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Reichweite der Haftung eines rollenden Anhängers

1. Auch für die Zurechnung der Betriebsgefahr eines Anhängers kommt es maßgeblich darauf an, dass die Schadensursache in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung steht und der Betrieb dauert fort, solange der Anhänger im Verkehr belassen wird und dadurch eine Gefahrenlage fortbesteht.

2. Wird ein Schaden an einem Gebäude dadurch verursacht, dass der auf der Straße abgestellte und infolge eines Anstoßes durch ein Drittfahrzeug ins Rollen geratene Anhänger gegen das Gebäude prallt, hat sich in diesem Geschehen die aus der Konstruktion des Anhängers resultierende Gefahr einer unkontrollierten Bewegung durch Einwirkung von Fremdkräften resultierende Gefahr einer unkontrollierten Bewegung verwirklicht, die vom Schutzzweck des § 7 StVG erfasst wird.

BGH, Urt. v. 7.2.2023VI ZR 87/22

I. Sachverhalt

Anhänger wird im Verkehrsraum durch Kollision fortbewegt

Am Unfalltag war der bei der beklagten Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung versicherte Anhänger ordnungsgemäß auf einer Straße abgestellt. Ein drittes Fahrzeug kam in einer Linkskurve nach rechts von der Fahrbahn ab und stieß gegen den Anhänger. Durch den Aufprall rollte der Anhänger nach vorne und stieß gegen das bei der Klägerin als Gebäudeversicherung versicherte Gebäudeteil, die nunmehr die Kraftfahrzeugversicherung des Anhängers in Regress genommen hat. Diese verneinte eine Zahlung mit dem Hinweis, es habe sich nicht die Betriebsgefahr des Anhängers, sondern alleine des Drittfahrzeuges verwirklicht.

II. Entscheidung

Betrieb dauert bei Belassen des Anhängers im Straßenverkehr fort

Diese Auffassung teilt der BGH nicht. Er wies noch einmal darauf hin, dass für die Zurechnung der Betriebsgefahr entscheidend ist, dass die Schadensursache in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung steht. Nach Auffassung des BGH dauert der Betrieb dabei so lange fort, solange der Fahrer das Fahrzeug im Verkehr belässt und sich dadurch eine geschaffene Gefahrenlage weiter realisieren kann. Dies gelte sowohl für Kraftfahrzeuge als auch für Anhänger.

Betriebsgefahr zeigt sich bei Fortbewegung

In dem vorliegenden Geschehen habe sich die aus der Konstruktion des Anhängers resultierende Gefahr einer unkontrollierten Bewegung verwirklicht, die durch eine fremde Kraft entstanden ist. Von dem Anhänger würde dabei, da er im öffentlichen Verkehrsraum abgestellt war, weiterhin eine Gefahr ausgehen.

Beitrag des dritten Kfz nur für Gesamtschuldnerausgleich bedeutsam

Alleine der Umstand, dass eine entscheidende Ursache auch in einem dritten Kfz liegt, steht der Haftung des Halters des Anhängers aus der Betriebsgefahr nicht entgegen, sondern begründet allenfalls einen Umstand, der bei einer gesamtschuldnerischen Haftung für einen Innenausgleich der beteiligten Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung von Bedeutung sein kann. Auch das Argument, der Schaden hätte ansonsten beispielsweise auch durch einen Müllcontainer auf Rollen auf die gleiche Weise entstehen kann, der keine Betriebsgefahr habe, überzeugt aus Sicht des BGH nicht – denn er geht davon aus, dass die Einstandspflicht des Halters auf sogenannte fahrzeugspezifische Gefahren in dem Sinne beschränkt wäre, dass nur die Schäden erfasst werden sollen, die durch ein Kfz selbst verursacht werden können.

III. Bedeutung für die Praxis

Der BGH hebt noch einmal seine Rechtsprechung hervor, die zu einer weiten Haftung führt, solange die Schadensursache in einem örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung steht und betont dabei erneut, dass diese Haftung auch für einen Anhänger gilt (vgl. BGH, Urt. v. 11.2.2020 – VI ZR 286/19). Konsequent ist daher eine Haftung bei dem in Bewegung geratenen Anhänger bejaht worden – und zwar unabhängig davon, welche Einwirkung von außen den Anhänger in Bewegung gesetzt hat. Es kommt dann auch nicht darauf an, ob der Schaden beispielsweise durch einen anderen Gegenstand „auf Rollen“ gleichermaßen verursacht worden hätte sein können.

RA Dr. Michael Nugel, FA für Verkehrsrecht und Versicherungsrecht, Essen

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