt. Einzig zugunsten des Betroffenen spreche noch, dass er sich zur Fahrereigenschaft geständig eingelassen habe. Weitere Umstände ergeben sich weder aus den Urteilsgründen noch seien sie mit der Rechtsbeschwerdebegründung vorgetragen. Es könne deshalb ausgeschlossen werden kann, dass solche Umstände noch festgestellt werden könnten.

Maßvolle Erhöhung der Geldbuße

Trotz dieser zugunsten des Betroffenen sprechenden Umstände sei die Regelgeldbuße aufgrund der Voreintragung des Betroffenen maßvoll um 20 EUR zu erhöhen (vgl. § 3 Abs. 1 BKatV). Der im Straßenverkehr begangene Rotlichtverstoß stehe in einem sachlichen Zusammenhang mit der vorliegend begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung. Der vorherige Verstoß und seine Ahndung hätten bei Begehung der erneuten Ordnungswidrigkeit auch noch keine zwei Jahre zurück gelegen, sodass beide Verkehrsverstöße in einem hinreichenden zeitlichen Zusammenhang standen. Im Hinblick auf die Verhängung eines Bußgelds in Höhe von 200 EUR und eines einmonatigen Fahrverbots könne zudem ausgeschlossen werden, dass diese dem Betroffenen nach dieser überschaubaren Zeitspanne in Vergessenheit geraten sei. Durch die erneute Begehung einer straßenverkehrsrechtlichen Ordnungswidrigkeit habe er vielmehr nachdrücklich zum Ausdruck gebracht, dass er sich die Ahndung nicht habe zur Warnung dienen lassen, weshalb auch unter Berücksichtigung der Teilnahme an der verkehrspsychologischen Maßnahme eine Erhöhung des Regelsatzes angezeigt sei.

III. Bedeutung für die Praxis

Welche Umstände sind gegeben?

„Im Ergebnis keinen Erfolg“, oder: Ausgang wie das Hornberger Schießen. Denn es bleibt trotz der Rüge des OLG an den amtsgerichtlichen Erwägungen zur Höhe der Geldbuße bei der (erhöhten) Geldbuße von 100 EUR. Aber dennoch: Die Entscheidung ist für die Praxis interessant, denn soweit ersichtlich ist es eine der wenigen Entscheidungen, die zu der vom OLG entschiedenen Frage vorliegen. Danach ist festzugalten, dass die Teilnahme an einer freiwilligen verkehrspsychologischen Maßnahme Auswirkungen nicht nur auf das Fahrverbot haben kann, sondern auch auf die Höhe der Geldbuße. Zwar führt nach Auffassung des OLG nicht allein dieser Umstand zu einer Reduzierung der Geldbuße, aber im Rahmen einer Gesamtwürdigung ist der Umstand zu berücksichtigen. Dabei scheint das OLG die Maßstäbe wie beim Fahrverbot anlegen zu wollen. Entscheidend wird in dem Zusammenhang sein, ob der Betroffene Ersttäter war – was er hier nicht war – und ob er ein Geständnis abgelegt hat, was hier der Fall war. Daneben werden auch die Tatumstände eine Rolle spielen. Diese Umstände muss der Verteidiger, der eine Reduzierung der Geldbuße anstrebt, im Auge haben, wenn er dem Mandaten zu einer Teilnahme an einer verkehrspsychologischen Maßnahme rät.

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

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