Beitrag

Überprüfungspflicht beim beA-Versand

Die Kontrolle der ordnungsgemäßen Übermittlung eines fristgebundenen Schriftsatzes (hier: Berufungsbegründung) über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) erfordert auch die Prüfung anhand des zuvor sinnvoll vergebenen Dateinamens, ob sich die erhaltene automatisierte Eingangsbestätigung gemäß § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO auf die Datei mit dem Schriftsatz bezieht, dessen Übermittlung erfolgen sollte. (Leitsatz des Gerichts)

BGH, Beschl. v. 21.3.2023VIII ZB 80/22

I. Sachverhalt

Verlängerte Berufungsbegründungsfrist …

Der Kläger nimmt den Beklagten nach Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses wegen Zahlungsverzugs auf Räumung und Herausgabe in Anspruch. Das AG hat der hierauf gerichteten Klage stattgegeben. Gegen das Urteil hat der Beklagte fristgerecht Berufung eingelegt. Mit einem am 12.1.2022 mittels des beA eingereichten Schriftsatz vom 11.1.2022 hat er um Mitteilung gebeten, ob dem in der Berufungsschrift gestellten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist stattgegeben worden sei. Mit Verfügung vom 17.1.2022 hat das Berufungsgericht die Frist zur Berufungsbegründung antragsgemäß bis zum 2.3.2022 verlängert und dies den Prozessbevollmächtigten der Parteien mitgeteilt.

… wird versäumt

Am 25.2.2022 wurde dem Berufungsgericht per beA (erneut) der anwaltliche Schriftsatz des Beklagten vom 11.1.2022 (Dateiname „M_89_21_LG_Bln_SS_11_01_22.pdf.p7s“), dieses Mal nebst einer Ablichtung der Geburtsurkunde für die Tochter des Beklagten, übermittelt. Nachdem das Berufungsgericht am 23.3.2022 darauf hingewiesen hatte, dass bis zum Ablauf der Berufungsbegründungsfrist eine Berufungsbegründung nicht eingegangen sei, hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten am 29.3.2022 per beA einen Schriftsatz vom 23.2.2022 mit der Berufungsbegründung eingereicht und zudem Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

Rechtsbeschwerde ohne Erfolg

Das Berufungsgericht hat – nach vorherigem Hinweis – den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten, die keinen Erfolg hatte.

II. Entscheidung

Wiedereinsetzung zu Recht abgelehnt

Anders als der Beklagte meine, erfordere die Sache keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) auch nicht wegen der Versagung einer Wiedereinsetzung des Beklagten in die versäumte Berufungsbegründungsfrist. Das Berufungsgericht habe den Wiedereinsetzungsantrag des Beklagten zu Recht und ohne Verletzung von Verfahrensgrundrechte zurückgewiesen, da die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist auf einem dem Beklagten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden anwaltlichen Verschulden bei der Ausgangskontrolle fristgebundener Schriftsätze in der Kanzlei seines Prozessbevollmächtigten beruht.

Organisatorische Vorkehrungen

Ein Rechtsanwalt habe durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt wird und innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen mittels beA entsprächen dabei nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH denjenigen bei der Übersendung von Schriftsätzen per Telefax. Auch hier sei es unerlässlich, den Versandvorgang zu überprüfen (vgl. nur BGH, Beschl. v. 11.5.2021 – VIII ZB 9/20, NJW 2021, 2201; vom 29.9.2021 – VII ZR 94/21, NJW 2021, 3471; vom 20. 9. 2022 – XI ZB 14/22, NJW 2022, 3715; v. 11.1.2023 – IV ZB 23/21). Die Kontrollpflichten umfassen dabei auch die Überprüfung der nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO übermittelten automatisierten Eingangsbestätigung des Gerichts. Sie erstrecken sich unter anderem darauf, ob die Übermittlung vollständig und an das richtige Gericht erfolgt sei sowie – wovon auch die Rechtsbeschwerde ausgehe – ob die richtige Datei übermittelt worden sei (vgl. u.a. BGH, Beschl. v. 20.9.2022 – XI ZB 14/22, a.a.O.). Das Berufungsgericht habe im Einklang mit diesen Grundsätzen und entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ohne Überspannung der Anforderungen an die den Rechtsanwalt treffende Verpflichtung zur Überprüfung einer erfolgreichen Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per beA angenommen, dass nach dem Tatsachenvorbringen des Beklagten im Wiedereinsetzungsverfahren die von seinem Prozessbevollmächtigten selbst vorgenommene Ausgangskontrolle unzureichend gewesen sei.

Prüfung anhand des zuvor vergebenen Dateinamens

Zu Recht und ohne Überspannung der anwaltlichen Sorgfaltspflichten habe das Berufungsgericht beanstandet, dass der Prozessbevollmächtigte des Beklagten sich bei seiner Prüfung, ob auch das richtige Dokument übermittelt worden sei, allein auf die im Übermittlungsprotokoll enthaltene Angabe zur „Bezeichnung“ des Dokuments in der Rubrik „Anhänge“ verlassen und dem dort gleichfalls angegebenen Namen der versandten Datei keine, jedenfalls nicht die für die Überprüfung gebotene Bedeutung beigemessen habe. Die anwaltliche Sorgfalt bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze mittels beA erfordere eine Prüfung anhand des zuvor vergebenen Dateinamens, ob sich die automatisierte elektronische Eingangsbestätigung des Gerichts auch auf die Datei mit dem Schriftsatz bezieht, dessen Übermittlung erfolgen sollte (vgl. hierzu BGH NJW 2020, 1809; NJW 2022, 3715 m.w.N.; siehe auch Bacher MDR 2022, 1441, 1446). Dies rechtfertige sich daraus, dass bei einem Versand über beA – anders als bei einem solchen über Telefax, bei dem das Original des Schriftsatzes zur Übermittlung in das Telefax-Gerät eingelegt wird – eine Identifizierung des zu übersendenden Dokuments nicht mittels einfacher Sichtkontrolle möglich sei und deshalb eine Verwechslung mit anderen Dokumenten, deren Übersendung nicht beabsichtigt sei, nicht von vornherein ausgeschlossen werden könne (vgl. OLG Dresden, NJW 2021, 2665, 2667). Dem Rechtsanwalt werden damit auch keine unzumutbaren Überprüfungspflichten auferlegt.

Diesen Anforderungen ist die Ausgangskontrolle des Prozessbevollmächtigten des Beklagten unter Zugrundelegung des Wiedereinsetzungsvortrags nicht gerecht geworden. Gemäß diesem Vorbringen habe der Prozessbevollmächtigte insoweit im Übermittlungsprotokoll lediglich die Spalte „Bezeichnung“ unter der Überschrift „Anhänge“ geprüft und dabei auf die Richtigkeit der dort von der Kanzleiangestellten gemachten Angabe „Berufungsbegründung“ vertraut. Diese Spalte enthalte aber nicht den Dateinamen, sondern ermögliche es dem Verfasser der beA-Nachricht, beim Hochladen der als Anlage ausgewählten Datei einen beliebigen Text zur näheren Beschreibung des Dateiinhalts hinzuzufügen. Da dieser Text erst nachfolgend zum Erstellen und Abspeichern der Datei und regelmäßig aufgrund einer bestimmten Vorstellung des Verfassers der beA-Nachricht von dem – vermeintlichen – Inhalt der zum Versand ausgewählten Datei vergeben werde, weise die in der Spalte „Bezeichnung“ gemachte Angabe weniger zuverlässig als der zuvor vergebene Dateiname auf den tatsächlichen Inhalt des Dokuments hin, was sich anschaulich in den Fällen der versehentlichen Auswahl einer anderen Datei durch ein „Verklicken“ beim Hochladen zeigt. Dem in der maßgeblichen benachbarten Spalte – wenn auch verkürzt – aufgeführten Dateinamen des angehängten Dokuments habe der Prozessbevollmächtigte hingegen keine, jedenfalls aber nicht die gebotene Bedeutung beigemessen.

III. Bedeutung für die Praxis

Augen auf

Der BGH setzt mit dem Beschluss seine Rechtsprechung zu den Anforderungen an den Rechtsanwalt bei beA-Nutzung konsequent fort. Insoweit gilt „Augen auf“. Denn der Rechtsanwalt (auch) kontrollieren, was übermittelt worden ist. Dazu sollte man sich die übermittelten Dokumente im beA-Ausgangspostfach oder in betriebenen Anwaltsprogramm besser noch einmal ansehen. Ansonsten droht – wie hier – Fristversäumung. Und: Man vergibt besser eindeutige Dateinamen, anhand derer klar zu erkennen ist, was übermittelt wurde.

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

Diesen Beitrag teilen

Facebook
Twitter
WhatsApp
LinkedIn
E-Mail

Unser KI-Spezial

Erfahren Sie hier mehr über Künstliche Intelligenz – u.a. moderne Chatbots und KI-basierte…